Das Buch der Richter
Bleibe deinem Gott treu!
Kapitel 13
Ein treuer Überrest: Manoah und seine Frau
Die Israeliten taten wieder, was in den Augen des HERRN böse war. Darum lieferte Gott sie während 40 Jahren – eine Zeit der vollständigen Erprobung – den Philistern aus. Das waren innere Feinde, also solche, die im Land wohnten. In dieser Zeit war sogar die Existenz des Volkes infrage gestellt.
In seiner Vorsehung erweckte Gott den zwölften Richter: Simson. Er war der einzige Richter, der bereits vor seiner Geburt von Gott zum Nasir bestimmt wurde (V. 5). Obwohl Gott Simson zu seinem Volk sandte, um es zu erretten, wurde er von seinen Landsleuten nicht verstanden. Er selbst versündigte sich, indem er die Anordnungen an den Nasir nicht beachtete.
Sein relativ kurzer Dienst – nur 20 Jahre – wurde durch einen gewaltsamen Tod beendet, der aber gleichzeitig der grösste Sieg über die Feinde des Volkes Gottes war.
Die Bibel berichtet uns aus dem Leben dieses Richters am meisten Einzelheiten. Sie sind für uns besonders reich an Belehrungen und Warnungen.
Die Philister (V. 1)
„Und die Kinder Israel taten wieder, was böse war in den Augen des HERRN; und der HERR gab sie vierzig Jahre in die Hand der Philister“ (13,1).
Gott hatte sich verpflichtet, sieben Nationen vor seinem Volk zu vertreiben (Jos 3,10; Apg 13,19). Die Philister gehörten nicht dazu. Sie waren Nachkommen von Ham und hatten sich im Südwesten des Landes Israel nahe an der Grenze von Ägypten niedergelassen. Sie waren in das Land gekommen, ohne durch den Jordan zu gehen, der für uns Christen ein Bild von unserem Gestorbensein mit Christus ist.
Juda hatte die Philister nicht besiegen können (Kap. 1,19). In der Zeit Schamgars hatte ihre Macht bereits zugenommen (Kap. 3,31). Jetzt beherrschten sie mit ihrem Einfluss das ganze Volk Gottes: Simson lebte «in den Tagen der Philister» (Kap. 15,20). Sie herrschten über Israel (Kap. 15,11). Welch schrecklicher Zustand!
Für uns Gläubige sind die Philister – als Feinde innerhalb des Landes – ein Bild des Fleisches. Es befindet sich in uns und ist unser beharrlichster Feind. In kollektiver Hinsicht stellen die Philister auch die Anwesenheit und den Einfluss der bekennenden Christenheit dar. Heute zählt das Christentum mehr als eine Milliarde Menschen. Aber viele sind nicht von neuem geboren und haben kein Leben aus Gott. Sie sind nur Namenschristen.
Der Engel des HERRN und die Frau Manoahs (V. 2–7)
„Und es war ein Mann aus Zorha, vom Geschlecht der Daniter, sein Name war Manoah. Und seine Frau war unfruchtbar und gebar nicht. Und der Engel des HERRN erschien der Frau und sprach zu ihr: Sieh doch, du bist unfruchtbar und gebierst nicht; aber du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären. Und nun hüte dich doch und trink weder Wein noch starkes Getränk, und iss nichts Unreines! Denn siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und kein Schermesser soll auf sein Haupt kommen, denn ein Nasir Gottes soll der Knabe sein von Mutterleib an; und er wird anfangen, Israel aus der Hand der Philister zu retten.
Und die Frau kam und sprach zu ihrem Mann und sagte: Ein Mann Gottes ist zu mir gekommen, und sein Aussehen war wie das Aussehen eines Engels Gottes, sehr furchtbar; und ich habe ihn nicht gefragt, woher er sei, und seinen Namen hat er mir nicht kundgetan. Und er sprach zu mir: Siehe, du wirst schwanger werden und einen Sohn gebären; und nun, trink weder Wein noch starkes Getränk, und iss nichts Unreines; denn ein Nasir Gottes soll der Knabe sein von Mutterleib an bis zum Tag seines Todes“ (13,2–7).
In diesem traurigen Zustand des Volkes Israel sonderte Gott für sich einen gottesfürchtigen Überrest ab und teilte ihm seine Gedanken mit. Zeiten des Niedergangs sind immer durch solche Erweckungen gekennzeichnet: Jene, die den HERRN fürchten, hören seine Stimme und unterreden sich miteinander (Mal 3,16).
Im Stamm Dan – wo sich später im Buch Gewalttat und Götzendienst entfalten würde – suchte der Engel des HERRN jetzt in Gnade Manoah und seine Frau auf. Sie waren ein kinderloses Ehepaar. Gegenüber dem Elend und der grossen menschlichen Schwachheit offenbarte Gott seine Macht und kündigte die Geburt eines Sohnes an. Dieser sollte anfangen, Israel von den Philistern zu retten (V. 5). Simson musste bereits vor seiner Geburt ein Nasir sein, denn selbst seine Mutter sollte die Anweisungen für den Nasir beachten (V. 4).
In Israel hatte ein Nasir, der sich durch ein Gelübde dem HERRN weihte, folgende drei Punkte einzuhalten (4. Mo 6,1–8):
- Er musste sich von Wein und starkem Getränk enthalten. Sie sind ein Bild von weltlichen Freuden, die das Fleisch im Gläubigen erregen.
- Er musste sein Haar wachsen lassen (betrifft die Männer). Damit zeigte er, dass er auf seine naturgemässen Rechte als Mann verzichtete, um völlig Gott geweiht zu sein. Denn der Mann hat von Gott selbst in der ersten Schöpfung, in der Gesellschaft und besonders in der Familie eine Stellung der Autorität bekommen, die u.a. durch sein kurzes Haar zum Ausdruck kommt (1. Kor 11,1–16).
- Er musste sich von allem Unreinen hüten, vor allem vom Kontakt mit einem Toten.
Die Mutter Simsons wurde angewiesen, das erste und dritte Kennzeichen des Nasirs bis zur Geburt ihres Sohnes zu verwirklichen. Später sollte Simson während seines ganzen Lebens besonders die zweite Anweisung befolgen. Es war ein Geheimnis zwischen seiner Seele und Gott – das wahre Geheimnis seiner grossen Kraft – aber ein Rätsel für seine Feinde.
Heute werden alle Christen aufgerufen, während ihres ganzen Lebens die moralischen Merkmale eines Nasirs zu tragen. Das begrenzt sich nicht auf eine bestimmte Zeit, wie dies beim gottesfürchtigen Israeliten im Allgemeinen der Fall war.
Jesus Christus war das vollkommene Modell eines Nasirs für Gott auf der Erde. Er lebte völlig abgesondert von den Sündern (Heb 7,26). Jetzt heiligt sich Christus im Himmel für uns. Er sondert sich für uns ab, um uns fähig zu machen, die Merkmale des Nasirs für Gott in geistlicher Weise zu verwirklichen (Joh 17,17.19). Der Aufruf, als Nasir zu leben, ist heute umso dringlicher, da der Ruin in der Endzeit umso grösser ist. Der zweite Timotheus-Brief enthält in dieser Hinsicht zahlreiche Belehrungen.
Nur die Frau Manoahs empfing den Besuch des Engels und hörte seine Mitteilungen. Aber sie erzählte es ihrem Mann, um mit ihm die Freude und Verantwortung ihrer neuen Stellung als Eltern zu teilen (V. 6.7). In einer christlichen Ehe haben Mann und Frau Gemeinschaft miteinander und dürfen das Erbe der Gnade des Lebens miteinander teilen (1. Pet 3,7). Das ist ein grosses geistliches Vorrecht.
Das Beispiel von Manoah und seiner Frau ist eine Ermutigung für gläubige Eltern – besonders für Mütter. Wir werden angespornt, uns selbst von der Welt, ihren Freuden und ihrem Schmutz zu bewahren. Auf diese Weise können wir Gott die Kinder, die Er uns anvertraut, von ihrer Kindheit an für ihr ganzes Leben weihen. Ein Beispiel dafür ist Samuel, den Hanna dem HERRN zurückgab (1. Sam 1,11).
Die zweite Erscheinung des Engels (V. 8–14)
„Da flehte Manoah zu dem HERRN und sprach: Bitte, Herr, der Mann Gottes, den du gesandt hast, möge doch wieder zu uns kommen und uns lehren, was wir tun sollen mit dem Knaben, der geboren werden soll. Und Gott erhörte die Stimme Manoahs; und der Engel Gottes kam wieder zu der Frau, als sie auf dem Feld saß, und Manoah, ihr Mann, nicht bei ihr war. Da eilte die Frau und lief und berichtete es ihrem Mann, und sie sprach zu ihm: Siehe, der Mann ist mir erschienen, der an jenem Tag zu mir gekommen ist. Und Manoah machte sich auf und ging seiner Frau nach; und er kam zu dem Mann und sprach zu ihm: Bist du der Mann, der zu der Frau geredet hat? Und er sprach: Ich bin es. Und Manoah sprach: Wenn nun dein Wort eintrifft, was soll die Weise des Knaben sein und sein Tun? Und der Engel des HERRN sprach zu Manoah: Vor allem, was ich der Frau gesagt habe, soll sie sich hüten: Von allem, was vom Weinstock kommt, soll sie nicht essen, und Wein und starkes Getränk soll sie nicht trinken, und sie soll nichts Unreines essen; alles, was ich ihr geboten habe, soll sie halten“ (13,8–14).
Manoah flehte zum HERRN, dass der Engel nochmals käme. Gott erhörte sein Gebet. Doch interessanterweise erschien der Engel auch beim zweiten Mal seiner Frau, als Manoah abwesend war. «Das Schwache der Welt hat Gott auserwählt», um seine Macht zu offenbaren (1. Kor 1,27).
Der Engel bestätigte nun Manoah die Anweisungen, die er zuerst seiner Frau gegeben hatte: Die Weise des Knaben sollte ganz auf dem Verhalten seiner Mutter beruhen (V. 12–14). Dennoch zeigte auch der Vater eine Hingabe und einen bemerkenswerten Herzensentschluss.
Unabhängig von der Verantwortung ihrer Eltern gilt für die Kinder – die im Buch der Sprüche «Söhne» genannt werden –, das Gebot ihres Vaters zu bewahren und die Belehrung ihrer Mutter nicht zu verlassen (Spr 6,20).
Die Opfergabe (V. 15–23)
„Und Manoah sprach zum Engel des HERRN: Lass dich doch von uns aufhalten, so wollen wir dir ein Ziegenböckchen zubereiten. Und der Engel des HERRN sprach zu Manoah: Wenn du mich auch aufhieltest, ich würde nicht von deinem Brot essen; willst du aber ein Brandopfer opfern, so opfere es dem HERRN. Denn Manoah wusste nicht, dass es der Engel des HERRN war. Und Manoah sprach zum Engel des HERRN: Wie ist dein Name, dass wir dich ehren, wenn dein Wort eintrifft? Und der Engel des HERRN sprach zu ihm: Warum fragst du denn nach meinem Namen? Er ist ja wunderbar!
Da nahm Manoah das Ziegenböckchen und das Speisopfer und opferte es dem HERRN auf dem Felsen. Er aber handelte wunderbar, und Manoah und seine Frau sahen zu; und es geschah, als die Flamme vom Altar zum Himmel emporstieg, da fuhr der Engel des HERRN in der Flamme des Altars hinauf. Und Manoah und seine Frau sahen zu und fielen auf ihr Angesicht zur Erde. Und der Engel des HERRN erschien Manoah und seiner Frau fortan nicht mehr. Da erkannte Manoah, dass es der Engel des HERRN war. Und Manoah sprach zu seiner Frau: Wir werden gewiss sterben, denn wir haben Gott gesehen! Aber seine Frau sprach zu ihm: Wenn es dem HERRN gefallen hätte, uns zu töten, so hätte er nicht ein Brandopfer und Speisopfer aus unserer Hand angenommen, und er hätte uns dies alles nicht gezeigt, noch uns zu jener Zeit dergleichen vernehmen lassen“ (13,15–23).
Nun wollte Manoah wie einst Abraham in Hebron seinen Gast ehren (V. 15; 1. Mo 18,4–8). Aber der Engel des HERRN war nicht ein Mann, der das Brot mit Menschen teilen konnte (V. 16). Er trug einen wunderbaren Namen wie der Messias selbst (V. 18; Jes 9,5).
Die zubereitete Opfergabe sollte Gott dargebracht werden. Manoah offenbarte hier mehr geistliche Einsicht als Gideon. Dieser kochte damals das Opfer, anstatt es über dem Feuer zu braten (Kap. 6,19). In einer Zeit des Ruins beschränkten die Mittel Manoahs – die für uns ein Bild der Glaubensenergie sind – allerdings seine Opfergabe. Er konnte nur ein Tier vom Klein- und nicht vom Rindvieh darbringen.
Das Brand- und das Speisopfer wurden Gott auf dem Felsen geopfert, der ein Bild von Christus ist. Bei Gideon hatte Feuer vom Himmel das Opfer verzehrt. Manoah und seine Frau erlebten nun etwas Wunderbares: Der Engel des HERRN fuhr in der Flamme des Altars zum Himmel hinauf (V. 20). Noch heute ist ein treuer Überrest – dargestellt durch Manoah und seine Frau – als Zeuge auf der Erde. Aber durch den Glauben ist er fest mit dem Himmel verbunden, wohin der auferstandene Christus – angedeutet durch den Engel – hinaufgestiegen ist. Vor dieser herrlichen Szene verneigt sich jeder Gläubige in Anbetung (V. 20).
Durch das Werk am Kreuz ist Christus, der verworfene Stein, zum Eckstein geworden, zum Fundament seiner geliebten Versammlung: «Wunderbar ist es in unseren Augen» (Ps 118,23). In der Erwartung seines Wiederkommens hat Er «ein Gedächtnis gestiftet seinen Wundertaten» (Ps 111,4). Es ist das Gedächtnis seiner Person, seines wunderbaren Namens und seines herrlichen Werks.
Manoah fürchtete sich, weil er und seine Frau «Gott gesehen» hatten. Darauf antwortete sie in Weisheit und im Vertrauen auf die Gunst Gottes (V. 23). Eine Ehefrau, die ihrem Mann wie Abigail oder wie die tüchtige Frau eine Hilfe sein kann, ist ein echter Segen von Gott (1. Sam 25,33; Spr 31,10).
Die Geburt Simsons (V. 24.25)
„Und die Frau gebar einen Sohn; und sie gab ihm den Namen Simson. Und der Knabe wuchs heran, und der HERR segnete ihn. Und der Geist des HERRN fing an, ihn zu treiben in Machaneh-Dan zwischen Zorha und Eschtaol“ (13,24.25).
Simson wurde geboren und Gott segnete ihn. Dann kam der Geist des HERRN über ihn. Auf diese Wirkung des Geistes Gottes wird im Lauf des Dienstes von Simson viermal hingewiesen (Kap. 13,25; 14,6; 14,19; 15,14). Aber am Ende wich der HERR von ihm, ohne dass er es merkte (Kap. 16,20).
Bevor das Wort Gottes zu unserer Belehrung und Warnung den moralischen Niedergang von Simson beschreibt, werden die Gedanken Gottes über Israel vorgestellt: Unerwartet brachte Er einen Befreier aus einer gottesfürchtigen Familie hervor. Im ganzen Bericht offenbarten Manoah und seine Frau ihren Glauben an Gott (V. 17). Sie zeigten eine Hingabe und eine Unterwerfung unter den göttlichen Willen (V. 8.12). Sie suchten Gottes Willen durch Gebet (V. 9) und durch Heiligung zu erkennen. Diese Absonderung für Gott war begleitet von einem Geist der Freigebigkeit und Dankbarkeit (V. 15). Daraus entstand Anbetung in Gottesfurcht (V. 20).
Ist das nicht ein schönes moralisches Bild mitten im Ruin, der sie umgab?