Die Offenbarung
Kapitel 3
Der Versammlung in Sardes stellt der Herr sich vor als der, der nicht nur sieben Sterne hat, wie vorher erwähnt, sondern auch die sieben Geister Gottes. Das ist ein neues Merkmal. Von ihnen hieß es in Kapitel 1,4, daß sie „vor seinem Thron“ sind, doch jetzt erfahren wir, daß Christus sie besitzt. Sein ist die Fülle der Macht des Geistes zur Regierung dieser Erde, entsprechend Jesaja 11,2. Und Er besitzt nicht nur Macht, sondern auch lebenspendende Kraft. Eben darauf kommt es hier an bei der Beurteilung einer Versammlung, die tot war trotz des Namens, daß sie lebe. Tod kennzeichnete ihren allgemeinen Zustand, doch gab es noch Elemente in ihrer Mitte, die nicht tot, aber nahe daran waren zu sterben, und diese konnten gestärkt werden, wenn die Versammlung wachsam war.
Wir können nicht daran zweifeln, daß wir hier, prophetisch gesehen, eine erstaunliche Schilderung jenes politischen Typs des Protestantismus haben, wie er der Reformation entsprang. Wir sind davon überzeugt, daß die Reformation als Ganzes ein mächtiges Werk des Geistes Gottes war, doch wir können nicht umhin, zu erkennen, daß sie von Anfang an durch einen starken Einfluß weltlicher Politik geschwächt wurde, gepaart damit, daß man sich vielfach auf irdische Machthaber und sogar die Kraft der Waffen stützte. Das hatte zur Folge, daß das weltliche Element weitgehend das geistliche unterdrückte, was dazu führte, daß in Sardes die Werke nicht „völlig vor Gott“ erfunden wurden. Aufrichtige Männer wirkten hier, aber ihre Werke wurden gehemmt und erreichten keine Vollkommenheit. Sie hatten weit mehr „empfangen und gehört“, als je in ihren Werken zum Ausdruck kam.
Sardes wird aufgerufen, sich dessen zu erinnern, was ihnen anvertraut worden war, und das zu bewahren und Buße zu tun; das heißt, sich im Licht des Anvertrauten zu beurteilen. Dies würde natürlich zu einem Bekenntnis hinsichtlich ihrer Werke führen, daß sie nicht dem entsprachen, was sie empfangen hatten. Wenn sie also nicht aus dem tödlichen Schlaf aufwachten und wachsam wurden, dann würden sie von der Ankunft des Herrn überrascht werden, genauso wie die Welt. In geistlichen Tod versunken wie die Welt, würde der Herr mit ihnen in der gleichen Weise wie mit der Welt handeln. Dieser Hinweis macht deutlich, daß auch Sardes bis zum zweiten Kommen andauern wird.
Vers 4 zeigt, daß eine Verbindung mit der Welt Befleckung bedeutet. Aber es gab einige wenige in Sardes, die sich davon ferngehalten hatten, und die ihnen geltende Verheißung scheint sie den Überwindern des nächsten Verses gleichzusetzen. Wieder einmal scheint die Tugend des Überwinders von negativer Art zu sein, aber wenn Befleckungen durch die Welt den allgemeinen Zustand kennzeichnen, dann ist es keine kleine Sache, sich davon rein zu erhalten, und der Herr anerkennt es. Ihre Reinheit wird an einem künftigen Tag offenbar sein. Ihre Namen werden im Buch des Lebens stehen, und der Herr wird sie vor Seinem Gott und Vater bekennen.
Wir brauchen dringend ein Ohr, diese Mitteilungen zu hören, denn ein politischer Protestantismus umgibt uns, und es ist eher wahrscheinlich, daß wir von ihm angesteckt werden als von dem verderbten römischen System. Sind wir uns bewußt, daß wir, da das Fleisch noch in uns ist, der beständigen niederziehenden Versuchung ausgesetzt sind, eine Religionsform anzunehmen, die von der Welt verstanden und sogar begünstigt wird? In Sardes zu überwinden, setzt geistliche Lebendigkeit und ebensosehr Reinheit voraus.
Der Versammlung in Philadelphia zeigt der Herr sich in Charakterzügen, die in diesem Buch neu sind. Es kennzeichnet Ihn jene innere Heiligkeit, die alles Böse zurückweist, Wahrhaftigkeit, die alles Unechte entlarvt, und Er hat den Schlüssel, der jede Tür öffnet oder schließt. Offensichtlich wird hier auf Jesaja 22,20-23 Bezug genommen, wo Eljakim in gewissem Sinn den kommenden Messias abbildet. Philadelphia hat, wie die Versammlung in Smyrna, Widerstand zu ertragen, und den Herrn in dieser Weise zu kennen, würde zugleich Aufforderung und Hilfe sein: eine Aufforderung, wenn Seine Heiligkeit und Wahrhaftigkeit vor ihnen stand, eine Hilfe, wenn sie bedachten, daß alles Ihm unterworfen war.
Der Herr kannte ihre Werke, und wie alle übrigen Versammlungen wird Philadelphia danach beurteilt. Nicht das Bekenntnis, das wir ablegen, sondern die Werke, die wir tun, sind der entscheidende Punkt. Die Werke, die wir tun, zeigen am besten, was wir glauben. Der Herr kennt ihre Werke und hält ihnen zugute, daß sie eine kleine Kraft haben, Sein Wort bewahren und Seinen Namen nicht verleugnen. Wir erinnern uns vielleicht daran, daß der Herr in Seiner Abschiedsrede an Seine Jünger (Johannes 14) sowohl Seinen Namen als auch Sein Wort nachdrücklich hervorhebt. Die Jünger wurden zurückgelassen, hatten aber den Zugang zum Vater in Seinem Namen, und Er gab ihnen Seine Gebote und Sein Wort, damit sie sie halten sollten.
Als die Haushaltung des Gesetzes sich ihrem Ende zuneigte, wurde Maleachi inspiriert, die Gottesfürchtigen in Israel aufzurufen, sich der Satzungen und Rechte zu erinnern, die durch Mose gegeben worden waren, und in Lukas 1 finden wir ein frommes Ehepaar, das „untadelig in allen Geboten und Satzungen des Herrn wandelte“. Wenn sich die prophetische Sicht auf die Kirchengeschichte ihrem Abschluß nähert, tritt Ähnliches vor uns. Doch selbst dann schreibt der Herr Philadelphia keine große Kraft zu. Er spricht von einer kleinen Kraft, und wir tun gut, uns daran zu erinnern. Sein Wort zu bewahren, soweit es bekannt ist, und Seinen Namen nicht zu verleugnen, ist nicht das Höchste, sondern ein Mindestes, das Er von denen erwartet, die Ihn wirklich lieben.
Wir haben schon früher bemerkt, daß Smyrna und Philadelphia die beiden Versammlungen von den sieben sind, die mit keinem Wort des Tadels bedacht werden. Jetzt stellen wir fest, daß beide der gleichen Art religiöser Gegnerschaft ausgesetzt sind. Wieder tauchen solche auf, die die Synagoge Satans sind und fälschlicherweise beanspruchen, Juden zu sein. In den Tagen des Paulus verwandelte sich Satan selbst in einen Engel des Lichts, so ist es nichts Neues für ihn, unter einem religiösen Gewand aufzutreten. Smyrna wurde gegenüber den Schmähungen dieser Menschen befestigt, und Philadelphia wird ermutigt mit der Zusicherung, daß eine Zeit der Rechtfertigung sicherlich kommt, wo die Liebe des Herrn offenbar sein wird. Ein Christ in dem Charakter von Philadelphia kann die Zusicherung und den Genuß dieser Liebe haben, während er den Tag erwartet, wo sie öffentlich ans Licht treten wird.
Das führt uns zu dem, was wir in Vers 10 finden. Der Tag der Rechtfertigung und Offenbarung ist künftig, sowohl für den Herrn als auch für Seine Heiligen. Gegenwärtig ist der Tag Seines und ihres Ausharrens, denn Er greift heute nicht öffentlich in den Ablauf der Tage des Menschen ein. Für den Augenblick hat Er die Verwerfung angenommen, die Ihm zuteil wurde, und Er sitzt zur Rechten des Vaters, ausharrend, bis die Stunde schlägt, wo Er das Reich antreten wird. Das Wort Seines Ausharrens hat uns erreicht, und wir haben es zu bewahren, indem wir unser ganzes Sinnen und unsere Lebensführung darauf abstimmen. Das hatten die Gläubigen in Philadelphia getan, und sie werden ermutigt durch die Zusicherung, daß der Herr unterscheiden würde zwischen ihnen und „denen, die auf der Erde wohnen“. Letztere sind eine Klasse von Menschen, die in diesem Buch verschiedentlich erwähnt werden – Menschen, die mit denen verwandt sind, „die auf das Irdische sinnen“, vor denen Paulus die Gläubigen in Philippi warnt. Die Christen sind zu einem „Bürgertum in den Himmeln“ berufen, was das genaue Gegenteil davon ist.
Die, die auf der Erde wohnen, sind von der Welt, und sie müssen mit dem Zorn Gottes rechnen, den Er in Seinen Regierungswegen über die Welt bringen wird. Davon werden die Gläubigen in Philadelphia gänzlich verschont werden. Sie werden nicht nur vor der Drangsal bewahrt werden, sondern auch deren Stunde nicht miterleben, das heißt, sie stehen außerhalb der begrenzten Zeitperiode, in die sie fällt. Das gewaltige Ereignis, das wir in 1. Thessalonicher 4,16.17 beschrieben finden, wird stattfinden – das erste Ereignis in Verbindung mit Seiner zweiten Ankunft –, und von dieser Ankunft spricht Vers 11.
Der Herr anerkennt dann, daß Philadelphia gewisse Dinge besitzt. Ausdrücklich befiehlt Er: „Halte fest!“ Sie waren kein Volk, das große Kraft besaß und von einer Eroberung zur anderen fortschritt. Sie verfügten auch nicht über große Besitztümer, die noch beständig durch neue Erwerbungen an Licht und Einsicht hätten vermehrt werden können. Aber das, was sie hatten, sollten sie festhalten. Durchaus keine geringe Aufgabe! Wie häufig sehen wir in der Geschichte des Volkes Gottes Christen, die dessen, was sie einst hatten, beraubt werden, und das unter dem verlockenden Vorwand, alle Energien im Streben nach neuartigen Dingen einzusetzen. In dieser Weise wurden auch die frühesten Irrlehren eingeführt, wie wir aus 2. Johannes 9 sehen. Jene Gnostiker blieben nicht in der Lehre des Christus, gaben aber vor, zu einem tieferen Verständnis vorzudringen.
Die Verheißung an den Überwinder ist in bildliche Ausdrücke gekleidet. Eine Säule spricht von Tragkraft, und Inschriften wurden darauf angebracht. Der Überwinder, der hier nur eine geringe Kraft hatte und außerhalb der Synagoge derer stand, die sagten, sie seien Juden, soll eine starke Säule im Tempel Gottes werden und nie mehr hinausgehen. Und er soll beschrieben sein zu einem Zeugnis für Gott, für die Stadt Gottes und für Christus selbst. Erst in Kapitel 21 werden wir die Stadt Gottes beschrieben finden, doch ist sie offensichtlich ein Symbol für die Kirche als Zentrum der himmlischen Verwaltung. Die vierfache Wiederholung des Ausdrucks „mein Gott“ ist in diesem Vers sehr auffallend. Gott ist uns bekannt als „der Gott unseres Herrn Jesus Christus“, und Er ist „der Vater der Herrlichkeit“ (Eph 1,17). Diese Herrlichkeit steht vor uns in unserem Vers, und wir sind mit Christus verbunden und durch Ihn mit Gott.
Vers 11 macht deutlich, daß Philadelphia in seiner prophetischen Bedeutung fortbestehen wird bis zum Kommen des Herrn. Da jede der vier letzten Versammlungen bis zu Seinem Kommen andauert, glauben wir, daß sie vier Phasen oder Zustände darstellen, die sich in der gegebenen Reihenfolge entwickelt haben und bis zum Ende bestehen bleiben. Der thyatirische Zustand kann mit Bestimmtheit in dem römischen System ausgemacht werden, aus dem Tochtersysteme hervorgehen. Gleicherweise ist Sardes dem politischen und nationalen Protestantismus gleichzusetzen, der sich in späteren Jahrhunderten von den schlimmeren Greueln Roms trennte. Philadelphia folgt, zeigt aber eine Phase an, die nicht in derselben Weise festzulegen ist. Wir können nicht auf irgendeine Körperschaft von Gläubigen oder eine Gruppe hinweisen, die solche Merkmale entfaltet, wie wir sie soeben betrachtet haben, so daß wir auf sie zeigen und sagen könnten: Da haben wir, was Philadelphia darstellt. Es liegt heute schon viele Jahre zurück, daß gewisse Gläubige anfingen zu denken und zu sagen, sie wären Philadelphia, als dann jemand, der weiser war als sie, eine Warnung an sie richtete in dem Sinn, daß solche Ansprüche nur zu einem Abgleiten nach Laodizäa führen würden.
Gleicherweise müssen wir bei Laodizäa feststellen, daß es nicht eine sichtbare Körperschaft beschreibt, die wir benennen können. Es schildert vielmehr eine Phase oder einen Zustand, der am Ende der Geschichte klar ausgeprägt in Erscheinung treten wird. Es hat während der letzten zweihundert Jahre ein gnädiges Werk der Wiederbelebung in der bekennenden Kirche gegeben, das in nicht wenigen Gegenden ein solches Maß an Treue und Hingebung bewirkt hat, wie wir das in Philadelphia sehen, und möge Gott es schenken, daß wir – der Schreiber wie die Leser – unter ihnen sein möchten. Doch während des letzten Jahrhunderts hat dieses Werk durch eine heimliche Gegenbewegung des Feindes Schaden gelitten, deren Kennzeichen die Verherrlichung des Menschen und seiner geistigen Kräfte gewesen ist. Sie ist in dem sogenannten „höheren Kritizismus“ zur vollen Blüte gelangt, der seinerseits zu jener Haltung gegenüber dem Glauben an Christus geführt hat, die in dem Ausdruck „Modernismus“ zusammengefaßt ist. Menschen fühlen sich so erhaben in ihrer eingebildeten Tüchtigkeit, daß sie sich für zuständig halten, lieber das Wort Gottes zu kritisieren, als sich von ihm kritisieren zu lassen. Sie haben eine sehr hohe Meinung von sich selbst.
Der Herr stellt sich selbst Laodizäa auf dreifache Weise vor. In Ihm sind nicht nur alle Verheißungen Gottes Amen, das heißt, sie sind fest und kommen in Ihm zur Erfüllung, sondern Er selbst ist „der Amen“. Dieser Ausdruck wird zu einem Namen für Ihn, der uns daran erinnert, wie Jehova in Jesaja 65,16 zweimal von sich selbst spricht, und zwar als „dem Gott der Treue (oder: der Wahrheit)“, was wörtlich „der Gott des Amen“ heißt. Der Jehova, in dem alles wahr werden wird, ist der Jesus des Neuen Testaments. Bezeichnenderweise ist das Wort wahrlich, das so oft auf Seinen Lippen war, eigentlich das Wort Amen.
Im Zusammenhang damit ist Er der treue und wahrhaftige Zeuge. Was Er ist, tut Er kund. Die Kirche ist am Ort des Zeugnisses zurückgelassen worden, was im Bild des Leuchters zum Ausdruck kommt, durch den jede Kirche in diesen Kapiteln repräsentiert wird. Aber ach, die Adjektive treu und wahrhaftig können auf sie nicht angewandt werden! Das, worin die Versammlungen versagt haben – am schlimmsten Laodizäa –, wird in vollkommener Weise in Ihm gefunden.
Drittens ist Er der Anfang der Schöpfung Gottes. Deshalb kann, getrennt von Ihm, nichts von dieser Schöpfung erkannt werden, und wie wir noch sehen werden, steht Er in Laodizäa draußen. Was für Anteil aber haben sie dann an dieser Schöpfung?
Sie haben daran offensichtlich keinen Anteil, und zwar deshalb, weil zwei Dinge sie kennzeichnen. Sie sind Christus gegenüber gleichgültig und im Blick auf sich selbst durch Selbstüberschätzung aufgeblasen. Diese beiden Kennzeichen sind sehr unheilvoll. Sie sollten uns alle zu gründlicher Selbstprüfung veranlassen. Sie nehmen in der Christenheit, wie sie heute existiert, überhand, und sehr leicht können wir von ihnen angesteckt werden.
Weder kalt noch warm, sondern lau, lautet das Urteil. Vor einigen Jahrhunderten waren Menschen sehr leidenschaftlich hinsichtlich göttlicher Dinge. Wir können die Heftigkeit in Sprache und Handlungen nicht gutheißen, die so oft ihre Streitigkeiten prägte, aber wir können ihre starken Überzeugungen bewundern. Die heutige Tendenz geht genau in die entgegengesetzte Richtung. Überzeugungen sind hohl. Jede Sache kann geduldet werden, was auch vorkommt, kann verziehen sein. Keine Wärme wird erzeugt, kein Eifer entfaltet sich. Lauheit ist modern. Menschen können über Christus lehren, was ihnen gefällt, das macht nichts aus.
Es ist immer so: Diejenigen, die viel an Christus denken, denken wenig an sich selbst, während solche, die wenig an Christus denken, viel an sich selbst denken. So war es in Laodizäa. Sie hielten sich selbst für reich, ihr Wohlstand nahm noch zu, Selbstzufriedenheit machte sich breit, sie bedurften nichts. Der Reichtum, dessen sie sich rühmten, bestand nicht in Gold oder Silber, sondern war zweifellos mehr intellektueller Art. Modernismus ist der modische Besitz heutzutage. Er beansprucht, die letzte und fortgeschrittenste Einsicht in religiöses Gedankengut zu sein, die die unreifen Vorstellungen früherer Tage weit hinter sich läßt. Sein verderblicher Einfluß ist in Kreise eingedrungen, wo man ihn in vergangenen Tagen heftig bekämpft hätte.
Laodizäa empfand nicht nur so und dachte so über sich selbst, sie sprachen es auch kühn aus. Sie beanspruchten es, und sie verkündeten es. Das wiederum verriet ihre eigene Torheit und Stumpfsinnigkeit. Ihre Anmaßung wird vom Herrn, der alle ihre Werke kannte, entschieden zurückgewiesen. Smyrna nahm nichts für sich in Anspruch, aber der Herr wußte um ihre Armut und erklärte, daß sie reich seien. Laodizäa beanspruchte, reich zu sein, bekommt aber seine Armut mit vernichtenden Ausdrücken vorgestellt: elend, jämmerlich, arm, blind und bloß. Darauf liegt besonderer Nachdruck, denn der bestimmte Artikel geht dem Adjektiv voraus – der Jämmerliche ... Das bedeutet, daß diese Aussagen in herausragendem Maß auf sie zutrafen.
Es begegnet uns hier eine Illustration des wichtigen Wortes: „Denn nicht wer sich selbst empfiehlt, der ist bewährt, sondern den der Herr empfiehlt“ (2. Kor 10,18). Laßt uns das wohl beachten!
Obwohl die Ansprüche der Kirche in Laodizäa so entschieden zurückgewiesen werden und ihr wahrer Zustand so schonungslos offengelegt wird, bleibt die Gnade des Herrn noch bestehen. In den Versen 18-20 findet sie in dreifacher Weise Ausdruck.
Da ist zunächst der Rat des Herrn an die Versammlung durch den Engel. Noch war „Gold, geläutert im Feuer“ für sie zu haben, „weiße Kleider“ und „Augensalbe“. Sie hatten sich ihrer Reichtümer gerühmt, wofür Gold das Symbol ist, doch ihr eingebildeter Wohlstand hatte die Feuerprobe noch nicht bestanden. Wenn ihre „Güter“ in Rauch aufgingen, würde ihre anmaßende Selbstgefälligkeit dahin sein. Allein das Feuer verfeinert echtes Gold, während es alles protzige menschliche Machwerk, mag es auch glänzen, verzehrt. Sie brauchten eine Gerechtigkeit, die göttlichen Ursprungs war, und dann würden sie die eitlen Dinge ihrer eigenen Einbildung in ihrer Wertlosigkeit erkennen.
„Weiße Leinwand“ wird später in diesem Buch als das Symbol für „die Gerechtigkeiten der Heiligen“ gebraucht. Nur der Gläubige, der, als gerechtfertigt in Christus, gerecht vor Gott steht, kann diese gerechten Taten im täglichen Leben tun. Die Laodizäer, die mit sich und ihren Werken zufrieden waren, mochten sich einbilden, gut gekleidet zu sein, doch in Wirklichkeit waren sie nackt. Sie mochten Kleider irgendwelcher Art haben, aber weiße Kleider hatten sie nicht.
Und, am schlimmsten von allem, sie waren so blind, daß sie ihre eigene hoffnungslose Not nicht sahen. Als der Herr auf der Erde war, hatte Er gesagt: „Die Lampe des Leibes ist dein Auge; ... wenn es aber böse ist, so ist auch dein Leib finster. Sieh nun zu, daß das Licht, welches in dir ist, nicht Finsternis ist“ (Lk 11,34.35). Eine traurige Illustration dieser Wahrheit ist vor uns. Zweifellos rühmten sie sich, unter anderen Besitztümern, an „Licht“ reich zu sein, doch in Wirklichkeit waren sie voller Finsternis. Blind über sich selbst und über den Herrn, brauchten sie Augensalbe.
Der Herr rät: „Kaufe von mir“ diese notwendigen Stücke. Er ist deren einzige Quelle, und indem Er so spricht, benutzt Er das Bild, das in Jesaja 55 gebraucht wird, wo jeder Durstige eingeladen wird, ohne Geld oder Kaufpreis zu kaufen. In Laodizäa verspürten sie keinen Durst, und das war ihr Verhängnis, doch unverändert bestand die Tatsache, daß alles, was ihnen fehlte, vom Herrn unter den gleichen gnädigen Bedingungen zu erlangen war. Im Neuen Testament spricht Jesus in derselben absoluten Weise wie Jehova im Alten Testament.
Zweitens überführt und züchtigt der Herr, und das tut Er aus Gnade. Das ist ein Punkt, der von den frühesten Tagen Hiobs an in der Schrift ans Licht tritt, doch er wird sehr leicht übersehen, wenn wir vom Geist der Selbstzufriedenheit angesteckt sind, wie es auf Laodizäa zutraf. Es gab da eine Minderheit gleich dem „elenden und armen Volk“, von dem wir in Zephanja 3,12 lesen. Diese stehen im Gegensatz zu den „stolz Frohlockenden“, die „hoffärtig“ waren, wovon im vorhergehenden Vers gesprochen wird. Die Mehrheit in Laodizäa war von dieser hoffärtigen Art, doch sie geriet nicht, wie die Minderheit, unter diese Zurechtweisungen und Züchtigungen. So ist es in unseren Tagen, die vom Charakter Laodizäas geprägt sind.
Deshalb mag sich diese hoffärtige Mehrheit vorkommen, als ob sie sehr fest im Sattel sitze. Sie mag darauf hinweisen, daß die Minderheit niemals, wie sie selbst, zu gedeihen scheint, statt dessen beständig unter Gottes züchtigender Hand geübt wird. Es sieht deshalb so aus, als ob die Minderheit Mißbilligung erfährt, während sie im Gegensatz dazu Anerkennung findet. Wenn wir die in diesem Punkt immer übereinstimmenden Belehrungen der Schrift ignorierten, könnten wir vielleicht auch so denken. Doch das Umgekehrte stimmt. Die Züchtigung kommt über die, die Herr liebt, um sie zu Eifer und Buße wachzurütteln. Der Eifrige ist von einem heißen Verlangen durchdrungen, dessen genaues Gegenteil Lauheit ist. Buße ist der Selbstzufriedenheit der Hoffärtigen entgegengesetzt. Der Geist Laodizäas ist sehr stark in unserer Zeit, deshalb ist es unsere Pflicht, diesen ernsten Worten unseres Herrn erhöhte Aufmerksamkeit zu widmen.
Vers 18 ist somit der Rat an die stolze Mehrheit, Vers 19 bedeutet Zucht für die arme Minderheit. Doch zwischen den beiden findet man noch eine gewisse Zahl von Leuten, die schwer einzuordnen sind. Sie wurzeln nicht im Stolz wie erstere, noch kann man sie klar zu denen zählen, die Christus angehören und von Ihm geliebt werden. Für solche gibt es nun drittens eine gnädige Einladung, ein liebevolles Angebot. Der Herr steht draußen vor der Tür, aber Er klopft an. Er ist ausgeschlossen von denen, die bekennen, Seine eigene Versammlung zu sein! Was für eine tragische Situation, was für ein Abfall von dem Verlassen der ersten Liebe, wie wir in Ephesus gesehen haben! Das Ende wird schließlich die völlige Verwerfung sein. Bei Seinem zweiten Kommen wird sich das Wort erfüllen: „So werde ich dich ausspeien aus meinem Mund“, denn sie sind Ihm äußerst widerwärtig. Und solange Er noch nicht gekommen ist, mag es einige geben, die Ohren haben, Seine Stimme zu hören, wenn Er anklopft und ruft. Für solche gibt es noch Hoffnung durch Seine Gnade.
Die Einladung ist sehr weit gefaßt. „Wenn jemand“: sie könnte nicht umfassender sein. Sie ist nur dadurch begrenzt, daß man Ohren haben muß, Seine Stimme zu hören, wie auch die Bereitwilligkeit, Ihm die Tür zu öffnen. Wenn das geschehen ist, wird Er Zugang zu uns suchen, um Gemeinschaft mit uns in unseren einfachen Umständen zu haben. Dann wird Er uns zur Gemeinschaft mit sich selbst erheben in den weiten Bereich Seiner Freude. Das ist fürwahr ein großes Vorrecht! Laßt uns Sein Angebot annehmen und uns daran erfreuen. Es ist auch ein starker evangelistischer Appell für die letzten Tage, wo es so viele Christen gibt, soweit es das äußere Bekenntnis betrifft, denen jedoch wahres Leben fehlt.
Es wird solche geben, die sogar in Laodizäa überwinden. Buße und echtes Leben werden sie auszeichnen als Folge davon, daß sie die Stimme des Herrn hörten, und sie werden mit Ihm auf Seinem Thron verbunden sein. Er überwand – in Seinem Fall alle Macht des Bösen, die Ihn von außen bestürmte – und ist mit Seinem Vater verbunden auf dessen Thron. Wer Seine Stimme hört, während Er draußen steht, außerhalb der lauen Versammlung, wird einmal mit Ihm drinnen verbunden sein.
Der letzte Vers dieses Kapitels soll uns noch einmal daran erinnern, daß das, was der Geist jeder einzelnen Versammlung sagt, nicht für diese Versammlung allein bestimmt ist, sondern für jeden, der ein Ohr hat, zu hören. Das Gericht beginnt am Haus Gottes, und der Zustand jeder Versammlung wird für sich gesondert geprüft, doch der Ausspruch des Herrn über jede einzelne verbreitet wertvolles Licht, das für alle scheint. Was für die eine Versammlung notwendige Korrektur ist, fördert gleichzeitig alle, falls sie Ohren haben, zu hören. Was örtlich gilt, richtet sich schließlich an alle, so daß es allgemein gültig ist.