Wenn die Mauer des Schweigens bricht ...
Hilfe für misshandelte Kinderseelen

Ausklang

Wenn die Mauer des Schweigens bricht ...

Abschließend sei zu diesem traurigen Thema Kindesmissbrauch gesagt: Es ist zu hoffen, dass derartige Fälle Ausnahmen sind und bleiben. Wir sollten uns allerdings nicht der Illusion hingeben, praktizierende Christen hätten mit dieser Problematik gar nichts zu tun. Die Erfahrung lehrt uns leider etwas anderes. Das Fleisch, die sündige Natur, ist in uns Gläubigen zu allem fähig. Vielleicht ist durch die Tatsache, dass ein solches Vergehen nicht zu Christen passt, diese Problematik unter Christen zu kurz gekommen oder ignoriert worden.

Wir dürfen nicht zulassen, dass ein System von Schweigen und Vertuschen inmitten eigentlich ernsthafter Christen vorhanden ist oder bleibt. Wir sollten alles daran setzen, was in unserer persönlichen Macht liegt, aufzuklären, sensibel mit Kindesmissbrauch umzugehen und auch den Herrn zu bitten, dass Er uns den Mut schenkt, wenn notwendig die Dinge offen anzusprechen. Das soziale Gefüge, in dem man sich bewegt, kann sehr starr und stark sein. Wenn es um eine solche Sünde geht, dürfen wir uns an Vertuschen nicht beteiligen.

Es ist notwendig, wachsam zu sein. Wir wachen dabei zunächst über unser eigenes Leben, sollten aber auch bei unseren Mitchristen ein offenes und sensibles Ohr haben, ohne misstrauisch zu sein oder Misstrauen zu säen. Zuweilen kann Aufklärung nützlich sein. Vor allem aber dürfen wir uns gegenseitig ermutigen, dem Herrn auch in seiner vollkommenen Reinheit nachzufolgen.

Missbrauch thematisieren

Es ist heute wichtig, dass Eltern mit ihren Kindern über das Thema des sexuellen Missbrauchs sprechen. Wir tun das nicht zuletzt im Hinblick auf Menschen aus dem Bekanntenkreis, die sich den Kindern mit unsittlichen Motiven nähern. Kinder werden in der Schule über solche Versuche informiert.

Wir Eltern haben eine mindestens ebenso große Verantwortung, Kinder aufzuklären. Gerade im Blick auf Bekannte aus dem christlichen Umfeld sollten sie klar wissen, dass es Grenzen von Autorität und Annäherung gibt. Gerade in einer Atmosphäre guter Autorität könnten Kinder schwankend werden, was einem solchen Menschen mit Autorität erlaubt ist.

Thema für eine Jugendstunde?

Es erscheint mir jedoch auch hilfreich zu sein, ein solches Thema einmal in einer Jugendstunde aufzugreifen. Warum? Weil junge Menschen heute mit offeneren und kritischeren Augen zusehen, was zwischen Menschen passiert. Sie können dann in ihrer eigenen Familie oder auch in ihrem Umfeld eine Hilfe sein, wenn sie dafür sensibilisiert worden sind, wie man sich verhält, wenn der Verdacht auf eine im sexuellen Bereich unnatürliche Beziehung zwischen einem Erwachsenen und einem Kind aufkommt.

Hinzu kommt, dass es unter Jugendlichen sowohl Opfer als auch Täter geben kann. Wir brauchen über eine Wahrscheinlichkeit nicht zu spekulieren. Auch sollten wir uns vor einem falschen Verdacht hüten. Aber wir müssen diese Dinge nüchtern sehen und dürfen uns in diesen Fragen nicht durch Gefühle leiten lassen. Dabei gilt es jedoch zugleich zu bedenken, dass Beschäftigung mit dem Bösen grundsätzlich eine verunreinigende Wirkung hat oder zumindest haben kann. Daher ist es wichtig, in einer Haltung dieses Thema zu besprechen, dass man den Herrn bittet, uns mithilfe seines Wortes rein zu erhalten.

Man muss darüber nachdenken, ab welcher Altersstufe junge Menschen sich mit dieser Thematik auseinandersetzen können. Bei jüngeren Jugendlichen ist es vermutlich ratsam, das Thema eher in Form eines Vortrags zu gestalten. Sonst besteht die Gefahr, dass keine Unterhaltung zustande kommt, weil zu viel Beklemmung mit im Spiel ist. Da es jedoch auch Jugendgruppen gibt, in denen manche junge Menschen sind, die älter als 20 Jahre alt sind, kann man Kindesmissbrauch auch in einem Gruppengespräch behandeln.

Um einen geeigneten Einstieg in das Thema zu bekommen, könnte man mit den jungen Leuten über Folgendes sprechen:

  • Wer hat schon mit diesem Thema persönlich zu tun gehabt? Wie bist Du mit dieser Konfrontation umgegangen? Was hast Du mit dem Wissen über einen konkreten Vorfall gemacht?
  • Wer konnte in dieser Situation helfen – wie geht es dem Opfer jetzt?
  • Was lesen wir in der Bibel über die Sexualität?
  • Welche Beziehungen intimer Art sind erlaubt?
  • Wo gibt es Beispiele, dass Grenzen in diesem Bereich übertreten wurden?
  • Wie sieht es bei der Beziehung von Eltern mit ihren Kindern aus, was die Intimsphäre betrifft?
  • Wie kann man das Verletzen dieser Intimsphäre innerhalb einer Familie erkennen, aber auch zwischen Personen, die nicht miteinander verwandt sind?
  • Was soll man tun, wenn man so etwas erkennt? Mit wem spricht man am besten zuerst? Was sollte man gerade nicht tun?
  • Wie kann man erkennen, dass jemand wirklich eine Person ist, der man Vertrauen schenken und der man sich anvertrauen kann?
  • Wie kann man vorbeugen?
  • Was kann man als Opfer tun?
  • Was sollte man tun, wenn man Täter ist?

Es ist wichtig, dieses Fragen und dazu gehörende Antworten einfühlsam mit den jungen Leuten zu besprechen. Es darf nicht der Eindruck von Voyeurismus in diesem Zusammenhang aufkommen, wohl aber Betroffenheit ausgelöst werden. Ziel muss es sein, sensibel für solche Vorkommen zu werden. Betroffene sollten dadurch die Möglichkeit bekommen, einen vertrauenswürdigen Ansprechpartner zu erhalten.

Es muss auch damit gerechnet werden, dass es in der Gruppe ein Opfer oder/und einen Täter gibt. Das bedeutet, dass das Gespräch eskalieren kann, wenn die Thematik ein Triggern bei einer betroffenen Person auslöst. Daher ist es ratsam, dass man bei der Besprechung von Kindesmissbrauch nicht nur einen Jugendstundenleiter dabei hat, sondern mindestens zwei, möglichst einen Verantwortlichen, der in seiner praktischen Tätigkeit schon Erfahrung mit diesem Thema besitzt.

Am Ende einer solchen Jugendstunde sollte ein positives Thema stehen. Der Herr in seiner Liebe und Reinheit als Kontrast zu diesem Bösen wird beschwerte Herzen wieder nach oben ziehen.

Missbrauch mit dem Missbrauch

„Ganz zum Schluss“ will ich nicht übergehen, dass es leider inzwischen auch eine Reihe von Fällen gibt, wo der Missbrauch missbraucht worden ist. Es sind einige Fälle bekannt geworden, wo durch bestimmte Therapeuten und sogenannte „Seelsorger“ jüngere Frauen dazu angestiftet worden sind, ihren Vater oder eine andere nahe stehende Person zu beschuldigen, diese hätten sie sexuell missbraucht. Nach etlichen Jahren kann das kein Mensch mehr nachprüfen – aber das Leben eines Menschen, der nie einen solchen Missbrauch vorgenommen hat, ist damit moralisch zerstört.

Bei dem genannten Phänomen gibt es – Gott sei Dank! – bislang keine große Anzahl von Fällen. Aber auch sie sind furchtbar und unerträglich. Denn sie zerstören in gleicher Weise grundlos das Leben eines Menschen, dem in der heute aufgeladenen Gesellschaft dann niemand mehr vertraut. Und dieser Missbrauch des Missbrauchs erschwert es noch weiter, dass wirkliche Opfer Gehör finden. Denn das Misstrauen gegen die Berichte von Betroffenen sind auf den ersten Blick oft so unglaublich, dass es eines großen Vertrauens zu den Opfern bedarf, um sie nicht für eine Lüge zu halten. Leider sind sie – fast immer – wahr.

Dieses Thema hat eine Vielzahl von Facetten: Es handelt sich um eine schlimme Sünde (Hurerei und Unzucht in bestialischer Form). Das ist die Seite des Täters. Eltern wiederum haben dafür Sorge zu tragen – soweit sie das tun können – ihre Kinder vor Missbrauchstätern zu schützen.

Gesprächsangebot & Buchempfehlungen

In diesem Buch konnten nur einige Aspekte im Themenkreis „sexueller Kindesmissbrauch“ angerissen werden. Vieles habe ich bewusst außen vor gelassen, weil es uns letztlich verunreinigt und nicht hilft, den Weg in der Nachfolge zu gehen.

Dennoch ist es für solche, die mit Opfern zu tun haben, nötig, sich einen etwas weitergehenden Einblick in die furchtbare Welt der Pädophilen zu verschaffen. Ich gebe hier also keine allgemeine Buchempfehlung, sondern nur für diejenigen, die sich wirklich mit diesem traurigen Stoff auseinandersetzen müssen. Ihnen empfehle ich das Buch „Es geschieht am helllichten Tag“ von Manfred Karremann, der ein Jahr in die Welt der Missbrauchstäter abgetaucht ist, um für den ZDF eine Dokumentation über dieses Thema zu erarbeiten. Dabei muss man bedenken, dass Karremann in die Welt der „Hardcore-Pädophilen“ eingestiegen ist – das Buch ist nichts für schwache Nerven! Und es beschreibt nicht die Welt des Kindesmissbrauchs, mit dem wir im Wesentlichen zu tun haben – nämlich in Familien.

Darüber hinaus empfehle ich – auch durch Hinweise von Betroffenen – die folgenden Bücher:

  • Für Christen und besonders für betroffene Kinder und Jugendliche ist das erste Buch, das ich empfehle, der Bericht, wie einem jungen Mädchen wirklich geholfen werden konnte:
    • J. McDowell, E. Stewart: „Mein Freund/meine Freundin hat ein Problem: Sexueller Missbrauch“
    • 64 Seiten, CV Dillenburg, nur noch gebraucht erhältlich.
  • Ein gerade für Frauen sehr nützliches Buch hat Doris van Stone als selbst betroffene Frau geschrieben. Sie zeigt unter anderem auf, wie wichtig es zur Verarbeitung des erfahrenen Missbrauchs ist, über die Erlebnisse zu sprechen.
    • D. v. Stone/E. Lutzer: „Wer wird mein Schreien hören? Verletzung und Heilung bei sexuellem Missbrauch“
    • 128 Seiten, CLV Bielefeld
  • In einem weiteren Buch geht es um die Erfahrungen von Personen, die als Kinder missbraucht worden sind, die aber eine Befreiung aus dieser körperlichen und seelischen Belastung gefunden haben. Dieses Buch ist durch die verschiedenen Erlebnisberichte besonders ansprechend und zugleich anspruchsvoll, wenn man sich mit diesem Thema auseinandersetzen will.
    • Westmeier: Ich habe es überlebt
    • 128 Seiten, Blaukreuz-Verlag, nur gebraucht erhältlich
  • Im folgenden Buch findet man Gedichte, Bilder und Texte, die zur Heilung von Menschen beigetragen haben, die sexuell missbraucht worden sind. Es gibt vermutlich nichts Beeindruckenderes, als solche Gedichte und Lieder zu lesen. Durch dieses Buch kommt dem Unwissenden die Seelenwelt von Opfern auf einmalige Weise näher.
    • J. Kix (Hrsg.): Ich hab’ es niemand erzählt …
    • 149 Seiten, Edition Trobisch, nur gebraucht erhältlich
  • Im letzten Buch, das ich hier nenne, behandelt der Autor verschieden Süchte wie Alkohol, Kindesmissbrauch, Scheidung, Abtreibung, Homosexualität und Pornografie. Er versucht deutlich zu machen, dass ein Neuanfang möglich ist – mit Gottes Hilfe.
    • E. Lutzer: Lass deine Vergangenheit hinter dir: Hoffnung im tiefsten Schmerz
    • 190 Seiten, CV Dillenburg, 12,90 Euro

Website und Kontaktformular

Jeder konkrete Fall liegt jedoch anders. Daher haben wir auf der Website www.bibelseelsorge.de eine Reihe von seelsorgerlichen Themen zusammengefasst, verbunden mit einem Kontaktformular, das man – auch anonym – benutzen kann, wenn man eine Frage hat oder Hilfe benötigt.

Absolute Vertraulichkeit ist selbstverständlich.

Wenn wir merken, dass wir selbst keine konkrete Hilfestellung geben können, werden wir an entsprechende fachliche Stellen oder Christen verweisen, die über Erfahrung auf dem jeweiligen Fachgebiet verfügen.

Keine Verjährung

Kindesmissbrauch verjährt strafrechtlich – das ist juristisch vom Staat so festgelegt worden. In der Erinnerungswelt der Opfer wird sie nie verjähren.

Wir haben die Aufgabe mitzuhelfen, dass es auch für Menschen, die im Kindesalter missbraucht worden sind, neue Perspektiven gibt. Die aber kann es nur geben, wenn der Missbrauch aufhört, aufgedeckt und gottgemäß behandelt wird, und wenn den Opfern die Zuwendung widerfährt, auf die sie oft jahrelang vergeblich warten mussten.

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