Das Buch der Richter
Bleibe deinem Gott treu!
Kapitel 21
Auswirkungen der Zucht
Das Buch der Richter schliesst mit der Wiederherstellung des Volkes nach der Angelegenheit von Gibea und der Wiedereingliederung des Stammes Benjamin. Dies geschah durch aktive Bemühungen der Gnade.
Israel in Mizpa und Bethel (V. 1-4)
„Die Männer von Israel hatten aber in Mizpa geschworen und gesagt: Niemand von uns soll seine Tochter den Benjaminitern zur Frau geben! Und das Volk kam nach Bethel, und sie blieben dort bis zum Abend vor Gott; und sie erhoben ihre Stimme und weinten sehr und sprachen: Warum, Herr, Gott Israels, ist dies in Israel geschehen, dass heute ein Stamm aus Israel vermisst wird? Und es geschah am nächsten Tag, da machte sich das Volk früh auf, und sie bauten dort einen Altar und opferten Brandopfer und Friedensopfer“ (20,1-4).
Die erste Frucht der Zucht war die Weigerung jeglicher Verbindung mit dem Bösen. Eine Heirat mit Benjaminitern war nicht mehr möglich.
Aber die Strenge gegenüber dem Bösen verhinderte keineswegs eine Zuneigung des Herzens für das ganze Volk Gottes. Israel stieg zum dritten Mal nach Bethel hinauf, hielt sich dort vor dem HERRN auf und beweinte lange und bitterlich den Verlust eines Stammes. In den Gedanken Gottes war die Einheit des Volkes - symbolisiert durch die zwölf Brote auf dem Schaubrot-Tisch und die zwölf Steine am Brustschild des Hohenpriesters - immer noch die gleiche. Aber zum ersten Mal seit Beginn dieser schrecklichen Angelegenheit wurde sich Israel bewusst, dass es Gott verunehrt hatte: Es hatte der Unversehrtheit seines Volkes geschadet.
Nachdem das Volk durch eigene Schuld seine äussere Einheit verloren hatte - glücklicherweise nur vorübergehend -, wünschte es in seinem Herzen diese Einheit sehnsüchtig zurück. Die moralischen Voraussetzungen waren also erfüllt, dass Israel dem HERRN am Morgen des nächsten Tages einen Altar bauen konnte, um Ihm Brand- und Friedensopfer darzubringen (V. 4). Die Wege Gottes scheinen für den menschlichen Geist widersprüchlich. Das Volk war erneut mit dem Dienst der Anbetung beschäftigt, wie vor dem Kampf gegen Benjamin.
Das Gericht über Jabes-Gilead und die Vergebung für Benjamin (V. 5-14)
„Und die Kinder Israel sprachen: Wer von allen Stämmen Israels ist nicht in die Versammlung zu dem Herrn heraufgekommen? Denn ein großer Schwur war geschehen bezüglich dessen, der nicht zu dem Herrn nach Mizpa heraufkäme, indem man sprach: Er soll gewiss getötet werden! Und den Kindern Israel tat es Leid um Benjamin, ihren Bruder, und sie sprachen: Heute ist ein Stamm von Israel abgehauen! Was sollen wir ihnen, den Übriggebliebenen, tun bezüglich der Frauen? Wir haben ja bei dem Herrn geschworen, ihnen keine von unseren Töchtern zu Frauen zu geben. Und sie sprachen: Gibt es irgendeinen von den Stämmen Israels, der nicht zu dem Herrn nach Mizpa heraufgekommen ist? Und siehe, kein Mann von Jabes-Gilead war ins Lager, in die Versammlung, gekommen. Und das Volk wurde gemustert, und siehe, kein Mann war da von den Bewohnern von Jabes-Gilead. Da sandte die Gemeinde 12000 Mann von den tapferen Männern dorthin, und sie geboten ihnen und sprachen: Geht hin und schlagt die Bewohner von Jabes-Gilead mit der Schärfe des Schwertes, auch die Frauen und die kleinen Kinder! Und dies ist es, was ihr tun sollt: Alle Männlichen und alle Frauen, die den Beischlaf eines Mannes gekannt haben, sollt ihr verbannen°. Und sie fanden unter den Bewohnern von Jabes-Gilead 400 Mädchen, Jungfrauen, die keinen Mann im Beischlaf erkannt hatten; und sie brachten sie ins Lager nach Silo, das im Land Kanaan ist. Und die ganze Gemeinde sandte hin und redete zu den Kindern Benjamin, die am Felsen Rimmon waren, und bot ihnen Frieden an. Und Benjamin kehrte in jener Zeit zurück; und sie gaben ihnen die Frauen, die sie hatten leben lassen von den Frauen von Jabes-Gilead; aber sie fanden so nicht genug für sie“ (21,5.14).
Die Bewohner von Jabes-Gilead waren nicht mit ihren Brüdern zum HERRN nach Mizpa heraufgekommen. Diese Missachtung der Interessen des Volkes Gottes machte sie schuldig. Jabes-Gilead lag auf der anderen Seite des Jordan, ausserhalb des Erbteils Gottes. Das prägte leider die Einstellung dieser Israeliten. Wir lernen daraus, wie sehr die Liebe zur Welt, die geistliche Einsicht und die Energie für die Interessen des Herrn Jesus vermindert.
Das gerechte Gericht über Jabes gab Gelegenheit, den Benjaminitern Barmherzigkeit zu erweisen. 400 junge Mädchen, die vom Gericht verschont worden waren, wurden die Ehefrauen der Überlebenden, die zum Felsen Rimmon geflohen waren (V. 13.14).
Tätige Liebe in Silo (V. 15-24)
„Und dem Volk tat es Leid um Benjamin, weil der Herr einen Riss gemacht hatte in den Stämmen Israels. Und die Ältesten der Gemeinde sprachen: Was sollen wir den Übriggebliebenen tun bezüglich der Frauen? Denn die Frauen sind aus Benjamin vertilgt. Und sie sprachen: Ein Besitztum soll sein für die Entronnenen von Benjamin, damit nicht ein Stamm aus Israel ausgetilgt werde. Wir aber, wir können ihnen keine Frauen von unseren Töchtern geben; denn die Kinder Israel haben geschworen und gesagt: Verflucht sei, wer den Benjaminitern eine Frau gibt! Und sie sprachen: Siehe, ein Fest des Herrn ist Jahr für Jahr in Silo, das nördlich von Bethel liegt, gegen Sonnenaufgang von der Landstraße, die von Bethel nach Sichem hinaufgeht, und südlich von Lebona. Und sie geboten den Kindern Benjamin und sprachen: Geht hin und lauert in den Weinbergen; und gebt Acht, und siehe, wenn die Töchter von Silo herausziehen zum Reigentanz, so kommt hervor aus den Weinbergen und raubt euch unter den Töchtern von Silo jeder seine Frau, und zieht hin in das Land Benjamin. Und es soll geschehen, wenn ihre Väter oder ihre Brüder kommen, um mit uns zu streiten, so wollen wir zu ihnen sagen: Gewährt sie uns! Denn wir haben nicht jeder seine Frau im Kampf empfangen; denn nicht ihr habt sie ihnen gegeben, dass ihr jetzt schuldig wäret. Und die Kinder Benjamin taten so und nahmen sich Frauen, nach ihrer Zahl, von den Tänzerinnen, die sie raubten. Und sie zogen fort und kehrten in ihr Erbteil zurück; und sie bauten die Städte wieder auf und wohnten darin. Und die Kinder Israel zogen in jener Zeit von dort weg, jeder zu seinem Stamm und zu seiner Familie; und sie zogen von dort weg, jeder in sein Erbteil“ (21,15-24).
Die Liebe fand ein Mittel, um die Hilfe für den Überrest Benjamins weiterzuführen, ohne die eingegangene Verpflichtung vor Gott zu verleugnen. Anlässlich eines Festes des HERRN in Silo liess sich das Volk junge Frauen rauben, damit die Benjaminiter Familien gründen konnten. Das ganze Volk machte sich nun mit den Benjaminitern eins, indem es sprach: «Gewährt sie uns!» (V. 22). Was für ein gewaltiger Unterschied zur Einstellung vor der Züchtigung: «Was ist das für Böses, das unter euch geschehen ist?» (Kap. 20,12). Als Folge seines Verhaltens musste Israel diese Lektion der praktischen Einheit des Volkes Gottes auf harte Weise lernen. Die Verwirklichung dieser Einheit bringt auch für uns Segen und Verantwortung mit sich.
Alle Stämme kehrten danach wieder in ihr Erbteil zurück (V. 24).
Schlussfolgerung (V. 25)
„In jenen Tagen war kein König in Israel; jeder tat, was recht° war in seinen Augen“ (21,25).
Die lange Einschiebung von Kapitel 17-21, die den moralischen Zustand des Volkes aufdeckte, endet mit der gleichen Aussage wie die Einleitung: «In jenen Tagen war kein König in Israel; jeder tat, was recht war in seinen Augen» (V. 25; 17,6).
Dieser Zeitabschnitt im Leben Israels zeigt also die Geschichte des inneren moralischen Verderbens eines Volkes, das Gott verlassen hatte und seinen eigenen Gedanken folgte. Gott benutzte Feinde innerhalb des Landes und sogar das Volk selbst, um Israel zu züchtigen und wiederherzustellen. Dennoch hatte Gott Israel und auch seine Wohnung in der Mitte des Volkes noch nicht verlassen. Später, zur Zeit der Könige, wurde Israel den Feinden ausserhalb des Landes überliefert und schliesslich nach Babylon weggeführt.
Die Lade in Bethel und der Altar in Silo
Gott hatte einen Plan für sein Volk Israel. Er wollte es zu einer Nation von Priestern und Anbetern machen: «Dieses Volk, das ich mir gebildet habe, sie sollen meinen Ruhm erzählen» (Jes 43,21). Die Israeliten waren aus Ägypten herausgerufen worden, um Gott zu dienen (2. Mo 4,23). Er führte sie nach Kanaan, damit sie Ihm Anbetung brächten. Davon hatte Josua auf dem Berg Ebal Zeugnis abgelegt (Jos 8,30.33).
Gott wohnte in der Stiftshütte in der Mitte seines Volkes. Die Bundeslade im Allerheiligsten war der Sitz seiner Autorität. Der Gottesdienst wurde auf dem Altar verrichtet. Die Stiftshütte spricht von der Versammlung Gottes auf der Erde. Die Bundeslade ist das schönste Bild von Christus und seinem Werk. Der Altar stellt den Ort der Anbetung dar.
Was war im Volk Israel also schief gelaufen?
Die erste Sünde des Volkes, die alle anderen nach sich zog, stand in Verbindung mit den «Sachen, die Gott betreffen» (Heb 5,1).
Bei der Eroberung des Landes brachte Josua in Anwesenheit von Eleasar das Zelt der Zusammenkunft von Gilgal nach Silo, das nördlich von Bethel liegt (Jos 18,1; 19,51). Dort befand sich nun die Stiftshütte als der Ort der Begegnung mit Gott, dort war auch der Sammelpunkt des Volkes.
Silo (oder Schilo) bedeutet Frieden und ist ein Name, der prophetisch auf Christus angewendet wird (1. Mo 49,10). Im Neuen Testament wird Er der «Herr des Friedens» genannt (2. Thes 3,16). Für uns Christen stellt dieser Ort die Ruhe und die Anbetung in der Gegenwart des Herrn nach den Kämpfen dar.
In Silo war die Wohnung Gottes in der Mitte seines Volkes während der ganzen Zeit der Richter bis zur Zeit des Königtums in Israel. Später wurde die Stiftshütte in Gibeon aufgestellt (1. Chr 21,29). Anschliessend brachte man sie gemäss den Gedanken Gottes nach Jerusalem (2. Mo 15,17; Ps 132,13.14; 2. Chr 5,5), damit sie dort schliesslich durch den Tempel ersetzt würde.
Es scheint, dass die Lade in der Zwischenzeit allein in Bethel geblieben war (Kap. 20,27). Erst zu Beginn des Lebens Samuels war sie vorübergehend wieder in der Stiftshütte in Silo, bevor sie von den Philistern geraubt wurde. Wie konnte das Volk auf Wohlergehen hoffen, wenn die Stiftshütte und die Lade so getrennt waren? Dieser schwere Missstand wurde im selben Moment sichtbar, als der Geist den moralischen Zustand des Volkes aufdeckte. War das nicht die tiefe Ursache von allem Bösen? Wie kann das Volk Gottes einen Segen in den Zusammenkünften erfahren, wenn es die Autorität der Gegenwart des Herrn - vorgebildet durch die Bundeslade - nicht aufrechterhält?
Viel später spricht Jeremia aus der Sicht Gottes wieder davon zum Volk: «Geht doch hin zu meiner Stätte, die in Silo war, wo ich zuerst meinen Namen wohnen liess, und seht, was ich ihr getan habe wegen der Bosheit meines Volkes Israel» (Jer 7,12; 26,6).
Wie oft gleichen wir dem Volk Israel, das «sich auf die Worte der Lüge verliess, indem man sprach: Der Tempel des HERRN, der Tempel des HERRN ist dies!» (Jer 7,4). Doch gleichzeitig missachteten sie seine Autorität aufs Schlimmste.
Es ist die Gegenwart des Herrn, die wir um jeden Preis und unter allen Umständen suchen müssen. Bewahren wir diesen Gedanken in unseren Herzen als Schlussfolgerung dieses traurigen, aber so lehrreichen Buches.
Schlussgedanken
Gott ertrug sein Volk mit einer bewundernswerten Geduld. Seine Heiligkeit und Gerechtigkeit forderten jedes Mal, wenn es nötig war, eine Züchtigung. Aber seine Liebe blieb unverändert: «Seine Seele wurde ungeduldig über die Mühsal Israels» (Kap. 10,16). Zur Zeit der Richter kannte das Volk keine dauerhafte Befreiung und sein Zustand verschlechterte sich laufend bis zu den Tagen Samuels, des letzten Richters. Da raubten die Philister die Lade Gottes. Aus menschlicher Sicht war nun alles verloren. Doch dann griff die göttliche Gnade ein, stellte sein Volk in Mizpa wieder her und bereitete es für David, den König nach dem Herzen Gottes, vor.