Die ersten Jahrzehnte des Christentums
Kommentar zur Apostelgeschichte
Kapitel 17
Verse 1-4
Paulus reiste durch Amphipolis und Apollonia weiter, ließ sich dort aber nicht aufhalten und gelangte nach Thessalonich, wo eine Synagoge der Juden war. In Übereinstimmung mit den Gedanken des Herrn wandte er sich auch hier zuerst an die Juden und dann an die Griechen. „Nach seiner Gewohnheit aber“, wird gesagt, „ging Paulus zu ihnen hinein und unterredete sich an drei Sabbaten mit ihnen aus den Schriften, indem er eröffnete und darlegte, dass der Christus leiden und aus den Toten auferstehen musste, und dass dieser, sprach er, der Jesus, den ich euch verkündige, der Christus ist.“
Der Geist Gottes stellt die Schriften in den Vordergrund. Sie enthalten die Gesamtheit der göttlichen Offenbarungen und bilden zusammen ein Buch, das göttliche Autorität besitzt - das geschriebene Wort Gottes. Welch ein Vorrecht, dass wir es in dieser Welt besitzen dürfen! Die „Schriften“ sind nicht eine Auswahl inspirierter Schriften, die wir in der Bibel zu suchen haben. Alle ihre verschiedenen Teile stellen, ohne irgendwelche Ausnahme, die Schriften dar.
Die Juden wussten, dass ihnen die Schriften (des Alten Testamentes) Christus und die Segnungen verkündigten, die seine Herrschaft ihnen bringen sollte. Aber sie erwarteten, wie einst die Jünger des Herrn, in seiner Person und in seinem Werk nur die Erfüllung der Verheißungen, die die irdische Herrlichkeit ihres Volkes betrafen. Der Christus war gekommen, so wie es die Schriften angekündigt hatten. Aber die Juden ließen Ihn kreuzigen, und gerade sein Tod und seine Auferstehung legten den Grund, auf dem nicht nur Gottes Verheißungen an sein irdisches Volk, sondern auch seine Ratschlüsse im Blick auf die Versammlung erfüllt werden können. Der Apostel erklärte ihnen daher, dass dieser in Bethlehem geborene Jesus, der von den Menschen getötet, aber von Gott auferweckt wurde, der Christus sei, von dem die Schriften redeten.
In unseren Tagen predigen viele Christus als vollkommenen Menschen und sie stellen Ihn allen als Vorbild zur Nachahmung hin. Dabei verschweigen sie aber, dass sein Tod erforderlich war, um uns zu erretten und fähig zu machen, seine Nachahmer zu sein. Sie predigen nicht den Christus der Schriften, die Ihn als gestorben, auferweckt und verherrlicht darstellen.
Die Worte des Apostels fanden bei den Nationen mehr Eingang als bei den Juden. Nur einige Juden wurden überzeugt, während von den anbetenden Griechen und von den vornehmsten Frauen sich „nicht wenige“ dem Paulus anschlossen.
Verse 5-9
In Philippi benutzte der Teufel die Heiden, um Paulus zu widerstehen. Hier aber stellten sich ihm die Juden zur Verfügung, die, voller Hass gegen das Evangelium waren. Sie selbst wollten von der Gnade nichts wissen, konnten aber nicht ertragen, zusehen zu müssen, wie die Heiden das Evangelium annahmen. Sie begriffen, dass die Heiden dadurch in den Besitz von Vorrechten gelangten, die sie selbst nicht besaßen. Doch sie wollten es nicht wahr haben, dass die Heiden bezüglich des Heils auf dem gleichen Boden stehen sollten wie sie. In seinem Brief an die Thessalonicher sagt Paulus von diesen Juden: „die ... Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, damit sie errettet werden, um so ihre Sünden allezeit voll zu machen“ (1. Thes 2,15-16).
Hier brachten sie die Stadt durch einige Männer vom Gassenpöbel in Aufruhr und belagerten das Haus des Jason, da sie Paulus und Silas dort vermuteten. Der Herr ließ es zu, dass Paulus abwesend war. Aber die Menschen schleppten Jason und einige Brüder vor die Obersten der Stadt und klagten ihn an, Männer beherbergt zu haben, die den Erdkreis aufwiegeln.
In einem gewissen Sinn traf dies zu. Gottes Gedanken sind denen der Menschen immer entgegengesetzt. Licht in die Finsternis und Wahrheit an den Platz der Lüge Satans zu bringen, kann nur Aufruhr verursachen. Wir finden im Wort hierfür verschiedene Beispiele: Ahab sagte einst zu Elia: „Bist du da, der Israel in Trübsal bringt?“ - Der Herr belehrte die Jünger: „Meint ihr, dass ich gekommen sei, Frieden auf der Erde zu geben? Nein, sage ich euch, sondern vielmehr Entzweiung“ (Lk 12,51-53). - Als Herodes erfuhr, dass der König der Juden geboren sei, „wurde er bestürzt und ganz Jerusalem mit ihm“. So reagiert die Welt auf das Licht Gottes, das zu ihr gekommen und in ihrer Mitte ausgestrahlt worden ist. Dieser Zustand wird sie immer kennzeichnen, bis zu jener Zeit, wo der Herr sein Reich in Macht aufrichten, seine Feinde zum Schemel seiner Füße legen und die Nationen mit eisernem Zepter regieren wird.
Paulus und Silas, die wahrscheinlich von diesem Königtum Jesu geredet hatten, wurden beschuldigt, im Gegensatz zum Kaiser einen anderen König verkündet zu haben. Gott ließ jedoch nicht zu, dass sich dieser Aufruhr ausbreiten konnte. Nachdem die Obersten der Stadt von Jason und den Übrigen Bürgschaft genommen hatten, entließen sie sie. Wir haben keinen Anhaltspunkt, ob dieser Jason mit dem Jason in Römer 16,21, einem Verwandten des Paulus, identisch ist.
Aus dem ersten Brief, den Paulus von Athen aus an diese Christen schrieb (1. Thes 3,1-3), sehen wir, wie er sie während seines kurzen Aufenthaltes bei ihnen manche Wahrheit gelehrt hatte und welch wunderbare Ergebnisse diese Wahrheiten in ihrem Leben bewirkten. Er hatte diesen Menschen, die bis dahin Götzendiener waren, Gott vor Augen geführt, worauf sie sich von ganzem Herzen dem „lebendigen und wahren Gott“ zuwandten. Er hatte ihnen „Gottes Wort“, das „Evangelium Gottes“ verkündigt und lehrte sie, wie sie Gott wohlgefällig leben konnten. Ihr ganzes Leben war durch Werke des Glaubens, Bemühungen der Liebe und durch das Ausharren der Hoffnung auf unseren Herrn Jesus Christus gekennzeichnet.
Verse 10-15
In Asien war Paulus auf verschiedene Weise dazu geführt worden, die Gegenden zu verlassen und nach Mazedonien zu reisen. In Philippi hatte ihn die Verfolgung vertrieben. Hier jedoch benutzte der Herr die Brüder, um seinen Diener nach Beröa zu senden. Paulus unterwarf sich dieser Leitung. Als sie in Beröa ankamen, gingen sie sogleich in die Synagoge der Juden. Paulus handelte hierin immer nach Gottes Gedanken, selbst auf die Gefahr hin, in die Hände seiner schlimmsten Feinde zu fallen und in seinem Werk aufgehalten zu werden. Wie die Umstände auch sein mögen - der Christ soll immer nach Gottes Gedanken handeln.
In Beröa waren die Juden edler als die in Thessalonich. Diese gute Gesinnung führte sie dazu, das Wort mit aller Bereitwilligkeit aufzunehmen. Statt in vorgefasster Meinung die Lehre des Paulus zu verwerfen, untersuchten sie täglich die Schriften, „ob dies sich so verhielte“. Wie alle orthodoxen Juden hatten auch sie in den Schriften nur auf das geachtet, was den Messias in seiner Herrlichkeit betraf. Aber ihre gute Gesinnung machte sie bereitwillig, zu untersuchen, ob auch diese für sie neuen Dinge wirklich in den Schriften zu finden waren. „Viele nun von ihnen glaubten“, während in Thessalonich nur „einige von ihnen“ überzeugt worden waren. Auch von den griechischen vornehmen Frauen und Männern glaubten nicht wenige. Wahrscheinlich hatten sich diese griechischen Proselyten dem Gott der Juden zugewandt, weil die Bedürfnisse ihrer Seelen in den heidnischen Gebräuchen nicht gestillt werden konnten. Diese tatsächlich vorhandenen Bedürfnisse machten sie geneigt, das Wort Gottes, das Paulus verkündigte, zu hören und anzunehmen. Denn es brachte ihnen - besser noch als das Judentum - das, was sie wirklich brauchten. Die Juden griffen aufs Neue in das Geschehen ein. Als sie erfuhren, dass auch in Beröa das Wort Gottes durch Paulus verkündigt wurde, kamen sie von Thessalonich dorthin und erregten die Volksmenge. Und wieder waren es die Brüder, die Paulus fortsandten. Einige von ihnen begleiteten ihn bis nach Athen, 600 km südöstlich von Beröa. Er unterwarf sich den Weisungen des Herrn, durch wen sie ihm auch gegeben wurden. Die ganze Tätigkeit des Apostels zeichnete sich durch Weisheit und Vorsicht aus, verbunden mit einer unbeugsamen Unerschrockenheit, da wo sie am Platz war. Er forderte den Feind nicht unnötigerweise heraus.
Während die Brüder Paulus nach Athen brachten, blieben Silas und Timotheus noch in Beröa, wo sie eine Zeit lang arbeiten wollten. Dann aber kam für sie der Befehl von Paulus, dass sie ihn sobald wie möglich einholen sollten. Silas und Timotheus standen unter dem Befehl von Paulus und waren in Bezug auf ihren Dienst von ihm abhängig. Vielleicht hätten sie es vorgezogen, in Beröa zu bleiben, um die Brüder zu befestigen. Doch sie gehorchten dem Apostel. Nach ihrer Ankunft in Athen, schrieb Paulus seinen ersten Brief an die Thessalonicher, der zweite wurde von Korinth aus geschrieben.
Während der Apostel Silas und Timotheus in Athen erwartete, wurde er innerlich erregt beim Anblick des Götzendienstes dieser Stadt. Auch lastete die Sorge um die Thessalonicher auf ihm und er fürchtete, die Verfolgung könnte ihren Glauben erschüttert haben. Wie man aus dem ersten Brief an die Thessalonicher (1. Thes 2,18) erkennen kann, war es die Verfolgung, die ihn hinderte, nach Thessalonich zurückzukehren, aber Gott benutzt die Wirksamkeit des Teufels oft zum Wohl der Seinen. Hätte der Apostel nach Thessalonich gehen und ihnen mündlich sagen können, was er ihnen dann in den Briefen schrieb, hätten wir von seinen Belehrungen keinen Nutzen gehabt. So aber ergab sich daraus ein Segen, den die Heiligen durch alle Jahrhunderte hindurch genießen konnten. Da es ihm versagt war, nach Thessalonich zu gehen, sandte er Timotheus dahin.
Verse 16-21
Während also Paulus auf die Ankunft seiner Mitarbeiter wartete, sah „er die Stadt voll von Götzenbildern“. Sein Geist war erregt bei dem Gedanken, was der Mensch aus dem Gott gemacht hatte, dem er, diente und den er gemäß seiner Offenbarung in Christus kannte. Von der Liebe Christi gedrängt, begann der Apostel, wie überall so auch hier, zuerst zu den Juden in der Synagoge zu reden, dann aber auch zu denen, die Gott dienten, also zu Heiden, die das Judentum angenommen hatten. Auf dem Markt aber begegnete er noch anderen Leuten und zwar epikuräischen Philosophen. Diese lehrten, das Vergnügen sei des Menschen höchstes Gut; man müsse alles tun, um es zu erlangen, könne es aber nur in der Pflege des Geistes und in der Ausübung der Tugend finden. Außer ihnen waren auch stoische Philosophen anwesend, Jünger des Zeno, der das höchste Gut nur darin sah, dem Verstand zu gehorchen, unberührt von den äußeren Umständen. Diese alle griffen das an, was der Apostel verkündete. Sie hielten Jesus für eine fremde Gottheit und die Auferstehung für eine Torheit. Der menschliche Geist kann sich nicht bis zur Höhe der Gedanken Gottes erheben. Er versucht, sie seinem begrenzten Verstand anzupassen, aber: „Da ist keiner, der verständig ist“ (Röm 3,11) und: „Der natürliche Mensch aber nimmt nicht an, was des Geistes Gottes ist, denn es ist ihm eine Torheit“ (1. Kor 2,14). Das Fleisch widersetzt sich instinktiv der Wahrheit Gottes, denn es wird dadurch verurteilt. Diese Philosophen, bei denen nur die Neugierde erwacht war, führten Paulus zum Areopag, da sie die neue, ihnen eigentümlich erscheinende Lehre kennen lernen wollten. Die Athener gingen mehr auf Neuigkeiten als auf Wahrheit aus. Sie oder die Menschen, die sich in Athen aufhielten, „brachten ihre Zeit mit nichts anderem zu, als etwas Neues zu sagen und zu hören.“ Das Wort Gottes gibt uns zu verstehen, dass die Gründe, die die Athener veranlassten, Paulus anzuhören, unbedeutend waren. Es verurteilt auch ihre Faulheit und ihren Müßiggang.
Heute müssen wir gegen all das Neue, das in der Christenheit auftaucht, in Abwehrbereitschaft stehen. Im Allgemeinen handelt es sich um fremde Lehren, die den natürlichen Menschen ansprechen und die Seelen verwirren. - Auch im Dienst des Wortes sollen wir nicht das Neue suchen. Gewiss, Gott kann Wahrheiten ans Licht bringen, die der großen Mehrzahl in der Christenheit unbekannt sind. Aber uns Zuhörern sollte es beim Hören des Wortes darum gehen, unsere Wege und unseren Wandel immer mehr mit den Gedanken Gottes in Übereinstimmung zu bringen und die gesegnete Person des Herrn immer besser kennen zu lernen.
Verse 22-31
Paulus wusste die gebotene Gelegenheit in der Macht und Weisheit des Heiligen Geistes auszunutzen. Er legte jenen Menschen nicht das Evangelium der Gnade vor, wie er es gegenüber den Juden tat, denen er Jesus als den Christus verkündigte. Er begegnete diesen Leuten, die sich so weise und verständig dünkten, auf dem Boden, auf dem sie standen. Sie waren wohl der Meinung, dass ein höchster Gott existieren müsse, aber Er war ihnen unbekannt und sie hatten Ihn durch die Götzen ersetzt, hinter denen sich Dämonen verbargen.
Der Apostel verband die Wahrheit, die er ihnen vorstellte, mit dem, was er unter den Gegenständen ihrer Verehrung gesehen hatte. Einer ihrer Altäre war „dem unbekannten Gott“ geweiht. Dieser Altar war ein offensichtliches Eingeständnis ihrer Unwissenheit über den allein wahren Gott und seine Gnade. Ihre so viel gerühmte Weisheit hatte ihnen dabei nichts genützt. Ach, durch „die Weisheit der Weisen“, die „Weisheit der Welt“ kann die Welt Gott nicht erkennen (1. Kor 1,21). Paulus verkündete ihnen nun den wahren Gott, den sie, ohne Ihn zu kennen, verehrten.
In jedem Menschen und bei allen Völkern lebt der Gedanke an einen höchsten Gott. Dieses Bewusstsein bleibt bestehen, trotz allen Anstrengungen des Feindes, dem menschlichen Herzen und Geist die Kenntnis des wahren Gottes, dem der Mensch verantwortlich ist, zu verhüllen. Die Art und Weise, wie Paulus seine Rede begann und wie er seine Worte den Umständen seiner Zuhörer anpasste, ist nachahmenswert. Wir sollten sie uns zunutze machen, wenn wir den Menschen die Wahrheit vorstellen. Stehen wir unter der Leitung des Geistes Gottes, so wird Er uns immer zeigen, wie wir mit Takt und Weisheit die Wahrheit ungeteilt und ungeschmälert so erklären können, dass sie von den Menschen in ihren verschiedenen Umständen und Herzenszuständen verstanden werden kann und Eingang findet.
„Männer von Athen“, sagte er zu ihnen, „ich sehe, dass ihr in jeder Beziehung den Göttern sehr ergeben seid. Denn als ich umherging und die Gegenstände eurer Verehrung betrachtete, fand ich auch einen Altar, an dem die Aufschrift war: Dem unbekannten Gott. Was ihr nun, ohne es zu kennen, verehrt, das verkündige ich euch“ (Vers 23). Der Apostel stellte also zuerst fest, dass die Athener dem Dienst der Götter sehr ergeben waren und dass sie auch „den unbekannten Gott“ unter diese eingereiht hatten. Ohne sich dessen bewusst zu sein, galt ihr Eifer den Dämonen, die sich hinter den Göttern verbargen. - Dann führte Paulus seine Zuhörer zu dem Zeugnis der Schöpfung, das so deutlich ist, dass es dem Menschen eine große Verantwortung gegenüber dem Schöpfergott auferlegt (Röm 1,18-32).
Dieser Gott, den sie ehrten, ohne Ihn zu kennen, ist der, der die Welt erschaffen hat und alles, was in ihr ist. Er ist der Gott des Himmels und der Erde. Er wohnt nicht in Tempeln, die von Händen gemacht sind. Er ist nicht von seinen Geschöpfen abhängig, vielmehr gibt Er ihnen allen den Odem des Lebens. Er hat die verschiedenen Menschenrassen aus einem Blut gemacht und ihnen die ganze Erde zur Wohnung gegeben. Er hat die Länge der verschiedenen Zeitepochen festgesetzt. Er bestimmt die verordneten Zeiten und die Grenzen der Wohnung jeder Nation (5. Mo 32,8). Gott ist unsichtbar, aber der Mensch findet Ihn in seinen Werken: „Denn das Unsichtbare von ihm wird geschaut, sowohl seine ewige Kraft, als auch seine Göttlichkeit, die von Erschaffung der Welt an in dem Gemachten wahrgenommen werden, damit sie ohne Entschuldigung seien“ (Röm 1,19-20). Der Mensch lebt durch den Odem Gottes, der ihn zu einer lebendigen und - im Hinblick auf ihre Lebensdauer - unsterblichen Seele gemacht hat. Er ist von der Kraft Gottes umgeben, der ihn in seinem Bild, nach seinem Gleichnis schuf, ihn mit einem hohen Verstand ausgestattet und ihn zum Haupt der Schöpfung gemacht hat. Der Ausspruch des griechischen Dichters „Denn wir sind auch sein Geschlecht“ entsprach also in gewissem Sinn der Wahrheit.
Wenn der Mensch Gottes Geschlecht ist, wie kann er dann versuchen, die Gottheit durch stoffliche Dinge darzustellen, die niedriger sind als der Mensch selbst, und Ihm eine Form und einen Ausdruck zu geben, die nur Produkte seiner Einbildungskraft sind? Jesaja beschreibt diese Verirrung im 44. Kapitel seines Buches.
Gott hat in den Zeiten der Unwissenheit der Menschen viel Geduld gezeigt. Er stellte sie verschiedentlich auf die Probe, ohne sie ins Gericht zu bringen. Bevor Er seine Gerichte über ein derart schuldiges Geschlecht kommen lässt, benutzt Er seine Macht, um allen Menschen in Gnade zu gebieten, „dass sie alle überall Buße tun sollen, weil er einen Tag gesetzt hat, an dem er den Erdkreis richten wird in Gerechtigkeit durch einen Mann, den er dazu bestimmt hat, und er hat allen den Beweis davon gegeben, indem er ihn aus den Toten auferweckt hat“ (V. 30-31).
Es besteht viel Ähnlichkeit zwischen dieser Rede und dem schon erwähnten ersten Kapitel des Römerbriefes. Dort sagt der Apostel: „Denn Gottes Zorn wird vom Himmel her offenbart über alle Gottlosigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit besitzen“ (Röm 1,18). Dieser Zorn war während der früheren Zeitalter der Unwissenheit nicht offenbart worden. Jjetzt aber, seit dem Kreuz, wissen die Menschen, woran sie sind. Gott hat in seiner Gnade jedoch ein Mittel genannt, durch das sie dem kommenden Gericht entrinnen können: Er gebietet ihnen, Buße zu tun. Der Apostel beschreibt hier nicht die Gnade, die den reuigen Sünder vor dem Gericht bewahrt. Er stellt seine Zuhörer vielmehr unter die Wirkung der Wahrheit des allein wahren Gottes und des unausbleiblichen Gerichtes, das der Herr selbst vollziehen wird. Aber dieses Gericht kommt erst, nachdem Gott grundsätzlich alle Menschen überall zur Buße aufgerufen hat, wodurch sie diesem Gericht entfliehen können, das nach göttlicher Gerechtigkeit und von Jesus Christus vollzogen werden wird, den die Menschen gekreuzigt haben. Christi Auferstehung ist der sichere Beweis dafür, dass Er der von Gott bestimmte Richter des Erdkreises ist. „Er hat ihm Gewalt gegeben, auch Gericht zu halten, weil er des Menschen Sohn ist“ (Joh 5,22-27). Die Lehre vom „freien Willen des Menschen“, die behauptet, es stehe den Menschen frei, zu glauben oder nicht zu glauben, ist dem Gebot Gottes, dass „alle überall Buße tun sollen“, entgegengesetzt. Wenn Gott etwas gebietet, ist man nicht frei, zu gehorchen oder nicht zu gehorchen! Wer also dem Evangelium nicht glaubt, ist ein Ungehorsamer (Joh 3,36; 2. Thes 1,8; 1. Pet 3,1). Wer aber etwas, worin er völlige Freiheit hat, es zu tun oder zu lassen, nicht tut, ist nicht ungehorsam.
Verse 32-34
Paulus schloss seine Rede in Athen mit der Verkündigung von drei großen Tatsachen:
- Gott gebietet jetzt allen Menschen überall, Buße zu tun.
- Gott wird an einem bestimmten Tag den Erdkreis in Gerechtigkeit richten.
- Gott hat einen Mann zum Richter bestimmt und Ihn zum sicheren Beweis dieser Tatsache aus den Toten auferweckt.
„Als sie aber von Toten-Auferstehung hörten, spotteten die einen, die anderen aber sprachen: Wir wollen dich darüber auch nochmals hören.“ Die letztere Gruppe glich dem Landpfleger Felix, der zu Paulus gesagt hat: „Für jetzt geh hin; wenn ich aber gelegene Zeit habe, werde ich dich rufen lassen“ (Apg 24,25). Einige kamen zum Glauben, unter anderen Dionysius, der Areopagit, und eine Frau mit Namen Damaris. Aber es war nur eine kleine Zahl, denn das Evangelium fand unter den Intellektuellen Athens keinen günstigen Boden.
Die Predigt des Evangeliums macht sowohl die offenbar, die gerettet werden sollen, als auch die übrigen, die im Unglauben die Gnade ablehnen. In 2. Korinther 2,15-16 sagt der Apostel: „Denn wir sind für Gott ein Wohlgeruch Christi in denen, die errettet werden, und in denen, die verloren gehen; den einen ein Geruch vom Tod zum Tod, den anderen aber ein Geruch vom Leben zum Leben.“
Jeder Mensch ist verantwortlich, zu glauben. Gott gebietet allen Menschen, Buße zu tun. Er „will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ (1. Tim 2,4). Gott hat niemand zum Verderben bestimmt. In Römer 2,5 lesen wir, dass sich der unbußfertige Mensch selbst Zorn aufhäuft. Gott erträgt mit viel Langmut die Gefäße des Zorns, die durch die Sünde zum Verderben zubereitet sind (Röm 9,22). Im folgenden Vers heißt es hingegen ausdrücklich, dass Gott die Gefäße der Begnadigung zur Herrlichkeit zuvor bereitet hat. Wenn ein Mensch gläubig wird, weiß er, dass er seine Errettung der Gnade Gottes und der Tatsache zu verdanken hat, dass Gott über allem ist. Der Errettete kann sagen: Ich bin auserwählt. Niemand aber darf behaupten, er sei es nicht. Solange ein Mensch lebt, ist er verantwortlich zu glauben, um errettet zu werden.