Die ersten Jahrzehnte des Christentums
Kommentar zur Apostelgeschichte
Kapitel 19
Verse 1-7
Nachdem Paulus die Gegenden im Nordosten von Kleinasien besucht hatte, kam er nach Ephesus, während Apollos in Korinth war. Da fand der Apostel einige Jünger, bei denen er feststellen musste, dass sie den Heiligen Geist noch nicht hatten, der doch den Christen kennzeichnen soll. Sie waren nur mit der Taufe des Johannes getauft und hatten noch nicht einmal gewusst, dass der Heilige Geist da war. Sie hatten nicht gehört, dass sein in den Schriften und durch Johannes angekündigtes Kommen schon erfolgt war. In Johannes 7, 39 lesen wir: „Denn noch war der Geist nicht da, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war.“ Der Apostel belehrte sie über die Bedeutung der Taufe des Johannes, die eine Taufe der Buße war. Die von Johannes Getauften erkannten das Urteil an, das Gott über den Menschen gefällt hat. Damit waren sie zubereitet, Jesus, der kommen sollte, zu empfangen. Christus hat durch seine Verwerfung seitens der Menschen, durch seinen Tod und seine Auferstehung für den Gläubigen den Weg zum Himmel geöffnet. Dieser soll nun in der Welt einem verworfenen Christus nachfolgen, indem er auf Ihn, auf seinen Tod hin, getauft ist. Die christliche Taufe bezieht sich auf einen gestorbenen Christus, die Taufe des Johannes aber auf einen Christus, der auf der Erde lebt. Nachdem sie den Apostel gehört hatten, wurden diese Jünger auf den Namen des Herrn Jesus getauft und so durch das Zeichen seines Todes in einen neuen Zustand der Dinge eingeführt. Sie erkannten die Herrschaft Jesu an und lernten all die Segnungen kennen, die sich auf das Werk des Kreuzes und auf die durch Christus eingenommene Stellung in der Herrlichkeit gründen. Paulus legte ihnen die Hände auf, und sogleich kam der Heilige Geist auf sie. Bis jetzt besaßen sie die göttliche Natur, wie alle Gläubigen des Alten Testamentes. Von nun an hatten sie Leben in Überfluss, und die Gegenwart des Heiligen Geistes gab sich in ihnen wie am Pfingsttag kund. Sie redeten in Sprachen und weissagten. Es waren etwa zwölf Männer.
Verse 8-16
Der Apostel nahm nun den Dienst wieder auf, den er wegen seiner Reise nach Jerusalem unterbrochen hatte (Kap. 18,19-22), und wurde dabei vom Heiligen Geist, der ihn früher verhindert hatte, das Wort in Asien zu reden, mächtig unterstützt. Drei Monate lang unterredete er sich in der Synagoge mit Freimütigkeit mit den Juden über die Dinge des Reiches Gottes. In Kapitel 20,25 sagte er zu den Ältesten der Versammlung, er habe unter ihnen „das Reich Gottes gepredigt“. Was dieses Reich kennzeichnete, war Gott, so wie Er sich in Christus, der dieses Reich persönlich darstellte, offenbart hat. Man musste von neuem geboren sein, um in seiner Person das Reich zu sehen (Joh 3). In Lukas 17,21 finden wir das Wort des Herrn: „Das Reich Gottes ist mitten unter euch.“ Es kam nicht in einer Weise, die die Aufmerksamkeit auf sich zog. In Römer 14,17 lesen wir: „Das Reich Gottes ist nicht Essen und Trinken, sondern Gerechtigkeit und Friede und Freude im Heiligen Geist.“ Es ist also ein Bereich, in dem die Rechte und das Wesen Gottes anerkannt und verwirklicht werden.
Paulus lehrte drei Monate unter den Juden. Als sich aber einige von ihnen verhärteten und nicht glaubten und vor der Menge schlecht redeten von dem Weg, zog er sich mit den Jüngern von ihnen zurück und verkündigte von da an während zwei Jahren das Wort in der Schule des Tyrannus. Wenn die Zuhörer das an sie gerichtete Wort nicht aufnehmen, übt es eine verhärtende Wirkung auf sie aus. So erging es dem Volk Israel, und so wird es auch der Christenheit ergehen und jedem, der das Wort nicht auf sein Gewissen einwirken lässt. Wie äußerst ernst ist das! Die Zeit der Langmut Gottes war für die Juden vorüber. Wohl wandte sich der Apostel zuerst an sie, aber er wusste, dass er zu den Nationen gesandt war. Damit seine Predigt für die Nationen wirksam war, musste er sich von denen, die dem Wort widerstanden, trennen und auch die Gläubigen von ihnen absondern. Denn der Einfluss der Juden war schädlich, weil sie von dem Weg schlecht geredet hatten, dem Weg des Zeugnisses, auf dem Gott die Gläubigen führt, einem Weg, der in den Himmel mündet, aber durch eine Welt hindurchführt, die Gott widersteht.
Im Lauf der zwei Jahre, während denen Paulus in der Schule des Tyrannus das Wort verkündigte, hörten alle, die in Asien wohnten - eine Provinz, wovon Ephesus die Hauptstadt war - das Wort des Herrn, sowohl Juden als Griechen.
Die Macht des Herrn wirkte in jenen Tagen ohne Hindernisse. Gott ließ durch Paulus außerordentliche Wunder geschehen: Kranke wurden geheilt und Dämonen ausgetrieben. Diese Macht kennzeichnet das Werk in diesem Kapitel. Durch das Auflegen der Hände des Apostels kam der Heilige Geist auf die zwölf Männer. Dieselbe Macht erwies sich auch siegreich über die Krankheiten und die Dämonen. Die Dämonen gaben dieser Macht Zeugnis, als die Söhne des Skeva meinten, sich ihrer bedienen zu können, um sie auszutreiben. Schon früh hat der Feind die Tätigkeit des Geistes nachzuahmen versucht, wie wir es auch im 8. Kapitel bei Simon, dem Zauberer, gesehen haben. Aber wie im Fall von Jannes und Jambres wurde ihre Torheit bald offenbar. Der böse Geist sagte zu den Söhnen des Skeva: „Jesus zwar kenne ich und von Paulus weiß ich; aber ihr, wer seid ihr?“ Ihr Zustand wurde offenbar. Sie flohen nackt und verwundet aus dem Haus hinaus.
Verse 17-20
Durch dieses Ereignis, bei dem die Betrügerei der Söhne des Skeva sowohl den Juden als auch den Griechen, die in Ephesus wohnten, offenbar wurde, fiel Furcht auf sie alle, und der Name des Herrn wurde erhoben. Furcht ist die erste Wirkung auf eine Seele, die sich der Gegenwart Gottes bewusst wird. Aber es muss ihr eine heilsame Wirkung auf das Gewissen folgen, die dazu führt, die Befreiung zu suchen. Ohne Gewissensübungen ist die Furcht nur vorübergehend. Von Noah wird gesagt, dass er, als er einen göttlichen Ausspruch empfangen hatte, von Furcht bewegt zur Rettung seines Hauses eine Arche baute (Heb 11,7). Der Räuber am Kreuz sagte zu seinem Genossen: „Auch du fürchtest Gott nicht?“ Er erkannte das gerechte Urteil an, unter dem sie standen. „Die Furcht des Herrn ist der Weisheit Anfang“ (Ps 111,10).
Bei einer großen Anzahl Ephesern, unter denen der Name des Herrn Jesus erhoben worden war, zeigten sich wunderbare Wirkungen. Der Name ist der Ausdruck der Person, die ihn trägt. Die Kraft des Namens Jesu vollbringt große Dinge.
Die Furcht wurde bei vielen von denen, die nicht nur ihren Zustand der Sünde vor Gott erkannten, sondern auch öffentlich bekannten, was sie getan hatten, vom Glauben begleitet. Als Zeugen der Vorgänge, durch die die Macht Satans enthüllt worden war, trugen viele von denen, die vorwitzige Künste getrieben hatten, die Bücher zusammen und verbrannten sie vor allen. Sie verurteilten damit ihre bösen Werke, sagten sich mit Entschiedenheit davon los und wurden davon befreit. Viele Gläubige sind wieder Opfer von Dingen geworden, die sie bei ihrer Bekehrung verurteilten, weil sie nicht radikal damit gebrochen haben. Diese Bücher stellten einen großen materiellen Wert dar. Die Erwähnung dieser Tatsache zeigt, dass man nicht darauf sehen soll, was es kostet, Dinge aufzugeben, die mit dem christlichen Wandel unvereinbar sind. Diese Summe lässt auch den Zustand der Welt unter der Macht Satans erkennen: Bücher über okkulte Dinge haben einen großen Wert für sie. Die Menschen schätzen das Wort, das uns Gott und seine große Liebe für die Sünder offenbart, nicht so hoch ein. Es ist betrübend, feststellen zu müssen, dass man in der Christenheit den Glauben an das Wort Gottes mehr und mehr aufgibt, um sich dämonischen Offenbarungen zuzuwenden. Man tut es auf eine feinere Weise als die Götzendiener von damals, aber es führt zur Anbetung des Menschen, zu einem Gericht Gottes über die, die der Wahrheit nicht geglaubt haben.
Gott redete nicht nur durch Wunderwerke (V. 11) zu den Menschen. Durch seinen Geist wirkte Er auch mittels des Wortes des Herrn. Im 20. Vers lesen wir: „So wuchs das Wort des Herrn mit Macht und nahm überhand.“ Gott bestätigte dieses Wort durch Zeichen der Macht; siehe Hebräer 2,4: „Wobei Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke.“ Aber die Wirksamkeit auf das Gewissen und auf das Herz vollzog sich nicht durch die Wunder, sondern durch das Wort, das wir heute noch haben. Durch das Wort vollführt der Geist Gottes sein Werk in den Seelen, auch wenn die Wundermacht in der Christenheit, die von einem toten Bekenntnis beherrscht wird, nicht mehr wirksam ist. Die Erweckung im letzten Jahrhundert, die in dem Aufwachen der Jungfrauen (Mt 25) vorgebildet wird, kam nicht aus Wundern hervor, sondern durch die Wirksamkeit des Wortes, das die Rückkehr des Herrn ankündigt.
Verse 21-22
Nun ging die Zeit des öffentlichen Dienstes des Apostels ihrem Ende zu. Paulus nahm sich in seinem Geist vor, nachdem er Mazedonien und Achaja durchzogen habe, nach Jerusalem zu reisen, und sprach: „Nachdem ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen.“ Er verweilte aber noch eine Zeit lang in Asien, nachdem er Timotheus und Erastus nach Mazedonien gesandt hatte.
Sein Wunsch, Rom zu sehen, entsprach den Gedanken Gottes. Als er in Jerusalem gefangen genommen wurde, sagte ihm der Herr: „Sei guten Mutes! Denn wie du von mir in Jerusalem gezeugt hast, so musst du auch in Rom zeugen“ (Apg 23,11). Aber Paulus wusste nicht, unter welchen Umständen er dort kommen würde.
Verse 23-41
Während der ganzen Zeit des Dienstes des Apostels in Ephesus erlaubte der Herr dem Satan nicht, ihn zu verfolgen oder einen offenen Widerstand gegen ihn herbeizuführen. Jetzt aber, als das Werk abgeschlossen war, lies Er ihn einen Sturm entfachen, der jedoch nur dessen Ohnmacht zeigte. Die Gläubigen hatten den durch das Licht des Evangeliums bloßgestellten Götzendienst aufgegeben. Dies hatte zur Folge, dass die Hersteller von Gegenständen dieses heidnischen Kultes ihren Erwerb schwinden sahen. Satan bediente sich des Demetrius, und dieser versammelte die Künstler und Arbeiter, denen er durch die Anfertigung von silbernen Tempeln der Artemis Arbeit verschaffte, und sagte ihnen unter anderem: „Dieser Paulus hat nicht allein von Ephesus, sondern beinahe von ganz Asien eine große Volksmenge überredet und umgestimmt, indem er sagt, dass das keine Götter seien, die mit Händen gemacht werden“.
Dieses „Überreden“ war nichts anderes als die Macht des Wortes des wahren Gottes, deren Auswirkungen sich zu allen Zeiten bemerkbar machen. So hatten auch die Juden festgestellt, dass der Herr sie „lehrte wie einer, der Gewalt hat, und nicht wie ihre Schriftgelehrten“ (Mt 7,29). Auch die Obersten des Volkes verwunderten sich beim Anhören der ungelehrten und ungebildeten Jünger (Apg 4,13). Der Feind fürchtet sich vor der Macht des Wortes.
Um die Unterstützung der Volksmenge zu gewinnen, hob Demetrius die Bedeutung dieser großen Göttin Artemis hervor. Er behauptete, der ganze Erdkreis verehre sie. Wenn sie jedoch ihr Ansehen verlieren würde, würde dies zum Verlust der ganzen Verdienstquelle der Künstler führen. Da wurden sie von Wut erfüllt und schrien; „Groß ist die Artemis der Epheser!“ Dabei geriet die ganze Stadt in Verwirrung. Einmütig stürmten sie zum Theater und rissen die Mazedonier Gajus und Aristarchus, die Reisegefährten des Paulus, mit sich fort.
Paulus wollte unter das Volk gehen, aber die Jünger hielten ihn davon ab. Es hätte ihm nur Schaden gebracht und dem Evangelium nichts genützt. Auch die Asiarchen, die die religiösen Zeremonien und öffentlichen Spiele zu leiten hatten, redeten ihm zu und baten ihn, nicht zum Theater zu gehen. Diese Männer werden „seine Freunde“ genannt. Das will nicht heißen, dass sie schon Christen waren, aber sie standen unter dem starken Eindruck der Lehre des Apostels. Gott benutzte sie und die Jünger, um Paulus vor dem Bösen zu bewahren, dem er sich inmitten dieser aufgebrachten Menge - die eigentlich gar nicht wusste, um was es ging - ausgesetzt hätte.
Die Juden stießen einen gewissen Alexander in den Vordergrund, der sich vor dem Volk verantworten wollte. Sobald sie aber erkannten, dass er ein Jude war, schrien sie zwei Stunden lang: „Groß ist die Artemis der Epheser!“ In Jeremia 50,38 wird gesagt: „Sie sind rasend (haben allen Verstand verloren) durch ihre erschreckenden Götzen.“ Welch ohnmächtige Götzen, die man auf eine solche Weise verteidigen muss! Die Verantwortung Alexanders hatte wohl kein anderes Ziel als den Griechen klar zu machen, dass die Juden, obwohl sie keine anderen Gottheiten anerkannten als den wahren Gott, sich ebenfalls der Lehre des Paulus widersetzten. Da die Griechen aber die Juden verabscheuten, half ihre Intervention nur, den Tumult zu erhöhen.
Gott bediente sich der Weisheit des Stadtschreibers, um die Ruhe wieder herzustellen. Er stellte fest, dass die herbeigeführten Männer weder Tempelräuber seien noch ihre Göttin gelästert hätten. Dann zeigte er, dass man diese Dinge nicht mit materiellen Interessen vermengen sollte, die vor dem Gericht geklärt werden müssten. Wenn wegen anderer Dinge ein Gesuch vorliege, so müsse es in der gesetzlichen Versammlung erledigt werden. Nachdem er in dieser Weise alles an seinen Platz gestellt hatte, entließ er die Versammlung.
Die Lehre des Paulus hatte dem Feind keinerlei Angriffsfläche geboten. Er hatte das Wort Gottes verkündet und den Menschen die wunderbaren Ergebnisse des Werkes Jesu Christi vorgestellt. Er ging nicht darauf aus, die von den Ephesern so hoch verehrten Gottheiten anzugreifen. Das ist ein Beispiel, das wir nachahmen sollten, wo immer wir die Wahrheit zu bezeugen haben. Das Wort hat seine eigene Kraft und wird den Irrtum ins rechte Licht rücken. Wir sollen uns bemühen, durch die Wahrheit aufzuerbauen und nicht ohne ihre Hilfe falsche Ansichten zu zerstören suchen. Das gilt besonders dann, wenn die Menschen diese Dinge, die sie festhalten, als heilig betrachten. Wird man aber von denen, die erleuchtet werden möchten, befragt, wird der Herr zum Antworten Weisheit geben.