Ein Vermächtnis wird zum Appell

Ein geistliches Vermächtnis

Ein Vermächtnis wird zum Appell

In Kapitel 3 beschreibt Paulus den Zustand des christlichen Bekenntnisses in den letzten Tagen. Zugleich erinnert er den Diener Gottes an die Hilfsquellen, die ihm zur Verfügung stehen. Das Kapitel endet mit einer gewaltigen Aussage über das Wort Gottes, diese nie versiegende Hilfsquelle.

Kapitel 4 schließt sich unmittelbar an das Ende von Kapitel 3 an. Der Inhalt gleicht einem Höhepunkt in dem geistlichen Vermächtnis, das Paulus seinem Kind Timotheus hinterlässt.

Auch dieses Kapitel können wir in drei Teile gliedern:

  1. Verse 1–5: Eine letzte Aufforderung zum Dienst
    Paulus macht deutlich, wie wichtig es ist, dass das Wort gepredigt wird. Verfall und Niedergang des christlichen Bekenntnisses dürfen den Diener nicht vom Dienst abhalten. Degeneration um uns herum ist keine Entschuldigung für Tatenlosigkeit und Trägheit.
  2. Verse 6–8: Ein letztes Zeugnis
    Noch einmal stellt Paulus sein eigenes Leben als Beispiel vor. Er erinnert Timotheus an Dinge, die dieser genau wusste. Paulus blickt auf seinen eigenen Dienst zurück und kann sagen, dass er den guten Kampf gekämpft hat. Er hat den Lauf vollendet. Er hat den Glauben bewahrt. Sein Ende ist jetzt nahe gekommen. Doch im Vertrauen sieht er nach vorn und freut sich auf das, was vor ihm liegt.
  3. Vers 9–22: Letzte persönliche Botschaften
    Paulus nimmt Abschied. Eine Reihe persönlicher Botschaften schließt sich an. Darin erkennen wir Freude und Trauer, Hoffnung und Enttäuschung. Wenn es um ihn selbst geht, ist Paulus voller Zuversicht. Wenn es um andere geht, sind seine Empfindungen gemischt. Für manches ist er dankbar. In einigen Fällen ist er in Sorge.
    Die letzten Worte dieses großen Gottesmannes sind voller Gnade und Liebe. Sie zeigen seine innere Teilnahme an dem Ergehen geliebter Menschen. Für Timotheus – und darüber hinaus auch für uns – sind sie ein besonderes Vermächtnis und zugleich ein Appell, im Dienst nicht müde zu werden.

Ein ernstliches Zeugnis

Vers 1: Ich bezeuge ernstlich vor Gott und Christus Jesus, der Lebende und Tote richten wird, und bei seiner Erscheinung und seinem Reich.

Die Worte „Ich bezeuge ernstlich“ sind ein starker Appell. Sie zeigen deutlich, wie ernst es Paulus mit dem ist, was er jetzt vorstellt. Paulus ruft sozusagen göttliche Personen als seine Zeugen an. Er beruft sich auf die höchste Instanz, die denkbar ist. Anders ausgedrückt könnte man sagen: „Ich beschwöre dich bei Gott und Christus Jesus.“ Ähnliche Worte hatte er schon in Kapitel 2,14 gebraucht. Dort sollte Timotheus ernstlich bezeugen, keinen Wortstreit zu führen. Hier geht es darum, dass das Wort gepredigt werden soll. Damit schließt der erste Vers dieses Kapitels an die letzten Verse des vorherigen Kapitels an.

Die Aussage macht deutlich, welche Beweggründe Paulus hatte, sein Kind Timotheus so zu beschwören. Paulus wusste, dass er vor Gott und Christus Jesus stand. Das galt für Timotheus genauso. Die Präposition „vor“ meint „im Angesicht von“ oder „in der Gegenwart von“. Jeder Dienst geschieht unter dem wachsamen und prüfenden Auge Gottes.

Drei Beweggründe für den Dienst

Paulus nennt nun drei Tatsachen, die Timotheus im Dienst nicht vergessen sollte. Sie sind bis heute für jeden Diener wichtige Beweggründe, den Dienst bis zum Ende in Treue zu erfüllen. Erstens erinnert Paulus daran, dass der Herr Jesus Lebende und Tote richten wird. Zweitens spricht er von seiner Erscheinung und drittens von seinem Reich. Alle drei Punkte sind miteinander verbunden.

  1. Christus ist der Richter der Lebenden und Toten: Petrus benutzt einen ähnlichen Ausdruck. Er spricht von Menschen, die einmal dem Rechenschaft geben werden, der bereit ist, Lebende und Tote zu richten (1. Pet 4,5). Christus ist der Richter. Gott hat Ihm das Gericht übertragen (Joh 5,27; Apg 17,31). Er beurteilt alles. Das gilt auch für den Verfall innerhalb des christlichen Bekenntnisses. Er weiß, was echt ist und was unecht ist. Er wird einmal alles beurteilen und richten. Paulus stellt dieses Gericht hier als etwas vor, das nicht in weiter Ferne liegt. Es heißt, dass Christus Jesus im Begriff steht (oder bereit ist), zu richten (siehe Fußnote in Elberfelder Übersetzung, Edition CSV).
    Paulus spricht von „Lebenden und Toten“. Dabei geht es an dieser Stelle nicht um Gläubige und Ungläubige. Es geht hier nicht darum, ob jemand Leben aus Gott hat oder geistlich tot ist. Paulus spricht ausschließlich von ungläubigen Menschen. Der Unterschied (Lebende und Tote) ergibt sich dadurch, dass sie zum Zeitpunkt des Gerichts entweder noch leben oder bereits gestorben sind. Das Gericht über die Lebenden findet nicht zur gleichen Zeit statt wie das Gericht über die Toten. Die Bibel kennt weder eine „allgemeine Auferstehung“ noch ein „allgemeines Gericht“. So wie die Auferstehung in verschiedenen Phasen abläuft, wird das Gericht zu unterschiedlichen Zeitpunkten ausgesprochen und vollzogen. Aber das ist hier nicht die Kernfrage. Es geht an dieser Stelle um die Tatsache an sich, dass der Herr Jesus der Richter der ungläubigen Menschen ist und dass Er bereit ist, dieses Gericht auszuüben.
    Christus wird, wenn Er in Macht und Herrlichkeit erscheint, im Gericht kommen. Viele der dann lebenden Menschen werden durch Kriegsgerichte weggerafft (Off 19,11). Andere werden lebend vor den Richterstuhl gestellt (Mt 25,31–46). Das ist das sogenannte „Gericht der Lebenden“ unmittelbar vor der Gründung des Friedensreiches auf dieser Erde. Das eine ist ein Kriegsgericht, während das andere ein Sitzungsgericht ist. Darüber hinaus wird es im Tausendjährigen Reich selbst ein Gericht über diejenigen geben, die „Frevel tun“ (vgl. z. B. Ps 101,8). Am Ende dieses Reiches werden dann alle Menschen, die unversöhnt in die Ewigkeit gegangen sind (das sind „die Toten“), am großen weißen Thron erscheinen und gerichtet (Off 20,11–15). Gläubige werden dort nicht stehen. Die Gläubigen werden zwar auch vor den „Richterstuhl Gottes“ gestellt werden, aber für sie wird es ein Preisgericht sein. Es geht also um die Bewertung unseres Lebens und unseres Dienstes für den Herrn. Wir werden nicht gerichtet, sondern offenbar. Dieser Unterschied ist wichtig.
    Paulus stellt diesen ersten Punkt vor, um deutlich zu machen, wie wichtig es ist, das Wort zu predigen. Wir kennen den Schrecken des Herrn (2. Kor 5,11). Deshalb überreden wir die Menschen. Wir wissen um das Gericht, das kommen wird. Deshalb machen wir die Menschen auf den Ernst ihrer Lage aufmerksam und bringen ihnen das Wort.
  2. Christus erscheint: Paulus erinnert an die Erscheinung Christi. Wenn das Neue Testament von der „Erscheinung“ des Herrn Jesus spricht, so steht das an keiner Stelle mit seinem Kommen für die Seinen zu unserer Entrückung in den Himmel in Verbindung. Die Erscheinung des Herrn Jesus hat immer mit seinem Offenbarwerden zu tun. In 2. Timotheus 1,10 geht es um sein erstes Kommen in Niedrigkeit auf diese Erde. An allen anderen Stellen (2. Thes 2,8, 1. Tim 6,14, Tit 2,13; 2. Tim 4,8) und hier ist sein Kommen in Macht und Herrlichkeit auf dieser Erde gemeint. Das ist der Augenblick, an dem Er erneut sichtbar auf diese Erde kommen wird (bei seinem Kommen für die Gläubigen wird Ihn kein Ungläubiger sehen). Es geht hier nicht um sein Kommen zur Entrückung, sondern um seine Erscheinung in Macht. Die Entrückung der Glaubenden steht mit Gnade in Verbindung. Es ist ein Akt der Gnade und Barmherzigkeit, wenn der Herr uns, aus den Umständen dieser Erde heraus, zu sich nehmen wird. Seine Erscheinung hingegen steht mit Verantwortung und mit Lohn in Verbindung. Paulus kommt in Vers 8 darauf zurück. Am (Preis)Richterstuhl des Christus (2. Kor 5,10) wird der Lohn ausgeteilt, der dann bei der Erscheinung des Herrn Jesus mit allen seinen Heiligen sichtbar werden wird (vgl. 1. Pet 5,4).
    Die Tatsache, dass es Lohn für unseren Dienst gibt und dieser bei der Erscheinung des Herrn sichtbar werden wird, sollte uns im Dienst für Ihn anspornen. Wir dürfen den Lohn nicht gering schätzen. Er ist zwar nicht die höchste Motivation, die wir haben, dennoch wird uns der Lohn in Aussicht gestellt, den der Herr uns geben wird. Wer den Lohn gering achtet, achtet letztlich den gering, der den Lohn gibt. Das wollen wir nicht vergessen.
  3. Christus wird sein Reich auf dieser Erde gründen: Es geht um das tausendjährige Friedensreich. Es wird unmittelbar nach seiner Erscheinung seinen Anfang nehmen. Dann wird alles, was gegen Christus ist, weggetan sein. Die bekennende Namenschristenheit wird Er vorher aus seinem Mund ausgespien haben (Off 3,16). Das Reich steht mit Macht, aber ebenso mit Herrlichkeit in Verbindung. Christus wird nicht einfach sichtbar werden, sondern Er wird in Macht und Herrlichkeit sichtbar werden. Wir werden mit Ihm erscheinen in Herrlichkeit (Kol 3,4). Er wird kommen, „um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben“ (2. Thes 1,10). Jeder, der jetzt in der Zeit der Gnade durch den Dienst des Evangeliums gerettet wird, wird einmal dazu beitragen, die Herrlichkeit des Herrn Jesus groß zu machen. Das ist ein weiterer Grund, das Wort zu predigen und in die Welt hinauszutragen.
    Zusammenfassend stellen wir fest, dass es bei den Beweggründen für den Dienst erstens um Gericht geht, zweitens um Lohn und drittens um Herrlichkeit. Der Gedanke an diese drei Punkte soll den Diener anspornen, das zu tun, was Paulus in Vers 2 weiter ausführt, nämlich das Wort zu predigen.

Predige das Wort

Vers 2: Predige das Wort, halte darauf zu gelegener und ungelegener Zeit; überführe, weise ernstlich zurecht, ermahne mit aller Langmut und Lehre.

Paulus hat in Vers 1 die Beweggründe vorgestellt. Jetzt kommt der eigentliche Auftrag. Es geht darum, das Wort zu predigen. Gemeint sind nicht einzelne Wahrheiten, sondern das komplette Wort Gottes. Mit „Wort“ ist hier die Gesamtheit der offenbarten Wahrheit Gottes gemeint – die gute Botschaft (das Evangelium) für den Sünder eingeschlossen. Der Diener predigt das Wort sowohl Ungläubigen als auch Gläubigen. Dies soll zu allen Zeiten geschehen, egal ob sie uns gelegen oder nicht gelegen erscheinen. Der Herr hat es nicht anders getan, als Er auf dieser Erde war. Paulus hat es nicht anders getan. Timotheus sollte es nicht anders tun und wir auch nicht. Es geht nicht um unsere Worte. Es geht nicht um unsere Botschaft. Es geht um das Wort Gottes. Die Botschaft Gottes soll verbreitet werden. Dies geschieht durch die Verkündigung. „Also ist der Glaube aus der Verkündigung, die Verkündigung aber durch Gottes Wort“ (Röm 10,17). Petrus schreibt: „... die ihr nicht wiedergeboren seid aus verweslichem Samen, sondern aus unverweslichem, durch das lebendige und bleibende Wort Gottes“ (1. Pet 1,23). Das zeigt uns, wie wichtig es ist, das Wort zu predigen – und nichts anderes.

Paulus gebraucht zunächst zwei Ausdrücke, die beide mit der Verkündigung zu tun haben. Er fordert dazu auf, das Wort zu „predigen“ und darauf zu „halten“.

„Predigen“ meint die offizielle Verkündigung (Proklamation) des Wortes. So wurde im Altertum zum Beispiel eine Botschaft des Kaisers oder einer Regierungsstelle in das Reich hineingetragen und den Untertanen vermittelt. Predigen ist der Auftrag eines Herolds (Ausrufers). Ein Herold sprach damals nicht für sich selbst. Er brachte die Botschaft eines anderen. Aber er war sich der Autorität dessen bewusst, für den er eine Botschaft ausrief. So war es bei Paulus (siehe V. 17). So sollte es bei jedem Diener sein. Wir müssen uns der Autorität dessen bewusst sein, dessen Botschaft wir bringen. Unsere Botschaft an die Menschen hat die höchste Autorität und der Bote entsprechende Vollmacht.

Halte darauf

„Halte darauf“ deutet die ständige Bereitschaft und die Eindringlichkeit an, das Wort zu predigen. Der Ausdruck bedeutet, „jede Gelegenheit beim Schopf ergreifen ohne Rücksicht auf die Vorurteile oder Wünsche anderer, wenn diese in Konflikt mit dem stehen, was uns vom Herrn anvertraut worden ist“ (V. E. Vine). Die Botschaft Gottes ist für alle Menschen und zu allen Zeiten das Richtige. Gerade in einer Zeit, in der man die gesunde Lehre nicht mehr erträgt und sich dem Irrtum hingibt, gilt der Auftrag, das Wort zu predigen – und zwar das ganze Wort. Wir dürfen nichts weglassen oder einseitig überbetonen. Wir tragen die Botschaft einerseits zu verlorenen Menschen. Wir verkündigen das Wort andererseits denen, die gerettet sind. Unsere Familien sind darin eingeschlossen. Wir haben einen Auftrag, den wir ausführen müssen.

Zu gelegener und ungelegener Zeit

Paulus macht nicht nur klar, was Timotheus tun sollte, sondern auch, wann er es tun sollte. Der Auftrag ist so wichtig, dass er zu gelegener und ungelegener Zeit ausgeführt werden soll. Mit anderen Worten: zu jeder Zeit. Für Gott ist die Zeit natürlich immer gelegen. In 2. Korinther 6,2 spricht Paulus davon, dass „jetzt“ die wohlangenehme Zeit ist. Der Tag des Heils ist jetzt. Ungelegen scheint die Zeit manchmal für uns Menschen zu sein. Ein Beispiel dazu liefert uns Felix in Apostelgeschichte 24,25. Paulus war seinem Auftrag nachgekommen. Felix hatte die gelegene Zeit verpasst.

In Vers 3 spricht Paulus erneut von einer „Zeit“. Dort ist die Epoche der letzten Tage des christlichen Bekenntnisses auf dieser Erde gemeint. In Verbindung damit ist es möglich, dass Paulus bei der „ungelegenen“ Zeit an diese Periode gedacht hat. Die Zeit, in der wir heute leben, mag uns „ungelegen“ erscheinen. Dennoch bleibt der Auftrag bestehen, das Wort zu predigen und darauf zu halten.

Überführen, zurechtweisen und ermahnen

Dann wird der Auftrag weiter präzisiert und gezeigt, wie das Wort gepredigt werden soll. Timotheus sollte erstens überführen, zweitens ernstlich zurechtweisen und drittens ermahnen.

  • Überführen ist ein Appell an das Gewissen der Zuhörer. Überführen ist überzeugen. Man könnte alternativ übersetzen: „den Beweis erbringen“. Das Gewissen wird über das Herz erreicht. Das Mittel dazu ist das Wort Gottes. Eigene menschliche Worte und Argumente helfen da wenig.
  • Zurechtweisen bedeutet strafen oder korrigieren. In Markus 8,33 tadelte der Herr seinen Jünger Petrus. Zurechtgewiesen wird jemand, der falsch läuft, sich geirrt hat oder gar in offener Opposition zu dem Wort steht. Jedenfalls geht es um Fehlverhalten. Das Zurechtweisen wird nur dann ein entsprechendes Ergebnis zeigen, wenn es auf Gottes Wort basiert. Timotheus sollte das nicht auf die leichte Schulter nehmen. Paulus sagt ihm ausdrücklich, dass er „ernstlich“ zurechtweisen soll.
  • Ermahnen ist hier im Sinn von „ermuntern“, „trösten“, „bitten“ zu verstehen. Darin liegt der Gedanke, dass der richtige Weg gewiesen wird. Der Sünder wird ermahnt, sich retten zu lassen und das Heil zu ergreifen (Apg 2,40). Gläubige werden ermahnt, mit Herzensentschluss bei dem Herrn zu verharren (Apg 11,23).
    Das Überführen, Zurechtweisen und Ermahnen soll mit aller Langmut und Lehre geschehen. Die Wirkung des Wortes ruft immer die Gegenwirkung des Fleisches hervor. Deshalb braucht der Diener alle Langmut im Umgang mit den Menschen, zu denen er redet. Alle Langmut ist erforderlich, weil wir unter Umständen mit Menschen zu tun haben, die das Wort nicht hören und annehmen wollen, oder auch mit solchen, die unwissend sind.
    Aber es muss zugleich mit „aller Lehre“ sein. Die Basis muss die gesunde Lehre sein, obwohl es möglich ist, dass diese – wie der nächste Vers uns zeigt – nicht mehr ertragen wird. Ohne das Fundament der gesunden Lehre können wir Menschen weder überzeugen, noch können wir sie zurechtweisen oder ermahnen. Die gebrauchte Formulierung lässt uns allerdings nicht nur an den Inhalt dessen denken, was gelehrt wird, sondern sie betont besonders den aktiven Vorgang des Belehrens an sich.

Eine ernste Zeit

Vers 3: Denn es wird eine Zeit sein, da sie die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern nach ihren eigenen Begierden sich selbst Lehrer aufhäufen werden, indem es ihnen in den Ohren kitzelt.

Jetzt spricht Paulus über das Umfeld, in dem dieser Auftrag auszuführen ist. „Es wird eine Zeit sein.“ Paulus spricht in der Zukunftsform. Er sah diese Zeit kommen. Sie deutete sich zu seinen Lebzeiten bereits an. Heute ist diese Zeit längst gekommen. Wir leben mitten darin. „Denn“ gibt die Begründung für den Appell in Vers 2. Eine weitere Begründung folgt in Vers 6, wo Paulus darauf hinweist, dass er diese Erde bald verlassen würde.

Paulus spricht erneut über das Ende der christlichen Haushaltung. Der schlechte und erschreckende Zustand innerhalb des christlichen Bekenntnisses muss Motivation zum Dienst auf dem Fundament der gesunden Lehre sein. Die falschen Lehrer kommen in die Häuser. Sie schrecken vor nichts zurück. Sie ergreifen ihrerseits die Initiative. Davor werden wir an verschiedenen Stellen im Neuen Testament gewarnt.

„Sie“ sind wieder die Menschen, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft aber verleugnen. Es geht nicht um Heiden, die die Wahrheit nie kannten, sondern um Menschen, die sich als Christen bezeichnen. Sie wollen die gesunde christliche Lehre nicht ertragen. Aber nicht nur das. Sie wollen nicht nur das Gute nicht hören und akzeptieren, sondern sie wenden sich ganz bewusst dem Irrtum zu. Lehre ist hier nicht der Vorgang des Belehrens, sondern das, was gelehrt wird. Gemeint ist der Inhalt der Lehre, nicht so sehr die Art und Weise des Belehrens. Diese Lehre ist „gesund“. Sie ist nicht nur in sich selbst gesund, sie macht auch gesund.

Das Evangelium ist diesen Menschen also durchaus nicht unbekannt. Sie kennen die Bibel. Sie wissen um die christliche Wahrheit. Aber sie wollen sie nicht hören. Sie können sie nicht ertragen, weil sie nicht bereit sind, ihr zu folgen. „Ertragen“ bedeutet, sich in Bezug auf eine bestimmte Sache aufrecht, gerade oder fest zu verhalten. „Nicht ertragen“ meint dann im Gegensatz dazu, dass sich jemand weigert, sich der Wahrheit entsprechend zu verhalten.

Weil das so ist, wählen sie sich selbst Lehrer, die nicht die Lehre der Bibel bringen, sondern etwas anderes. Es handelt sich nicht nur um einige wenige Lehrer, sondern sie häufen sie auf. Das geschieht nach ihren eigenen Begierden. Sie möchten gerne das hören, was ihnen angenehm ist. Das Wort Gottes, das lebendig ist und wie ein Schwert wirkt, indem es das Gewissen anspricht, legen sie beiseite. Wie in Kapitel 3,6 geht es hier nicht so sehr um sinnliche Begierden, sondern um Begierden im Blick auf geistliche Dinge. Judas hat dieselben Menschen im Blick, wenn er schreibt: „Diese sind Murrende, mit ihrem Los Unzufriedene, die nach ihren Begierden wandeln; und ihr Mund redet stolze Worte, und um des Vorteils willen bewundern sie Personen“ (Jud 16). Das Ergebnis kann nur Durcheinander sein. Wenn ein Blinder einen Blinden führt, fallen beide in die Grube (Mt 15,14).

Die Ohren von der Wahrheit abkehren

Vers 4: Und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren, sich aber zu den Fabeln hinwenden.

Mit den Ohren nimmt der Mensch die Wahrheit auf, damit sie ins Herz fällt und das Gewissen erreicht. Damit dieser Prozess erst gar nicht beginnt, wenden die hier beschriebenen Menschen ihre Ohren von der Wahrheit ab. Die „Wahrheit“ ist die Wahrheit Gottes, also wieder der Inhalt der christlichen Predigt. Es ist die gesunde Lehre. Die gesunde Lehre fußt immer auf der Wahrheit, d. h. auf der Gesamtheit der offenbarten Gedanken Gottes. Daran müssen wir festhalten. Wer sich von der Wahrheit abkehrt, braucht Ersatz. Einen solchen Ersatz finden diese Menschen in Fabeln oder – wie man auch übersetzen kann – Mythen. Damals waren das sehr wahrscheinlich Fabeln, die sowohl in der jüdischen als auch in der griechischen Gedankenwelt ihren Ursprung hatten. Eine Fabel ist eine Fiktion (ein selbst erdachtes Gedankengebilde). Sie steht im Gegensatz zu den Tatsachen, die Gott in seinem Wort offenbart hat. Die christliche Wahrheit gründet sich nicht auf irgendein menschliches Gedankengebäude. Sie gründet sich auf die geschichtlichen Tatsachen, dass Christus gestorben ist, dass Er begraben wurde und danach siegreich auferstanden ist (1. Kor 15,1–4).

Zu den Fabeln hingewandt werden

Das Abkehren der Ohren von der Wahrheit ist eine aktive Handlung. Damit wird ein ganz bewusster und andauernder Vorgang beschrieben. Man will bewusst und dauerhaft mit der Wahrheit nichts zu tun haben. Das „sich Hinwenden“ zu den Fabeln hingegen ist ein passiver Vorgang. Die Fußnote der Elberfelder Übersetzung, Edition CSV, gibt dazu eine entsprechende Erklärung: Eigentlich muss es heißen: „hingewandt werden“. Menschen werden also dort hingewandt. Es handelt sich um eine von außen kommende Kraft, der sie sich aussetzen. Wer sich willentlich von der Wahrheit abwendet, muss sich nicht wundern, wenn ein anderer ihn führt. Das ist in letzter Konsequenz niemand anderes als Satan. Wer sich von der Wahrheit abkehrt, wird letztlich ein Werkzeug in der Hand des Teufels.

Eine vierfache Aufforderung

Vers 5: Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tu das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst.

Zum dritten Mal spricht Paulus Timotheus mit den Worten „du aber“ an. Er meint damit: „Was aber dich betrifft“. Der Gegensatz ist auffallend. In Kap. 3,10 ging es darum, dass Timotheus etwas erkannt hatte. In Kapitel 3,14 sollte Timotheus bei (oder in) etwas bleiben. Jetzt geht es um seinen Dienst. Wir werden an das Beispiel Esras erinnert, von dem wir in Esra 7,10 ebenfalls drei Dinge lesen: Er hatte sich erstens vorgenommen, das Gesetz des Herrn zu erforschen. Das entspricht der Erkenntnis. Zweitens wollte Esra das Gesetz tun. Das entspricht dem Bleiben. Drittens wollte er in Israel Satzung und Recht lehren. Das entspricht dem Predigtdienst, zu dem Timotheus aufgefordert wird.

Paulus macht jetzt klar, was die Aufgabe eines Dieners in einer derartigen Situation ist. Er nennt vier Dinge. Damit richtet er einen finalen Appell an Timotheus. Es ist die letzte unmittelbare Aufforderung zum Dienst in diesem letzten Brief.

  1. Sei nüchtern: Nüchtern zu sein bedeutet wachsam zu sein. Wer nüchtern ist, setzt sich weder schlechten noch berauschenden Einflüssen aus, die ihm schaden oder ihn gar vergiften könnten. Wer nüchtern ist, ist geistlich hellwach und prüft seine Gedanken und Empfindungen anhand des Wortes Gottes. Diese Haltung ist für jeden Diener des Herrn unerlässlich. H. Smith schreibt: „Er hat sich sein Urteil anhand der Wahrheit gebildet und gestattet seiner Gesinnung nicht, durch das Böse und die Fabeln der bekennenden Masse beeinflusst zu werden.“
  2. Leide Trübsal: Timotheus sollte die Bereitschaft dazu haben, in seinem Dienst Schwierigkeiten und Nöte zu akzeptieren. Darüber hatte Paulus vorher schon geschrieben (Kap 1,8 und 2,3). Auch wir müssen damit rechnen, dass wir von Menschen, die sich Christen nennen, angegriffen werden, wenn wir uns konsequent zur Wahrheit stellen. Es geht dabei nicht nur um körperliche Leiden (Paulus hatte diese reichlich erfahren), sondern auch um geistige und seelische Leiden. Wer als Christ konsequent lebt, provoziert die große Masse, die das nicht einfach hinnimmt.
  3. Tu das Werk eines Evangelisten: Ein Evangelist ist jemand, der das Evangelium (die gute Botschaft) weitersagt. Das Neue Testament spricht oft vom Evangelium, aber relativ selten von Evangelisten. Philippus ist der Einzige, der namentlich so genannt wird (Apg 21,8). In Epheser 4,11 macht Paulus klar, dass Evangelisten eine Gabe des verherrlichten Herrn an die Versammlung sind. Diese Gabe haben nicht alle. Wir zweifeln nicht daran, dass Timotheus sie besaß. Das erkennen wir aus den verschiedenen Berichten über ihn und ebenfalls aus den beiden Briefen, die an ihn gerichtet sind. Diese Gnadengabe sollte er anfachen (Kap 1,6). In unserem Vers geht es allerdings nicht primär um die spezielle Gabe des Evangelisten. Es geht um das Werk eines Evangelisten, zu dem Timotheus konkret ermuntert wird. Seine Gabe sollte sich in seinen Werken zeigen.
    Wenn wir diese Aussage auf uns anwenden, dann wollen wir bedenken, dass vor dem Wort Evangelist im Grundtext ebenso wenig ein Artikel steht wie vor dem Wort „Werk“. Deshalb kann die Bedeutung lauten: „Tu Evangelistenwerk.“ Diese Aufforderung hat – auf uns angewandt – bis heute nichts an Aktualität verloren. Sie gilt in einem gewissen Sinn jedem von uns. Wir sollen – auch ohne die spezielle Gabe eines Evangelisten – Zeugen unseres Herrn sein und wie Himmelslichter in dieser Welt scheinen. Das tun wir, indem wir das Wort des Lebens (das ist der Herr Jesus selbst) darstellen (Phil 2, 15.16).
  4. Vollführe deinen Dienst: Timotheus hatte einen klaren Auftrag, den er bis zum Ende ausführen sollte. Weder der Verfall innerhalb des christlichen Bekenntnisses noch das kurz bevorstehende Sterben von Paulus sollten ihn davon abhalten. Bis heute möchte der Herr, dass sein Werk nicht halbherzig, sondern ganz getan wird. Jeder Diener soll sich bemühen, seine Aufgabe vollständig zu erfüllen. Die Kolosser werden darauf hingewiesen, ihrem Bruder Archippus zu sagen: „Sieh auf den Dienst, den du im Herrn empfangen hast, dass du ihn erfüllst“ (Kol 4,17). Die Gefahr besteht immer, dass wir unseren Dienst nur halbherzig tun oder dass andere Dinge in unserem Leben eine höhere Priorität haben. Des Weiteren besteht die Gefahr, dass wir mehr auf den Dienst anderer sehen als auf unseren eigenen Dienst. Beides soll vermieden werden.

Die Zeit des Abscheidens

Vers 6: Denn ich werde schon als Trankopfer dargebracht, und die Zeit meines Abscheidens ist gekommen.

Mit diesem Vers beginnt der zweite Teil des vierten Kapitels. Paulus spricht jetzt noch einmal von sich selbst. In Vers 5 hatte er von dem gesprochen, was Timotheus betraf und gesagt: „du aber“. Jetzt spricht er von dem, was ihn selbst betraf und sagt: „denn ich“. Er hält eine kurze Rückschau auf sein eigenes Leben und auf seinen Dienst. Er tut das, um seinem jüngeren Bruder Timotheus Mut zu machen. Gleichzeitig sieht er nach vorn.

Paulus war sich bewusst, dass das Ende seines Lebens und seines Dienstes gekommen war. In Philipper 3,10 hatte er schon während seiner ersten Gefangenschaft in Rom den Wunsch geäußert, zu seinem Herrn zu gehen. Er wollte Christus „erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde“. Dieser Zeitpunkt schien nun gekommen zu sein.

Paulus benutzt das Wort „abscheiden“. Es bedeutet „Aufbruch“, „Befreiung“, „Lösen von einer Verbindung“. Das Wort wurde zum Beispiel benutzt, um das Lösen des Schiffes von einem Anker zu beschreiben oder die Tatsache, dass ein Reisender sein Zelt an einem bestimmten Ort abbrach, um woanders hinzugehen. Für Paulus war es in der Tat eine Befreiung, diese Erde zu verlassen, um bei Christus zu sein. Für Timotheus bedeutete das einerseits Trauer. Andererseits lag ein Ansporn für ihn darin. Deshalb beginnt der Satz mit dem Wort „denn“. Darin mag die die Begründung für die Aussage von Vers 5 liegen. Wenn treue Diener des Herrn diese Erde verlassen, sollte das für andere Ansporn und Motivation sein, in ihre Fußspuren zu treten und Dienste zu übernehmen. Dafür gibt es genügend Beispiele.

Ein geistliches Trankopfer

Paulus spricht jetzt von einem Trankopfer. Er selbst wurde als ein Trankopfer gesprengt. Trankopfer gab es sowohl im griechischen Opferkult als auch im jüdischen Opferdienst. Es ist anzunehmen, dass Paulus sich hier auf die Vorschriften des Alten Testaments bezieht (z. B. 2. Mo 29,40.41; 4. Mo 15,1–10). Das Trankopfer (eine bestimmte Menge Wein) wurde über ein anderes Opfer gegossen und erhöhte dadurch den Wert des Hauptopfers. Paulus sagt hier nicht direkt, welches Hauptopfer er meint. In Philipper 2,17 ist das anders. Dort spricht er davon, dass er als Trankopfer über das Opfer und den Dienst der Philipper gesprengt wurde. Außerdem spricht Paulus dort in der Möglichkeitsform. In unserem Vers bleibt offen, welches Opfer Paulus meint. Einige Ausleger beziehen das Opfer auf das Werk des Herrn Jesus. Der Anteil von Paulus an diesem Werk (das Trankopfer) wäre dann die Predigt des Evangeliums. Die bevorzugte Erklärung ist vermutlich die, die Aussage auf Paulus selbst zu beziehen – besonders dann, wenn man an den folgenden Vers denkt. Paulus hatte sein ganzes Leben dem Herrn als ein lebendiges, heiliges, Gott wohlgefälliges Schlachtopfer dargestellt (Röm 12,1). Nun war das Ende gekommen. So wie der Wein als Letztes über das Opfer gegossen wurde, würde sein Tod die „Vollendung“ seiner Laufbahn auf dieser Erde sein. Wir erkennen, mit welcher Hingabe sich dieser große Gottesmann bis zum letzten Atemzug für seinen Herrn einsetzte.

Der Apostel Petrus spricht in seinem letzten Brief ebenfalls von seinem Ende. Doch er tut es in einer ganz anderen Weise als Paulus. Er spricht in 2. Petrus 1,14 von dem „Ablegen seiner Hütte“. Wir erkennen, wie Gott seine Diener ganz unterschiedliche Wege führt. Den einen auf diese Weise, den anderen auf jene Weise.

Ein Rückblick

Vers 7: Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt.

Paulus selbst würde nun bald nicht mehr da sein. Sein unmittelbarer Dienst würde zu einem Ende kommen. Was bleibt, ist das Beispiel seines Lebens. Er stellt es in drei kurzen Punkten vor. Dabei liegt die Betonung nicht so sehr darauf, dass er – Paulus – das getan hatte, sondern es geht vielmehr um das, was er getan hatte. Er spricht von seinem Kampf, von seinem Lauf und von seinem Glauben. Der Kampf hat besonders mit dem Dienst zu tun, der Lauf mit dem Leben und der Glaube mit der Wahrheit.

Den guten Kampf gekämpft

Wir können hier sowohl an einen Waffenkampf als auch an einen sportlichen Wettkampf denken. Das griechische Wort wurde für beides gebraucht. Das ganze Leben des Apostels war ein Kampf und ein Konflikt gewesen – von Anfang bis zu Ende. Immer wieder hatte es Widerstand gegeben. Paulus hatte nicht irgendeinen Kampf gekämpft, sondern den guten Kampf. Er wusste, dass dieser Kampf nicht vergeblich gewesen war. Er hatte sich in jedem Fall gelohnt. Es war ein Kampf im Evangelium. Es war ein Kampf für die Wahrheit. Es war ein Kampf für die Ehre Gottes. In diesem Kampf hatte er seine ganze Energie eingesetzt und verbraucht.

Jetzt stehen andere in diesem Kampf, und die Frage geht an uns, ob wir bereit sind, uns in diesem christlichen Kampf zu engagieren (vgl. 1. Tim 6,12). Dabei geht es einerseits um Verteidigung und andererseits um Angriff. Wenn die Wahrheit attackiert wird, müssen wir bereitstehen, sie zu verteidigen. Andererseits gilt es immer noch, im Evangelium zu kämpfen, damit Menschen aus der Gewalt Satans befreit werden und den Herrn Jesus als ihren Herrn und Heiland annehmen.

Den Lauf vollendet

Hier geht es um das Bild eines Sportlers, der in der Rennbahn läuft. Paulus gebraucht dieses Bild in seinen Briefen mehrfach, um jeweils besondere Seiten der Wahrheit zu vermitteln. In Philipper 3 spricht er davon, dass er alles vergessen wollte, was hinter ihm lag. Er streckte sich, das Ziel anschauend, nach dem aus, was vor ihm lag (Phil 3,13.14). Ähnlich drückt er es den Ältesten von Ephesus gegenüber aus: „Aber ich nehme keine Rücksicht auf mein Leben als teuer für mich selbst, damit ich meinen Lauf vollende und den Dienst, den ich von dem Herrn Jesus empfangen habe, zu bezeugen das Evangelium der Gnade Gottes“ (Apg 20,24). Dieses Lebensziel hatte er nun fast erreicht. Der Lauf war vollendet, d. h. zum Abschluss gebracht.

Wir fragen uns, wofür wir laufen? Haben wir – wie Paulus – das Ziel fest vor Augen? Im Alten Testament musste Gott seinem Volk einmal vorwerfen, dass sein Haus wüst lag, während im Volk jeder für sein eigenes Haus lief (Hag 1,9). Es gibt auf dieser Erde viele Dinge, für die wir uns engagieren können. Letztlich ist es eine Frage der Prioritäten. Wollen wir wirklich den christlichen Lauf vollenden und den Dienst erfüllen, den wir vom Herrn empfangen haben? Es lohnt sich!

Den Glauben bewahrt

Den Glauben bewahrt zu haben bedeutet an dieser Stelle nicht nur, dass Paulus fest im Glauben stand. Das tat er ohne Frage. Es bedeutet vielmehr, dass Paulus das anvertraute christliche Glaubensgut bewahrt und weitergegeben hat. Er tat es in Lehre und Praxis. Vor dem Wort „Glaube“ steht im Grundtext ein Artikel. Es geht also nicht so sehr um den Vorgang des Glaubens oder das Glaubensvertrauen, sondern vielmehr um das, was geglaubt wird. Das ist das christliche Glaubensgut (die Glaubenswahrheit). Dieses Glaubensgut wurde damals bereits massiv angegriffen. Etliche waren vom Glauben abgeirrt (1. Tim 6,21). Andere widerstanden der Wahrheit (2. Tim 3,8).

Wie viel mehr gilt die Herausforderung für uns. Wir dürfen dieses Glaubensgut nicht aufgeben, sondern wir bewahren es. Bewahren bedeutet erstens, dass wir es kennen, schätzen und praktisch in unserem Leben verwirklichen. Bewahren bedeutet zweitens, dass wir bereit sind, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen (Jud 3). Das Glaubensgut ist mehr als die gute Botschaft für verlorene Menschen. „Es hat seinen Mittelpunkt in Christus und umfasst die Herrlichkeiten seiner Person und die Größe seines Werkes. Es umfasst die ganze Wahrheit des Christentums“ (H. Smith).

Der Rückblick auf das Leben und den Dienst von Paulus sollte für Timotheus ein Ansporn sein. Für uns ist das nicht anders. Wir sehen zurück auf das Leben und den Dienst von Brüdern und Schwestern, die ihrem Herrn mit vollem Einsatz zur Verfügung gestanden haben. Den „Ausgang ihres Wandels“ anschauend, ahmen wir ihren Glauben nach (Heb 13,7). Aber mehr noch: Wir sehen hin auf „Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete“ (Heb 12,2).

Die Krone der Gerechtigkeit

Vers 8: Fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, die der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tag; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben.

Jetzt lenkt Paulus seinen Blick nach vorn. Er hatte sich in seinem Leben im Dienst für seinen Herrn engagiert. Sein Leben war von Christus ausgefüllt gewesen. Deshalb sah er der Zukunft völlig ruhig entgegen. Er wusste, was ihn erwartete, nämlich die Krone der Gerechtigkeit. Paulus spricht hier nicht direkt von der Herrlichkeit des Himmels oder davon, bei Christus zu sein. Es geht ja um seinen Dienst und darum, Timotheus zum Dienst zu motivieren. Deshalb spricht er von der Krone der Gerechtigkeit – also von Lohn und Vergeltung. Paulus hatte das getan, was er in Kapitel 2,22 gesagt hatte. Er hatte nach der praktischen Gerechtigkeit gestrebt. Er war der „Unterweisung in der Gerechtigkeit“ gefolgt (Kap. 3,16). Jetzt wartete er auf die Krone der Gerechtigkeit. Er wusste, dass sie ihm sicher war.

Wer jetzt in dieser Zeit die Verwerfung des Herrn teilt, seine Rechte aufrechterhält und Ihm dient, wird einmal die Herrlichkeit mit Ihm teilen und die Krone der Gerechtigkeit tragen. „Krone“ bedeutet hier nicht ein Diadem, sondern es geht um einen Siegeskranz. Paulus gebraucht ein Bild, das Timotheus gut verstand. Ein Siegeskranz war damals eine Girlande von Eichen- oder Lorbeerblättern. Auf dieser Erde war das eine vergängliche Ehrenerweisung für siegreiche Kämpfer. Die himmlische Krone hingegen ist unvergänglich (1. Kor 9,25).

An jenem Tag

Diese Krone der Gerechtigkeit lag für Paulus bereit. Das heißt nicht, dass er sie bereits hatte, oder dass er sie unmittelbar nach seinem Abscheiden bekommen würde. Aber sie war ihm sicher. Einmal würde der Augenblick kommen, an dem ihm diese Krone zur Vergeltung gegeben werden würde. Wann würde das sein? Paulus sagt: „an jenem Tag“. Was ist das für ein Tag? Es ist nicht ein 24-Stunden-Tag, sondern ein Hinweis auf den Richterstuhl des Christus und das darauf folgende Reich. Der Lohn für alle Arbeit wird am Richterstuhl des Christus ausgeteilt und im Reich sichtbar werden. Dann hört der treue Diener die Worte seines Herrn: „Wohl, du guter und treuer Knecht! Über weniges warst du treu, über vieles werde ich dich setzen; geh ein in die Freude deines Herrn“ (Mt 25,21). Auch Petrus verbindet den Lohn (die Krone) mit dem Offenbarwerden im Reich. Er schreibt: „Und wenn der Erzhirte offenbar geworden ist, so werdet ihr die unverwelkliche Krone der Herrlichkeit empfangen“ (1. Pet 5,4). Natürlich ist die Gegenwart des Herrn selbst mehr als die Krone. An anderer Stelle spricht Paulus davon, dass er Lust hatte, abzuscheiden, um bei Christus zu sein (Phil 1,23). Dennoch spricht er hier in Verbindung mit dem Dienst von der Belohnung. Wir erinnern uns noch einmal daran, dass wir die Belohnung nicht gering achten dürfen, weil der, der den Lohn gering schätzt, auch den gering schätzt, der den Lohn gibt.

Schon in Kapitel 1,12 hatte Paulus von „jenem Tag“ gesprochen. Dort ging es darum, dass der Herr mächtig ist, das zu bewahren, was der treue Diener hier auf der Erde für Ihn erarbeitet hat. Hier sehen wir, dass der Herr es nicht nur bewahren wird, sondern dass Er an jenem Tag auch für Vergeltung (Lohn) sorgen wird. Alles das, was hier auf der Erde aus Liebe zum Herrn und in Treue getan wird, findet dann seinen gerechten Lohn. Dabei werden nicht die Größe der Aufgabe und die auf der Erde sichtbaren Ergebnisse das Kriterium für den Lohn sein. Als Kriterium nennt Paulus hier, dass wir seine Erscheinung lieben.

Ein gerechter Richter

Die Menschen, in deren Hände Paulus sich befand, hatten für ihn nur ein dunkles Gefängnis und den Tod. Das war alles andere als gerecht. Aber er fühlte sich nicht in der Hand der Menschen, sondern in der Hand seines Gottes (1. Kor 4,3–5). Er wollte alles der Beurteilung des himmlischen Richters überlassen. Das Urteil von Menschen – besonders von Brüdern – ist ganz sicher nicht ohne Belang. Wir sollten es nicht leichtfertig an die Seite schieben. Eigenwilliger und unabhängiger Dienst ist nicht nach den Gedanken des Herrn. Letztlich geht es allerdings darum, wie der Herr die Dinge in unserem Leben beurteilt. Unser menschliches Urteil ist oft einseitig. Es ist kleinlich. Es ist von persönlichen Faktoren beeinflusst. Es ist egoistisch. Das alles gilt für das Urteil des Herrn nicht.

Paulus spricht von dem gerechten Richter. Es gibt nur einen gerechten Richter, der sich von nichts und niemand beeinflussen lässt. Sein Gericht ist absolut gerecht und unbestechlich. Alle seine Gerichte sind wahrhaftig und gerecht (Off 19,2). Bei dem Richter denken wir hier nicht so sehr an einen Richter auf dem Richterstuhl wie in Vers 1. Es geht vielmehr um einen „Schiedsrichter“ oder besser noch „Preisrichter“ bei einem sportlichen Wettkampf.

Seine Erscheinung lieben

Diese Krone bekommen nicht nur die Apostel oder besondere und herausragende Diener des Herrn. Sie liegt allen bereit, die seine Erscheinung lieben. Es geht nicht um eine besondere Begabung, um große und nach außen hin sichtbare Dienste, um eine Führungsposition im Volk Gottes usw. Als Kriterium wird hier genannt, dass wir seine Erscheinung lieben, dass wir auf den Augenblick warten, an dem Er kommt, um hier auf der Erde zu seinem Recht zu kommen. Es geht hier – wie in Vers 1 – nicht um das Kommen des Herrn, um uns zu sich zu nehmen, sondern darum, dass Er sichtbar mit uns auf dieser Erde erscheint. Natürlich warten wir darauf, dass Er kommt, um uns zu entrücken. Sein Kommen für uns geht seiner Erscheinung voraus. Aber hier geht es Paulus um Dienst und um Motivation zum Dienst. Deshalb spricht er von Lohn und darüber, wie dieser Lohn einmal sichtbar werden wird. Aber vor allem spricht er darüber, wie der Herr hier auf der Erde verherrlicht wird. Echter Dienst wird durch die Liebe zu Ihm bestimmt. Deshalb freut sich der Diener auf den Tag, an dem Er auf dieser Erde sichtbar verherrlicht wird. Seine Erscheinung lieben bedeutet nichts anderes, als den zu lieben, dem an jenem Tag auf dieser Erde alle Ehre werden wird. Es stellt sich für jeden von uns die Frage, ob der Gedanke an diesen Augenblick uns wirklich beflügelt, ob wir Gläubige sind, die nicht nur um seine Erscheinung wissen, sondern sie tatsächlich lieben.

Ein Wunsch von Paulus an Timotheus

Vers 9: Befleißige dich, bald zu mir zu kommen.

Mit Vers 9 beginnt der Schlussteil des Briefes. Er enthält eine Reihe persönlicher Mitteilungen, die sowohl Paulus selbst und seine Umstände sowie einige seiner Mitarbeiter betreffen. Es sind letzte Worte eines besonderen Gottesmannes. Sie zeugen einerseits von Schlichtheit und enthalten gleichzeitig noch einmal wichtige Belehrungen für uns.

Paulus befand sich im Gefängnis. Die Umstände waren äußerst unangenehm. Sie ließen ihn nicht gleichgültig, obwohl er nicht darüber klagte. Das erste, was er hier ausdrückt, zeigt, dass er seine Einsamkeit empfand. Er sehnte sich nach Timotheus, weil er sich einsam fühlte. Darüber hinaus war es ganz sicher sein Wunsch, seinem „Kind“ Timotheus noch einige persönliche Worte mit auf den Weg zu geben. Wegen des bevorstehenden Winters und der dadurch verursachten eingeschränkten Reisemöglichkeiten sollte er bald kommen (V. 21). Ja, er sollte sich befleißigen. Fleiß ist eine Eigenschaft, die in der Bibel einen hohen Stellenwert hat, sowohl in geistlichen als auch in natürlichen Dingen. Hier bedeutet das Wort, dass jede mögliche Anstrengung unternommen wird. Anders ausgedrückt sagt Paulus: „Tu dein Bestes und komm, so schnell es eben geht.“

Demas hat mich verlassen

Vers 10: Denn Demas hat mich verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen, Kreszens nach Galatien, Titus nach Dalmatien.

Der Wunsch, Timotheus zu sehen, wurde dadurch verstärkt, dass es Mitarbeiter gab, die Paulus verlassen hatten. Da war Demas, dessen Weggehen ihn besonders schmerzte. Er hatte den Dienst für den Herrn aufgegeben. Andere waren offensichtlich mit einen Auftrag für den Herrn gegangen, und wieder andere – wie zum Beispiel Tychikus – hatte Paulus selbst weggeschickt.

Der Verlust eines Mitarbeiters wie Demas war für Paulus besonders hart. Es ist für einen Diener immer bitter, wenn er von einem Mitarbeiter und Jochgenossen verlassen wird. Demas wird, außer an dieser Stelle, in Philemon 24 und Kolosser 4,14 erwähnt. Viel wissen wir nicht über ihn. Paulus nennt ihn einmal seinen Mitarbeiter (Phlm 24). Hier lernen wir, dass Demas ihn verlassen hatte. „Verlassen“ bedeutet nicht einfach weggehen, sondern schließt ein, dass man jemand „im Stich“ lässt und ihn auf diese Weise enttäuscht. Genau das hatte Demas getan.

Es heißt nicht, dass Demas Christus verlassen oder den christlichen Glauben aufgegeben hatte. Aber der Zusatz, dass er den jetzigen Zeitlauf lieb gewonnen hatte, zeigt, dass es ein verkehrter Weg war, den Demas ging. War ihm der Dienst zu mühsam geworden? War er nicht bereit, die Schmach des Christus zu tragen? Wir wissen es nicht. Jedenfalls lockte ihn der jetzige Zeitlauf. Die Liebe zu dem gegenwärtigen Zeitlauf war bei Demas größer als die Liebe zu Christus. Es ist denkbar, dass Paulus hier einen Gegensatz zu der Aussage im vorherigen Vers aufzeigt, wo von denen die Rede ist, die seine Erscheinung lieben. Das war bei Demas offenbar nicht so.

In Galater 1,4 lesen wir, dass Jesus Christus sich für unsere Sünden hingegeben hat, um uns aus der gegenwärtigen bösen Welt – das ist der Zeitlauf dieser Welt – herauszunehmen nach dem Willen unseres Gottes und Vaters. Wie können wir als Kinder unseres Gottes dahin zurückgehen, wo wir hergekommen sind? Demas hatte offensichtlich nicht bedacht, dass er nicht mehr zu dieser Welt gehörte. Der Christ hat sein Bürgertum in den Himmeln. Unsere Segnungen gehören nicht zu dieser Erde. Wir sind himmlische Menschen – obwohl wir noch auf dieser Erde leben. Man kann nicht gleichzeitig im Himmel und auf der Erde seine wirkliche Heimat haben – damals nicht und heute nicht. Entweder leben wir mit Christus und für Christus, oder wir lieben den gegenwärtigen Zeitlauf. Beides ist nicht zeitgleich möglich.

Kreszens und Titus

Kreszens wird nur an dieser Stelle erwähnt. Gott hat es nicht für gut befunden, uns mehr über diesen Mann zu sagen. Aber sein Werk ist Ihm bekannt und wird nicht vergessen. Das mag eine Ermutigung für Diener sein, die von und bei Menschen „unbekannt“ sind. Bei Gott ist jedenfalls keiner unbekannt, der sich für seine Sache interessiert und engagiert.

Titus war – wie Timotheus – ein enger Mitarbeiter von Paulus, den er mit besonderen Aufgaben betrauen konnte. Die beiden haben offensichtlich nie zusammen gearbeitet. Dennoch kannten sie einander, und es gibt nicht den geringsten Hinweis, dass zwischen ihnen eine wie auch immer geartete „Rivalität“ bestanden hätte. Paulus erwähnt Titus hier, damit Timotheus wusste, wo er sich befand. Das Interesse für die Aufgaben und Tätigkeitsfelder anderer Diener Gottes sollte bei uns nie fehlen. Wir sollen daran Anteil nehmen und füreinander beten.

Lukas – nicht allein gelassen

Vers 11: Lukas ist allein bei mir. Nimm Markus und bring ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst.

Lukas war von Geburt Grieche und von Beruf Arzt. Paulus nennt ihn an anderer Stelle nicht ohne Grund den „geliebten Arzt“ (Kol 4,14). Ganz gewiss war er von Gott geliebt. Aber auch Paulus liebte ihn. Darüber hinaus ist es gut möglich, dass er von allen, die mit ihm zu tun hatten, geliebt wurde. Dieser treue Diener und Weggefährte war in den letzten Tagen seines Lebens allein bei Paulus. Seine Gegenwart und Liebe taten Paulus gut. Er war offensichtlich ein Mann mit einem weiten Herzen, voll geistlichen Mitgefühls und tiefer Hingabe an den Herrn und an seine Sache.

Markus – kein hoffnungsloser Fall

Paulus wollte Markus bei sich haben. Es handelt sich um Johannes Markus, den Neffen des Barnabas. Seine Geschichte wird in der Apostelgeschichte erwähnt. Er war mit Paulus und Barnabas auf Missionsreise gegangen (Apg 12,25), hatte die beiden dann aber verlassen. Später wollte Barnabas seinen Neffen erneut mitnehmen, was Paulus ablehnte. Er hielt ihn nicht für geeignet für den Dienst. Leider entstand zwischen Paulus und Barnabas, diesen beiden begnadeten Dienern des Herrn, aus diesem Grund eine Erbitterung, so dass sie fortan getrennte Wege gingen (Apg 15,39). Über den weiteren Dienst des Barnabas schweigt die Bibel. Paulus nennt seinen Namen allerdings einige Male, ohne dass irgendeine bleibende Verbitterung zu spüren ist (z. B. 1. Kor 9,6). Markus wird in Kolosser 4,10 erneut erwähnt und „Neffe des Barnabas“ genannt. Offensichtlich hatte Markus sich geändert. Paulus lässt Grüße von ihm ausrichten und gibt den Kolossern bestimmte Hinweise, die diesen Diener des Herrn betrafen. Der Apostel Petrus nennt ihn sogar seinen „Sohn“ (1. Pet 5,13). Offenbar bestand zwischen Petrus und Markus ein besonderes Verhältnis. Hier nun erwähnt Paulus ihn und fügt hinzu, dass er ihm zum Dienst nützlich sei. Aus dem einst unnützen Diener war ein nützlicher und brauchbarer Diener geworden. Das gleiche Wort wird für den entlaufenen Sklaven Onesimus gebraucht. Paulus schreibt an Philemon, dass er einst unnütz war, „jetzt aber dir und mir nützlich“ (Phlm 11).

Das Beispiel von Markus zeigt, dass es bei Gott keine hoffnungslosen Fälle gibt. Was mit Markus geschehen war, kann nur die Gnade tun. Sein Fehler war offenkundig geworden, aber ebenso seine Wiederherstellung. Für Paulus muss das eine besondere Ermunterung gewesen sein. Er macht hier nicht die geringste Anspielung auf seine Vergangenheit. Im Gegenteil: Er gibt ihm eine besondere Auszeichnung, von der wir lernen können. Gott möchte, dass wir alle nützlich zum Dienst sind. Bei Markus ging das so weit, dass er schließlich von Gott berufen wurde, das Evangelium des vollkommenen Dieners – das Markus-Evangelium – zu schreiben.

Tychikus – ein geliebter und treuer Bruder

Vers 12: Tychikus aber habe ich nach Ephesus gesandt.

Tychikus war ein weiterer Weggefährte des Paulus, der uns einige Male im Neuen Testament begegnet. In Epheser 6,21 nennt Paulus ihn einen geliebten Bruder und treuen Diener im Herrn. In Kolosser 4,7 heißt es von ihm, dass er ein geliebter Bruder und treuer Diener und Mitknecht in dem Herrn war. Es lohnt sich, über solche Auszeichnungen nachzudenken.

Der Gebrauch des Wortes „aber“ deutet einen Gegensatz an. Es ist möglich, dass Kreszens und Titus aufgrund eines eigenen Entschlusses gegangen waren, während Tychikus ausdrücklich von Paulus nach Ephesus gesandt wurde. In Titus 3,12 wird Tychikus ebenfalls von Paulus gesandt. Dort ging er nach Kreta. Jetzt sollte er eine Aufgabe in Ephesus erfüllen. Offenbar war er ein brauchbarer und treuer Mann, der an unterschiedlichen Orten eingesetzt werden konnte. Obwohl alle in Asien Paulus verlassen hatten (Kap 1,15), änderte das nichts an der Liebe des Paulus zu seinen Geschwistern in Asien, wovon Ephesus ein Teil war. Er hatte die Gläubigen dort nicht aufgegeben. Es spricht für das besondere Vertrauen, das Paulus in Tychikus setzte, dass er gerade ihn dorthin sandte. Es war bestimmt keine ganz einfache Mission für diesen Diener des Herrn.

Irdische Bedürfnisse

Vers 13: Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bring mit, wenn du kommst, und die Bücher, besonders die Pergamente.

Paulus spricht in seinen Briefen von den höchsten geistlichen Segnungen, die uns geschenkt sind. Aber er spricht – unter der Leitung des Heiligen Geistes – genauso über einen Mantel, den er in Troas zurückgelassen hatte. Gott ist ein Gott, der für die geistlichen und für die irdischen Bedürfnisse der Seinen sorgt. Ihm ist nichts zu groß und nichts zu klein. Der Mantel war wahrscheinlich ein Übergewand, das Paulus im Gefängnis gegen die Kälte des Winters gut gebrauchen konnte.

Paulus erwähnt Bücher und Pergamente. Timotheus wird gewusst haben, was er damit konkret verband. Wir wissen nicht genau, welche Bücher und Pergamente es waren. Offensichtlich hatten sie für Paulus einen besonderen Wert. Einige Ausleger denken, dass es sich bei den Büchern um Abschriften des Alten Testaments handelte. Es können aber ebenso andere Bücher gewesen sein, die Paulus lesen wollte. Pergamente können möglicherweise leere Blätter gewesen sein, auf denen Paulus schreiben wollte. Andere Ausleger erwähnen die Möglichkeit, dass es Papiere waren, die Paulus für seine anstehende Gerichtsverhandlung brauchte. Um was genau es sich handelte, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Letztlich ist das nicht entscheidend.

J. N. Darby wurde einmal gefragt, ob ihm wohl etwas fehlen würde, wenn dieser Satz nicht in der Bibel stünde. Seine Antwort lautete etwa wie folgt: „Ich hätte ganz gewiss etwas verloren, denn dieser Vers hielt mich einmal davon ab, meine Bibliothek zu verkaufen. Jedes Wort der Bibel, darauf kann man sich verlassen, ist vom Geist eingegeben und von ewigem Wert.“

Widerstand

Verse 14.15: Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erwiesen; der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken. Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden.

Jetzt kommt Paulus auf einen Mann zu sprechen, der ihm große Mühe bereitete und vor dem er Timotheus warnen wollte. Wer dieser Alexander war, können wir nicht mit Gewissheit sagen. Es ist denkbar, dass es der gleiche Mann ist, der in 1. Timotheus 1,20 oder Apostelgeschichte 19,33 erwähnt wird. Es ist genauso gut möglich, dass es jemand anderes war. Der Name Alexander war in der damaligen Zeit relativ populär. Paulus nennt hier seinen Beruf, so dass es für Timotheus eindeutig klar war, wen er meinte.

Es ist ebenfalls nicht ganz klar, ob dieser Alexander in Rom oder in Ephesus lebte. Es spricht einiges dafür, dass er sich in Ephesus befand, weil Paulus Timotheus vor ihm warnt. Andererseits spricht er davon, dass dieser Alexander seinen Worten sehr widerstanden hatte. Das könnte auf den Aufenthaltsort Rom schließen lassen, es sei denn, Paulus bezieht sich auf die Zeit, in der er selbst in Ephesus gewesen war.

Alexander war offensichtlich kein Irrlehrer. Es wird auch nicht gesagt, dass er die Welt lieb gewonnen hatte oder Ähnliches. Es scheint jedenfalls jemand gewesen zu sein, der sich Paulus widersetzt hatte. Wenn es der Alexander aus 1. Timotheus 1,20 ist, könnte die Feindschaft daraus resultieren, dass Paulus ihn dem Satan überliefert hatte.

Alexander hatte Paulus viel Böses erzeigt. Diesen Ausdruck kann man auch übersetzen: Er hat mich „böse verklagt“. Daraus schließen einige Ausleger, dass er während der Gerichtsverhandlung gegen Paulus ausgesagt oder gar Anklage gegen ihn erhoben hatte.

Personen wie diesen Alexander gibt es bis heute im Volk Gottes. Zum einen denken wir an Menschen, die gerade den Worten und der Lehre des Paulus widersprechen. Zum andern denken wir an Menschen, deren Widerstand sich nicht so sehr gegen das richtet, was gesagt wird, sondern vielmehr gegen die Brüder und Schwestern, die es sagen. Für solche ist nicht so entscheidend, was gesagt wird, sondern wer es sagt. Die Gründe sind oft persönlicher Natur. Eine derartige Verhaltensweise ist fleischlich und muss abgelehnt werden.

Paulus reagierte auf das Verhalten von Alexander sehr besonnen. Er vergalt nicht Gleiches mit Gleichem. Der Widerspruch war offensichtlich persönlicher Natur. Deshalb überließ er diese Anklage seinem Gott. Er übergab sich – wie sein Herr – dem, der gerecht richtet (1. Pet 2, 23). Aber Timotheus musste auf der Hut sein. Offensichtlich rechnete Paulus damit, dass sich der Widerstand gegen ihn auf Timotheus übertragen würde. Deshalb sollte er sich vor ihm hüten, d. h., er sollte aufpassen und sich wachsam fernhalten. So gibt es bis heute im Volk Gottes Menschen, vor denen wir uns in dieser Weise in Acht nehmen müssen.

Vor dem Kaiser in Rom

Vers 16: Bei meiner ersten Verantwortung stand mir niemand bei, sondern alle verließen mich; es werde ihnen nicht zugerechnet.

Paulus war bereits einmal vor dem Kaiser Nero in Rom erschienen. Dieser war für seine Grausamkeit bekannt. Vor Gericht musste Paulus sich mündlich verteidigen (vgl. auch Phil 1,7) und bei dieser Verteidigung stand ihm niemand bei. Die römische Justiz erlaubte, dass ein Angeklagter einen Bekannten oder Freund mit zum Prozess bringen konnte, um vor Gericht als Zeuge für ihn zu plädieren und ihm auf diese Weise beizustehen. Niemand hatte für Paulus das Wort ergriffen. Ganz allein stand er vor Gericht. Paulus erlebte hier, was große Gottesmänner im Alten Testament ebenfalls erlebt hatten. Einem Daniel stand niemand bei, als er in die Löwengrube geworfen wurde. Einem Jeremia stand niemand bei, als man übel mit ihm umging. Aber ganz besonders traf das auf unseren Herrn zu, dessen Nachahmer Paulus war. Als Er zu Unrecht angeklagt wurde, verließen Ihn die Jünger alle und flohen (Mk 14,50). Nur zwei waren Ihm von ferne gefolgt, und als die Stunde der Entscheidung nahte, hatte Petrus Ihn sogar verleugnet. Diese letzte Erfahrung blieb Paulus erspart. Dennoch wird es ihn sehr geschmerzt haben, dass er ganz allein vor Gericht erscheinen musste. Wie mag er sich nach einem Tröster und Fürsprecher gesehnt haben. Obwohl Paulus das empfunden hatte, fand sich kein Groll in seinem Herzen. Er beklagte sich nicht. Er wusste, dass einer immer bei ihm war.

Der Herr stand mir bei

Vers 17: Der Herr aber stand mir bei und stärkte mich, damit durch mich die Predigt vollbracht würde und alle die aus den Nationen hören möchten; und ich bin gerettet worden aus dem Rachen des Löwen.

Paulus erlebte – wie damals die Freunde Daniels im feurigen Ofen Nebukadnezars – den unmittelbaren Beistand seines Herrn. Er erfuhr die Wahrheit der Worte: „Und der Herr, er ist es, der vor dir herzieht; er selbst wird mit dir sein, er wird dich nicht versäumen und dich nicht verlassen; fürchte dich nicht und erschrick nicht!“ (5. Mo 31,8). Der Herr war mit seiner Gegenwart bei ihm. Das war Trost und Ermutigung für Paulus.

Aber mehr noch: Der Herr hatte ihn gestärkt. Es war nicht seine eigene Kraft, sondern die Kraft des Herrn. Der Ausdruck bedeutet wörtlich, dass der Herr ihm Kraft einflößte. Am Anfang des Dienstes von Paulus wird gerade dieses Wort gebraucht. Dort heißt es: „Saulus aber erstarkte umso mehr und brachte die Juden, die in Damaskus wohnten, in Verwirrung, indem er bewies, dass dieser der Christus ist“ (Apg 9,22). Am Anfang wie am Ende stand Paulus Kraft zur Verfügung, um ein mächtiger Wortzeuge seines Herrn zu sein. Der ganze Dienst von Paulus war von dieser Kraft und Stärke begleitet. Er glich einem Kaleb, der am Ende seines Lebens sagen konnte, dass er selbst als alter Mann noch so stark war wie an dem Tag, an dem Mose ihn als Kundschafter ausgesandt hatte (Jos 14,11). Das ist die erhaltende Kraft Gottes, die dem Diener immer zur Verfügung steht.

Paulus berichtet keine Einzelheiten über seine Verteidigung, sondern redet von der Predigt, die vollbracht werden sollte. Nicht die Ankläger waren die Aktiven, sondern Paulus. Er befand sich nicht in der Defensive, sondern in der Offensive. Der Kampf im Evangelium war noch nicht zu Ende. Paulus hatte – wie so oft – gepredigt und das Wort verkündigt. Im Zentrum seiner Botschaft stand immer Christus als der gekreuzigte und verherrlichte Herr, in dem allein Vergebung der Sünden zu finden ist.

Gott benutzte diese Gelegenheit, um vor einem heidnischen Publikum gesellschaftlich und politisch hochstehender Menschen das Evangelium verkündigen zu lassen. Erneut beweist sich, dass unsere Verlegenheiten Gottes Gelegenheiten sind. Bei der ersten Gefangenschaft von Paulus war das nicht anders gewesen (vgl. Phil 1,13; 4,22). Die Predigt sollte vollbracht werden. Am Anfang des Kapitels hatte Paulus Timotheus aufgefordert, das Wort zu predigen. Er sollte wie ein Herold die Botschaft dessen weitersagen, der ihn gesandt hatte. Auf diese Weise sollte er seinen Dienst vollführen (V. 5). Hier benutzt Paulus denselben Ausdruck in Bezug auf sich selbst. Die Predigt sollte vollbracht oder vollführt werden. Paulus war bis zum letzten Augenblick ein Vorbild für seinen jüngeren Mitarbeiter.

Gerettet aus dem Rachen des Löwen

Paulus wusste, dass er sich selbst nicht retten konnte. Doch er wusste sich in der Hand dessen, der die Macht hatte, ihn retten zu können. Paulus spricht jetzt von dem Rachen des Löwen. Es ist klar, dass dieses Bild ein Ausdruck der Gewalt und der Macht ist. Was Paulus genau meint, bleibt jedoch offen. Der Rachen des Löwen ist an manchen Stellen ein Bild des Todes (vgl. z. B. Ps 22,22; Dan 6,23). Wenn Paulus hier an den Tod dachte, dann liegt darin der Gedanke, dass er bis dahin noch nicht zum Tod verurteilt worden war. Der Löwe ist an anderen Stellen ein Bild vom Teufel. Besonders deutlich wird das in 1. Petrus 5,8. Petrus spricht davon, dass der Teufel umhergeht wie ein Löwe, um Opfer zu suchen, die er verschlingen kann. Der Teufel tritt eben nicht nur mit der List einer Schlange auf, sondern auch als brüllender Löwe. Wenn Paulus darauf anspielt, dann war das Werkzeug des Teufels in diesem Fall Nero. Die Rettung aus dem Rachen des Löwen deutet dann den Aufschub an, der ihm gewährt wurde. Aber der Prozess würde weitergehen. Der Löwe mag also ein Hinweis auf Nero oder auf den Teufel sein, der dahintersteckte. Es mag aber auch einfach der Hinweis auf die Todesgefahr sein, in der Paulus stand. Was man wohl mehr oder weniger ausschließen kann, ist der manchmal geäußerte Gedanke, dass Paulus an die Löwen in der römischen Arena gedacht hat.

Gerettet und bewahrt

Vers 18: Der Herr wird mich retten von jedem bösen Werk und bewahren für sein himmlisches Reich; dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Paulus wusste sehr wohl, dass sein Tod nahe bevorstand (V. 6). Er musste damit rechnen, sein Leben als Märtyrer zu geben. Angesichts dieser Tatsache war er dennoch völlig ruhig. Er wusste sich in der Hand seines Herrn. Seine Zuversicht erinnert an die Aussage aus Psalm 121,7, wo der Psalmdichter sagt: „Der Herr wird dich behüten vor allem Bösen, er wird behüten deine Seele.“

Ein „böses Werk“ ist ein Verderben bringendes Werk. „Retten“ bedeutet hier wie in Vers 17 (vgl. Kap. 3,11), jemand aus einer Gefahrenzone zu ziehen. „Bewahren“ bedeutet in Sicherheit bringen. Einige Ausleger denken, dass Paulus hier die Zuversicht äußert, dass er vor jedem bösen Werk bewahrt werden wird, das seine Feinde gegen ihn ersinnen könnten. Wenn die Aussage so zu interpretieren ist, dann wäre selbst der Märtyrertod eine Rettung, und zwar in dem Sinn, dass er ihn zu seinem Herrn bringen würde. Da Paulus jedoch seinen Tod sicher vor Augen sah, scheint die Bedeutung der Aussage vielmehr darin zu liegen, dass der Herr ihn vor allem bewahren würde, was in seinen letzten Lebenstagen das Zeugnis für Ihn beeinträchtigen könnte. Der Herr würde ihn davor bewahren, vor Gericht ängstlich zu sein oder Ihn gar zu verleugnen. Wenn das die Bedeutung ist, dann spricht Paulus hier also von möglichen bösen Werken, die von ihm selbst hätten begangen werden können, und nicht von Bösem, das man ihm hätte antun können. Das hätte zum Beispiel ein Versagen im Blick auf die Predigt sein können.

Das himmlische Reich ist das himmlische „Königreich“. Das ist nichts anderes als das kommende Reich in Macht und Herrlichkeit (das Tausendjährige Reich). Dabei steht nicht der irdische Teil dieses Reiches im Vordergrund, sondern der himmlische. Petrus spricht von einem reichlichen Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus (2. Pet 1,11). Das ist der himmlische Teil des Reiches. Dieser Eingang war Paulus sicher. Es ist das Reich des „Herrn“, d. h., der Bereich, in dem seine Autorität anerkannt werden wird. Es ist aber für den Gläubigen gleichzeitig nichts anderes als das Reich des Sohnes der Liebe des Vaters (Kol 1,13). Wenn es um die Seite Gottes geht, ist dieses Reich jedem sicher, der neues Leben hat (Joh 3,5). Wenn es um unsere Seite geht, ist der Eingang in dieses Reich mit Verantwortung verbunden.

Dann folgt ein bemerkenswerter Lobpreis, den wir in ähnlicher Form in den Schriften von Paulus wiederholt finden: „Dem die Herrlichkeit sei von Ewigkeit zu Ewigkeit!“ Die griechische Sprache kennt keinen stärkeren Ausdruck für Ewigkeit als diesen. Es geht um die Ewigkeit nach der Zeit. Diesem Herrn, der seine Diener in dieser Zeit zu bewahren vermag, sei Herrlichkeit in alle Ewigkeit. Es geht nicht um unseren Verdienst, sondern um das, was der Herr tut.

Gute Freunde

Vers 19: Grüße Priska und Aquila und das Haus des Onesiphorus.

Dieser Vers deutet an, dass Timotheus sich immer noch in Ephesus befand, denn dort wohnte Onesiphorus (Kap. 1,16–18), und dort waren Priska und Aquila.

Priska und Aquila waren ein Ehepaar, das Paulus nicht vergaß. Es waren treue Wegbegleiter des Paulus gewesen, die uns an verschiedenen Stellen im Neuen Testament begegnen. Paulus erwähnt sie insgesamt sechsmal (Apg 18,2.18.26; Röm 16,3; 1. Kor 16,19; 2. Tim 4,19). Die beiden scheinen wohlhabende Juden gewesen zu sein, die an mehreren Orten gelebt und gearbeitet haben (Rom, Korinth, Ephesus). Sie standen bis in die letzten Tage hinein treu zu ihm. Timotheus sollte nicht vergessen, ihnen einen Gruß auszurichten. Über das Haus des Onesiphorus hatte Paulus bereits in Kapitel 1,16 lobende Worte gefunden.

Erastus und Trophimus

Vers 20: Erastus blieb in Korinth; Trophimus aber habe ich in Milet krank zurückgelassen.

Paulus war trotz seiner Gefangenschaft darüber im Bild, wo sich seine Weggefährten aufhielten. Erastus wird – wenn es dieselbe Person ist – in Römer 16,23 erwähnt. Neben seiner Berufstätigkeit – er war Stadtkämmerer – wird von ihm weiter nichts berichtet, außer dass er in Korinth geblieben war, weil er dort offensichtlich eine Aufgabe zu erfüllen hatte. Tüchtige Leute im Werk des Herrn haben sich in aller Regel zuerst als tüchtige Leute in ihrem irdischen Beruf erwiesen. Ein zweites Mal finden wir ihn in Apostelgeschichte 19,22 als einen Diener von Paulus.

Trophimus wird in Apostelgeschichte 20,4 und 21,29 erwähnt. Er war einer der Reisebegleiter von Paulus gewesen. Offensichtlich hatte er sich in Ephesus bekehrt und war dann mit Paulus gegangen. Die äußeren Gegebenheiten hatten dazu geführt, dass Paulus ihn krank in Milet zurücklassen musste. Dieser Umstand ist insofern bemerkenswert, als dass Paulus – obwohl er die Gabe der Krankenheilung besaß – diese Gabe nicht benutzt hatte, um Trophimus gesund zu machen. Trophimus war nicht der einzige Mitarbeiter von Paulus, der krank wurde. In Philipper 2,25–28 spricht Paulus von Epaphroditus, der ebenfalls todkrank gewesen war. Auch ihn hatte Paulus nicht gesund gemacht. Wundergaben waren Zeichen für Ungläubige, um das Evangelium in einer Zeit zu unterstützen, in der das Wort Gottes noch nicht vollendet war. Gläubigen gegenüber wurden sie im Allgemeinen nicht benutzt. Wir müssen davon ausgehen, dass im Regelfall heute diese Gabe nicht mehr gefunden wird und ganz sicher nicht in ihrer Anwendung auf Gläubige. Manchmal wird in diesem Zusammenhang auf Jakobus 5,14–16 verwiesen. Der Zusammenhang des Abschnitts macht aber klar, dass es sich dort um Fälle handelt, in denen Gott Krankheit als Zucht für begangene Sünden schickt. Das scheint bei Trophimus nicht der Fall gewesen zu sein. Darüber hinaus ist der Weg der Heilung im Jakobusbrief nicht irgendeine besondere Gabe der Krankenheilung, sondern das Bekenntnis der Sünde und das Gebet des Glaubens. Es geht in Jakobus 5 nicht um die Ausübung der Gabe der Heilung, sondern um das Gebet.

Vor dem Winter

Vers 21: Befleißige dich, vor dem Winter zu kommen. Es grüßt dich Eubulus und Pudens und Linus und Klaudia und die Brüder alle.

Paulus schiebt hier in die Grüße eine kleine Einzelheit ein, die Gott nicht gleichgültig ist. Er hatte schon über den Mantel und die Bücher geschrieben. Jetzt erwähnt er die Jahreszeit. Timotheus sollte sich befleißigen, vor dem Winter zu kommen. Im Winter konnte man nicht gut reisen. Das ist vermutlich der Grund, warum er vorher kommen sollte.

Unbekannt und doch genannt

Es folgen drei Namen, die uns an keiner anderen Stelle im Neuen Testament begegnen und von denen wir folglich nichts Weiteres wissen. Dennoch waren die Namen für Paulus wichtig. Wir lernen daraus, dass unserem Gott jeder wichtig ist, der sich im Reich Gottes einbringt. Die Grüße zeigen eine besondere Wertschätzung. Sie sind nicht gering zu achten.

Schlussworte

Vers 22: Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist! Die Gnade sei mit euch!

Mit diesen Worten schließt der Apostel Paulus sein Vermächtnis an sein Kind Timotheus. Dieser Abschluss unterscheidet sich von allen anderen „Schlussformeln“ in den Briefen von Paulus. Die meisten Briefe enden mit dem Wunsch, dass die Gnade des Herrn Jesus Christus mit den Briefempfängern sein sollte. In Galater 6,18, Philipper 4,23 und Philemon 25 wird gesagt, dass die Gnade des Herrn Jesus Christus mit dem Geist der Briefempfänger sei. Auch in unserem Brief erinnert Paulus an die Gnade, aber zuerst schreibt er: „Der Herr Jesus Christus sei mit deinem Geist!“ Diese Formulierung findet sich in dieser Form in keinem anderen Brief. Sie ist insofern einzigartig.

Paulus hatte in seinem Brief daran appelliert, dass Timotheus im Dienst für seinen Herrn nicht nachlassen sollte. Er sollte die Gnadengabe anfachen (Kap. 1,6). Er sollte seinen Dienst vollführen (Kap. 4,5). Paulus hatte in diesem Brief vor der negativen Entwicklung innerhalb des christlichen Bekenntnisses gewarnt. Aber Paulus hatte gleichzeitig immer wieder an die Hilfsquellen erinnert, die dem Diener in den letzten Tagen unverändert zur Verfügung stehen. Insbesondere hatte er immer auf den Herrn Jesus hingewiesen, in dem allein Kraft für jeden Dienst zu finden ist. Darauf kommt er jetzt in seiner Schlussaussage noch einmal zurück. Er wünscht, dass der Herr Jesus Christus mit dem Geist des Timotheus sei.

Es ist hier nicht der Charakter des Heilandes, der vor uns kommt, sondern es ist „der Herr Jesus Christus“. Es gibt nur einen Herrn, dem alle Autorität und Macht gehört. Es gibt nur Einen, dem wir dienen, dem wir folgen und dem wir Gehorsam schulden. Aber dieser „Herr“ war einst in Niedrigkeit als „Jesus“ auf dieser Erde, um zu leiden und zu sterben. Für die Menschen ist Er immer noch der verachtete „Jesus von Nazareth“, auf dessen Seite wir jetzt stehen und mit Ihm leiden. Aber für uns ist Er der „Christus“. Er ist der, den Gott zu seiner Rechten erhoben und mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt hat.

Dieser Herr Jesus Christus sollte mit dem Geist des Timotheus – und damit mit unserem Geist – sein. Es geht nicht nur darum, dass Diener Gottes in der Lehre richtig stehen oder sich in ihrem äußeren Erscheinungsbild von den Menschen dieser Welt (einschließlich der Namenschristen ohne Leben aus Gott) unterscheiden. Es geht darum, dass der Diener in einem guten inneren Zustand ist. Hier werden nicht die Seele oder der Leib angesprochen, sondern der Geist. In 1. Thessalonicher 5,23 ist die Rede davon, dass unser ganzer Geist, Seele und Leib untadelig bewahrt wird. Das bleibt wahr. Aber hier liegt der Schwerpunkt auf dem Geist. Wir brauchen in den letzten Tagen eine klare geistliche Orientierung auf den Herrn Jesus hin.

Dazu benötigen wir alle zusammen göttliche Gnade. Es wird hier nicht gesagt, wer die Quelle der Gnade ist. Es ist nicht von der Gnade Gottes oder der Gnade des Herrn Jesus Christus die Rede, sondern einfach von Gnade. Es ist ohne Frage göttliche Gnade. „Die Gnade sei mit euch!“ Gnade ist unverdiente Zuwendung Gottes an uns Menschen. Es ist interessant, dass Paulus im letzten Satz von der persönlichen Anrede auf die kollektive Anrede wechselt. Offensichtlich ging er davon aus, dass dieser Brief nicht nur eine Botschaft für Timotheus hatte, sondern dass der Brief ebenso von anderen gelesen werden würde. Diese Gnade brauchte Timotheus. Diese Gnade brauchen alle, die in den letzten Tagen treu im Dienst für ihren Herrn stehen möchten und für die das geistliche Vermächtnis des Paulus immer noch ein Appell zur Hingabe und zum Dienst ist.

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