Betrachtung über Jakobus (Synopsis)
Kapitel 1
Der Brief beginnt mit einer Aufforderung, sich der Trübsal zu freuen, da diese ein Mittel sei, Ausharren zu bewirken. Das ist in der Hauptsache der Gegenstand bis zum Ende des 20. Verses, dann geht der Gedankengang über zur Hervorhebung der Notwendigkeit, alles im Zaum zu halten, was sich dem Ausharren widersetzen will, und der wahre Charakter einer Seele wird beschrieben, die sich in der Gegenwart Gottes befindet. Diese Ansprache endet, als ein Ganzes betrachtet, mit dem Kapitel. Der Zusammenhang der Beweisführungen ist nicht immer leicht zu finden; der Schlüssel dazu ist der sittliche Zustand, mit dem der Geist des Schreibers sich beschäftigt. Ich will versuchen, jenen Zusammenhang etwas verständlicher zu machen.
Der Gegenstand, um den es sich handelt, ist der Hauptsache nach dieser: Wir sollten so vor Gott wandeln, dass wir die Wirklichkeit unseres Bekenntnisses im Gegensatz zu einer Verbindung mit der Welt zeigen; mit einem Wort: praktische Religion. Das Ausharren muss daher ein vollkommenes Werk haben; auf diesem Weg wird der Eigenwille bezwungen und der Wille Gottes gänzlich angenommen. Infolgedessen mangelt dann nichts für das praktische Leben der Seele. Der Gläubige mag zu leiden haben, aber er harrt geduldig auf den Herrn. Das hat Christus getan. Darin bestand seine Vollkommenheit. Er wartete auf den Willen Gottes und tat nie seinen eigenen Willen: so war der Gehorsam vollkommen, und der Mensch wurde völlig erprobt. Aber tatsächlich mangelt uns oft Weisheit, um zu wissen, was wir tun sollen. Doch das Hilfsmittel hierfür liegt auf der Hand: wir müssen von Gott Weisheit erbitten. Er gibt allen willig; nur müssen wir auf seine Treue rechnen und auf eine Beantwortung unserer Gebete. Anders ist das Herz geteilt; das Vertrauen ruht dann anderswo als auf Gott, unsere Wünsche haben einen anderen Gegenstand. Wenn wir nur das suchen, was Gott will und was Er tut, dann setzen wir sicherlich unsere Zuversicht auf Ihn, dass Er seinen Willen erfüllen wird. Und was die Umstände dieser Welt betrifft, die einen glauben machen möchten, es sei nutzlos, auf Gott zu vertrauen, so vergehen sie wie des Grases Blume. Wir sollten das Bewusstsein besitzen, dass der Platz, den wir Gott gemäß einnehmen, nicht das ist, was von der Welt ist. Wer sich in einer niedrigen Stellung befindet, sollte sich dessen rühmen, dass das Christentum ihn erhöht, der Reiche, dass es ihn erniedrigt. Nicht in den Reichtümern sollten wir uns freuen (sie vergehen), sondern in den Herzensübungen, von denen der Apostel gesprochen hatte; denn nachdem wir bewährt sind, werden wir die Krone des Lebens empfangen.
Das Leben eines Menschen, der also bewährt ist, und in dem sich dieses Leben im Gehorsam gegen den ganzen Willen Gottes entfaltet, ist wahrlich das Leben eines Mannes wert, der in äußerem Wohlleben alle Wünsche seines Herzens befriedigt.
Was nun die Versuchungen dieser letzten Art angeht zu denen die Lüste des Herzens die Menschen verlocken, so darf niemand sagen, dass diese Lüste von Gott kommen: das menschliche Herz ist deren Quelle; es sind die Lüste des Herzens, die durch die Sünde zum Tode führen. Möge sich niemand über diesen Punkt einer Täuschung hingeben! Das, was innerlich das Herz versucht, kommt von einem selbst. Alle guten und vollkommenen Gaben kommen von Gott; und bei Ihm ist keine Veränderung, Er tut nur, was gut ist. Dementsprechend hat Er uns eine neue Natur gegeben, die Frucht seines eigenen Willens, der durch das Wort der Wahrheit in uns wirkt, damit wir gewissermaßen Erstlingsfrüchte seiner Geschöpfe seien. Er ist der Vater der Lichter. Wie könnte das, was Finsternis ist, von Ihm kommen? Durch das Wort der Wahrheit hat Er uns gezeugt, damit wir die ersten und ausgezeichnetsten Zeugen von jener Macht des Guten seien, die dereinst ans Licht treten wird in der neuen Schöpfung, deren Erstlingsfrüchte wir sind. Das ist das Gegenteil davon, die Quelle verderbter Begierden zu sein. Das Wort der Wahrheit ist der gute Same des Lebens. Eigenwille ist die Wiege unserer Lüste, und seine Energie kann nie die Früchte der göttlichen Natur hervorbringen, noch eines Mannes Zorn die Gerechtigkeit Gottes wirken. Deshalb sind wir berufen, sanftmütig zu sein, schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn; wir sollen alle Unsauberkeit des Fleisches ablegen, samt aller Energie der Ungerechtigkeit, und das Wort mit Sanftmut empfangen. Dieses Wort ist das Wort Gottes. Zugleich macht es sich eins mit der neuen Natur in uns (es ist in uns eingepflanzt), indem es sie bildet und entwickelt nach seiner eigenen Vollkommenheit; denn diese Natur selbst hat ihren Ursprung in Gott, und zwar mittels des Wortes. Dieses Wort ist nicht wie ein Gesetz, das außerhalb von uns ist, und das, da es unserer sündigen Natur entgegen ist, uns verdammt. Nein, es rettet die Seele, es ist lebendig und lebendig machend, und es wirkt mit lebendiger Kraft in einer Natur, die ihm entströmt, und die es bildet und erleuchtet.
Aber wir dürfen das Wort nicht nur mit dem Ohr hören. Es ist notwendig, dass wir auch Täter desselben sind. Es muss die praktischen Früchte hervorbringen, die den Beweis liefern, dass es wirklich und lebendig in unseren Herzen wirkt. Sonst ist das Wort nur wie ein Spiegel, in dem wir uns vielleicht für einen Augenblick betrachten, dann aber wieder vergessen, was wir gesehen haben. Wer in das vollkommene Gesetz, das der Freiheit, hineinschaut und darin bleibt, indem er das Werk tut, das es darstellt, wird gesegnet sein in der wahren, gehorsamen Tätigkeit, die in ihm zur Entfaltung kommt.
Dieses Gesetz ist vollkommen; denn das Wort Gottes, alles, was der Geist Gottes geäußert hat, ist der Ausdruck der Natur und des Charakters Gottes, dessen, was Er ist und dessen, was Er will: denn wenn Gott völlig offenbart ist (und bis dahin kann der Mensch Ihn nicht völlig erkennen), will Er notwendigerweise das, was Er ist.
Dieses Gesetz ist das Gesetz der Freiheit, weil dasselbe Wort, das offenbart, was Gott ist und was will, uns durch Gnade der göttlichen Natur teilhaftig gemacht hat, so dass ein Nicht-Wandeln jenem Wort gemäß ein Nicht-Wandeln nach unserer eigenen neuen Natur bedeuten würde. Nun, zu wandeln nach unserer eigenen neuen Natur, das ist nach der Natur Gottes, und unter der Leitung seines Wortes, das ist wahre Freiheit.
Das auf dem Berg Sinai gegebene Gesetz, das nicht ins Herz, sondern außerhalb des Menschen auf steinerne Tafeln geschrieben wurde, war der Ausdruck dessen, was der Wandel und das Herz des Menschen nach dem Willen Gottes sein sollte. Es unterdrückt und verurteilt alle Regungen des natürlichen Menschen und kann ihm keinen eigenen Willen erlauben, denn er sollte den Willen Gottes tun. Aber er hat nun einmal einen anderen Willen, und deswegen ist das Gesetz Knechtschaft für ihn, ein Gesetz der Verdammnis und des Todes. Jetzt nun, nachdem Gott uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt hat, besitzt die Natur, die wir als solche haben, die aus Gott geboren sind, Geschmacksrichtungen und Wünsche, die jenem Wort entsprechen; sie ist eben von jenem Wort. Das Wort entwickelt seiner eigenen Vollkommenheit gemäß diese Natur, bildet und erleuchtet sie, wie wir bereits sagten; aber die Natur selbst findet ihre Freiheit darin, dass sie dem folgt, was dieses Wort ausdrückt. So war es mit Christus; wenn Ihm seine Freiheit hätte genommen werden können (was in geistlichem Sinn unmöglich war), so würde das dadurch geschehen sein, dass man Ihn verhindert hätte, den Willen Gottes, des Vaters, zu tun.
Es ist dasselbe mit dem neuen Menschen in uns (dieser neue Mensch ist Christus als Leben in uns), der in uns geschaffen ist Gott gemäß in Gerechtigkeit und wahrhaftiger Heiligkeit – Eigenschaften, die in uns hervorgebracht sind durch das Wort, das die vollkommene Offenbarung Gottes, der ganzen göttlichen Natur im Menschen ist; Darstellung und Muster hiervon ist Christus, das lebendige Wort, das Bild des unsichtbaren Gottes. Die Freiheit des neuen Menschen ist eine Freiheit, den Willen Gottes zu tun, Gott in seinem Charakter nachzuahmen (als sein geliebtes Kind), so wie dieser Charakter in Christus zur Darstellung gekommen ist. Das Gesetz der Freiheit ist dieser Charakter, wie er in dem Wort offenbart worden ist, worin die neue Natur ihre Freude und Befriedigung findet, geradeso wie sie ihr Bestehen dem Wort entlehnt hat, das Ihn offenbart, sowie dem Gott, der darin offenbart ist.
Das also ist „das Gesetz der Freiheit“ (V. 25), der Charakter Gottes selbst, der in uns gestaltet wird durch die Wirksamkeit einer Natur, die das Wort, das Ihn offenbart, erzeugt hat und der sich nach diesem Wort bildet.
Der erste und genaueste Gradmesser für den Zustand des inneren Menschen ist die Zunge. Ein Mensch, der den Anschein hat, in Verbindung mit Gott zu stehen und Ihn zu ehren, der aber dennoch seine Zunge nicht zu zügeln vermag, betrügt sich selbst, und sein Gottesdienst ist eitel.
Ein reiner und unbefleckter Gottesdienst vor Gott und dem Vater ist dies: für solche zu sorgen, die in ihren innigsten Lebensbeziehungen von dem Lohn der Sünde getroffen worden und nun ihrer natürlichen Stützen beraubt sind; ferner, sich selbst unbefleckt von der Welt zu erhalten. Anstatt danach zu streben, uns selbst zu erhöhen und in einer Welt der Eitelkeit, fern von Gott, Ansehen zu erringen, wendet sich unsere Tätigkeit (wie bei Gott selbst) den Elenden zu, die in ihrem Unglück der Hilfe bedürfen; und wir halten uns fern von einer Welt, in der alles befleckt ist und die im Widerspruch steht zu der neuen Natur, die unser Leben ist, sowie zu dem Charakter Gottes, wie wir ihn durch das Wort kennen.