Die Briefe des Petrus
1. Petrus 1
Wenn wir nun zur Betrachtung des Briefes kommen, finden wir in den Versen 1 und 2 die Empfänger bezeichnet. An wen schreibt er? An „die Fremdlinge von der Zerstreuung“, an Leute, die ein beständiges Zeugnis der Tatsache waren, daß die Juden ihre ehemaligen Vorrechte verwirkt hatten, an ein Volk, daß den festen irdischen Halt, den es immer besaß, verloren hatte; es war ein großes Land, das ihnen ursprünglich gegeben worden war. Doch die Fremdlinge, an die er sich wandte, waren keinesfalls alle in jenen Provinzen verstreuten Juden, sondern nur solche unter ihnen, die von Gott „auserwählt“ waren.
Drei Dinge werden erwähnt hinsichtlich der göttlichen Auserwählung. Sie stehen jeweils in Verbindung mit dem Vater, dem Geist und Jesus Christus. Beachte die benutzten Verhältniswörter:
- „Nach“, um den Charakter anzuzeigen;
- „Durch“, um das verwendete Mittel anzuzeigen;
- „Zum“, um den beabsichtigten Zweck anzuzeigen.
Gottes Auserwählung – das galt für die Gläubigen damals und gilt auch für uns heute – beruht auf Seiner Vorkenntnis als Vater. Das trifft auf Juden wie Heiden zu, denn beide kommen unter die gleichen christlichen Segnungen auf derselben Grundlage, wie die Briefe des Paulus zeigen. Was für ein Trost liegt darin! Wie weit ist das von jedem blinden Schicksal entfernt, das die Bestimmung des Menschen beherrschen soll, wie manche annehmen. Gottes Auserwählung ist niemals launenhaft, und die Vorstellung von einem Sünder, der ernstlich das Heil seiner Seele suche, aber durch einen gegnerischen Erlaß daran gehindert werde, ist ein Alptraum der menschlichen Vernunft und nicht der Schrift. Gott erwählt, indem er von Anfang an das Ende kennt, und deshalb ist Seine Auserwählung immer richtig und rechtfertigt sich durch ihre Ergebnisse.
Seine Auserwählung wird „durch Heiligung des Geistes“ verwirklicht. Der Grundgedanke der „Heiligung“ ist das „Beiseitesetzen für Gott“. Und der Heilige Geist ist es, der durch sein inneres lebenspendendes Werk den beiseite setzt, der auserwählt ist.
Das erstrebte Ziel liegt darin, daß solche, die beiseitegesetzt sind, durch den Gehorsam Jesu Christi gekennzeichnet sind – d.h., daß sie gehorchen, wie Christus gehorchte – und zu diesem Zweck auch unter die Wirksamkeit Seines Blutes kommen. Die Worte „Jesu Christi“ beziehen sich sowohl auf den Gehorsam als auch auf die Blutbesprengung. Wir mögen fragen: Warum in dieser Reihenfolge? Warum nicht umgekehrt? Brauchen wir denn nicht die Reinigung durch Sein Blut, bevor wir überhaupt gehorchen können? Der Grund für die Reihenfolge liegt in der Bezugnahme auf das Alte Testament.
Ihrer Abstammung nach gehörten sie zu dem Volk, das Gott in Abraham erwählt hatte. Sie waren geheiligt, d.h. beiseite gesetzt, wie 2. Mose 13,2 bezeugt. Lies nun 2. Mose 24,3–8 und achte auf die Reihenfolge: zuerst der versprochene Gehorsam, den das Gesetz forderte, dann zur Bestätigung die Besprengung mit dem Blut des Opfers. Da Petrus sich an Gläubige wendet, die hiermit sehr vertraut waren, beachtet er sorgfältig diese Reihenfolge, zeigt aber auch, daß wir Christen diese Dinge auf weit höherer Ebene in einer lebendigen und geistlichen Weise besitzen. Das Blut Jesu Christi reinigt völlig und ist die rechtmäßige Grundlage unserer Stellung und all unserer Beziehungen zu Gott. Im Unterschied dazu bedeutete das Blut der Opfer nach 2. Mose 24,8 die Todesstrafe, unter die der Ungehorsam gegenüber den gerechten Forderungen des Gesetzes gestellt war. Geheiligt durch den Geist und besprengt mit dem Blut Christi, sind wir einem Leben des Gehorsams nach dem Muster Christi verpflichtet. Angesichts dieser hohen Berufung haben wir es sicher nötig, daß uns beides, Gnade und Friede, vermehrt werde.
Mit einem eindrucksvollen Lobpreis Gottes beginnt der Apostel in Vers 3 seine Botschaft. Gott ist jetzt als der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus offenbart, da Er uns wiedergezeugt hat zu einer lebendigen Hoffnung durch die Auferstehung Jesu Christi. Als zum Reich Israels gehörend, besaßen sie früher nationale Hoffnungen, die ihren Mittelpunkt in einem Messias auf der Erde hatten, aber das Licht dieser Hoffnungen erlosch in ihren Herzen, als Er, verworfen und zwischen zwei Räubern gekreuzigt, starb. Die Begebenheit der beiden Emmausjünger, wie sie in Lukas 24 berichtet wird, ist ein beredtes Beispiel dafür. Doch als ihre Augen aufgetan wurden und sie den Auferstandenen sahen, dämmerte eine neue Hoffnung in ihren Herzen, die nichts auf der Erde auslöschen konnte. Es war eine lebendige Hoffnung, weil sie sich auf einen Heiland gründete, der jenseits der Macht des Todes lebte. Wie treffend hätten die in Vers 3 gebrauchten Worte von ihren Lippen kommen können, als sie nach ihrem etwa zweieinhalbstündigen Rückweg den Obersaal in Jerusalem betraten, um den dort Versammelten die Nachricht zu überbringen. Sie waren wie Menschen, die durch die große Barmherzigkeit Gottes wiedergezeugt waren in eine neue Welt der Hoffnung und Erwartung.
Nachdem Israel aus Ägypten herausgeführt war, richteten sich die Hoffnungen des Volkes auf das Land, das ihnen als Erbteil zufallen sollte. Die Hoffnung des Christen richtet sich ebenfalls auf ein Erbteil, wie Vers 4 zeigt. Aber welch ein Gegensatz! Das Erbteil Palästina erwies sich als eine beklagenswerte Enttäuschung. Das Land an sich war zwar ein Land, wie es sein sollte, doch es konnte verdorben werden, und in der Folge wurde es sehr bald von denen verunreinigt, die es erbten, als es ihrer eigenen Verantwortlichkeit überlassen war. So verfiel es nach und nach, das Erbteil welkte dahin. Unser Erbteil ist in den Himmeln aufbewahrt und folglich jeder Verderblichkeit, Befleckung und Vergänglichkeit entrückt. Und wir, für die es aufbewahrt wird, werden durch Gottes Macht bewahrt, um es sicher zu erlangen. Eine größere Sicherheit kann es für das Erbteil nicht geben.
Die Macht Gottes bewahrt uns, nicht unsere Treue. Doch Gottes Macht wirkt durch Glauben. Der Glaube ist unser Anteil an der Sache. Gott ist souverän in der Ausübung Seiner Macht, und wir sind verantwortlich für die Ausübung unseres Glaubens. Viele wissen nicht, wie sie diese beiden Dinge, Gottes Souveränität und die Verantwortlichkeit des Menschen, zusammenzubringen sollen und betrachten sie als unvereinbar und unversöhnlich. Doch hier in Vers 5 gehen sie Hand in Hand, um den Gläubigen zur Errettung zu bewahren, die ihn in der letzten Zeit erwartet. Die Errettung, die hier erwähnt wird, ist zukünftig. Es handelt sich um die endgültige Befreiung, die den Gläubigen beim Kommen des Herrn erwartet. Sie ist völlig gewiß, doch können wir nicht in Selbstvertrauen mit ihr rechnen. Nichts weniger als die Macht Gottes ist notwendig, damit wir bewahrt werden. Wir dürfen uns auch nicht der Sorglosigkeit überlassen, denn die Kraft Gottes ist wirksam durch den Glauben auf unserer Seite.
Wie warten wir denn nun darauf? Ja, mit Frohlocken, doch eingeschränkt durch die Bürde mancher Prüfungen, wie Vers 6 erklärt. Die künftige Herrlichkeit stand leuchtend vor dem Glauben dieser frühen Christen und erfüllte sie mit großer Freude, so daß sie Schiffen glichen, deren gehißte Segel mit der Brise des Himmels gefüllt waren. Anderseits hatte sie eine Menge Ballast in Form heftiger Prüfungen. Gottes Liebe ließ solche Prüfungen zu, doch nur insoweit sie nötig waren. Wir alle brauchen sie in der einen oder anderen Weise. Wenn wir versuchen, unsere Freude in der Welt und ihren Vergnügungen zu finden, brauchen wir notvolle Erfahrungen, die uns von der Welt lösen, wobei sie das bequeme Nest, das wir uns gern bauen möchten, verstören. Wenn wir angesichts der nahenden Herrlichkeit frohlocken, benötigen wir solchen Ballast, der für Nüchternheit und Festigkeit sorgt und uns vor Unausgeglichenheit bewahrt.
Die schweren Prüfungen sind jedoch jetzt für „eine kleine Zeit“, ebenso wie die „zeitliche Ergötzung der Sünde“ (Heb 11,25), die das arme Weltkind betört. Es muß seinen Vergnügungen bald Lebewohl sagen, und so der Christ seinen Prüfungen.
Außerdem üben Prüfungen einen nützlichen Einfluß auf unser inneres Leben aus, indem sie Wesenszüge ausbilden, die Gott verherrlichen. Deshalb erläutert Vers 7, daß der Glaube (der viel kostbarer als Gold ist) aus der Erprobung im Feuer von Verfolgungen zum Lob und zur Ehre und Herrlichkeit Gottes hervorgehen wird, wenn Christus erscheint. Mancher kühne Bekenner, der qualvolle Leiden erduldete – vielleicht sogar bis zum Tod –, mag versucht gewesen sein zu denken, daß, wenn sein Licht zum Erlöschen käme, alles verloren wäre. Der Apostel sagt ihnen, daß, im Gegenteil, an jenem Tag alles gefunden würde. Wenn Christus sich in Seiner Herrlichkeit offenbart, wird alles zu Seinem Preis und Seiner Ehre ans Licht kommen und sich entfalten.
Dann wird Christus erscheinen oder enthüllt werden, wie der genaue Wortsinn besagt. In gegenwärtiger Zeit ist Er unsichtbar. Diese in der Zerstreuung lebenden gläubigen Juden hatten Jesus in den Tagen Seines Fleisches niemals gesehen. Sie befanden sich weit außerhalb des verheißenen Landes, und auch sahen sie Ihn jetzt noch nicht. Doch sie liebten Ihn, auf Ihn richtete sich ihr Glaube, und das bewirkte, daß sie mit unaussprechlicher und verherrlichter Freude frohlockten.
Wir haben, gleich ihnen, den Herrn noch nie gesehen; ist unser Glaube jedoch ebenso lebendig? Erinnern wir uns, daß der Glaube das Teleskop der Seele ist, der unser geistliches Auge wahrnehmen läßt, was sterblichen Augen verhüllt bleibt. Dann sehen wir Jesus als eine lebendige, leuchtende Wirklichkeit, und unsere Freude ist erfüllt von der Herrlichkeit Seiner Person wie auch von der Hoffnung, daß diese Herrlichkeit sich bald offenbaren wird, und solche Freude vermag sich in menschlicher Sprache nicht mehr auszudrücken. Glaubend frohlocken wir, und glaubend erlangen wir die Errettung unserer Seelen, denn Seelen-Errettung ist das Ende oder Ergebnis des Glaubens an den auferstandenen Heiland.
Liebe, Glaube, Freude und Hoffnung finden wir alle in Vers 8, auch wenn letztere nicht ausdrücklich erwähnt wird. Wie steht es gut um den geistlichen Zustand, wenn diese vier Stücke ihn kennzeichnen. Doch all das wird nicht dadurch hervorgebracht, daß jemand sich mit seinem geistlichen Zustand beschäftigt, sondern durch Christus selbst, den wir lieben und den der Glaube sieht.
Die Empfänger des Briefes waren sehr vertraut mit dem Begriff einer Errettung, die in einer zeitlichen Befreiung aus Not und Gefahr bestand, wie beispielsweise die Befreiung ihrer Väter aus Ägyptens. So hatten sie eine außergewöhnliche Befreiung dieser Art bei der Ankunft ihres Messias erwartet, wie die Propheten sie verheißen hatten. Aber durch den Glauben an einen auferstandenen Christus (V. 3) hatten sie eine Errettung geistlicher Art erlangt, die ihre Seele betraf, obwohl sie sich äußerlich noch unter dem eisernen Joch Roms befanden. Auch von dieser Errettung hatten die Propheten geredet, denn ihr Zeugnis war zweifach: erstens die Leiden des Christus, und zweitens die Herrlichkeiten danach. Seelen-Errettung ist das unmittelbare Ergebnis Seines ersten Kommens in Verbindung mit Seinen Leiden, und zwar für die, die glauben. Als direkte Folge Seines zweiten Kommens, um in Herrlichkeit zu regieren, werden die Leiber der Gläubigen von der Macht des Todes befreit werden, und eine öffentliche, allumfassende Errettung werden die erlangen, die in Sein Reich eingehen.
Drei sehr wichtige Dinge sollten in den Versen 10–12 unsere Beachtung finden:
- Die Wirklichkeit der Inspiration und deren bemerkenswerte Eigenart. Die Propheten hatten ihre Dienste getan, aber die Quelle ihrer Prophezeiungen, seien sie nun mündlich oder schriftlich, war der Geist. Der Geist in ihnen weissagte durch sie, und er war so wirklich die Quelle ihrer Aussprüche, daß sie ihre eigenen Worte fleißig zu erforschen und ihren eigentlichen Sinn zu erfragen hatten, um dann zu entdecken, daß ihre volle Bedeutung über die Fassungskraft der Zeit, in der sie lebten, hinausging und daß sie tatsächlich zur Belehrung der Gläubigen einer künftigen Zeit schrieben – eben für uns.
- Obwohl Christus in dem früheren Zeitalter nicht offenbart worden war, konnte doch von dem Geist, der in den Propheten war und durch sie redete, als dem „Geist Christi“ gesprochen werden. Dementsprechend war Christus durch Seinen Geist der Redende, sogar in den Tagen des Alten Testaments. Die Bedeutung dieser Tatsache werden wir deutlicher sehen, wenn wir Kapitel 3,18–20 betrachten.
- Die klare Unterscheidung, die zwischen der Zeit vor Christus und der Zeit nach Christus getroffen wird. Die Errettung der Seele, die die Gläubigen heute allgemein besitzen, war sogar für die Propheten der früheren Zeit eine Sache des Nachforschens. Sie wird als „Gnade gegen euch“ bezeichnet, d.h., daß sie in dem vorausgegangenen Zeitalter nicht vorhanden war. Damals war sie nur vorausgesagt, jetzt aber wird sie uns verkündigt durch die Apostel und andere, die das Evangelium durch den vom Himmel gesandten Heiligen Geist gepredigt haben. Damals geweissagt durch den Geist; jetzt verkündigt durch den Geist. Damals war der Geist in den Propheten zum Zweck der Inspiration, doch jetzt ist der Geist vom Himmel herniedergesandt. Die gegenwärtige Zeit ist dadurch gekennzeichnet, daß die Leiden Christi vollendet sind, und daß daraus Gnade zur Errettung der Seelen hervorströmt. Engel begehren, in diese verkündeten Dinge hineinzuschauen. Außerdem ist der Heilige Geist jetzt vom Himmel herniedergesandt.
Nachdem der Apostel diese bedeutenden Tatsachen entfaltet hat, geht er in den Versen 13–17 zu Ermahnungen über. Die große Veränderung, die das Christentum im Vergleich mit dem Judentum auszeichnet, muß sich auch im Leben und Verhalten der Christen widerspiegeln. Wir sind jetzt Kinder und rufen Gott als unseren Vater an, daher haben wir auch zu gehorchen. Einerseits bedürfen wir der Anspannung unserer geistigen Kräfte und üben uns in Mäßigkeit, Vertrauen und Hoffnung. Anderseits haben wir die alten Begierden, die uns beherrschten, als wir über Gott unwissend waren, zu meiden. Da Gott heilig ist, sollen auch wir in allem Wandel heilig sein. Was Gott als Sein eigenes Wesen offenbart hat, bestimmt den Maßstab für all unser Betragen. Übrigens ist der, den wir als Vater anrufen, der unparteiische Richter über das Werk eines jeden, deshalb geziemt uns ehrerbietige Furcht. Er ist der Richter, aber Er ist auch unser Vater, und so sind wir als Kinder vor Ihm, um Ihn zu fürchten und zugleich zu lieben.
Diese Ermahnungen folgern aus der in den Versen 1–12 entwickelten Wahrheit (beachte das Wort „deshalb“ zu Beginn von Vers 13). Sie werden verstärkt durch weitere Erläuterungen der Wahrheit, die mit Vers 18 beginnen und sich bis Kapitel 2,10 erstrecken (beachte das Wort „indem“, mit dem Vers 18 beginnt).
Sie wußten, wie wir es wissen, daß wir mit dem kostbaren Blut Christi erlöst sind. Ihre Väter waren mit Silber und Gold erlöst worden – eine vorbildliche Erlösung, die unter dem Gesetz durchgeführt wurde. Manchmal war es wirkliches Geld, das gegeben wurde, wie in 2. Mose 30,11–16 oder in 4. Mose 3,44–51. In anderen Fällen geschah die Erlösung durch ein Opfer, wie in 2. Mose 13,13–15; doch auch dann waren Gold und Silber eingeschlossen, weil sie für den Kauf des Opfertieres benötigt wurden. Silber und Gold sind die am wenigstens verderblichen Metalle, aber sie sind verderblich. Der Preis für unsere Erlösung ist unverderblich und kostbar.
Die jüdische Lebensweise war in der von den Vätern übernommenen, bloßen Tradition erstarrt. Das zeigte sich schon deutlich in den Tagen Jesajas (Jes 29,13). Der Herr überführte die Pharisäer und Schriftgelehrten, indem Er die Worte Jesajas zitierte (Mk 7,6–13). Sogar das Gute, das sie taten, taten sie nicht, weil Gott es geboten hatte, sondern weil die Tradition es vorschrieb. So war ihre Lebensweise verderbt und äußerst widerwärtig für Gott. Unsere heidnische Lebensweise war nichts als Finsternis und Gesetzlosigkeit, und nicht weniger verderbt. Ob wir es nun waren oder sie, wir sind aus dem alten, ungöttlichen Leben erlöst worden durch das kostbare Blut dessen, der in dem Lamm ohne Fehl und ohne Flecken in 2. Mose 12,3–6 vorgebildet wurde. Nur war Er nicht für eine Zeit von vier Tagen vor der Opferung vorherbestimmt, sondern schon vor Grundlegung der Welt. Unsere Erlösung entsprach den ewigen Ratschlüssen Gottes.
Das Lamm Gottes war in Ewigkeit ausersehen, aber offenbart in der Zeit. Er erschien „am Ende der Zeiten“ oder „in der Vollendung der Zeitalter“ (Heb 9,26) – und nicht nur als Erlöser, sondern auch als Offenbarer. Gott wurde in Ihm völlig offenbart, so daß wir durch Ihn an Gott glauben. Wir glauben nicht an Gott auf Grund der Wunder der Schöpfung noch mittels des mosaischen Gesetzes, noch wegen Visionen, die Engel vermittelten, sondern wir glauben durch Christus, der einmal starb, aber jetzt auferstanden und in der Herrlichkeit ist. Unser Glaube und unsere Hoffnung ruhen auf Gott, den wir als den kennen, der Christus aus den Toten auferweckte und Ihm Herrlichkeit gab. Wie wunderbar paßt dies zu dem Zeugnis des Paulus in Römer 4,23–25; 10,9.
Daraus geht klar hervor, daß, wenn wir Menschen für den Glauben an Gott gewinnen möchten, wir ihnen Christus vorstellen müssen: und zwar Christus als den einst Gestorbenen – Christus als den Auferstandenen – Christus als den jetzt Verherrlichten. Jedes andere Thema ist nutzlos. Im Bereich der Schöpfung und der göttlichen Vorsehung mögen sich Illustrationen reichlich anbieten, sei es in der Form von Tatsachen oder auch von wissenschaftlichen Spekulationen – obwohl man mit letzteren sehr vorsichtig umgehen sollte, da sie meistens falsch sind, was bewiesen ist durch die Sorglosigkeit, mit der nachfolgende Generationen von Spekulanten sich der Hypothesen (oder: Vermutungen) ihrer Vorgänger bedienen. Dennoch bleibt die Tatsache bestehen, daß Menschen, die wirklich an Gott glauben, es durch Christus tun. Laßt uns deshalb CHRISTUS predigen, sei es durch unser Leben oder durch das gesprochene oder geschriebene Wort.
Die Erlösung ist natürlich ein Werk, das für uns vollbracht wurde. Was wir nun brauchen, ist ein Werk, das in uns gewirkt wird. Davon spricht der Apostel im folgenden.
Die Wahrheit des Evangeliums hatte ihre Seelen in der Kraft des Geistes zur Abhängigkeit und zum Gehorsam geführt. Das bedeutete zugleich ein machtvolles Werk der Reinigung. Reinigungen des Gesetzes hatten in „verschiedenen Waschungen“ mit Wasser bestanden (Heb 9,10), die rein äußerlich waren. Dies war eine Reinigung der Seele, eine moralische Erneuerung, deren Frucht Liebe ist, denn Liebe ist der neuen Natur zugehörig, wie Haß der alten.
Wenn Vers 22 das Werk vorstellt, das in ihnen und uns geschah, so wie es vom Menschen aus beobachtet und beschrieben werden kann, zeigt Vers 23 das wahre Geheimnis des Ganzen, und zwar aus einer Sicht, die dem Menschen unmöglich ist und die wir auch nur kennen, weil Gott sie offenbart hat. Wir sind wiedergeboren.
Für Israel war die Notwendigkeit einer Neugeburt in Hesekiel 36,25–27 angedeutet, obwohl in verhüllter Form. Der Herr Jesus unterstrich ihre zwingende Notwendigkeit deutlicher, als er mit Nikodemus sprach (Joh 3). Nikodemus hätte die Stelle in Hesekiel kennen sollen, denn so sind die Worte des Herrn zu verstehen: „Du bist der Lehrer Israels und weißt dieses nicht?“ Die Belehrung des Herrn stützt sich auf die Worte Hesekiels, obwohl Er sie beträchtlich erweitert und klärt. Doch auch dabei verzichtete der Herr nicht auf bildliche Rede und sprach noch vom „Wasser“. In der Hauptsache aber betonte Er das souveräne Wirken des Geistes bei der neuen Geburt. „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.“
Petrus schrieb seine Briefe im vollen Licht der christlichen Wahrheit. Der Herr Jesus war nicht mehr auf der Erde und führte kein Gespräch mehr mit einem Nikodemus, sondern Er war auferstanden und verherrlicht, nachdem Er das Werk der Erlösung vollbracht hatte. Er sprach jetzt durch Seinen inspirierten Apostel zu Christen. Deshalb entfallen bildliche Ausdrücke, die Sache selbst tritt in aller Klarheit hervor. Die Kraft des Geistes wird hier in Vers 22 nur angedeutet, und der Nachdruck liegt auf dem, woraus und wodurch wir wiedergeboren sind.
Das Leben des Geschlechts Adams, dem wir angehören, ob wir nun Juden oder Heiden sind, ist äußerst verderbt. Seine Natur ist ganz und gar böse. Wir müssen nicht nur erlöst, sondern gereinigt werden. Der Geist Gottes wirkt zu diesem Zweck, und wir gehorchen der Wahrheit. Doch besteht das wahre Wesen des Vorgangs darin, daß der Geist das Wort Gottes in der Weise benutzt, daß wir aus unverweslichen Samen wiedergeboren werden. Wir besitzen daher eine neue Natur, die aus einer göttlichen Quelle hervorgeht und über jede Verwesung erhaben ist. Somit ergibt sich hier eine Reinigung, wie sie gründlicher und umfassender nicht sein kann, und zwar durch den Geist Gottes in Anwendung des Wortes Gottes – des „Wassers“ von Johannes 3 und Hesekiel 36. Es ist nicht schwer zu verstehen, wie treffend das Bild des „Wassers“ war.
Ein Blick auf 1. Johannes 3,9 wird uns helfen, weiteres Licht zum Verständnis zu erlangen. Der Ausdruck „aus Gott geboren“, betont unseren göttlichen Ursprung. Der göttliche Same bleibt in uns und ist unverderblich, wie Petrus uns belehrt. Damit ist das eigentliche Wesen unserer neuen Natur beschrieben, und sie wird völlig offenbart sein, wenn die letzte Spur der alten Natur beim Kommen des Herrn ausgemerzt sein wird.
Wenn wir nun zu unserem Abschnitt zurückkehren, finden wir, daß das Wort Gottes, durch das wir wiedergeboren sind, lebendig ist und immerdar bleibt. Und das steht in direktem Gegensatz zu uns selbst als Kindern Adams. Alles Fleisch ist wie Gras, das aufwächst und bald verdorrt. Alle Herrlichkeit des Menschen gleicht der Blume des Grases, die abfällt und schwindet, schneller noch als das Gras selbst. Des Menschen Ruhm verblaßt, und ihn selbst rafft der Tod hinweg. Das Wort des Herrn ist lebendig und bleibt in Ewigkeit. Es ist das Wort, durch das wir wiedergeboren sind.
Das alles ist wunderbar! Diejenigen, die geboren sind, haben teil an der Natur und dem Wesen dessen, der die Geburt bewirkt hat. „Was aus dem Geist geboren ist, ist Geist.“ Es ist ebenso wahr, daß das, was aus unverweslichem Samen geboren ist, auch selbst unverweslich ist, und was durch das lebendige und bleibende Wort Gottes geboren ist, ist auch selbst lebendig und bleibend. Und dieses bleibende Wort des Herrn hat uns erreicht durch die Botschaft des Evangeliums, der wir geglaubt haben. Wir werden deshalb nicht überrascht sein, wenn wir im nächsten Kapitel finden, daß von uns als „lebendigen Steinen“ gesprochen wird und das in Verbindung mit einem „Haus“, das unvergänglich und bleibend ist.