Vorträge zum Matthäusevangelium
Kapitel 1
Ich denke, es ist von großem Nutzen, wenn ich mir das erste Evangelium vornehme und so einfach, wie der Herr es mir ermöglicht, eine allgemeine Übersicht der hier geoffenbarten Wahrheit gebe. Dabei möchte ich die besonderen Gegenstände und Absichten des Heiligen Geistes herausstellen, soweit sie aus dem Charakter und dem Inhalt des Evangeliums feststellbar sind. Das mag solchen Lesern, die Gottes Wort wertschätzen, Hinweise geben, um einigen der Schwierigkeiten zu begegnen, die in den Gedanken vieler auftauchen. Außerdem sollen große Wahrheiten, die man zu leicht übersieht, in ein klareres Licht gerückt werden. Es sollte selbstverständlich sein, daß der Geist Gottes diese Berichte von unserem Herrn nicht gegeben hat unter Bedingungen, daß sich menschliche Fehler in dieselben einschleichen konnten. Im Gegenteil hat Er Seine mächtige, irrtumslose Hand über jene Männer gehalten, die sie schrieben, obwohl sie in sich selbst Menschen von gleichen Gemütsbewegungen waren wie wir. Zweifellos hat der Heilige Geist diese Darstellungen inspiriert, damit wir volle Gewißheit haben, daß Er ihr Autor ist; denn sie sind die Wahrheit, die Er mit Seiner Vollkommenheit besiegelt hat. So wie es Ihm gefallen hat, uns verschiedene Berichte zu geben, so hatte Er einen göttlichen Grund für die Abfassung eines jeden von ihnen. Kurz gesagt: Gott möchte sich verherrlichen und hat dafür Vorsorge getroffen.
Für jeden, der die Evangelien mit nur geringem Unterscheidungsvermögen liest, kann es keinen Zweifel geben, daß das erste vor allem ganz bemerkenswert den Bedürfnissen der Juden angepaßt ist. Es stellt besonders die Prophezeiungen des Alten Testaments und andere Schriftstellen heraus, die ihre Erfüllung in Jesus fanden. Folglich stehen in diesem Evangelium mehr Zitate der Bibel in Anwendung auf das Leben und den Tod unseres Herrn als in allen anderen zusammengenommen. Dies war natürlich nicht dem Ermessen des Matthäus überlassen. Daß der Heilige Geist den Verstand eines Menschen benutzte, um Seine Absichten auszuführen, ist klar. Er ließ sich jedoch herab, einen Mann in dem, was er bekanntgeben sollte, vollkommen zu überwachen und zu leiten. Das meinen wir, wenn wir sagen, daß Gott Matthäus für einen bestimmten Zweck inspirierte.
Matthäus stellt also unseren Herrn in einer Weise vor, wie er am besten den richtigen und falschen Gedanken und Empfindungen eines Juden begegnen konnte. Er liefert die Beweise, welche ganz besonders seinen Vorstellungen genügen mußten. Außerdem ist offensichtlich aus dem Charakter der Predigten und Gleichnisse abzulesen, daß die Verwerfung des Messias durch Israel und die Folgen daraus für die Nichtjuden die hervorstechendsten Gedanken des Heiligen Geistes im Matthäusevangelium darstellen. Deshalb fehlt hier die Himmelfahrtsszene. Der Jude würde, wenn er die alttestamentlichen Prophezeiungen verstanden hätte, einen Messias erwartet haben, der kam, litt, starb und „nach den Schriften“ (1. Korinther 15,3.4) auferstand. Im Matthäusevangelium finden wir Seinen Tod und Seine Auferstehung; und dabei bleibt es. Aus Matthäus' Bericht könnten wir kaum herleiten, daß Christus in den Himmel auffuhr. Wir sollten allerdings wissen, daß in einigen Worten Christi, die Matthäus uns gibt, diese Wahrheit enthalten ist (z.B. Matthäus 24,44; 25,31; 26,64). Tatsächlich endet sein Bericht, während Christus noch auf der Erde ist. Das letzte Kapitel beschreibt nicht die Himmelfahrt Christi, noch Sein Sitzen zur Rechten Gottes, sondern Seine Rede an die Jünger hienieden und Seine immerwährende Gegenwart bei ihnen, während sie auf ihre große Mission zu allen Nationen hinaus gesandt wurden. Eine solche Darstellung entspricht insbesondere dem Bedürfnis der Juden. Alle Menschen haben sie nötig; doch sie gilt für dieses Volk mehr als für jedes andere auf der Erde.
Und wer war der Beauftragte und worin bestand seine Befähigung? Es war einer von den Zwölfen, die den Herrn vom Anfang Seines Dienstes an bis zu Seinem Weggang begleitet hatten. Insofern war er offensichtlich ein qualifizierter Zeuge an die Juden und weit passender für seine Aufgabe, als es Markus oder Lukas gewesen wären, die, soweit wir wissen, keine persönlichen Gefährten des Herrn waren. Zweifellos gab es jedoch eine problematische Besonderheit bei Matthäus: Er war von Beruf ein Zöllner, ein Steuereinnehmer. Obwohl ein Jude, stand er doch im Dienst der Nichtjuden. Diese Stellung machte ihn für seine Volksgenossen besonders abstoßend. Sie betrachteten ihn mit mehr Mißtrauen als einen Ausländer. Daher scheint es auf dem ersten Blick um so erstaunlicher zu sein, daß der Heilige Geist einen solchen Mann gebraucht, um den Bericht von Jesus als dem Messias zu schreiben. Doch wir müssen uns daran erinnern, daß wir durch das ganze Matthäusevangelium hindurch noch ein weiteres Thema finden. Wir lesen nicht nur den inspirierten Bericht von Jesus als dem wahren Messias und das ausreichende Zeugnis davon an Israel, sondern auch die Darstellung Seiner Verwerfung durch das Volk und die Folgen ihres verhängnisvollen Unglaubens. Alle Schranken, die bisher zwischen Juden und Nichtjuden bestanden, werden niedergerissen. Während Israels Unglauben fließt die Barmherzigkeit Gottes aus, um die verachteten Heiden genauso bereitwillig und vollständig zu segnen wie die Juden. So wird offenbar, wie bewundernswert Matthäus, der Steuereinnehmer, von Gott benutzt wurde und für seine Aufgabe geeignet war.
Diese wenigen Bemerkungen sollen deutlich machen, wie äußerst geeignet der erste der vier Evangelisten für das Werk war, das er ausführen sollte. Wenn wir jetzt den Auftrag hätten, auch die übrigen Evangelisten zu beurteilen, dann wäre genauso leicht zu zeigen, daß jeder von ihnen seine richtige Aufgabe erhielt. Während wir unseren Weg durch dieses Evangelium verfolgen, werden wir zweifellos von der Weisheit überrascht, die einen solchen Menschen ausgewählt hat, um Bericht zu erstatten vom leidenden Messias, der von Seinen schuldigen Brüdern nach dem Fleisch verworfen wurde. Im Augenblick möchte ich mich jedoch darauf beschränken, vorzustellen, wie angemessen Matthäus seinen Bericht von dem Messias einleitet.
Ohne Zweifel werden viele Leser von der Namensaufzählung am Anfang des ersten Kapitels mehr oder weniger aufgehalten und fragen sich vielleicht: Welchen Nutzen hat eine solche Liste? Laßt uns jedoch niemals etwas in der Bibel als eine unwichtige oder sogar zweifelhafte Sache überspringen! Es liegen Tiefen voll gesegnetster Bedeutung in der Darstellung, wie Matthäus uns das Geschlechtsverzeichnis des Herrn gibt. Laßt mich darum ein wenig meine Gedanken über die vollkommene und schöne Weise, in welcher der Geist Gottes hier die Abstammungslinie unseres Herrn verfolgt, ausbreiten! Dabei möchte ich auch kurz die Aufmerksamkeit darauf richten, wie sehr diese Einleitung zu dem göttlichen Bericht vom Herrn Jesus an die Juden paßt, welche ständig bestritten, daß Jesus wirklich der Messias war.
Wir stellen fest, daß das Geschlechtsregister hier völlig von dem im Lukasevangelium abweicht, wo es nicht am Anfang des Evangeliums, sondern erst am Ende von Kapitel 3 angeführt wird. So erfahren wir in letzterem Evangelium sehr viel über den Herrn Jesus, bevor Sein Geschlechtsverzeichnis erscheint. Warum ist das so? Lukas schrieb an die Nichtjuden, bei denen wir nicht voraussetzen dürfen, daß sie genauso bzw. in der gleichen Weise an den messianischen Beziehungen des Herrn interessiert waren. Nachdem sie aber bis zu einem gewissen Grad erfahren hatten, wer und was Jesus war, sollte es auch für sie wissenswert sein, Seine Abkunft als Mensch zu kennen - und zwar von Adam, dem Stammvater der ganzen menschlichen Familie her. Was könnte angemessener sein als dieser Nachweis Seiner Verbindung mit dem Haupt unserer Rasse in jenem Evangelium, das die Gnade Gottes zeigen sollte, wie sie jetzt zur ganzen Menschheit ausgeht - diese heilbringende Gnade Gottes, die für alle Menschen erschien? (Titus 2,11). Wir könnten diesen Vers aus dem Titusbrief als eine Art Titel über das Lukasevangelium setzen. Es ist die Gnade Gottes in der Person Seines Sohnes, der Mensch wurde. Durch Sein Menschsein war Er mit der ganzen Menschenfamilie verbunden, obwohl Seine Natur immer, ausschließlich und durch und durch heilig war. Eine göttliche Natur konnte nur heilig sein.
Hier im Matthäusevangelium befinden wir uns jedoch auf einem weniger umfassenden Boden - beschränkt auf eine bestimmte Familie, dem königlichen Samen einer bestimmten Nation, dem auserwählten Volk Gottes. Schon im ersten Vers werden Abraham und David erwähnt. „Buch des Geschlechts Jesu Christi, des Sohnes Davids, des Sohnes Abrahams.“ (V. 1). Warum werden diese beiden Namen ausgewählt; und warum werden sie in dieser kurzen Zusammenfassung nebeneinandergestellt? Weil alle Hoffnungen Israels mit dem in Verbindung standen, was diesen beiden Personen geoffenbart war! David war das gesalbte Haupt des Königtums, von dem die wahre Erblinie des messianischen Thrones ausging. Saul war nur der fleischliche König, den Israel vorübergehend nach seinem eigenen Willen für sich selbst ausgesucht hatte. David war der von Gott erwählte König; und er wird hier als der Vorfahre des Gesalbten des Herrn - „des Sohnes Davids“ - erwähnt. Auf der anderen Seite war Abraham der Empfänger der Verheißung, in dem nach den Worten Jehovas alle Geschlechter der Erde gesegnet werden sollten. (1. Mose 12,3). So bereiten uns diese einführenden Worte auf das Evangelium als ganzes vor. Christus kam mit all der Wirklichkeit des Königreichs, das Davids Sohn verheißen war. Wenn Er jedoch als Sohn Davids verworfen wurde, dann gab es immer noch Segnungen in dem Sohn Abrahams, und zwar nicht nur für die Juden, sondern auch für die Nichtjuden. Er ist der wahre Messias. Wenn Israel Ihn jedoch nicht haben will - Gott wird während der Zeit seines Unglaubens die Nationen, wenn auch in mancher Hinsicht in einer außergewöhnlichen Weise, Seine Barmherzigkeit kosten lassen.
Nachdem uns dieser allgemeine Überblick gegeben wurde, folgen jetzt die Einzelheiten. Sie beginnen mit Abraham. Wir begleiten nicht eine Linie, die von Jesus zu ihm hin zieht; Matthäus geht den umgekehrten Weg. Jeder Israelit würde bei Abraham anfangen und mit Interesse den einzelnen Stufen der Linie folgen, die von diesem Mann, mit dem sie alle in Verbindung standen, wegführt. „Abraham zeugte Isaak; Isaak aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Juda und seine Brüder.“ (V. 2). Die zusammenfassende Bemerkung - „Juda und seine Brüder“ - scheint in mehr als einer Hinsicht von Bedeutung zu sein. Sie paßt nicht zu der Ansicht, daß unser Evangelist in diesem Teil des Kapitels oder auch anderswo einfach Aufzeichnungen abschrieb, die bei den Juden aufbewahrt wurden. Wir können sicher sein, daß Menschen niemals ein Geschlechtsverzeichnis dieser Form geschrieben hätten. Dennoch steht es offensichtlich in strengster Übereinstimmung mit diesem Evangelium; denn es gibt dem königlichen Stamm, aus dem der Messias kam (1. Mose 49, 10), besonderen Vorrang. Aber es erinnert jene bevorzugten Personen daran, daß auch die anderen, obwohl sie lange nicht mehr im Blickfeld gestanden haben, von Gott nicht vergessen werden, während Er das Geschlechtsregister Seines Messias aufzeichnet.
„Juda aber zeugte Phares und Zara von der Thamar.“ (V. 3). Aus welchem Grund wird hier eine Frau eingeführt und insbesondere Thamar genannt? Es gab Frauen von großem Ansehen in der Abstammungslinie des Messias - Personen, zu welchen die Juden natürlicherweise als heilig und ehrenvoll aufsahen. Welches jüdische Herz würde nicht von starken Gefühlen der Hochachtung brennen, wenn es von Sara und Rebekka und den anderen heiligen und wohlbekannten Frauen aus der Geschichte des Alten Testaments hört? Sie werden jedoch nicht erwähnt. Statt dessen wird von Thamar gesprochen. Warum? Dahinter liegt die Gnade verborgen, die streng jegliche Selbstgerechtigkeit zurückstößt und trotzdem in ihrer Art kostbar ist. Wir finden vier, und ausschließlich vier, Frauen in dieser Reihe. Auf jeder von ihnen lag ein Makel. Die Quelle dieser Tadel oder Schandflecke war nicht von gleicher Art. Für einen stolzen Juden waren indessen alle diese Frauen mit einer sehr demütigenden Geschichte verbunden - mit Umständen, die er im Dunkeln gehalten hätte. O, wunderbare Wege Gottes! Was ist Ihm unmöglich? Wie auffallend, daß der Heilige Geist die Aufmerksamkeit nicht auf jene richtet, die in den Augen Israels zur Ehre gereichten! Nein, Er wählte jene aus, die ein fleischlicher Israelit voll Verachtung verborgen hätte. Der Messias sollte aus einem Geschlecht entsprießen, in welchem traurige Sünden und verschiedene Arten von Schande aufgetreten waren. Und wo alles, was im Menschen ist, versucht hätte, diese Dinge in Vergessenheit zu bringen, stellt der Geist Gottes sie unübersehbar heraus. So wie sie in den ewigen Aufzeichnungen der alttestamentlichen Geschichte beschrieben stehen, so werden sie hier vor aller Welt ins Gedächtnis gerufen. Jene Frauen mit solchen schmutzigen Flecken nach menschlichem Urteil sind die einzigen ihres Geschlechts, die hier besonders vor uns gestellt werden.
Was ist der Mensch? Und was ist Gott? Was ist der Mensch, daß solche Dinge immer wieder geschehen sind! Und was ist Gott, daß Er sich nicht scheut, davon zu berichten! Ja, Er zieht ihre Geschichte aus der Dunkelheit heraus und stellt sie in das volle geoffenbarte Licht! Er verziert, wenn ich mich so ausdrücken darf, sogar das Geschlechtsverzeichnis Seines Sohnes damit. Nicht, daß die Sünde nicht außerordentlich sündig wäre! Auch dachte Gott nicht gering von den Vorrechten Seines Volkes und noch weniger von der Herrlichkeit Seines Sohnes oder dem, was Ihm angemessen war! Aber Gott, der die Sünde Seines Volkes als die schlimmste Sünde überhaupt ansieht, führt gerade in diesem Messias den Einzigen ein, der Sein Volk von seinen Sünden erretten sollte. Darum zögert Er nicht, dessen Ungerechtigkeiten oder Skandale in die Gegenwart der Gnade zu bringen, die sie wegnehmen konnte und sollte. Dachten die Juden, daß dies eine Unehre für den Messias sei? Der Messias sollte aus diesem Stamm und aus keiner anderen Abstammungslinie entsprossen. Seine Abkunft war auf das Haus Davids und die Linie Salomos beschränkt; und diese Männer stammten ohne Frage unmittelbar von Judas Sohn Perez ab. Kein Jude konnte dieser Schwierigkeit ausweichen.
Welche Lehre empfangen wir hier! Wenn der Messias sich herabließ, mit einer solchen Familie in Verbindung zu treten - wenn es Gott gefiel, die Umstände so zu ordnen, daß Sein Sohn, der Heilige Israels, dem Fleisch nach aus einem solchen Stamm geboren werden sollte, dann konnte wohl niemand zu schlecht sein, um nicht von Ihm angenommen zu werden. Er kam, um Sein Volk von ihren Sünden zu erretten (V. 21), und nicht, um ein Volk ohne Sünden vorzufinden. Er kam mit aller errettenden Macht. Schon bei der Auswahl der Familie, in der Er ein - oder besser gesagt der - „Sproß“ (Jeremia 23,5 u. a.) sein wollte, zeigte Er Seine Gnade. Gott wird niemals überrascht. Dasselbe gilt auch durch die Gnade für den Glaubenden; denn er ruht darin, was Gott in Christus für ihn ist. Wir können niemals etwas für Gott sein, bevor wir wissen, daß Christus alles für und an uns ist. Aber wenn wir einen solchen Gott und Vater kennen, wie Jesus Ihn uns offenbart - und zwar auf der einen Seite voller Güte und auf der anderen ohne die geringste Finsternis in Ihm - was dürfen wir dann nicht alles von Ihm erwarten? Wer könnte dann nicht aus Gott geboren werden? Wen würde ein solcher Gott zurückweisen? Dieser Hinweis in Matthäus 1 öffnet den Weg für die Wunder der Gnade, die später geschildert werden. In einem Sinn besaß kein Mensch eine solche Stellung alter Vorrechte wie der Jude. Doch ist der Hinweis auf diesen dunklen Flecken in dem Bericht, den der Heilige Geist von der Abkunft des Messias gibt, nicht ohne Absicht geschrieben. Wenn kein Fleisch sich in der Gegenwart Jehovas rühmen darf (1. Korinther 1,29) - welches Böse wäre dann zu groß für Seine Barmherzigkeit?
Doch das ist nicht alles! „Phares aber zeugte Esrom . . . Salmon aber zeugte Boas von der Rahab.“ Wer oder was war Rahab? Eine Heidin und sogar eine ehemalige Hure! Sie wurde indessen aus all ihren Verbindungen herausgenommen und von allem abgesondert, was von Natur ihr Teil war. Und hier steht sie in diesem Evangelium vom Messias an die Juden - jenem Volk, welches Ihn verachtete und haßte, weil Er auch auf Heiden blicken wollte. Rahab war schon für den Himmel ausersehen; und kein Jude konnte es leugnen. Sie wurde von Gott heimgesucht. Sie wurde äußerlich und innerlich von Seiner mächtigen Gnade errettet und in Israel eingeführt, ja, zu einem Mitglied Israels auf der Erde gemacht. Die unumschränkte Gnade führte sie in die königliche Linie ein, aus welcher der Messias wirklich kommen sollte und aus der Jesus, welcher Gott über alles ist, gepriesen in Ewigkeit, geboren wurde. O, welche Wunder der Gnade dämmern über uns auf, während wir bei dieser einfachen Liste von Namen verweilen, welche der Unglaube als trockenes, wenn nicht sogar fehlerhaftes Anhängsel an das Wort Gottes verunglimpft! Aber der Glaube sagt: „Ohne die Weisheit Gottes kann ich gar nichts.“ Ganz gewiß leuchtet Seine Weisheit in allem, was Er hier geschrieben hat. „Wer sich rühmt, der rühme sich des Herrn.“ (1. Korinther 1,31).
Möchte jemand denken, daß Rahab in grauer Vorzeit in Israel eingeführt wurde? Keineswegs! „Salmon aber zeugte Boas von der Rahab; Boas aber zeugte Obed von der Ruth; Obed aber zeugte Isai, Isai aber zeugte David, den König.“ (V. 5-6). Ruth war in sich selbst treu und liebenswert, aber von einer Herkunft, die den Juden besonders abstieß. Sie war eine Moabitin, und darum durfte sie nach dem Gesetz nicht in die Versammlung des Herrn kommen bis ins zehnte Geschlecht. Sogar ein Edomiter oder ein Ägypter wurde weniger verabscheut. Ihre Kinder durften in der dritten Generation in Israel aufgenommen werden (5. Mose 23,3-8). So wird hier ein noch umfassenderes Zeugnis gegeben, daß die Gnade hinausgehen und sogar die Schlimmsten der Heiden segnen wollte. Ob der Jude es mochte oder nicht - Gott hatte Rahab, die einst unsittliche Heidin, und Ruth, die Tochter Moabs - obwohl in sich selbst demütig und treu - nicht nur in die Nation Israel eingefügt, sondern auch in die direkte Abstammungslinie, aus welcher der Messias entsprossen sollte.
„Isai aber zeugte David, den König. David aber zeugte Salomon von der, die Urias Weib gewesen.“ (V. 6). Mit wenigen Generationen Abstand finden wir also diese drei Frauen, welche aus dem einen oder anderen Grund, sei er sittlich oder zeremoniell begründet, völlig verachtet und aus der Gesellschaft Israels ausgeschlossen worden wären, und zwar von demselben Geist, der auch Jesus und die Gnade Gottes verwarf. Sie war also nichts Neues - jene göttliche Barmherzigkeit, die sich ausstreckte, um die Geächteten aus den Nationen einzusammeln, und auf die verdorbensten Menschen blickte, um sie wirksam zu befreien und heilig zu machen. Das war auch in alten Zeiten die Weise Gottes. Die Juden konnten den Bericht, welchen Gott von der Abstammung ihres Messias gab, nicht lesen, ohne diese Wahrheit zu erkennen. Und daß diese Familie der göttlich vorhergesagte Kanal war, konnte kein Jude leugnen. Alle mußten anerkennen, daß der Messias aus keiner anderen Linie kommen konnte als derjenigen Salomos. O, welch eine Gnade gegen uns, die wir wissen, was wir als ehemalige arme Sünder aus den Nationen gewesen sind! In welchem Elend befanden wir uns wegen unserer Schuld und Sünde! „Solches sind euer etliche gewesen; aber ihr seid abgewaschen, aber ihr seid geheiligt, aber ihr seid gerechtfertigt worden im Namen des Herrn Jesus und durch den Geist unseres Gottes.“ (1. Korinther 6,11).
Schon die ersten Worte, welche den Messias einführen, liefern diese gesegnete Wahrheit für jedes Ohr, das hören, und jedes Auge, das sehen kann, was Gott bereithält und ihnen jetzt zeigt! Der letzte Fall, der hier erwähnt wird, ist noch demütigender als die anderen. Denn wenn auch in den frühen Tagen die Geschichte Thamars böse und scheußlich genug war, so sind es noch schlimmere Charakterzüge von Treulosigkeit, böser Lust und Gewalttat, die bei der Erwähnung der Frau des Urija vor unsere Blicke treten. Und dies ist um so trauriger, weil die Hauptschuld auf Seiten des Mannes lag, den Gott mit Freuden geehrt hatte, nämlich „David, den König“. Wer weiß nicht, daß dieses Ereignis das tiefste und rührendste persönliche Bekenntnis der Sünde hervorrief, das jemals vom Geist Gottes inspiriert wurde? (Psalm 51). Hier erfahren wir erneut, daß der Mann, welcher in diese Szene des Grauens verwickelt war und diesen Psalm eines traurigen Zerbrochenseins gedichtet hat, der direkte Vorfahre des Messias ist. Wenn also ein Jude auf die Stammväter des Messias blickte, dann mußte er zugeben, daß Seine Ahnen nur solche Menschen sein konnten. Gott berichtet dadurch von der gesegneten Enthüllung Seiner Wege, sowohl um den verhärtetsten, stolzesten und sündigsten Menschen zu gewinnen, als auch jene, die Ihn lieben, mit unerschöpflichem Trost und bleibender Erfrischung zu versehen. Kein Fleisch soll sich vor Ihm rühmen. Wer sich rühmt, rühme sich im Herrn!
Muß ich mich noch ausführlich mit den folgenden Namen beschäftigen? Wir würden dann Sünde über Sünde, Flecken über Flecken, verknüpft in die verschiedenen Einzelschicksale entdecken. Diese Verse zeigen ein nur zu lückenloses Gewebe von Merkmalen, die einen Juden erröten ließen. Ein Mensch würde diese Dinge niemals herausgestellt haben im Zusammenhang mit einem König, den er verehrt. Gott erlaubte in Seiner unendlichen Güte nicht, daß diese in Vergessenheit gerieten. Nicht ein Wort wird über Frauen gesagt, die lebten, nachdem die Aufzeichnungen des Alten Testaments zu Ende waren. Welcher Jude konnte also den lebendigen Aussprüchen an ihn widersprechen? Es war wahrhaft göttlich, daß alles ausgelassen wurde, dessen sich ein Jude rühmte, und nur jenes erwähnt wurde, was er voller Scham verschwiegen hätte. Und das geschah voll zarter Barmherzigkeit gegen Israel und gegen Sünder. Daraus dürfen wir entnehmen, daß die Erwähnung dieser vier Frauen außerordentlich belehrend ist. Ein Mensch konnte so etwas nicht schreiben. Uns bleibt nur übrig zu lernen und zu bewundern. Jede der genannten Frauen weist Eigenheiten auf, welche die menschliche Natur sorgfältig aus dem Bericht herausgelassen hätte; und doch rückte die Gnade sie ganz besonders ins Licht. Die Wahrheit, welche auf diese Weise gelehrt wird, sollte niemals vergessen werden. Der Jude, der die Anrechte Jesu auf den Messiastitel wissen wollte, konnte hier das lernen, was sein Herz und sein Gewissen auf einen Messias wie Jesus vorbereitete. Er ist ein Messias, der kam, um nach Sündern zu suchen und keinen Bedürftigen, nicht einmal einen armen Zöllner oder eine Hure, zurückzuweisen. Der Messias strahlte vollständig Gott in Seiner heiligen Liebe wieder. Er erfüllte alle Absichten Gottes und war ein vollkommener Ausdruck der Gnade, die in Gott ist. Daher gab es keinen Gedanken, kein Gefühl und kein Wort der Gnade in Gottes Wort, welches der Messias bei Seinem Kommen nicht in Seiner Handlungsweise mit armen Seelen, mit Juden zuerst und auch mit Griechen, erfüllte.
Das ist also das Geschlechtsregister Christi, so wie es uns hier gegeben wird. In der Liste sind einige Auslassungen. Daher waren einige gelehrte Männer so schwach und dabei doch so kühn, Matthäus einen Fehler zuzuschreiben, den kein verständiger Sonntagschüler gemacht hätte. Denn sogar ein Kind kann abschreiben, was ausführlich geschrieben steht; und ganz gewiß hätte sich Matthäus leicht das Alte Testament nehmen können, um die Namens- und Generationslisten aus den Chroniken und anderen Bibelbüchern wiederzugeben. Es lag jedoch ein gottgemäßer Grund vor, warum die drei Generationen mit den Namen Ahasja, Joas und Amazja in Vers 8 verschwiegen wurden.
Warum, dürfen wir fragen, läßt der Apostel Matthäus, natürlich durch Inspiration, einige Glieder der Kette weg? - Dem Geist Gottes gefiel es, die Ahnen unseres Herrn in drei Abteilungen von jeweils vierzehn Generationen anzuordnen. Da es in Wirklichkeit mehr als vierzehn Generationen zwischen David und der Gefangenschaft gab, mußten notwendigerweise einige aussortiert werden, um die Serie anzupassen. Deshalb werden nur vierzehn aufgezählt. Tatsächlich muß jeder, der die Schriften des Alten Testaments untersucht hat, zugeben, daß es keineswegs ungewöhnlich ist, in Geschlechtsverzeichnissen einige Glieder der Kette zu überspringen. An einer Stelle fehlt mehr als die doppelte Anzahl (Esra 7,3). Dabei war es Esra selbst, der jenes Buch schrieb und natürlich seine eigene Abstammung weit besser kannte als wir. Wenn jemand von uns durch den Vergleich mit anderen Bibelteilen die fehlenden Glieder herausfinden kann, dann konnte Esra es erst recht. Aber als er sein Geschlechtsregister aufzeichnete, gefiel es dem Geist Gottes, durch ihn nicht weniger als sieben Generationen zu überspringen. Das ist um so bemerkenswerter, weil niemand seine Rechte als Priester ausüben durfte, es sei denn, daß er seine Abstammungslinie ohne irgendeinen Zweifel an ihrer Abfolge bis auf Aaron zurückverfolgen konnte. Ich habe keinen Zweifel, daß ein besonderer Grund für die Auslassung dort und nicht weniger in unserem Evangelium vorlag. Aber die Beweggründe für dieselbe sind ein Problem für sich. Einer wurde schon genannt. Wenigstens in der zweiten Abteilung unseres Geschlechtsregisters gab es mehr als zweimal sieben Generationen. Das mag ein Grund gewesen sein, warum der Schreiber einige Namen entfernte.
Aber warum werden gerade diese Könige weggelassen? - Athalja, die Tochter Ahabs, des Königs von Israel, und Frau von Joram, war durch Heirat in das königliche Haus Davids aufgenommen worden. Das war wirklich eine traurige Stunde für Juda. Denn Athalja, wütend über das vorzeitige Ende ihres Sohnes, des Königs Ahasja, machte sich eines nur zu erfolgreichen Versuchs schuldig, den königlichen Samen zu vernichten. Sie konnte ihn jedoch nicht vollständig ausmerzen; denn diese Familie war aus allen Familien des Volkes Gottes ausgewählt worden, um niemals ausgetilgt zu werden, bevor Schilo kommt. (1. Mose 49,10). Nur ein einziger Schößling wurde gerettet, indem Josabath ihn im Haus Jehovas verbarg. (2. Chronika 22). Das Licht wurde eine Zeitlang unter einem Scheffel verborgen, jedoch nicht ausgelöscht. Der Sohn Davids jener Zeit trat wieder hervor, und zwar zu einer Zeit, als Juda in verschiedene und ständig zunehmende Gottlosigkeiten fiel. Aber genauso gewiß, wie der junge Joas aus seinem Versteck herausgeführt wurde, war ein Priester da, um den König zu salben. Und der Zusammenschluß von König- und Priestertum erfüllte die damaligen Ratschlüsse Gottes. Ähnlich wird es sein, wenn die Jahre der Rebellion des Menschen gegen Gott ihre Erfüllung finden. Der König, der so lange verborgen und vergessen war, wird herauskommen und alle Feinde niedertreten; und dann wird Juda wirklich blühen unter dem König, dem wahren Sohn Davids. So war also die ganze Geschichte Joas' ein Sinnbild von dem Wiedererscheinen des wahren Messias in der Zukunft. Es ist allerdings jetzt nicht meine Absicht, hierbei länger zu verweilen, sondern kurz zu untersuchen und vorzustellen, warum diese Könige übergangen werden. Als Antwort genügt, daß sie Nachkommen der Athalja sind. Darum werden sie vollständig ausgelassen. Wir sehen, wie Gott auf diese Weise Seine Mißbilligung über die Einführung dieses bösen und götzendienerischen Sprosses aus dem Haus Ahabs ausdrückt. Die Nachkommen der Athalja bis zur dritten Generation werden nicht erwähnt. Das scheint der sittliche Grund zu sein, warum drei Personen an dieser Stelle des Verzeichnisses fehlen.
Dann lesen wir in Vers 11: „Josia aber zeugte Jechonia und seine Brüder um die Zeit der Wegführung nach Babylon.“ Auch hier ist die Methode offensichtlich wieder zusammenfassend. Joahas, den das Volk zum König machte und der nur drei Monate regierte, wird nicht aufgeführt und ebenso wenig Jojakim, der oft mit demselben Namen genannt wird wie sein Sohn Jekonja 1.
Doch die geringfügigeren Besonderheiten des Geschlechtsregisters sollen uns jetzt nicht aufhalten. Das Wort Gottes ist unendlich. Was immer wir auch schon gelernt haben - es zeigt uns ständig unsere Unwissenheit. Wenn Menschen sich ganz und gar in der Finsternis befinden, dann denken sie, daß sie alles wüßten, was man wissen kann. Aber falls wir wirkliche Fortschritte gemacht haben, gewinnen wir ein tieferes Bewußtsein davon, wie wenig wir wissen. Wir werden dann auch anderen gegenüber geduldiger, die noch weniger wissen - oder, sehr wahrscheinlich, sogar etwas mehr wissen als wir. Geistliches Verständnis bläht das liebende Herz nicht auf, sondern vermittelt ein zunehmendes Gefühl von unserer Kleinheit. Wo das nicht geschieht, haben wir Grund zu befürchten, daß der Verstand aus der Kontrolle des Gewissens geraten ist und daß beide weit davon entfernt sind, dem Heiligen Geist unterworfen zu sein.
„Nach der Wegführung nach Babylon aber zeugte Jechonia Salathiel, Salathiel aber zeugte Zorobabel, Zorobabel aber zeugte Abiud, Abiud aber zeugte Eliakim, Eliakim aber zeugte Asor, Asor aber zeugte Zadok, Zadok aber zeugte Achim, Achim aber zeugte Eliud, Eliud aber zeugte Eleasar, Eleasar aber zeugte Matthan, Matthan aber zeugte Jakob, Jakob aber zeugte Joseph, den Mann der Maria, von welcher Jesus geboren wurde, der Christus [Messias] genannt wird.“ (V. 12-16).
Wie wir gesehen haben, werden die Generationen in drei Teile untergliedert. (V. 17). Die erste reicht von Abraham bis David und spricht vom Heraufdämmern der Herrlichkeit für die Juden. Als David, der König, regierte, herrschte „Mittagszeit“ in Israel. Zweifellos war sie traurig wechselhaft und durch Sünde bewölkt; und doch war es der Mittag des Tages des Menschen in Israel. Der zweite Teil reicht von hier bis zur Wegführung nach Babylon, der dritte von jener Wegführung bis zum Christus. In letzterem sehen wir eindeutig die „Abendgeschichte“ der Vergangenheit Israels. Dieser Abend ist jedoch nicht das Ende. Israels Geschichte schließt mit dem allerhellsten Licht - dem Sinnbild jenes Tages, an dem es zur Abendzeit plötzlich hell werden wird. (Sacharja 14,7). So erklärt auch der Prophet Haggai vom Haus Gottes, daß es zu seiner Zeit wie nichts aussah im Vergleich mit seiner ersten Herrlichkeit; doch danach sagt er: „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste, spricht Jehova der Heerscharen“ (Haggai 2,9), weil dann ein Größerer als Salomo da sein wird. Obwohl der Glanz Israels abgenommen hatte und die Kraft Israels gebrochen war, sodaß es unter der Herrschaft der Nationen stand, so endete trotzdem der berichtete Niedergang mit der Geburt des wahren Messias. Während der langen Zeit der Gefangenschaft konnte keine Verfolgung die auserwählte Familie vernichten, weil Jesus, der Messias Gottes, aus ihr geboren werden sollte. In dem Augenblick, als Jesus Seinen Lauf auf der Erde beendete, schien die Kette hinsichtlich der Erde für immer zerbrochen zu sein. Doch, nein, sie wurde statt dessen am Thron Gottes im Himmel festgemacht. Dort ist Jesus, der Lebendige, der tot war, aber in Ewigkeit lebt. Er wird wiederkommen. Die Juden, d. h., jene, welche in das Buch eingeschrieben sind, werden Ihn sehen und weinen. Jehova, ihr König - Jesus - wird mit Freuden ernten, was Er mit Tränen gesät hat, ja, mit Seinem eigenen Blut.
Doch wenden wir uns jetzt zu dem, was uns ferner von unserem Herrn Jesus in diesem Kapitel gezeigt wird. Joseph steht im Vordergrund. Das Geschlechtsregister ist das des Joseph und nicht der Maria. Auf der anderen Seite stellt im Lukasevangelium Maria die Hauptperson dar (Kap. 1); und dort finden wir ohne berechtigten Zweifel ihr Geschlechtsverzeichnis. (Kap. 3). Warum? Notwendigerweise mußte für einen Juden der Messias der Erbe Josephs sein. Das beruhte darauf, daß Joseph der direkte geradlinige Nachkomme im königlichen Zweig des Hauses Davids war. Es gab zwei Linien, die ununterbrochen bis in jene Zeit reichten, nämlich das Haus Salomos und das Haus Nathans. Maria vertrat die Familie Nathans und Joseph die des Salomo. Wäre Maria die Mutter Jesu gewesen ohne auf gesetzmäßige Weise mit Joseph verheiratet zu sein, dann hätte Jesus kein Recht auf den Thron Davids besessen. Es war notwendig, daß der Messias nicht nur von einer Jungfrau, bzw. von einer jungfräulichen Tochter Davids geboren wurde, sondern daß diese auch gesetzmäßig mit Joseph verbunden war. In den Augen des Gesetzes mußte sie wirklich seine Ehefrau sein. Das wird zur besonderen Belehrung Israels hier sorgfältig berichtet; denn ein verständiger Jude hätte sofort diese Frage gestellt. Alles mußte mit heiligem Eifer verteidigt werden. Mochten die Menschen auch Maria verleumden - sie mußte mit Joseph verheiratet sein, sonst hätte der Herr Jesus kein ordnungsgemäßes Anrecht auf den Thron Davids besessen. Deshalb ist Joseph hier die Hauptperson und nicht Maria, weil das Gesetz immer die Rechte Josephs vertreten hätte. Andererseits hätte es keinen Heiland gegeben, wäre Joseph der wirkliche Vater gewesen. So erstrahlt das Wunder der göttlichen Weisheit nur um so auffallender, indem sie Jesus gesetzmäßig zum Sohn Josephs und der Wirklichkeit nach zum Sohn der Maria macht. Und in Wahrheit war Er Seiner Natur nach als Sohn des Vaters Gott. Alle diese drei Gegebenheiten trafen und vermischten sich in der Person des Jesus von Nazareth. Er mußte der unbestrittene Erbe Josephs nach dem Gesetz sein; daher war Joseph mit Maria verheiratet. Das Kind mußte geboren werden, bevor Joseph mit Maria als seiner Frau zusammengekommen war. Das wird uns hier sorgfältig gezeigt.
„Die Geburt Jesu Christi 2 war aber also: Als nämlich Maria, seine Mutter, dem Joseph verlobt war, wurde sie, ehe sie zusammengekommen waren, schwanger erfunden von dem Heiligen Geiste. Joseph aber, ihr Mann, indem er gerecht war und sie nicht öffentlich zur Schau stellen wollte, gedachte sie heimlich zu entlassen. Indem er aber solches bei sich überlegte, siehe, da erschien ihm ein Engel Jehovas 3 im Traum.“ (V. 18-20). Hier erscheint der Engel Joseph in einem Traum; (im Lukasevangelium Maria), und zwar, weil Joseph in den Augen des Gesetzes die wichtigere Person war. Dennoch durfte der Messias in Wirklichkeit nicht der Sohn Josephs sein. Alle Weisheit des Menschen konnte diese Wege nicht im voraus verstehen. Alle menschliche Kraft hätte die Umstände nicht in dieser Weise ordnen können. Wenn das Gesetz verlangte, daß Jesus der Erbe Josephs zu sein hatte, so forderte der Prophet, daß Er kein Sohn Josephs sein durfte. Es entsprach dem Bedürfnis des Menschen, daß Gott sich erniedrigte, um durch das Opfer Seiner eigenen Person Rettung zu bringen. Andererseits wollte der Ratschluß Gottes, daß der Mensch im Himmel erhöht würde. Wie konnte dieses und noch vieles andere mehr in einer Person vereinigt und in Einklang gebracht werden? Jehova-Jesus ist die Antwort. „Ein Engel Jehovas (erschien) ihm im Traum und sprach: Joseph, Sohn Davids, fürchte dich nicht, Maria, dein Weib, zu dir zu nehmen; denn das in ihr gezeugte, ist von dem Heiligen Geiste.“
Gott begegnete den Bedenken des gottesfürchtigen Israeliten und verkündete die außerordentliche Ehre, die Er auf Maria unter einer Wolke, welche sie für eine Zeit umhüllte und die Joseph Sorgen bereitete, gelegt hatte. Gerade sie war die Jungfrau, welche Gott Jahrhunderte früher vorausgesagt hatte. „Sie wird einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus heißen.“ (V. 21). Hier sollte wieder Joseph derjenige sein, der öffentlich handelt, während im Lukasevangelium (Kap. 1, 31) Maria den Namen vergibt. Der Unterschied ist eine Folge des Blickwinkels, aus dem der Heilige Geist unseren Herrn in den beiden Evangelien betrachtet. Durch Lukas weist Er nach, daß Jesus zwar göttlich, aber doch ein Mensch ist. Er nahm an der menschlichen Natur teil, allerdings ohne Sünde. Bei uns ist die Natur sündig, bei Ihm heilig. Darum wird von Ihm unter dem Gesichtspunkt eines Menschen bei Lukas gesagt: „Darum wird auch das Heilige, das [von dir] geboren werden wird, Sohn Gottes genannt werden.“ (Lukas 1,35). So war Er wirklich und richtig ein Mensch - das Kind Seiner jungfräulichen Mutter. Auch als ein solcher wird Er Sohn Gottes genannt. Der Beweis Seiner heiligen Menschheit ist ein großes Thema in jenem Evangelium. Es sollte zeigen, wie vollständig und passend Er ein Heiland der Menschen sein konnte, um die Nöte und das Elend auf sich zu nehmen und am Kreuz für die Sündhaftigkeit anderer zu leiden - Er, der Heilige. Der Herr war der Sohn Gottes, der wirklich in Seiner Person die menschliche Natur angenommen hatte. In sich selbst war Er so vollkommen und wirklich ein Mensch wie jeder von uns; doch Er war als Mensch vollkommen ohne Sünde und heilig - nicht einfach nur unschuldig. Adam war unschuldig; Jesus war heilig. Heiligkeit bedeutet nicht bloß die Abwesenheit des Bösen, sondern eine innere Kraft Gottes, die das Böse abstößt. Als Adam versucht wurde, fiel er. Jesus wurde durch jede Versuchung erprobt; und Satan verbrauchte alle seine Listen umsonst. Alles das paßt ausgezeichnet in das Lukasevangelium, wo infolgedessen gezeigt wird, daß die wirkliche Menschheit Jesu aus Seiner Geburt herrührt, d. h. von Seiner Mutter. Sogar der Talmud 4 erkennt an, daß Maria eine Tochter Elis war und die Ehefrau Josephs, des Sohnes Jakobs. Sein gesetzliches Anrecht auf den Thron Davids stammte von Joseph, dem Maria verlobt war. Darum steht die Person Josephs im Matthäusevangelium im Vordergrund.
Doch der Herr hatte noch ein höheres Anrecht als jedes, welches Joseph Ihm von David und Abraham her übermitteln konnte; und das sollte schon in Seinem Namen, dem verachteten Namen „Jesus“ - „Jehova, der Retter“ - bezeugt werden. „Du sollst seinen Namen Jesus heißen; denn er wird sein Volk erretten von ihren Sünden.“ (V. 21). Das Volk Jehovas war Sein Volk; und Er sollte es nicht nur von seinen Feinden, sondern auch von seinen Sünden erretten. Welch ein Zeugnis über Ihn und an die Juden! Wie gesegnet ist das Hören dieser Wahrheit für jede mit Sünde beladene Seele! Wie benötigte gerade ein Volk diese Botschaft, das von maßlosen Hoffnungen auf irdische Größe in seinem erwarteten Messias aufgeblasen war!
In allen Evangelien hören wir nur hier von Seinem Namen „Emmanuel“. Auch das ist wieder lehrreich, kennzeichnend und schön, und zwar um so mehr, als der Jude dazu neigte, dies zu vergessen. Hoffte er auf einen göttlichen Messias, eine Person, die sowohl Gott war als auch Mensch? Weit davon entfernt! Vergleichsweise wenige Juden erwarteten etwas so Erstaunliches. Sie ersehnten und erwarteten einen mächtigen König und Eroberer, aber doch nur einen Menschen. Wir finden hier, wie der Geist Gottes durch ihren Propheten Jesaja, während er von Ihm als Mensch spricht, dafür Sorge trägt, in Ihm mehr als einen Menschen, nämlich Gott, anzukündigen. „Siehe, die Jungfrau wird schwanger sein und einen Sohn gebären, und sie werden seinen Namen Emmanuel heißen.“ (V. 23). Allein Matthäus stellt dieses klare Zeugnis des großen „evangelischen“ Propheten heraus - „Gott mit uns.“ So vollkommen sorgte Gott für die halsstarrigen Juden. Er ließ die vernachlässigten Samenkörner ihrer Prophezeiungen sich entfalten und warf Licht auf die dunklen Teile ihres Gesetzes. Wenn ein Jude jetzt seinen Messias verwarf, so tat er es zu seinem ewigen Verderben. Jesus ist also nicht nur der Sohn Davids und Abrahams, sondern auch „Gott mit uns“, Jehova, der Sein Volk von ihren Sünden errettet. Das ist demnach der wahre Messias und dies das Zeugnis an Israel. Konnten sie Matthäus' Bericht zurückweisen, wenn sie die Prophezeiung Jesajas annahmen? Vergeblich verehrten sie Gott, indem sie als Lehren Menschengebote lehrten. (Matthäus 15,9; Jesaja 29,13).
„Joseph aber, vom Schlafe erwacht, tat, wie ihm der Engel Jehovas befohlen hatte, und nahm sein Weib zu sich; und er erkannte sie nicht, bis sie ihren erstgeborenen Sohn geboren hatte; und er hieß seinen Namen Jesus.“ (V. 24-25). Einige der besten Autoritäten (Sinaiticus, Vaticanus 5, usw.) lassen „ihren erstgeborenen“ weg und geben einfach „einen Sohn“. Es besteht kein Zweifel, daß diese Worte in Lukas 2,7 echt sind, von wo sie möglicherweise hier eingefügt wurden. Für die Absicht unseres Evangelisten scheint die kürzere Form ausreichend zu sein.
Wir haben bisher das betrachtet, was für einen Juden von besonderem Interesse hätte sein sollen. Mögen wir jedoch auch für unsere eigenen Seelen den Segen dieser Wahrheiten finden! Was immer Jesus verherrlicht, was immer die Gnade und Wahrheit Gottes entfaltet, erniedrigt den Stolz des Menschen und enthält überreichen Segen für den Gläubigen. Wenn wir mit dem Segen Gottes diese Auslegungen weiter verfolgen, werden wir sehen, wie die Weisheit eines jeden Seiner Worte gerechtfertigt wird, während wir uns mit diesem herrlichen Zeugnis über Jesus als den Messias beschäftigen. Dann werden wir erkennen, wie Seine Verwerfung durch Israel Ströme des Segens zu uns, den einst armen Heiden, ausfließen läßt. Denn wir sind jetzt nicht nur im Reich der Himmel, sondern wir gehören auch zur Kirche, dem Leib des im Himmel erhöhten Christus.
Fußnoten
- 1 Wir müssen bedenken, daß Joahas kein Vorfahre des Herrn Jesus war. Er war zwar ein Sohn Josias, die königliche Linie ging aber durch seinen Bruder Eljakim, dem der Pharao Neko den Namen Jojakim gab. (2. Könige 23,30-34). Eine Erklärung dafür, warum dieser Jojakim in Matthäus 1 nicht erwähnt wird, lesen wir vielleicht in Jeremia 22,13-19, indem wir den Grundsatz – „Die mich ehren, werde ich ehren, und die mich verachten, werden gering geachtet werden“ (1. Samuel 2,30) – auf ihn anwenden. (vergl. Bible Treasury 20, pp. 106-107). (Übs.).
- 2 Die wahre Lesart von Vers 18 bereitet beachtliche Schwierigkeiten. „Του δε Ιησου Χριστου“ steht nicht nur in der Elzevier-Bibel bzw. dem Textus Receptus, sondern wird gelesen auch im Codex Sinaiticus, der Wolfenbütteler Bibel (P), dem Reskript von Dublin MSS., ohne von der Fülle an Kursivschriften zu reden. Der Codex Vaticanus (1209) gibt „Χ.“ vor „Ι.“. Aber der Codex Bezae Cant. (hier ist der griechische Text fehlerhaft) sollte, wenn wir ihn von seiner beigefügten lateinischen Übersetzung her beurteilen, „Χ.“ gelesen haben. Das gilt auch für Vulgata, It., Sax., Cureton-Syr. etc.. Darüber hinaus diskutiert Irenäus (Advers. Haer. III., c. XVI, § 2) die Ausdrucksweise dieses Verses klar gegen die Lehre der Valentinianer, daß Jesus nur das Gefäß für den Christus gewesen sei, der, wie man sich einbildete, bei der Taufe in den menschlichen Leib, der von der Jungfrau geboren worden war, herabstieg. Diesem Irrtum, der die Person unseres Herrn zerstörerisch angreift, begegnet der fromme Bischof von Lyon mit den Worten unseres Evangeliums. „Non sicut ipsi dicunt Iesum quidem ipsum esse, qui ex Maria sit natus, Christum vero qui desuper descendit. Ceterum potuerat dicere Matthaeus: „Iesu vero generatio sic erat“, sed providens Spiritus Sanctus depravatores et praemuniens contra fraudulentiam corum, per Matthaeum dit: Christi autem generatio sic erat.“ (dt.: „Es ist nicht so, wie sie (sc. die Häretiker) sagen, daß Jesus derjenige ist, der aus Maria geboren wurde, Christus dagegen derjenige, der aus den oberen Regionen herabgestiegen ist. Andernfalls hätte Matthäus sagen können: „Mit der Geburt Jesu war es so“; aber der Heilige Geist sah voraus, daß es Leute geben würde, die das verzerren, und er baute ihrem Betrug vor und sagte durch Matthäus: „Mit der Geburt Christi war es so.“). [Anm. d. Übers.: Deutscher Text nach Brox, N. (Hg.)(1995): Irenäus von Lyon: Adversus Haeresis – Gegen die Häresien; Herder-Verlag, Freiburg, usw.]. Es ist also klar, daß Irenäus, wie die Note der Benediktiner sagt, in seiner Abschrift nicht „Ιησου“ las wie in moderneren Manuskripten. Massuet irrt sich, wenn er denkt, daß die Hinzusetzung von „Jesus“ die Kraft des Arguments erhöhen würde. Der erste Vers des Kapitels hatte die beiden Namen schon zusammengestellt; und darauf weist Irenäus am Anfang des Abschnitts hin. Der entscheidende Gesichtspunkt, auf den er aufgrund der Sprache des 18. Verses, so wie er in seinem Manuskript steht, den Nachdruck legt, besteht darin, daß es sich um das Geschlecht des Christus oder Messias handelt. Dieser Ausdruck stimmt mit der gnostischen Hypothese nicht überein und widerlegte sie sogar. Ich denke, daß diese Meinung dadurch bestätigt wird, daß wir nirgendwo in der echten Schrift den Ausdruck „ο Ι. Χ.“ finden. Im Textus Receptus erscheint er in Apostelgeschichte 8, 12. 37, Hebräer 10,10, 1. Johannes 4,3 und Offenbarung 12,17. In allen diesen Fällen fehlt der Beweis dafür, daß der Ausdruck zu recht dort steht. So fügen nur einige der weniger wichtigen Abschriften den Artikel vor „Ι. Χ.“ in der ersten genannten Bibelstelle ein. Der zweite Bibelvers fehlt in den besten Autoritäten völlig. Er ist möglicherweise nur eine Randbemerkung, obwohl sie sich schon zu einer frühen Zeit in den Text hineinschlich. In Hebräer 10,10 spricht keine gute Autorität für den Artikel. In 1. Johannes 4,3 sollte „Christus“ überhaupt nicht im Text stehen. (Im vorherigen Vers steht „J. C.“ wie üblich ohne Artikel.). Im letzten Fall geben alle Unziale und die meisten anderen Manuskripte einfach „Jesus“. So wird tatsächlich die bisher übliche Lesart in Matthäus 1,18 in keinster Weise durch die Sprache der Bibel in anderen Stellen gestützt; denn die scheinbaren Parallelen schmelzen dahin, wenn wir sie uns genauer ansehen. Es scheint mir noch nicht einmal gutes Griechisch zu sein, es sei denn, daß das ganze Geschlecht Jesu als Christus geltend gemacht werden sollte, oder daß der Evangelist den Ausdruck „Ι. Χ.“ praktisch als ein Wort betrachtete. Wenn Vers 18 sich auf Vers 17 bezieht, wo es sich unzweifelhaft um den Ausdruck „του Χριστου“ handelt, dann gäbe es in diesem Kapitel die folgende Reihenfolge: Zuerst wird natürlicherweise „Jesus Christus“ in Vers 1 vor uns gestellt. Das führt dann zu Vers 16, wo steht: „Jesus ..., der Christus genannt wird“. Darauf folgt als Zusammenfassung der kennzeichnenden Titel „Christus“ oder „Messias“. Der Abschnitt, der dann beginnt, enthüllt die geheimnisvolle Geburt des lange erwarteten Messias, dessen Name nach Seiner Geburt Jesus wurde (Kap. 1, 21, 25; 2, 1). Bengel gab eine ähnliche Beurteilung und auch Dr. Tregelles. Tischendorf ließ „Ιησου“ in seiner siebten, und soweit ich es verfolgen kann, auch in seinen früheren Auflagen weg. Er kehrt aber in seiner achten Auflage zur gewohnten Lesart zurück, wahrscheinlich wegen des Sinaitischen MS. Daß Bloomfield keinen Grund sieht, hierzu etwas zu sagen, überrascht nicht. Doch das Alford sicco pede darüber hinweggeht (noch nicht einmal in einer Fußnote, abgesehen natürlich von den verschiedenen Lesarten) schon. Auch Kühnöl und Vater schweigen. (W. K.). (Anm. d. Übers.: Kelly muß diesen textkritischen Anmerkungen große Bedeutung beigemessen haben, sonst hätte er sie wohl kaum in dieser Bearbeitung seiner Artikelserie in „Bible Treasury“, vol. 3-4, (vergl. „Vorworte“) eingefügt. Deshalb seien sie hier gegeben).
- 3 Kelly ist der Ansicht, daß der Ausdruck „κυριου“ („Herr“) hier „Jehova“ bedeutet. So auch später. (Vergl. Fußnote der „Elberfelder Übersetzung“).(Übs.).
- 4 Talmud: nachbiblisches religiöses Hauptwerk des Judentums. (Übs.).
- 5 alte Bibelhandschriften. (Übs.).