Das Buch der Richter
Bleibe deinem Gott treu!
Kapitel 18
Götzendienst und Gewalt im Stamm Dan
Der Stamm Dan
Dan und Naphtali waren die beiden Söhne von Bilha, der Magd Rahels (1. Mo 30,4-8). Sie standen sich innerhalb der Familie Jakobs verwandtschaftlich am nächsten, aber ihr Leben nahm einen ganz unterschiedlichen Verlauf. Naphtali, «eine losgelassene Hirschkuh», spricht von Freiheit und Segen (1. Mo 49,21). Mit Dan hingegen traten die Quelle des Abfalls und die Ausbreitung der Gewalt in Erscheinung.
Die scheinbare Kraft des Löwen von Basan stand in Wirklichkeit im Dienst des Bösen: Dan war «eine Schlange am Weg und eine Hornotter am Pfad» (1. Mo 49,17; 5. Mo 33,22). Die traurige Geschichte dieses Stammes bestätigte die Prophezeiung von Jakob.
Die Erkundung des Nordens (V. 1-6)
“In jenen Tagen war kein König in Israel. Und in jenen Tagen suchte sich der Stamm der Daniter ein Erbteil zum Wohnen, denn bis auf jenen Tag war ihm inmitten der Stämme Israels nichts als Erbteil zugefallen. Und die Kinder Dan sandten fünf Männer aus ihrem Geschlecht, aus ihrer Gesamtheit, tapfere Männer, aus Zorha und aus Eschtaol, um das Land auszukundschaften und es zu erkunden; und sie sprachen zu ihnen: Geht hin, erkundet das Land. Und sie kamen in das Gebirge Ephraim zum Haus Michas, und sie übernachteten dort. Als sie beim Haus Michas waren, erkannten sie die Stimme des Jünglings, des Leviten, und sie wandten sich dahin und sprachen zu ihm: Wer hat dich hierher gebracht, und was tust du hier, und was hast du hier? Und er sprach zu ihnen: So und so hat Micha mir getan; und er hat mich angestellt, und ich bin sein Priester geworden. Und sie sprachen zu ihm: Befrage doch Gott, damit wir wissen, ob unser Weg, auf dem wir ziehen, gelingen wird. Und der Priester sprach zu ihnen: Zieht hin in Frieden! Vor dem Herrn ist euer Weg, auf dem ihr zieht“ (18,1-6).
Der Bericht in Kapitel 18 knüpft an die Zeit Josuas und an die Verteilung des Landes in Silo an (Jos 19,40-48). Der Stamm Dan beteiligte sich nun am religiösen, götzendienerischen System, das von Micha im vorherigen Kapitel eingeführt worden war. Wir erkennen hier, wie leicht sich Irrtümer verbreiten. Sie sind wie ein Sauerteig, der den ganzen Teig durchsäuert (1. Kor 5,6; Gal 5,9).
Als es um die Eroberung des Landes ging, hatte Dan keine Energie aufgebracht, um die Amoriter aus seinem Erbteil zu vertreiben. Als Folge davon wurde Dan von seinen Feinden aus dem Tal verdrängt und musste in den Bergen Zuflucht suchen (Kap. 1,34).
Anstatt Ordnung im Besitz zu schaffen, der ihnen bereits zugesprochen worden war, wollten die Söhne Dans ein anderes Gebiet erobern. Mit verwerflichen Mitteln eigneten sie sich ein Stück Land im Norden an der Grenze zu den Phöniziern an.
Fünf tapfere Männer wurden als Kundschafter in Richtung Norden ausgeschickt. Der Norden illustriert das Gericht, wie uns der Baum in Prediger 11,3 klar macht. Dieser Baum stellt einen Menschen auf der Erde dar. Bei seinem Tod fällt er entweder gegen Süden (zum Segen) oder gegen Norden (zum Gericht). Sein ewiges Los wird hier auf der Erde entschieden.
Der Weg dieser Männer führte sie durch das Gebirge Ephraims. Dort trafen sie im Haus von Micha den Leviten (V. 3-6). Dieser war von Menschen in einen unheiligen religiösen Dienst eingesetzt worden. Die Söhne Dans nahmen nun seinen Dienst in Anspruch: Sie wollten wissen, ob ihr Unternehmen Erfolg haben würde. Tatsächlich besass Micha ein Ephod, durch das man früher den HERRN befragte. Aber wo war der lebendige und wahre Gott in diesem Götzenhaus? Wie sollte Er Menschen den Weg weisen, die doch nur ihren eigenen Willen taten?
Auch heute kann jemand, der von Menschen in ein geistliches Amt eingesetzt ist und sich von der wahren göttlichen Quelle abgewandt hat, nicht das Sprachrohr Gottes für sein Volk sein.
Der Besuch in Lais (V. 7-10)
„Und die fünf Männer gingen hin und kamen nach Lais; und sie sahen das Volk, das darin war, in Sicherheit wohnen, nach Art der Sidonier, ruhig und sicher; und niemand, der die Herrschaft besessen hätte im Land, tat ihnen irgendetwas zuleide; und sie waren fern von den Sidoniern und hatten mit Menschen nichts zu schaffen. Und sie kamen zu ihren Brüdern nach Zorha und Eschtaol. Und ihre Brüder sprachen zu ihnen: Was bringt ihr? Und sie sprachen: Macht euch auf und lasst uns gegen sie hinaufziehen; denn wir haben das Land besehen, und siehe, es ist sehr gut. Und ihr bleibt still? Seid nicht träge, hinzugehen, um hineinzukommen, das Land in Besitz zu nehmen (wenn ihr kommt, werdet ihr zu einem sicheren Volk kommen, und das Land ist geräumig nach allen Seiten hin), denn Gott hat es in eure Hand gegeben: Es ist ein Ort, wo es an nichts mangelt von allem, was auf der Erde ist“ (18,7-10).
Die Stadt Lais war von Sidon in Phönizien (der heutige Libanon) abhängig. Die Entfernung war aber zu gross, als dass sie wirklich unter dem Schutz Sidons gestanden hätte. In Lais wohnte ein ruhiges und sicheres Volk (V. 7.27). Es war eine wohlhabende Stadt, der es an nichts fehlte, aber sie hatte keine Vorkehrungen zu ihrer Verteidigung getroffen. So war sie für Gewalttätige eine leichte Beute.
Die Daniter rauben den Leviten und die Götzen Michas (V. 11-25)
„Und sechshundert Mann brachen von dort auf, vom Geschlecht der Daniter, aus Zorha und aus Eschtaol, umgürtet mit Kriegsgerät. Und sie zogen hinauf und lagerten bei Kirjat-Jearim in Juda; daher hat man diesen Ort Machaneh-Dan genannt bis auf diesen Tag; siehe, er ist westlich von Kirjat-Jearim. Und von dort zogen sie weiter in das Gebirge Ephraim und kamen zum Haus Michas. Da hoben die fünf Männer an, die gegangen waren, das Land Lais auszukundschaften, und sprachen zu ihren Brüdern: Wisst ihr, dass in diesen Häusern Ephod und Teraphim und ein geschnitztes Bild und ein gegossenes Bild sind? Und nun wisst, was ihr tun wollt. Und sie sandten sich dahin und traten in das Haus des Jünglings, des Leviten, das Haus Michas, und fragten ihn nach seinem Wohlergehen. Die sechshundert mit ihrem Kriegsgerät umgürteten Männer aber, die von den Kindern Dan waren, blieben am Eingang des Tores stehen. Und die fünf Männer, die gegangen waren, das Land auszukundschaften, stiegen hinauf, gingen hinein und nahmen das geschnitzte Bild und das Ephod und die Teraphim und das gegossene Bild. Und der Priester und die sechshundert Mann, die mit Kriegsgerät umgürtet waren, standen am Eingang des Tores. Als jene nämlich in das Haus Michas gingen und das geschnitzte Bild, das Ephod und die Teraphim und das gegossene Bild wegnahmen, da sprach der Priester zu ihnen: Was tut ihr? Und sie sprachen zu ihm: Schweige, lege deine Hand auf deinen Mund und geh mit uns, und sei uns Vater und Priester! Ist es besser für dich Priester zu sein für einen Stamm und für eine Familie in Israel? Da wurde das Herz des Priesters froh, und er nahm das Ephod und die Teraphim und das geschnitzte Bild und ging mitten unter das Volk. Und sie wandten sich und zogen weg und stellten die kleinen Kinder und das Vieh und die wertvollen Dinge voran. Sie waren schon fern vom Haus Michas, da versammelten sich die Männer, die in den Häusern waren, die beim Haus Michas standen, und holten die Kinder Dan ein. Und sie riefen den Kindern Dan zu; und diese wandten ihr Angesicht um und sprachen zu Micha: Was hast du, dass du dich versammelt hast? Und er sprach: Meine Götter, die ich gemacht hatte, habt ihr genommen und dazu den Priester, und seid weggezogen. Und was habe ich noch? Und wie sprecht ihr denn zu mir: Was hast du? Aber die Kinder Dan sprachen zu ihm: Lass deine Stimme nicht bei uns hören, damit nicht Männer heftigen Gemüts über euch herfallen und du dich und dein Haus ums Leben bringst!“ (18,11-25).
Der Stamm Dan zog bewaffnet aus. Die 600 Soldaten wurden von den fünf Männern angeführt, die das Land erkundet hatten.
Mit Einschüchterung und Gewalt raubten sie Michas Götzen und überredeten seinen Priester, sich ihnen anzuschliessen. Sogar der Böse möchte einen religiösen Anschein wahren.
Die Motive des Leviten waren Habgier und Ehrgeiz. Glücklich über diese unverhoffte Beförderung liess er sich gern in der Mitte eines untreuen Volkes nieder.
Der berechtigte Zorn Michas beeindruckte die Männer nicht, denn sie waren ihm klar überlegenen. Sie drohten ihm deshalb mit dem Tod (V. 25). Wenn Micha wirklich ein Glaubensmann gewesen wäre, hätte er den Verlust seines Götzen und seines Hauspriesters nicht bedauert. Sie waren doch nichts als Lügen in seiner Rechten (Jes 44,20). In dieser Zeit blieb das Wesentliche in Israel immer noch übrig: die Gegenwart Gottes und die Stiftshütte in Silo. Aber wer kümmerte sich in dieser traurigen Szene überhaupt noch darum?
Die Eroberung von Lais (V. 26-31)
„Und die Kinder Dan zogen ihres Weges. Und als Micha sah, dass sie ihm zu stark waren, wandte er sich und kehrte in sein Haus zurück. So nahmen sie, was Micha gemacht hatte, und den Priester, den er besaß. Und sie überfielen Lais, ein ruhiges und sicheres Volk, und schlugen es mit der Schärfe des Schwertes; und die Stadt verbrannten sie mit Feuer. Und kein Erretter war da; denn die Stadt war fern von Sidon, und sie hatten nichts mit Menschen zu schaffen; und sie lag in dem Tal, das sich nach Beth-Rechob hin erstreckt. Und sie bauten die Stadt wieder auf und wohnten darin. Und sie gaben der Stadt den Namen Dan, nach dem Namen Dans, ihres Vaters, der dem Israel geboren war; dagegen war im Anfang Lais der Name der Stadt. Und die Kinder Dan richteten sich das geschnitzte Bild auf; und Jonathan, der Sohn Gersoms, des Sohnes Moses, er und seine Söhne waren Priester für den Stamm der Daniter bis auf den Tag, da das Land in Gefangenschaft geführt wurde. Und sie stellten sich das geschnitzte Bild Michas auf, das er gemacht hatte, alle Tage, da das Haus Gottes in Silo war“ (18,26-31).
Diese ruhige Stadt wurde eine Beute der rohen Gewalt der Söhne Dans. Dieser Angriff stand im Widerspruch zu den Anweisungen des Gesetzes: Bevor eine Stadt erobert und zerstört wurde, sollte ihr ein Friedensangebot gemacht werden (5. Mo 20,10.11).
Lais (Leschem) war zur Zeit der Eroberung des Landes unter Josua nicht Teil des zugesprochenen Erbteils des Stammes Dan (Jos 19,40-48). Die Einnahme dieser Stadt erfolgte aus eigener Initiative.
Die Daniter änderten anschliessend den Namen der Stadt Lais. Sie wurde nach ihrem Vater Dan benannt (V. 29). Das ist der Geist Kains. Einerseits offenbarte er Gewalt und Mord, als er seinen Bruder tötete. Anderseits baute er eine Stadt und gab ihr den Namen seines Sohnes Hanoch (1. Mo 4,17). Auch die Christenheit wird auf dem Weg Kains in den endgültigen Abfall stürzen (Jud 11).
Die Gewalt führte schliesslich zur öffentlichen Ausübung des Götzendienstes im Volk Gottes: Jonathan, ein Enkel Moses, wurde als Priester der falschen Götter eingesetzt, während das Haus Gottes immer noch in Silo stand (V. 31). Jonathan war wahrscheinlich der Levit aus Bethlehem, den sie aus dem Haus Michas mitgenommen hatten.
Der Götzendienst und der Verfall des Priestertums
Dieser verderbliche Götzendienst breitete sich später unter den Königen Israels aus «bis auf den Tag, da das Land in Gefangenschaft geführt wurde» (V. 30). Gleich nach der Aufteilung in das Nord- und Südreich richtete Jerobeam zwei Kälber als Götzen in Dan und Bethel auf (1. Kön 12,28-30). Das Übel griff so von Dan ausgehend auf die anderen Stämme über, bis die Assyrer kamen. Sie führten das Gericht aus, das der Prophet Amos über die angekündigt hatten, «die bei der Schuld Samarias schwören und sprechen: So wahr dein Gott lebt, Dan!» (Amos 8,14). Das anfängliche Werkzeug dieses Abfalls war niemand anderes als ein Enkel Moses, des Gesetzgebers!
Wozu sind unsere natürlichen Herzen fähig! War Dan nicht ein Sohn der Patriarchen, die den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs durch ihren Glauben geehrt hatten?
Das Volk Israel fiel also durch eine untreue Priesterschaft in den Götzendienst. Aber beide - das Volk und die Priester - waren zusammen und einzeln vor Gott verantwortlich:
- «Wie das Volk, so wird der Priester sein» (Hos 4,9).
- «Wie dem Volk, so ergeht es dem Priester» (Jes 24,2).
Verliess Gott deswegen sein Volk? «Ist kein Balsam in Gilead?» (Jer 8,22). Nein, die Erbarmungen Gottes waren nicht zu Ende. Aber bevor wir das Licht der Gnade Gottes sehen, der sein bedauerliches Volk wieder aufrichtete, wird der moralische Niedergang des Volkes aufgedeckt: Die Geschichte der Unmoral Gibeas beendet das Buch der Richter (Kap. 19 - 21).