Die ersten Jahrzehnte des Christentums
Kommentar zur Apostelgeschichte
Kapitel 14
Verse 1-7
In Ikonium angekommen, gingen die Apostel in Übereinstimmung mit Gottes Gedanken in die Synagoge der Juden und redeten dort so, „dass eine große Menge glaubte, sowohl Juden als auch Griechen“. Nur der Heilige Geist konnte bewirken, dass sie „so“ sprechen konnten und dass dadurch ein solches Ergebnis erreicht wurde. Dieses Wirken des Heiligen Geistes geschah auf dem Gebiet des Feindes selbst, und dieser zögerte nicht, mit Hilfe der Juden Widerstand zu erwecken. Das wird immer so bleiben, bis Satan gebunden ist. Trotz dieses von den Juden entfachten Widerstandes der Nationen verweilten die Apostel dort „lange Zeit und sprachen freimütig in dem Herrn“.
Es wird hier nicht gesagt, dass sie sich auf den Heiligen Geist stützten. Aber sie redeten „in dem Herrn“ und so konnte der Heilige Geist ungehemmt wirken. Der Herr gab „dem Wort seiner Gnade Zeugnis, indem er Zeichen und Wunder geschehen ließ durch ihre Hände“. Welch ein Gegensatz zwischen den Anstrengungen des Menschen, um das Werk Gottes zu verhindern, und der Macht, mit der dieses Werk vollbracht wurde! Der Herr, der Sieger über die Welt und ihren Fürsten war da. Auf Ihn stützten sich seine Diener und hatten den Beistand der Macht des auf der Erde anwesenden Heiligen Geistes, einer der drei Personen der Gottheit. Sie konnten tatsächlich freimütig reden, da sie vom Bewusstsein erfüllt waren, auf Gottes Seite zu stehen, um die Wahrheit zu verkündigen, die den Menschen verurteilte, aber den Sünder errettete. Die Zeichen und Wunder, die den Dienst des Herrn begleitet hatten, wurden jetzt auch durch seine Diener vollbracht und waren ein Beweis der Gegenwart und des Wirkens Gottes.
Siebenmal in diesem Buch wird auf die Freimütigkeit hingewiesen, mit der die Apostel als Antwort auf das Gebet der Jünger in Kapitel 4,29 redeten: „Gib deinen Knechten, dein Wort zu reden mit aller Freimütigkeit“ (Kap. 4,31; 13,46; 14,3; 18,26; 19,8; 26,26; 28,31).
Die beiden großen Einflüsse - die Macht des Geistes Gottes einerseits und die Macht des Geistes Satans anderseits - riefen in der Stadt eine Entzweiung hervor. Die einen waren mit den Juden, die andern mit den Aposteln. Einen neutralen Boden gibt es nicht; heute wie damals steht man entweder auf der Seite Gottes oder auf der Seite der Welt und ihres Fürsten. Der Herr hat selbst gesagt, dass Er nicht gekommen sei, den Frieden auf die Erde zu bringen. Heute benutzt Er seine Macht nicht, um Frieden zu stiften, sondern um Sünder mitten aus der Feindschaft der Welt und ihres Fürsten zu erretten. Er lässt das Böse bis zu dem Tag an dem Er den Erdkreis in Gerechtigkeit richten wird bestehen. Da der Herr nach seinem Sieg am Kreuz in die Höhe hinaufgestiegen ist, „hat Er die Gefangenschaft gefangen geführt und den Menschen Gaben gegeben“ (Eph 4,8). Diese Gaben werden bis zur Ankunft des Herrn unter der Wirkung des Geistes ausgeübt. Alle, die sein Wort annehmen, werden inmitten dieser feindlichen Welt an seinem Sieg teilhaben. Sie sind hier gelassen, um für den verworfenen Herrn zu zeugen, der ihnen zugerufen hat: „In der Welt habt ihr Bedrängnis, aber seid guten Mutes, ich habe die Welt überwunden“ (Joh 16,33).
Der Sieg war scheinbar auf der Seite des Bösen. Durch einen ungestümen Angriff derer aus den Nationen wie auch den Juden - sie wollten die Apostel misshandeln und steinigen - wurden diese in die Flucht getrieben. Sie entflohen „in die Städte von Lykaonien: Lystra und Derbe, und die Umgebung; und dort verkündigten sie das Evangelium“. Gott benutzte die Verfolgung, um sie zu veranlassen, das Evangelium anderswo zu predigen. Sonst hätten sie, wie es ihr Wunsch war, länger bei diesen Neubekehrten verweilen können.
Verse 8-13
In Lystra befand sich ein lahmer Mann, „der niemals gegangen war“. Er hörte Paulus reden. Da der Apostel sah, dass er Glauben hatte, geheilt zu werden, sprach er zu ihm: „Stelle dich gerade hin auf deine Füße! Und er sprang auf und ging umher.“ Sowohl im Dienst des Herrn selbst wie auch im Dienst der Apostel gab es Fälle, wo die Wunderkraft ohne den Glauben des zu Heilenden wirkte. Bei anderen dagegen, wie bei diesem hier, wird die Heilung dem Glauben zugeschrieben.
Durch diese Heilung wurde der Zustand der Finsternis offenbar, in den diese armen Heiden versunken waren. In der Macht des Teufels gefangen, hielten sie die offenbarte Macht Gottes für die Macht ihrer Götter. Sie glaubten, ihre Götter hätten sich den Menschen gleichgemacht und seien zu ihnen herabgekommen. Sie wollten ihnen opfern. Sie hielten Barnabas für den Zeus, Paulus dagegen für den Hermes, der, wie sie meinten, die Aufträge der Götter ausrichtete.
Verse 14-18
Als Barnabas und Paulus erfuhren, dass Stiere und Kränze an die Tore gebracht worden waren und man ihnen opfern wollte, „zerrissen sie ihre Kleider, sprangen hinaus unter die Volksmenge und riefen und sprachen: Männer, warum tut ihr dieses? Auch wir sind Menschen von gleichen Empfindungen wie ihr und verkündigen euch, dass ihr euch von diesen nichtigen Götzen bekehren sollt zu dem lebendigen Gott, der den Himmel und die Erde und das Meer gemacht hat und alles, was in ihnen ist; der in den vergangenen Geschlechtern alle Nationen auf ihren eigenen Wegen gehen ließ, obwohl er sich doch nicht unbezeugt gelassen hat, indem er Gutes tat und euch vom Himmel Regen und fruchtbare Zeiten gab und eure Herzen mit Speise und Fröhlichkeit erfüllte.“ Die Apostel passten ihr Wort dem Zustand dieser Menschen an, die Gott verlassen und Satan angenommen hatten, der sich in der Gestalt von Götzen vor sie hinstellte.
Die Zeit war vorüber, in der Gott die Nationen ihre eigenen Wege gehen ließ, auf denen sie, Gott kennend, Ihn weder als Gott verherrlichten, noch Ihm Dank darbrachten (Röm 1,21). Wenn sie auch nicht die Aussprüche Gottes besessen hatten, waren sie Ihm gegenüber doch verantwortlich, weil das Zeugnis seiner Güte stets vor ihren Augen war. In Psalm 145,15-16 lesen wir: „Aller Augen warten auf dich, und du gibst ihnen ihre Speise zu seiner Zeit; du tust deine Hand auf und sättigst alle Lebende nach Begehr.“ Und im Psalm 147,8 heißt es: „Ihm, der die Himmel mit Wolken bedeckt, der Regen bereitet für die Erde, der Gras sprossen lässt auf den Bergen.“
Jetzt, wo die Erprobung des Menschen beendet ist, lässt Gott allen verkünden, dass sie sich zu Ihm wenden sollen, zu Ihm, dem Schöpfer aller Dinge und Erhalter aller Menschen, der im Gegensatz zu den Götzen ein lebendiger Gott ist. In Jesaja 37,17-20 wird dieser Gegensatz hervorgehoben und in 5. Mose 32,12 lesen wir: „So leitete ihn der Herr allein, und kein fremder Gott war mit ihm.“ Die Thessalonicher hatten sich von den Götzenbildern zu Gott bekehrt, „dem lebendigen und wahren Gott zu dienen und seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten“ (Kap. 1,9-10). Indem sie sich dem lebendigen und wahren Gott zuwandten, fanden sie in Ihm den „Heiland-Gott, der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Denn Gott ist einer, und einer Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mensch Christus Jesus, der sich selbst gab als Lösegeld für alle, wovon das Zeugnis zu seiner Zeit verkündigt werden sollte“ (1. Tim 2,4-6).
Als Paulus und Barnabas dies sagten, „hielten sie die Volksmenge kaum davon ab, ihnen zu opfern“. Aus dem Tun der Volksmenge ist deutlich ersichtlich, dass die Nationen das Bewusstsein bewahrt hatten, dass zwischen dem Menschen und Gott Opfer nötig waren. Sie suchten daher auf ihre Weise die Götter zu befriedigen und günstig zu stimmen. Was soll man aber von einer Christenheit halten, die heute das Sühnungsopfer Christi verwirft und nur gelten lassen will, dass Er uns in seinem Leben ein Vorbild gewesen sei? Dass der Mensch unfähig ist, dieses Vorbild nachzuahmen, ohne von neuem geboren zu sein, weiß sie nicht.
Die von den Aposteln bei der Heilung des Gelähmten entfaltete Macht beeindruckte diese Menschen. Sobald der Mensch Gott verlässt, hängt er sich an Machtkundgebungen und sucht sie. Dieser Vorgang ist in zunehmendem Maß auch in der Christenheit zu sehen, in der sich Gott in Gnade offenbart hat. Bald wird die Form der Gottseligkeit, die noch in ihr gefunden wird, dem „Menschen der Sünde“ Platz machen. Er ist der Antichrist, der die Menschen durch allerlei „Zeichen und Wunder der Lüge“ verführen wird (2. Thes 2).
Im Handeln der Menge ist deutlich zu erkennen, dass sich der Feind bemühte, die Apostel durch Ehrungen, die nur Gott zustehen, zu versuchen. Hätten sie diese Huldigungen angenommen, wäre ihr Werk vernichtet worden. So hat der Feind auch den Herrn am Anfang seines Dienstes durch sein Angebot der Reiche der Welt und ihrer Herrlichkeit vergeblich zu Fall zu bringen versucht. Herodes hingegen starb von Würmern zerfressen, weil er die Ehre, die Gott allein zusteht, für sich angenommen hatte.
Verse 19-28
Unter dem Einfluss der von Antiochien und Ikonium angekommenen Juden wurde Paulus von der Volksmenge, die den Aposteln soeben noch göttliche Verehrung erweisen wollte, gesteinigt und zur Stadt hinausgeschleift. Die Menschen ohne Gott sind so unbeständig wie das bewegte Meer und jedem Einfluss zugänglich. „Die Gottlosen sind wie das aufgewühlte Meer; denn es kann nicht ruhig sein, und seine Wasser wühlen Schlamm und Kot auf“ (Jes 57,20). Da Satan die Diener Gottes nicht verführen konnte, wollte er sie umbringen. Aber Gott wachte über Paulus: Nach der Steinigung hatte er die Kraft, aufzustehen, ruhig in die Stadt hineinzugehen und am folgenden Tag mit Barnabas nach Derbe zu reisen.
„Und als sie jener Stadt das Evangelium verkündigt und viele zu Jüngern gemacht hatten, kehrten sie nach Lystra und nach Ikonium und nach Antiochien zurück“, wo das Werk der Evangelisation schon geschehen war. Die Apostel wollten sich jetzt mit der Auferbauung der Versammlungen beschäftigen. Zweifellos wurden noch andere Seelen errettet und zu der Versammlung hinzugetan, aber die Apostel widmeten sich jetzt besonders der Befestigung der Gläubigen.
Wer zum Herrn geführt worden ist, braucht Kraft, um würdig für Ihn leben und von Ihm Zeugnis ablegen zu können. Diese Kraft finden wir im Wort Gottes. Zu jener Zeit besaßen die Gläubigen die Schriften des Neuen Testamentes noch nicht. Der Apostel Paulus, der allein die Offenbarungen über das Geheimnis der Versammlung empfangen hatte, unterwies mit seinen Gefährten die Neubekehrten und ermahnte sie, im Glauben zu verharren. In Zeiten der Verfolgung wie auch in ruhigen Tagen ist der Feind sehr geschickt, uns Dinge auf den Weg zu stellen, die uns entmutigen können. Aber wir sollen im Glauben bis ans Ende der Reise ausharren und dabei „für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben kämpfen“ (Jud 3).
Die Apostel kündigten den Heiligen an, dass sie durch „viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen“ würden. Das Reich Gottes ist ein Zustand der Dinge, in dem seine Rechte Gültigkeit haben und anerkannt werden. Wer daran teilhat, muss seine Wesenszüge tragen. Man kann nicht hineingehen und von Leiden verschont bleiben. Um inmitten der Feindschaft der Welt das Wesen des Reiches Gottes, nach dem wir zuerst trachten sollen, zu verwirklichen, brauchen wir von Seiten Gottes Kraft und Ermutigung.
Der Apostel selbst hatte einen großen Anteil an diesen Leiden. Aber er konnte den Kolossern sagen: „Jetzt freue ich mich in den Leiden für euch und ergänze in meinem Fleisch das, was noch fehlt an den Drangsalen des Christus für seinen Leib, das ist die Versammlung“ (Kol 1,24). Christus hatte gelitten, um sich die Versammlung zu erkaufen. Paulus litt, um sie zu sammeln und aufzuerbauen. In jeder Versammlung wählten die Apostel Älteste, beteten mit Fasten und befahlen sie dem Herrn.
Wie wir in Kapitel 13,3 gesehen haben, soll das Beten mit Fasten begleitet sein. Der Geist muss frei sein, um sich der echten Bedürfnisse bewusst zu werden und sie Gott vorstellen zu können. Der Diener darf dabei nicht unter dem Einfluss von Dingen stehen, die ihn erregen oder seine Urteilsfähigkeit erschweren. Sonst wird es schwierig, die Weisungen, die Gott als Antwort auf die Gebete erteilt, zu erkennen. Das buchstäbliche Fasten mochte zu einer solchen Geisteshaltung führen. Aber man konnte es auch tun, ohne in dem geistlichen Zustand zu sein, den das Fasten bewirken oder womit es begleitet sein soll. Das wird dem Volk Israel in Jesaja 58,3-7 vorgeworfen: „Siehe, am Tag eures Fastens geht ihr euren Geschäften nach …“
Wenn der Apostel Älteste wählte, tat er es in seiner apostolischen Vollmacht und in der Abhängigkeit vom Herrn, dem er die Gläubigen anbefahl. Die Ältesten waren beauftragt, die Herde zu hüten, und sie sollten Vorbilder für sie sein (1. Pet 5,1-4). In 1. Timotheus 3,1-7 und Titus 1,5-11 werden die Eigenschaften aufgeführt, die zu einem solchen Dienst erforderlich waren. Die Ältesten konnten auch „arbeiten in Wort und Lehre“. Aber aus 1. Timotheus 5,17 geht hervor, dass es nicht alle taten. Keiner Stelle in den Belehrungen des Apostels kann man entnehmen, dass die Versammlungen Älteste ernennen sollten. Der Apostel hat keine solche Weisung gegeben, weder für seine Zeit noch für die unsere.
Diesem Amt hat man in der Christenheit einen ganz andern Sinn gegeben. Die Funktionen eines Bischofs (das gleiche Wort wie Ältester), stimmen mit der Tätigkeit der von den Aposteln oder ihren Abgeordneten, Timotheus und Titus, ernannten Ältesten keineswegs überein. Der gesamte Klerus und seine Rangordnung sind eine menschliche Erfindung. Der Apostel hat die Heiligen nicht den Ältesten anbefohlen, sondern „dem Herrn, an den sie geglaubt hatten“, oder „Gott und dem Wort seiner Gnade.“, wie wir in Apostelgeschichte 20,32 lesen.
Man darf die Gaben nicht mit den Ämtern verwechseln. Der Herr gibt bis zu seiner Wiederkunft Gaben zur Bildung und Auferbauung der Versammlung. Die Ältesten dagegen wurden von dem Apostel oder seinen Beauftragten benannt, um in den örtlichen Versammlungen die Aufsicht zu führen. Auch heute noch stehen die Versammlungen im Genuss der gleichen Dienste wie die, die damals von den Ältesten und Diakonen ausgeübt wurden. Jedoch geben sie den betreffenden Personen keinen Titel. Aber sie erkennen ihre Tätigkeit in dem Maß an, wie diese in Übereinstimmung mit den Belehrungen der Schrift steht. Wenn die Versammlungen in der Abhängigkeit vom Herrn und im Gehorsam zu seinem Wort verharren, werden sie in Ordnung und Frieden vorangehen können.
Die Apostel verkündigten das Wort auch in Perge, zogen durch Attalla und segelten nach Antiochien ab, von wo aus sie zu Beginn dieser ersten Reise der Gnade Gottes zu diesem Werk anbefohlen worden waren. Sie erzählten der Versammlung alles, was Gott mit ihnen getan und dass Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Dabei schrieben sie sich selbst nichts zu. Es war das Werk des Herrn, das „Gott mit ihnen getan“ hatte, und bei ihrer Arbeit waren sie mit Heiligem Geist erfüllt.