Das Buch der Richter
Bleibe deinem Gott treu!
Kapitel 11,1-12,7
Jephta
Das Volk hatte sich von den Verfehlungen Gideons am Ende seines Lebens und dem verheerenden Auftritt Abimelechs nie vollständig erholt.
Es war geistlich sehr geschwächt, als Jephta, der achte Richter, auf den Plan trat. Doch Gott benutzte diesen Mann, um in seinem Volk eine vierte Erweckung zu bewirken.
Die Herkunft Jephtas (11,1)
„Und Jephta, der Gileaditer, war ein tapferer Held; er war aber der Sohn einer Hure, und Gilead hatte Jephta gezeugt“ (11,1).
Die Herkunft von Jephta war noch trauriger als die von Abimelech (vgl. Kap. 8,31 mit 11,1). Der Anfang seines Lebens begann zudem schlecht: «Es sammelten sich zu Jephta lose Leute und zogen mit ihm aus» (V. 3). Das erinnert uns an Abimelech, der früher mit dem Geld aus dem Haus der Götzen lose und verwegene Männer angeheuert hatte (Kap. 9,4). Glücklicherweise endet damit die Gemeinsamkeit.
Wir finden auch einige Unterschiede: Über Jephta kam der Geist des HERRN wie bei Gideon (V. 29; Kap. 6,34). Das wird von Abimelech nicht gesagt. Im Gegenteil, Gott sandte einen bösen Geist zwischen ihn und die Leute von Sichem (Kap. 9,23). Abimelech, dieser gottlose Mensch, tat sich als Jäger hervor. Jephta hingegen erwies sich trotz seiner Schwächen als Hirte. Worin unterscheiden sie sich? Ein Jäger freut sich, wenn er verletzen und töten kann. Aber ein Hirte pflegt die Glaubenden und sammelt sie um den Herrn Jesus.
Jephta war also von Gott gesandt und zeigt mehrere schöne Merkmale von Christus.
Jephta, von seinen Brüdern verfolgt (11,2.3)
“Und auch die Frau Gileads gebar ihm Söhne; und als die Söhne der Frau groß wurden, da vertrieben sie Jephta und sprachen zu ihm: Du sollst nicht erben im Haus unseres Vaters, denn du bist der Sohn einer anderen Frau. *3 Und Jephta floh vor seinen Brüdern und wohnte im Land Tob“ (11,2.3).
Bevor er als Befreier Israels auftrat, wurde er von seinen Brüdern verstossen. Darin erblicken wir das erste und schönste Bild von Christus. Auch Joseph, der geliebte Sohn seines Vaters, wurde zuerst von seinen Brüdern verworfen. Doch danach durfte er der Erhalter ihres Lebens werden (1. Mo 37,4; 41,45; 45,5). Mose wurde ebenfalls abgelehnt, bevor er als Führer und Befreier zu seinem Volk zurückkehrte (Apg 7,27.35).
Jephta traf das gleiche Los. Seine Brüder warfen ihm seine Herkunft vor, um einen Anlass zu finden, ihn zu vertreiben (V. 2). Die Welt ergreift jedes Mittel und benutzt jeden Vorwand, um die Boten Gottes abzulehnen. Gleicherweise haben sie den Herrn der Herrlichkeit, den Nazaräer, verworfen und schliesslich getötet, weil Er der Sohn Gottes war (Joh 19,7).
Jephta widerstand nicht, sondern gab seine Rechte auf und floh (V. 3). Sein Zufluchtsort Tob befand sich vermutlich im Gebiet der Kinder Ammon (2. Sam 10,6), ausgerechnet bei den Feinden, die Israel in jener Zeit bedrängten. Später würde David den gleichen Fehler begehen und Zuflucht bei den Philistern, den Widersachern des Volkes, suchen (1. Sam 21,11-16; 27,1-4).
Jephta, von Gilead zurückgerufen (11,4-11)
“Und es sammelten sich zu Jephta lose Leute und zogen mit ihm aus. Und es geschah nach einiger Zeit, da kämpften die Kinder Ammon mit Israel. Und es geschah, als die Kinder Ammon mit Israel kämpften, da gingen die Ältesten von Gilead hin, um Jephta aus dem Land Tob zu holen. Und sie sprachen zu Jephta: Komm und sei unser Anführer, dass wir gegen die Kinder Ammon kämpfen! Und Jephta sprach zu den Ältesten von Gilead: Seid ihr es nicht, die mich gehasst und mich aus dem Haus meines Vaters vertrieben haben? Und warum kommt ihr jetzt zu mir, da ihr in Bedrängnis seid? Und die Ältesten von Gilead sprachen zu Jephta: Darum sind wir jetzt zu dir zurückgekehrt, dass du mit uns ziehst und gegen die Kinder Ammon kämpfst; und du sollst uns zum Haupt sein, allen Bewohnern Gileads. Und Jephta sprach zu den Ältesten von Gilead: Wenn ihr mich zurückholt, um gegen die Kinder Ammon zu kämpfen, und der Herr sie vor mir hingibt, werde ich euch dann wirklich zum Haupt sein? *10 Und die Ältesten von Gilead sprachen zu Jephta: Der Herr sei Zeuge zwischen uns, wenn wir nicht so tun, wie du geredet hast! Da ging Jephta mit den Ältesten von Gilead, und das Volk setzte ihn zum Haupt und zum Anführer über sich. Und Jephta redete alle seine Worte vor dem Herrn in Mizpa“ (11,4-11).
Als die Kinder Ammon dem Volk Israel den Krieg erklärten, kamen die Ältesten von Gilead zu Jephta, um ihn zurückzuholen. Sie wollten ihn zum Anführer und Haupt machen. Genau jene, die ihn damals gehasst und weggejagt hatten, waren jetzt in Bedrängnis (V. 7). Jephta willigte ein und kehrte mit ihnen zurück, um gegen die Feinde zu kämpfen. Aber er wollte erst dann ihr Haupt sein, wenn der Sieg errungen war.
Genauso wird es sich zutragen, wenn das Volk Israel nach der Entrückung der Versammlung wiederhergestellt werden wird. Sie werden sich mit Flehen an ihren Messias wenden, den sie einst verworfen haben (Sach 12,10). Dann wird Christus durch den Sieg, den Er über seine Feinde erringen wird, von seinem Volk als Haupt anerkannt werden.
Die Stellung von Jephta vor dem HERRN in Mizpa an der Spitze des Volkes entsprach jetzt der Bedeutung seines Namens: «Er wird öffnen, er wird befreien.»
Die Botschaft Jephtas an die Kinder Ammon (11,12-27)
“Und Jephta sandte Boten zum König der Kinder Ammon und ließ ihm sagen: Was haben wir miteinander zu schaffen, dass du gegen mich gekommen bist, mein Land zu bekriegen? Und der König der Kinder Ammon sprach zu den Boten Jephtas: Weil Israel mein Land genommen hat, als es aus Ägypten heraufzog, vom Arnon bis an den Jabbok und bis an den Jordan; und nun gib die Länder in Frieden zurück. Da sandte Jephta noch einmal Boten zum König der Kinder Ammon und ließ ihm sagen: So spricht Jephta: Israel hat nicht das Land Moabs und das Land der Kinder Ammon genommen; sondern als sie aus Ägypten heraufzogen, da wanderte Israel durch die Wüste bis zum Schilfmeer, und es kam nach Kades; und Israel sandte Boten zum König von Edom und ließ ihm sagen: Lass mich doch durch dein Land ziehen! Aber der König von Edom gab kein Gehör. Und auch zum König von Moab sandte es; aber er wollte nicht. So blieb Israel in Kades. Und es wanderte durch die Wüste und umging das Land Edom und das Land Moab und kam von Sonnenaufgang her zum Land Moab; und sie lagerten jenseits des Arnon und kamen nicht in das Gebiet Moabs, denn der Arnon ist die Grenze Moabs. Und Israel sandte Boten zu Sihon, dem König der Amoriter, dem König von Hesbon, und Israel ließ ihm sagen: Lass uns doch durch dein Land ziehen bis an meinen Ort! Aber Sihon traute Israel nicht, es durch sein Gebiet ziehen zu lassen; und Sihon versammelte sein ganzes Volk, und sie lagerten in Jahza; und er kämpfte gegen Israel. Und der Herr, der Gott Israels, gab Sihon und sein ganzes Volk in die Hand Israels, und sie schlugen sie. So nahm Israel das ganze Land der Amoriter, die jenes Land bewohnten, in Besitz: Sie nahmen das ganze Gebiet der Amoriter in Besitz, vom Arnon bis an den Jabbok, und von der Wüste bis an den Jordan. Und so hat nun der Herr, der Gott Israels, die Amoriter vor seinem Volk Israel vertrieben, und du willst uns vertreiben? Nimmst du nicht das in Besitz, was Kamos, dein Gott, dir zum Besitz gibt? So auch alles, was der Herr, unser Gott, vor uns vertrieben hat, das wollen wir besitzen. Und nun, bist du etwa besser als Balak, der Sohn Zippors, der König von Moab? Hat er je mit Israel gerechtet oder je gegen sie gekämpft? Während Israel in Hesbon wohnte und in seinen Tochterstädten, und in Aroer und in seinen Tochterstädten, und in allen Städten, die längs des Arnon liegen, dreihundert Jahre lang: Warum habt ihr sie denn nicht in jener Zeit entrissen? Und nicht ich habe gegen dich gesündigt, sondern du tust übel an mir, gegen mich zu kämpfen. Der Herr, der Richter, richte heute zwischen den Kindern Israel und den Kindern Ammon!“ (11,12-27).
Bevor Jephta den Kampf eröffnete, suchte er mit den Kindern Ammon eine friedliche Lösung, jedoch ohne Kompromisse einzugehen. Er liess ihrem König eine würdevolle Botschaft zukommen.
Es stimmte nicht, dass Israel, als es von Ägypten heraufgezogen war, das Land der Kinder Ammon weggenommen hatte (V. 13). Die historische Rückschau Jephtas zeigt, dass Israel weder Edom, noch Moab, noch den Kinder Ammon Schaden zugefügt hatte. Das waren Nationen, die dem Volk Gottes durch ihre Herkunft nahe standen. Hingegen hatte der HERR gemäss dem Beschluss, der lange zuvor gefasst worden war, die Amoriter enteignet, um ihr Land den Israeliten als Erbteil zu geben (1. Mo 15,18). Sogar Balak, der König von Moab, hatte - in seinem törichten Wunsch Israel zu verfluchen - ihm den Besitz nicht streitig gemacht, den Israel nun seit 300 Jahren besass (V. 25.26).
Die geistliche Lektion dieses Konflikts zwischen Jephta und dem König der Kinder Ammon ist von grösster Wichtigkeit. Die Amoriter sind ein Bild unserer geistlichen Feinde in den himmlischen Örtern (Eph 6,12). Der eigentliche Kampf richtet sich gegen sie, um das Erbe zu bewahren (V. 23.24). Die drei anderen Nationen (Edom, Moab und die Kinder Ammon) sprechen hingegen von der Gefahr der religiösen Vermischung, die aus dem Fleisch kommt. Diese drei Völker meinten, ein Recht über Israel und sein Erbe zu besitzen, weil das Volk Gottes sich mit ihnen vermischt hatte und an ihrem Götzendienst teilnahm. Ohne sie als Feind oder Freund anzuerkennen, müssen wir uns von ihnen abwenden (Röm 16,17). Halten wir am Wort Gottes fest und trennen wir uns von der religiösen Welt! So können wir in Frieden unser Erbe in Christus geniessen.
Der Sieg über die Kinder Ammon (11,28-33)
“Aber der König der Kinder Ammon hörte nicht auf die Worte Jephtas, die er zu ihm gesandt hatte. Da kam der Geist des Herrn über Jephta; und er zog durch Gilead und Manasse und zog nach Mizpe in Gilead, und von Mizpe in Gilead zog er gegen die Kinder Ammon. Und Jephta gelobte dem Herrn ein Gelübde und sprach: Wenn du die Kinder Ammon wirklich in meine Hand gibst, so soll das, was zur Tür meines Hauses herauskommt, mir entgegen - wenn ich in Frieden von den Kindern Ammon zurückkehre -, es soll dem Herrn gehören, und ich werde es als Brandopfer opfern! Und so zog Jephta gegen die Kinder Ammon, um gegen sie zu kämpfen; und der Herr gab sie in seine Hand. *33 Und er schlug sie von Aroer an, bis man nach Minnit kommt, zwanzig Städte, und bis nach Abel-Keramim, und er richtete eine sehr große Niederlage unter ihnen an; und die Kinder Ammon wurden gebeugt vor den Kindern Israel“ (11,28-33).
Weil der Kampf von Seiten der Feinde beschlossen war, galt es jetzt, ihnen entgegenzutreten. Das Werk der Busse war in Kapitel 10 geschehen. Darum befand sich das Volk in einem guten Zustand und Gott konnte mit ihm sein: «Da kam der Geist des HERRN über Jephta» (V. 29). Die Befreiung war vollständig und die Kinder Ammon wurden gedemütigt. Vergleicht man diese Situation mit dem Anfang, so erkennt man: Die Lage hat sich zugunsten des Volkes Israel genau ins Gegenteil verkehrt (Kap. 10,7-9). So kann eine Erweckung auch in Zeiten des Niedergangs bemerkenswerte Auswirkungen haben.
Die Tochter Jephtas (11,34-40)
„Und als Jephta nach Mizpa, zu seinem Haus kam, siehe, da trat seine Tochter heraus, ihm entgegen, mit Tamburinen und mit Reigen; und sie war nur die einzige; außer ihr hatte er weder Sohn noch Tochter. Und es geschah, als er sie sah, da zerriss er seine Kleider und sprach: Ach, meine Tochter! Tief beugst du mich nieder; und du bist unter denen, die mich in Trübsal bringen! Denn ich habe meinen Mund gegen den Herrn aufgetan und kann nicht zurücktreten! Und sie sprach zu ihm: Mein Vater, hast du deinen Mund gegen den Herrn aufgetan, so tu mir, wie es aus deinem Mund hervorgegangen ist, nachdem der Herr dir Rache verschafft hat an deinen Feinden, den Kindern Ammon. Und sie sprach zu ihrem Vater: Es geschehe mir diese Sache: Lass zwei Monate von mir ab, dass ich hingehe und auf die Berge hinabsteige und meine Jungfrauschaft beweine, ich und meine Freundinnen. Und er sprach: Geh hin. Und er entließ sie für zwei Monate. Und sie ging hin, sie und ihre Freundinnen, und beweinte ihre Jungfrauschaft auf den Bergen. Und es geschah am Ende von zwei Monaten, da kehrte sie zu ihrem Vater zurück. Und er vollzog an ihr das Gelübde, das er gelobt hatte. Sie hatte aber keinen Mann erkannt. Und es wurde zum Brauch in Israel: Jahr für Jahr gehen die Töchter Israels hin, um die Tochter Jephtas, des Gileaditers, zu preisen vier Tage im Jahr“ (11,34-40).
Jephta redete vor dem Kampf «unbedacht mit seinen Lippen», wie Mose es auch einmal getan hatte (Ps 106,33). Er legte Gott gegenüber ein unüberlegtes Gelübde ab, indem er den Sieg über die Feinde mit einem Opfer bezahlen wollte (V. 30.31). Wir stehen in der Gnade und Gott verlangt von uns keine Gegenleistung für eine Befreiung, ausser der Dankbarkeit unserer Herzen. Die Bibel warnt uns vor leichtfertigen Gelübden und Versprechen (Spr 6,1-5; 20,25).
Als Jephta vom Kampf zurückkam, war er an sein Gelübde gebunden: «Wenn du dem HERRN, deinem Gott, ein Gelübde tust, so sollst du nicht zögern, es zu bezahlen» (5. Mo 23,22; Pred 5,4). Seine Tochter, sein einziges Kind (V. 34), musste für die unüberlegte Verpflichtung, die der Vater eingegangen war, bezahlen. Der Glaube, der Jephta gefehlt hatte, erglänzte nun bei seiner Tochter: Sie unterordnete sich mit gebrochenem Herzen. Nie würde sie Mutter einer Nachkommenschaft in Israel sein. Nie würde sie im Geschlechtsregister des Messias aufgeführt werden. Mit ihren Freundinnen beweinte sie während zwei Monaten ihre Jungfrauschaft, bevor Jephta an ihr das Gelübde vollzog (V. 38.39).
Einige Einzelheiten dieser Begebenheit erinnern an die Opferung Isaaks durch Abraham (Heb 11,17-19). Noch mehr weisen sie auf das Opfer unseres Heilands, des wahren Isaaks, hin. Doch wie gross sind die Unterschiede! Christus ist «der eingeborene Sohn, der im Schoss des Vaters ist» (Joh 1,18). Er ist der «eine geliebte Sohn» (Mk 12,6). Er kannte den Willen seines Vaters von Ewigkeit her. Als Er in die Welt kam, sagte Er: «Siehe, ich komme ..., um deinen Willen, o Gott, zu tun» (Heb 10,7). Darum wurde Er «hingegeben, nach dem bestimmten Ratschluss und der Vorkenntnis Gottes» (Apg 2,23).
Als Anwendung aus der Geschichte der Tochter Jephtas können wir an die Aufforderung des Apostels denken: «Ich ermahne euch nun ..., eure Leiber darzustellen als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer» (Röm 12,1).
Jephta und Ephraim
Es ist schwierig, im Leben gut zu starten, gut fortzufahren und seinen Lauf gut zu vollenden.
Gideon hatte viel Gutes für Israel getan. Es war ihm gelungen, nach dem Sieg über die Feinde durch ein mildes Wort einen Konflikt mit Ephraim zu verhindern (Kap. 8,2.3), so wie einst Pinehas anlässlich des Altars «Zeuge» (Jos 22,31.33). Doch das Ende von Gideon wurde durch das Ephod in seinem Haus getrübt. Es wurde ihm und dem ganzen Volk zum Fallstrick. So kehrte Israel wieder zum Götzendienst zurück (Kap. 8,27.33).
Jephta verdunkelte das Ende seines Dienstes aus anderen Gründen. Er entging zwar der Gefahr des Götzendienstes, den er durch den Streit gegen die Feinde bekämpfte (Kap. 11,24). Doch veranlasst durch seinen aufbrausenden Charakter konnte er der Verlockung nach Macht nicht widerstehen: Auf die nutzlose Opferung seiner Tochter folgte ein Bürgerkrieg. Das Wort beschreibt uns nun diese traurige Begebenheit.
In einem Streit zwischen Brüdern sind alle schuldig. Es gibt weder Sieger noch Besiegte. Einerseits fehlte Jephta Gnade und Demut, anderseits befand sich Ephraim in einem schlechten Zustand.
Der Zustand von Ephraim (12,1)
“Und die Männer von Ephraim wurden zusammengerufen und zogen hinüber nach Norden, und sie sprachen zu Jephta: Warum bist du durchgezogen, um gegen die Kinder Ammon zu kämpfen, und hast uns nicht gerufen, dass wir mit dir gingen? Wir werden dein Haus über dir mit Feuer verbrennen!“ (12,1).
Der Niedergang dieses Stammes ist erschütternd:
- Am Anfang des Buches vertrieb Ephraim die Kanaaniter nicht, sondern wohnte mit seinen Feinden im Erbteil. (Kap. 1,29). Das war der Beginn des Niedergangs.
- Dennoch machte dieser Stamm beim Ruf von Debora und Barak punkto Hingabe einen schönen Anfang. Er wurde von den Stämmen, die damals in den Kampf zogen, als erster lobenswert erwähnt (Kap. 5,14).
- Dieser Eifer legte sich jedoch bald. Zur Zeit Gideons zog Ephraim nicht mehr spontan in den Kampf. Er beantwortete den Ruf des Richters nur widerwillig (Kap. 7,24). Seine Lauheit - dargestellt durch die Nachlese Ephraims - wurde nur durch seine Anmassung und seine schlechte Geisteshaltung übertroffen (Kap. 8,1).
- In den Tagen Jephtas nahm Ephraim am Kampf gegen die Kinder Ammon überhaupt nicht teil. So verwandelte sich der Streit Ephraims mit seinen Brüdern in eine Todesdrohung gegen den Richter (V. 1).
- Später berichtet Asaph über diesen Stamm: «Die Söhne Ephraims, gerüstete Bogenschützen, kehrten um am Tag des Kampfes» (Ps 78,9).
- Der Prophet Hosea nimmt das Beispiel Ephraims, um es auf alle zehn Stämme des Nordreichs anzuwenden. Seine Mitteilungen sind auch eine Warnung an uns: «Eure Frömmigkeit ist wie die Morgenwolke und wie der Tau, der früh verschwindet» (Hos 6,4). Die Beziehung der Seele zu Gott hatte keine tiefen Wurzeln mehr.
- «Ephraim vermischt sich mit den Völkern; Ephraim ist wie ein Kuchen geworden, der nicht umgewendet ist. Fremde haben seine Kraft verzehrt, und er weiss es nicht» (Hos 7,8.9). Genauso handelte Ephraim mit den Kanaanitern: Er hatte sich mit ihnen vermischt. Ohne eine echte Umkehr - ein Kuchen, der nicht umgewendet ist - fehlte ihm die geistliche Kraft. Doch seine Seele merkte es nicht.
- «Ephraim ist geschlagen: Ihre Wurzel ist verdorrt, sie werden keine Frucht bringen» (Hos 9,16). So stand dieser Stamm in krassem Gegensatz zu dem Mann, der auf den HERRN vertraut (Jer 17,7.8).
- «Ephraim weidet sich an Wind» (Hos 12,2). Alles war nur Schein, ohne Leben und Wirklichkeit.
Wir verstehen gut, dass Ephraim in dieser schlechten Verfassung nur zu gern einen Streit gegen seine Brüder anzettelte.
Die Antwort von Jephta (12,2.3)
“Und Jephta sprach zu ihnen: Einen heftigen Streit haben wir gehabt, ich und mein Volk, mit den Kindern Ammon; und ich rief euch, aber ihr habt mich nicht aus ihrer Hand gerettet. Und als ich sah, dass du nicht helfen wolltest, da. Warum seid ihr denn an diesem Tag gegen mich heraufgezogen, um gegen mich zu kämpfen?“ (12,2.3).
«Eine milde Antwort wendet den Grimm ab, aber ein kränkendes Wort erregt den Zorn» (Spr 15,1).
Gideon hatte den ersten Teil dieses Spruches zu seinem eigenen Wohl angewandt. Jephta hingegen fiel zu seinem eigenen Schaden und zum Schaden des Volkes Israel in den Fallstrick des zweiten Teils. Früher hatte Jephta vor den Kindern Ammon die Interessen des Volkes «des HERRN, des Gottes Israels» verteidigt (Kap. 11,23). Jetzt war das Volk Israel sein eigenes Volk geworden, denn er erklärte: «ich und mein Volk» (V. 2).
Damit begann der Richter, sich vor seinen eigenen Brüdern zu verteidigen.
Der Krieg unter Brüdern (12,4-6)
“Und setzte ich mein Leben aufs Spiel und zog hin gegen die Kinder Ammon; und der Herr gab sie in meine Hand Jephta versammelte alle Männer von Gilead und kämpfte mit Ephraim; und die Männer von Gilead schlugen Ephraim, weil sie gesagt hatten: Flüchtlinge Ephraims seid ihr, ihr Gileaditer, inmitten Ephraims und inmitten Manasses! Und Gilead nahm Ephraim die Furten des Jordan. Und es geschah, wenn ein Flüchtling von Ephraim sprach: Lass mich hinübergehen!, so sprachen die Männer von Gilead zu ihm: Bist du ein Ephraimiter? Und sagte er: Nein!, so sprachen sie zu ihm: Sage doch: Schibboleth! Und sagte er: Sibboleth, und brachte es nicht fertig, richtig zu sprechen, dann ergriffen sie ihn und schlachteten ihn an den Furten des Jordan. Und es fielen in jener Zeit von Ephraim 42000“ (12,4-6).
Ephraim warf den Männern von Gilead vor, sie seien nur Flüchtlinge inmitten der Stämme Josephs (V. 4). Das verletzte den Stolz Jephtas, so dass er als Erster zu den Waffen griff.
Der Kampf wurde bei den Furten des Jordan ausgetragen. Früher hatte Ehud sie mit Hilfe der Ephraimiter den Moabitern weggenommen, um das Land gegen das Eindringen der Feinde zu schützen (Kap. 3,28). Später war es der Beitrag von Ephraim im Kampf gegen Midian gewesen, diesen Durchgang beim Fluss zu bewachen, damit dem Feind der Rückzug abgeschnitten wurde (Kap. 7,24).
Wie absurd war es daher, dass Jephta und die Männer von Gilead jetzt die Furten des Jordan ihren eigenen Brüdern wegnahmen und 42'000 Soldaten von ihnen töteten. Bei dieser blutigen Auseinandersetzung stand kein fundamentaler Grundsatz auf dem Spiel. Nein, nur ein Unterschied in der Aussprache entschied über Leben und Tod! Wohin kann doch Satan verblendete Glaubensbrüder durch das Gefühl ihrer eigenen Wichtigkeit bringen!
Der Apostel Paulus warnt uns ernstlich vor der schrecklichen Gefahr des Hochmuts und der fleischlichen Empfindlichkeit in den Beziehungen unter Glaubenden: «Wenn ihr aber einander beisst und fresst, so seht zu, dass ihr nicht voneinander verzehrt werdet» (Gal 5,15). Möge der Herr uns vielmehr in einem Geist der Gnade und des gegenseitigen Ertragens in Liebe bewahren!
Das Ende von Jephta (V. 7)
„Und Jephta richtete Israel sechs Jahre; und Jephta, der Gileaditer, starb und wurde in einer der Städte Gileads begraben“ (12,7).
Der Dienst dieses Richters war von kurzer Dauer. Er richtete Israel nur sechs Jahre. Wir wollen die demütigende Lektion aus dem traurigen Fall von Sibboleth statt Schibboleth im Gedächtnis behalten. Trotzdem dürfen wir das Gute, das Jephta für das Volk Gottes getan hat, nicht ausser Acht lassen.