"Siehe, Mein Knecht"
Kapitel 1,21-45 - Der vollkommene Diener
Der Weg des Herrn ist vorbereitet und die Gefährten seines Weges des Dienstes sind ausgewählt worden. In dem nun folgenden Abschnitt werden uns gewisse Ereignisse mitgeteilt, die in sehr gesegneter Weise den vollkommenen Diener vorstellen. Die Herrlichkeit seiner Person gehört Ihm allein; aber in seinem Dienst haben wir das vollkommene Vorbild für jeden Diener des Herrn. Petrus gibt uns einen sehr schönen Abriss des Markus-Evangeliums, wenn er sagt: «Jesus, den von Nazareth, wie Gott ihn mit Heiligem Geist und mit Kraft gesalbt hat, der umherging, wohltuend und alle heilend, die von dem Teufel überwältigt waren; denn Gott war mit ihm» (Apg 10,38). Wir sind allerdings nicht berufen, Wunder von Heilungen zu vollbringen. Aber wir sind berufen, Ihm in der Art seines Dienstes zu folgen.
Markus 1,21.22. In Begleitung seiner Jünger trat der Herr in die Synagoge von Kapernaum ein und lehrte am Sabbat. Sofort sehen wir ein hervorstechendes Kennzeichen des vollkommenen Dieners; denn wir lesen, dass Er im Gegensatz zu den Schriftgelehrten «lehrte wie einer, der Vollmacht hat». Sein Wort bestand nicht aus blossen Erörterungen, die sich an die Vernunft wenden. Er sprach mit der Autorität eines Menschen, der die Wahrheit in überzeugender Macht verkündigt. In unseren Tagen und Verhältnissen werden wir aufgefordert, die gottgegebenen Gaben mit Autorität auszuüben, denn, sagt Petrus in seinem ersten Brief, «wenn jemand redet, so rede er als Aussprüche Gottes» (Kap. 4,10.11). Wenn wir eine Lehre in Verbindung mit allen Behauptungen, die es dafür und dagegen gibt, vorstellen und es dabei unseren Hörern überlassen, zu beurteilen, ob es die Wahrheit sei oder nicht, dann werden wir kaum mit Autorität reden, sondern vielmehr als solche, die nach der Wahrheit tasten. Wir sollen als solche reden, die aus Gnaden die Gewissheit der Wahrheit kennen, die sie verkündigen. Dies steht nicht im Widerspruch mit einer demütigen Gesinnung; denn es sind gerade die Niedriggesinnten, welche die Gedanken Gottes kennen lernen werden, denn wir lesen: «Er lehrt die Sanftmütigen seinen Weg» (Ps 25,9).
Markus 1,23–28. Die Austreibung des unreinen Geistes offenbart ein anderes Kennzeichen des vollkommenen Dieners. Wenn Er mit Gewalt spricht, ist sein Wort von Kraft begleitet. Am Ort des religiösen Bekenntnisses befand sich ein Mann mit einem unreinen Geist. Für einen solchen ist die Gegenwart des Herrn Jesus unerträglich. So «schrie er auf und sprach: Was haben wir mit dir zu schaffen, Jesus, Nazarener?» Was immer auch die Unwissenheit des Menschen sein mag, die Dämonen wissen, dass dieser demütige Diener – Jesus von Nazareth – niemand weniger als der Sohn Gottes ist. Der Herr will jedoch nicht, dass der Teufel ein Zeugnis von Ihm ablegt. Deshalb bedroht Er den Dämon, bringt ihn zum Schweigen und gebietet ihm, vom Mann auszufahren. Der Dämon muss, nachdem er seine Macht über den Mann gezeigt hat, indem er ihn zerrte und mit lauter Stimme schrie, sich der grösseren Macht des Herrn unterwerfen und aus dem Mann ausfahren.
Die Zuschauer, die schon staunten, dass Er mit Gewalt lehrte, sind jetzt über die Kraft entsetzt, die sein Wort der Autorität begleitet und der sich sogar unreine Geister zu unterwerfen haben.
Markus 1,29–34. In der folgenden Begebenheit kommt noch ein anderer Zug des vollkommenen Dieners vor uns. Obwohl dieser Gesegnete alle Macht und Gewalt hat, ist Er doch für alle erreichbar. Wenn Er in das einfache Haus eines Fischers eintritt und dort jemand ist, der seine heilende Kraft nötig hat, lesen wir: «Und sogleich sagen sie ihm von ihr.» Und etwas später, als die Sonne unterging, «brachten sie alle Leidenden und Besessenen zu ihm». Mit den grossen Männern dieser Welt ist es ganz anders. Je grösser ihre Gewalt und Macht ist, um so weniger zugänglich sind sie für den Armen und Bedürftigen. Der Herr ist heute nicht anders als damals. Obwohl Er droben in der himmlischen Herrlichkeit ist, können wir Ihm alles sagen und Ihm alle unsere Sorgen und Nöte bringen.
Er heilte nicht nur Menschen von verschiedenen Leiden, Er befreite sie auch von der Macht der Dämonen. Aber währenddem Er seine vollständige Macht über die Dämonen offenbarte, «erlaubte er den Dämonen nicht zu reden, weil sie ihn kannten». Wie jemand gesagt hat: Er verweigerte ein Zeugnis, das nicht von Gott war. Es mochte wahr sein, aber Er wollte das Zeugnis des Feindes nicht annehmen.
Markus 1,35. Auf den arbeitsreichen Abend folgt ein früher Morgen, an dem es uns vergönnt ist, den Herrn zu sehen, wie Er lange vor Tagesanbruch hinausgeht an einen öden Ort, um zu beten. Da lernen wir, dass die Abhängigkeit von Gott, ausgedrückt durch das Gebet, ein anderes Merkmal des vollkommenen Dieners ist. Die Kraft des Dieners in der Öffentlichkeit wird im Gebet, das im Verborgenen geschieht, gefunden. Wir hören die Stimme des Herrn Jesus durch den Propheten, der diesen Augenblick vorausempfand, als er sagte: «Der Herr, Herr, hat mir eine Zunge der Belehrten gegeben, damit ich wisse, den Müden durch ein Wort aufzurichten. Er weckt jeden Morgen, er weckt mir das Ohr, damit ich höre wie solche, die belehrt werden» (Jes 50,4). Wir haben den Herrn gesehen, wie Er die Zunge der Belehrten gebraucht hat. Jetzt sehen wir Ihn mit geöffnetem Ohr, um zu hören wie einer, der belehrt wird. So lernen wir, dass das Gebet sowohl hinter seiner Belehrung (V. 21) als auch hinter seinem Predigen stand (V. 39). Wie gut für uns, wenn wir dem vollkommenen Beispiel zu folgen trachten und unseren Tag mit Gott im Gebet beginnen, bevor wir unseren Mitmenschen in der Öffentlichkeit begegnen; denn es ist schwierig, im Betrieb und in der Hitze des Tages einen «öden Ort» zu finden.
Markus 1,36–39. Die Jünger gehen Ihm nach, und nachdem sie den Herrn gefunden haben, sagen sie: «Alle suchen dich.» Das bringt ein weiteres Merkmal des vollkommenen Dieners ans Licht – die Ablehnung reiner Beliebtheit. Die Natur mag einwenden, dass, wenn alle uns suchen, dies die Zeit sei zu bleiben; aber das war der Augenblick, in dem der Herr sagte: «Lasst uns woandershin gehen in die nächsten Ortschaften.» Als der Knecht des Herrn war Er nicht hier, um Beliebtheit zu erlangen, sondern um den Willen Gottes zu tun.
Markus 1,40–42. Wir haben die Kraft des Dieners und das Geheimnis der Kraft gesehen. Jetzt dürfen wir die Gnade sehen, die diese Kraft dem schlimmsten Sünder zugänglich macht. Ein armer Aussätziger, der von seiner Not getrieben und durch eine Kraft angezogen wird, von der er merkt, dass sie seiner Not entsprechen kann, kommt zum Herrn. Aber er zweifelt, ob Seine Gnade die Kraft auch auf ihn anwenden will, dessen abscheuliche Krankheit ihn zu einem Ausgestossenen der Menschen gemacht hat. So sagt er: «Wenn du willst, kannst du mich reinigen.» Wenn er auf Christus blickte, zweifelte er nicht an seiner Macht; betrachtete er aber sich selbst; stellte er die Gnade des Herrn in Frage. So geht es auch uns bisweilen, wenn wir die Schwärze unserer Herzen zu sehen bekommen. Dann stellen wir die Gnade seines Herzens in Frage, bis wir, wie der Aussätzige, in seiner Gegenwart entdecken, dass das Herz des Herrn Jesus «innerlich bewegt» ist gegenüber dem schlimmsten Sünder, der zu Ihm kommt. So fanden auch die Frau an der Quelle und der Räuber am Kreuz im Herrn Jesus den Einen, der das Schlimmste von ihnen wusste und doch Gnade in seinem Herzen für sie hatte. Seine Gnade ist grösser als unsere Sünden. Im Fall des Aussätzigen zerstreut der Herr die Zweifel mit seinen Worten: «Ich will.» Sie drücken die Liebe und das Mitgefühl eines Herzens aus, das bereit ist, seine Macht zugunsten des bedürftigen Menschen zu gebrauchen.
Markus 1,43–45. Ein anderer schöner Zug des vollkommenen Dieners wird in dem gesehen, was folgt. Er sucht nicht seine eigene Ehre, sondern die Ehre Dessen, dem Er dient. So hören wir den Herrn zu dem geheilten Aussätzigen sagen: «Gib Acht, dass du niemand etwas sagst.» Dennoch muss er sich dem Priester zeigen, und so wird das Gesetz zu einem Zeugnis für die Gegenwart Gottes in Gnade. Unter dem Gesetz konnte Gott allein den Aussätzigen heilen, und der Priester konnte nur das bestätigen, was Gott getan hatte.
So zieht zu Beginn des Weges des demütigen Dienstes unseres Herrn seine Vollkommenheit als Diener an uns vorüber. Sein Dienst ist gekennzeichnet durch Autorität, begleitet mit Macht. Seine Kraft ist verbunden mit Zugänglichkeit für den Niedrigen und Bedürftigen und wird in Abhängigkeit von Gott ausgeübt. Er weigert sich, seine Macht zu benützen, um beliebt zu werden. Seine Macht ist verbunden mit zartem Mitgefühl, und Er gebraucht sie nie, um einfach sich zu erhöhen.