Botschafter des Heils in Christo 1854
Die Heiligen nach dem Wort Gottes
Die Überlieferungen sind in jeder Zeit für die Kirche ein großer Schaden gewesen. Rom hat stets in ihnen die schärfste Waffe gefunden das einfache Gottes Wort zu entstellen und zu verdrängen; und der Protestantismus, obschon mit Rom gebrochen, hat durch die Reformation nicht alles verworfen, was von dort herstammt. Vielmehr sind eine Menge Lehrsätze, Gewohnheiten, Formeln und Redensarten beibehalten worden, welche nichts, als eine Mitgift des Papsttums sind; und auch hier finden wir nicht weniger Eiferer für die Überlieferungen ihrer Väter, ohne ernstlich zu prüfen, ob und bis zu welchem Punkt dieselben in dem Wort Gottes, dieser allein untrüglichen Regel, einen Grund finden; – und wehe allen, welche sich in ihrem Gewissen verpflichtet fühlen, solch menschliches Joch abschütteln, und an dem Zeugnis des Wortes Gottes festhalten zu müssen. Aber es bleibt wahr: die Überlieferungen haben beständig das einfache Schriftwort geschwächt, und die Kinder Gottes ihrer Vorrechte in Christus beraubt; und bis zu unseren Zeiten gilt die Warnung des Apostels: „Seht zu, dass euch niemand beraube durch die Philosophie und losen Trug nach der Menschenüberlieferung, nach den Anfangsgründen der Welt und nicht nach Christus“ (Kol 2,8).
In der Tat, teure Brüder, wir können nicht zu sehr auf unserer Hut sein, denn wir leben inmitten der Überlieferungen; sie sind so zu sagen, die Luft, welche wir einatmen. Hier einige wenige Beispiele. Beinahe alle Begriffe von Kirche sind nur Überlieferungen, die dem Wort widersprechen. Wo lesen wir etwas von einer sichtbaren und unsichtbaren, wo etwas von einer triumphierenden Kirche? Wo finden wir so genannte, vom Staat abhängige National– und Volkskirchen? oder solche, die sich nach bestimmten Personen oder nach besonderen Lehrpunkten benennen? Wo lesen wir von Kirchen nach menschlichen Ordnungen, wo die Freunde des Formwesens über Einteilung von Geistlichkeit und Laien, über die so genannte apostolische Amtsnachfolge, über die Notwendigkeit einer Einsegnung oder Einsetzung der Prediger oder Hirten oder Lehrer, sei es durch eine Regierung, sei es durch eine Körperschaft, sei es durch ein Presbyterium? Wo finden wir die Konfirmation der Kinder, die Einsegnung der Ehe durch Priester? Sind nicht alles menschliche Überlieferungen, zu denen noch die gehören, welche sich auf den Gottesdienst beziehen, der bei dem größten Teile der Christen in einer willkürlichen Form besteht? Wo endlich fordert das Wort Gottes auf, um die Ausgießung des Heiligen Geistes über die Kirche zu bitten, als wenn die Kirche Ihn nicht schon empfangen hätte und als ob es noch ein neues Pfingstfest gäbe? Wo die Kirche ist, da ist der Heilige Geist; wo dieser fehlt, da ist auch keine Kirche.
Man hat Überlieferungen über den Sonntag, als ob er ein jüdischer Sabbat wäre; – Überlieferungen über das Gesetz, unter dessen Joch man beständig die Befreiung des Herrn zu stellen sucht, wählend man die bestimmten Weisungen des Evangeliums verachtet; – Überlieferungen über die Ankunft und Erscheinung des Herrn, welche Einige mit dem Tod verwechseln, andere eine geistige Ankunft nennen. – Genug, wer vermöchte alle die Einfälle aufzuzählen, welche man an die Stelle der Gedanken Gottes gesetzt hat, und wodurch so viele unbefestigte Christen verirrt und verarmt sind! Doch Gott sei Dank! Viele dieser menschlichen Erfindungen sind in der letzten Zeit als solche bezeichnet worden, – und die Wahrheit in Christus, die noch vor kurzem über manchen Lehrpunkt unter dem Scheffel war, ist klar verkündigt und aufgerichtet. Lasst uns jedoch, meine Brüder, noch einige andere dieser Irrtümer berühren, und sie in dem Schmelztiegel der Schrift läutern. Wir beginnen unsere Untersuchung mit dem einzelnen Menschen beigelegten Worte „heilig,“ – einem Schriftausdruck, der zu den verworrensten Ansichten Anlass gegeben hat.
Oft liest man die Ausdrücke: Der heilige Johannes, der heilige Petrus, der heilige Paulus, der heilige Hyronimus, der heilige Augustin, der heilige Bernhard; und es könnte die Frage entstehen, warum man nicht auch sagt: Der heilige Abraham, der heilige Mose, der heilige Samuel, der heilige Jesajas, der heilige Luther, der heilige Calvin usw.? Sind diese etwa weniger heilig als jene? Welche Verwirrung der Begriffe! Erinnert uns nicht dieses mit einem Menschennamen verbundene Wort „heilig“ an die päpstliche Kanonisierung, d. h. an die Heiligsprechung eines Verstorben durch den Papst? Und sind diese Heiligen nicht eine besondere Klasse von Personen, wovon die armen römischen Katholiken glauben, dass deren Hilfe, Fürbitte, Dienste einen beinahe göttlichen Beistand litten könnten?
Doch richten wir uns selbst. Wir begeben denselben Fehler wenn wir sagen: Heiliger Matthäus, heiliger Lukas, heiliger Johannes, heiliger Paulus, heiliger Petrus usw. Haben wir doch keinen ähnlichen Ausdruck in der Schrift, und es ist immer schlimm, weiser als das Wort sein zu wollen. Wir erkennen dadurch immer eine besondere Art von Heiligen an und ahmen daher denjenigen nach, die auf die Verneinung des allgemeinen Priestertums der Christen, einen besonderen Priesterstand errichtet haben, – oder doch Auen Wenigsten denjenigen, welche das allgemeine Priestertum immer in dem Fall annehmen, dass es durch einige dazu bezeichnete Personen ausgeübt werde. Dieses heißt nichts anderes, als einen sehr verderblichen Irrtum aufrichten und verbreiten, nämlich dass die Heiligung und die Heiligkeit, anstatt der Beginn des Christenlebens in sein, ein endlich zu erreichendes Ziel seien, als ob man nicht durch dir Gnade Gottes in Christus, sondern durch eigene Werte und Anstrengung heilig werden könne. Es lohnt daher der Mühe, seine Sprache nach dem Wort Gottes zu regeln, weil Folgerungen von großer Tragweite aus dem Missbräuche eines einzigen Wortes hervorgehen können. Lasst uns daher aus dem Wort selbst lernen, welche es Heilige nennt, und was ein Heiliger ist.
Man ist im Allgemeinen über den Sinn der Worte „heilig“ und „Heiliger“ einverstanden, indem man weiß, dass sie so viel bedeuten als: Eine Person oder eine Sache absondern, damit sie Gott geweiht sei. So gab es unter der Haushaltung des Gesetzes geheiligte oder abgesonderte Personen, Örter, Zeiten und Gegenstände.
Das Volk Israel war gänzlich in diesem Sinn ein geheiligtes Volk, eine heilige Nation (5. Mo 14), abgesondert und getrennt von den Nationen durch alle seine Einrichtungen: durch seinen Gottesdienst, seine Verordnungen, seine Verheißungen, seinen Sabbat, um Jehova anzugehören. Dieses war eine Heiligung der Stellung nach, allein entsprungen aus dem Wohlgefallen Gottes, welcher ihnen oftmals wiederholt: „Ich bin Jehova, welcher euch heiligt“ (2. Mo 31,13; 3. Mo 20,8; 21,8; Hes 20,12). Von da ans floss für Israel die Verantwortlichkeit, sich zu heiligen, in seinen Wegen heilig zu sein; von da aus wurden solche Gebote, wie diese, welche nur einem abgesonderten Volk gegeben werden konnten, so oft wiederholt: „Heiligt euch denn und seid heilig; denn ich bin Jehova, euer Gott. Beobachtet auch meine Gebote und tut sie: Ich bin der Ewige. – Ihr werdet mir denn heilig sein; denn ich bin heilig, ich, Jehova; und ich habe euch von den Anderen Völkern abgesondert, auf dass ihr mein seid“ (3. Mo 20,7–8.26).
Aber in diesem völlig heiligen Volk gab es noch besonders geheiligte Personen; und vor allem die Erstgeborenen, wie geschrieben steht: „Heiligt mir alle Erstgeburt; denn sie ist mein“ (2. Mo 13,2).; „Alle Erstgeburt gehört mir, weil ich die Erstgeburt im Land Ägypten schlug; ich habe mir alle Erstgeburt in Ägypten geheiligt ... sie soll mein sein“ (4. Mo 3,13; Lk 2,23).
Darum mussten die israelitischen Eltern ihre ältesten Söhne um sie behalten zu können, loskaufen (2. Mo 34,20). Und Jehova erleichterte ihnen diesen Loskauf, indem Er sagte: „Seht! Ich habe die Leviten unter den Kindern Israel genommen, anstatt aller Erstgeburt; folglich werden die Leviten mein sein“ (4. Mo 3,12). – Also waren die Leviten besonders geheiligt (5. Mo 10,8).
Unter den Leviten hatte Gott die Familie Aaron erwählt, um Ihm das Priesteramt auszuüben. Aaron und seine Söhne sollten dazu eingesetzt und geheiligt sein (3. Mo 40,12–13). Die Priester waren Gott näher als die levitischen Bruder und als der Rest des Volkes; und unter ihnen war der Hohepriester noch näher und heiliger. Denn er allein konnte nur in das Allerheiligste eintreten und die heiligen Kleider tragen, die ihm zum Ruhm und Schmuck waren und welche ihn heiligten (2. Mo 28,2–3). Er war also nach dem Gesetz die allerheiligste Person in Israel.
Was die heiligen Örter betrifft, so begnüge ich mich, im Allgemeinen das Land Kanaan anzuführen, welches wohl das heilige Land genannt werden konnte, weil es das Land Jehovas und Emanuels ist; und in Kanaan war Jerusalem die heilige Stadt; (Mt 4,5; 27,53); und in Jerusalem war der heilige Tempel, die Wohnung Gottes, das Bethaus mit seinem Heiligen und seinem Allerheiligsten.
Und ferner sollten die Juden, Tage, Monate, Zeiten und Jahre heiligen und gewissenhaft beobachten; z. B. den Sabbat, den Neumond, die jährlichen Feste, das Ruhe– und das Jubeljahr.
Endlich gab es geheiligte, für Jehova geweihte, abgesonderte Gegenstände, welche nicht für den gemeinen und gewöhnlichen Gebrauch verwandt werden durften; z. B. die Becken und die verschiedenen Geräte der Stiftshütte und des Tempels. – Der Zorn Jehovas entflammte wider Belsazar, welcher die dem Tempel gehörigen goldenen und silbernen Gefäße geraubt hatte, indem er mit seinen Gästen Wein daraus trank. – Und es wird der Tag kommen, wo Jehova König sein wird über die ganze Erde, wo alles gleichmäßig Gott geheiligt sein wird, wo die Worte, eingegraben auf das Plättchen, welches die Kopfbedeckung des Hohepriesters schmückte: „Die Heiligkeit Jehovas,“ selbst auf die Schellen der Pferde geschrieben sein werden; und wo jeder Topf, der in Jerusalem und Judäa sein wird, dem Herrn der Herrlichkeit geweiht sein wird (Sach 14,20–21).
Dieses waren unter dem Gesetz die heiligen Personen und Sachen. Unter dieser Haushaltung der Schatten und Vorbilder war die Heiligung ganz förmlich und äußerlich. indessen kann das, was wir davon gehört haben, nicht dazu dienen, um Licht auf die christliche Heiligung zu werfen, womit wir uns jetzt beschäftigen wollen.
Nur im neuen Testamente kann man Aufklärungen über eine Frage dieser Art finden; und hier untersuche ich mehr als hundert Stellen, in welchen die Wörter: „heiligen, Heiligung, heilig, Heiligkeit“ sich in Bezug auf Menschen angeführt vorfinden.
Erstens findet sich niemals das Wort „heilig“ mit einem Eigennamen verbunden, was genügen sollte, um einen solchen Ausdruck zu richten. Wohl ist es einige Male einer Klasse von Personen beigelegt; z. B. die heiligen Propheten (Lk 1,70; Apg 3,21; 2. Pet 3,2); die heiligen Apostel und Propheten (Eph 3,5); die heiligen Männer Gottes (2. Pet 1,21); die heiligen Frauen, die ehedem lebten (1. Pet 3,5); Heilige, welche entschlafen und auferweckt waren (Mt 27,52) – Das, was wir bis jetzt gesagt haben, genügt, um uns den Wert und die Anwendung dieses verschiedenen Personen beigelegten Beinamens begreifen zu lassen; – aber lasst uns ins Auge fassen, dass niemals gesagt ist: ein heiliger Apostel, ein heiliger Prophet, eine heilige Frau usw.
Zweitens finden wir nur eine einzige Stelle, wo die Worte „heilig“ und „geheiligt“ eine Heiligung oder Heiligkeit der Stellung nach bezeichnen, welches nur ein äußerliches Vorrecht, nicht aber eine innerlich ersprießliche Gnade in sich einschließt. Diese Stelle findet sich in 1. Korinther 14: „Der ungläubige Mann ist geheiligt durch sein Weib, und das ungläubige Weib ist geheiligt durch ihren Mann; anders wurden gewiss eure Kinder unrein sein; nun aber sind sie heilig.“
Drittens. Was die heiligen oder geheiligten Sachen betrifft, – mit Ausnahme derjenigen, welche also nach dem jüdischen Begriff benannt sind, wie z. B. die heilige Stadt (Mt 4,5; 27,53), der heilige Ort (Apg 21,28), der heilige Berg (2. Pet 1,13), – so kennen wir nur eine einzige Stelle, wo es sich um materielle Gegenstände handelt, welche geheiligt sind. Wir meinen nämlich die in 1. Timotheus 4,5. – Der Apostel lehrt uns, dass die Speisen von Gott geschaffen seien, um mit Danksagung von denen genossen zu werden, welche gläubig sind und die Wahrheit erkannt haben; weil alle Kreatur vor Gott gut und nichts verwerflich ist, sobald sie mit Danksagung genossen wird ...; denn sie ist durch das Wort Gottes und das Gebet geheiligt. – Der Gläubige hat das köstliche Vorrecht durch seine Danksagung, dasjenige in eine heilige Speise zu verwandeln, was auf dem Tisch der Ungläubigen und Weltkinder nur eine ganz gewöhnliche Nahrung ist. Der Christ weiß durch das Wort seines Gottes, dass diese Speisen ihm von dem Herrn, der sie geschaffen hat, gegeben sind. Ihm dankt er, und auf diese Weise sind sie geheiligt und für Gott abgesondert.
Viertens haben wir noch das heilige Gebot und das heilige Gesetz (Röm 7,12; 2. Pet 2,21); der heilige Bund Gottes (Lk 1,72); die heiligen Schriften und die heiligen Briefe (Röm 1,2; 2. Tim 3,15); den heiligen Beruf, durch welchen uns Gott berufen und errettet hat (2. Tim 1,9); den heiligen Kuss, durch welchen sich die Brüder gegenseitig begrüßen (Röm 16,16; 1. Kor 16,20; 2. Kor 13,12; 1. Thes 5,26) und unseren allerheiligsten Glauben (Jud 20). In allen diesen Beispielen erklärt sich selbst das Wort „heilig“ ohne Schwierigkeit.
Fünftens. Lasst uns nun unseren hauptsächlichen Gegenstand, Die Kirche, näher ins Auge fassen, d. h. die Kirche nach dem Wort Gottes, und nicht nach den Begriffen der Welt. In Gnaden die Vorrechte besitzend, die Israel unter der Bedingung des Gehorsams angeboten waren, und welche Israel unter dieser Verantwortlichkeit verloren hat, – ist die Kirche ein heiliges Priestertum und das heilige Volk (1. Pet 2,5.9; 2. Mo 19,5–6), und der heilige Tempel Gottes, ein heiliger Tempel in dem Herrn (1. Kor 3,17); – und eines Tages wird Christus sie sich selbst darstellen, herrlich, ... heilig und ohne Tadel (Eph 5,27). – Hier ist es noch nicht zu zeigen nötig, dass die Kirche heilig genannt wird, sondern es genügt für den Augenblick, daran zu erinnern, dass Gott die Nationen besucht hat und noch besucht, um daraus ein Volk für seinen Namen zu erziehen (Apg 15,14), und dass dieses Volk, also abgesondert, die Kirche oder die Versammlung ist.
Sechstes. Lasst uns endlich das Wort „heilig“ betrachten, wie es den aus Gnaden erretteten Sündern beigelegt ist. Zunächst finden wir, wie sie „die Christen, die Gläubigen, die Kinder Gottes, die Brüder, und die Jünger“ genannt werden. Das Wort „Christ“ findet sich nur dreimal im Wort Gottes (Apg 11,26; 26,28; 1. Pet 4,16); ebenso findet man den Ausdruck „die Gläubigen,“ um damit einen oder alle Christen zu bezeichnen nicht oft (2. Kor 6,15; 1. Tim 4,10.12; 5,16). Der Name „Kinder Gottes,“ als Benennung der Gläubigen kommt auch ziemlich selten vor (Joh 11,52; Röm 8,21; Gal 3,16; 1. Joh 5,2). Die gewöhnlichsten Ausdrücke zur Bezeichnung der Kinder Gottes sind: „Jünger,“ „Brüder“ und „Heilige“. Die beiden ersten Benennungen sind oftmals in der Einzahl genannt. Wir lesen: „ein Jünger“ (Apg 9,10.26; 16,1; 21,16); oder „ein Bruder“ (1. Kor 7,12; 8,11; Eph 6,21; Kol 4,7; Phlm 7.16.20; Jak 1,9; 2,15). – Aber niemals ist gesagt: „ein Heiliger,“ als von einem Erlösten gesprochen. 1 Endlich findet sich das Wort „Jünger“ oft mit einem Eigennamen zusammen gesetzt, (siehe die vorstehend angeführten Stellen in Bezug auf diese Benennung). Das Wort „Bruder“ findet sich einige Male unmittelbar vor oder nach einem Eigennamen; so heißt es z. B., der Bruder Quartus (Röm 16,23); der Bruder Sosthenes (1. Kor 1,1); der Bruder Timotheus (2. Kor 1,1; Kol 1,1; Phlm 1); der treue und vielgeliebte Bruder Onesimus (Kol 4,9); Silvanus, der gläubige Bruder (1. Pet 5,12); unser vielgeliebter Bruder Paulus (2. Pet 3,15); – aber niemals ist das Wert „heilig“ auf diese Weise angewandt. Niemals würde der Heilige Geist sagen und niemals hat er gesagt: der heilige Quartus, der heilige Sosthenes, der heilige Timotheus usw.–
Lasst uns dazu bemerken, dass die Christen in unseren Tagen, um die Geretteten zu bezeichnen, von allen anderen Namen Gebrauch machen, aber selten den Ausdruck „Heilige“ anwenden. Es scheint, dass man dazu zu ängstlich ist, oder dass man es zu anmaßend betrachtet. Mit Ausnahme der Anwendung in dem so genannten apostolischen Glaubensbekenntnis: „die Gemeinschaft der Heiligen“ vermeidet man diesen Ausdruck sorgfältig und fürchtet sich, wie es scheint, damit sowohl die Gläubigen im Allgemeinen, als auch die Christen einer Örtlichkeit zu bezeichnen, wiewohl diese zwei Begriffe in den Schriften des neuen Testaments sehr gewöhnlich sind.
Nun ist es aber immer falsch und oft gefährlich, voll der Sprache des Wortes Gottes abzuweichen, wenn man von offenbarten Dingen redet. Denn indem man die Worte fahren lässt, trägt man auch die dadurch ausgedrückte Meinung zu Grab. Hier aber handelt es sich um Gedanken oder Meinungen Gottes, die wir nicht ungestraft vernachlässigen oder verleugnen dürfen. Es ist demnach von großer Wichtigkeit, dass wir über das, was die Heiligen sind, ins Klare kommen; und die Heilige Schrift, welche uns allein weise macht zur Seligkeit, wird uns auch darüber den besten Aufschluss geben können. Da wir nun schon von der Heiligkeit im alten Bunde gesprochen haben, so lasst uns auch das Neue Testament öffnen und zusehen, wem darin der Name „heilig“ gegeben ist. Daraus werden wir am besten die Tragweite dieses Wortes herleiten können, indem wir zu gleicher Zeit erfahren, wie arme Sünder zu Heiligen werden und wie die praktische Heiligkeit oder die Heiligung, bei ihnen eine Anwendung findet.
Was uns zunächst auffällt, ist, dass dieser Beiname in den Evangelien niemals den Jüngern des Herrn beigelegt ist. Er erscheint zuerst in der Apostelgeschichte, nachdem die Kirche gegründet ist und die Taufe mit dem Heiligen Geist und die Heiligung des Geistes empfangen hat. Zunächst finden wir diesen Ausdruck in dem Mund eines Jüngers, Namens Ananias, welcher also von Paulus zu dem Herrn sprach: „Ich habe gehört ... wie viel Übles er deinen Heiligen in Jerusalem getan hat“ (Apg 9,13). – Hier sind die Jünger Heilige des Jesus genannt. Von da an diente dieser Ausdruck sehr oft dazu, sowohl die Gläubigen von dieser oder jener Örtlichkeit, als auch die Versammlung der Erwählten zu bezeichnen.
In der ersten Bedeutung haben wir unter anderen die folgende Stelle: „Petrus ... ging hinab zu den Heiligen, die zu Lydda wohnten“ (Apg 8,32). Nachdem er eine Jüngerin, Namens Tabita ins Leben gerufen hatte, „richtete sie Petrus auf und rief die Heiligen (offenbar die von Joppe) und die Witwen und stellte sie lebendig dar“ (Apg 9,41) Ferner sagt Paulus (Apg 26,10), dass er ehedem in Jerusalem viele Heilige ins Gefängnis geworfen habe. – Seht dazu die Adressen einiger Briefe des Heidenapostels, wo dieser Name den Gläubigen gegeben ist (Röm 1,7; 1. Kor 1,2; 2. Kor 1,1: Eph 1,1 usw.). Seht weiter die zahlreichen Stellen, wo Paulus seine Reise nach Jerusalem gedenkt, „für den Dienst der Heiligen,“ welche zu Jerusalem waren (Röm 15,25–26.31; 1. Kor 16,1; 2. Kor 8,4). Seht nach in den Begrüßungen an den Enden der Briefe, wo diese Benennung, sei es den Brüdern, in deren Mitte sich der Apostel befindet, sei es allen oder nur einem Teil derer, an welche er sich wendet, beigelegt ist (2. Kor 13,12; Phil 4,21–22; Heb 13,24) Der Apostel sagt: „Ist jemand unter euch ... der es wagt, zu hadern vor den Ungerechten, und nicht vor den Heiligen? Wisst ihr nicht, dass die Heiligen die Welt richten werden?“ (1. Kor 6,1–2); „Wie in allen Versammlungen der Heiligen, lasst eure Weiber schweigen“ (1. Kor 14,33); „lasst diesen Brief alle Heiligen lesen“ (1. Thes 5,27).
Lasst uns jetzt solche Stellen anführen, wo dieses Wort sich im Allgemeinen auf alle Kinder Gottes bezieht. Judas sagt von dein Glauben, dass er einmal den Heiligen übergeben worden sei (V 3). – Es zeichneten sich die Epheser nach Kapitel 1,15, die Kolosser nach Kapitel 1,4 und Philemon Vers 5, „durch ihre Liebe zu allen Heiligen aus.“ – Paulus erwähnt auf eine löbliche Weise die Glieder des Hauses Stephanus, welche sich selbst zum Dienst der Heiligen verordnet hatten (1. Kor 16,15), so wie die Arbeit der Liebe, welche die gläubigen Hebräer für den Namen Gottes bewiesen hatten, nämlich, dass sie den Heiligen gedient hatten und noch dienten (Heb 6,10) – Paulus ermahnt die Gläubigen zu Rom, den Bedürfnissen der Heiligen zu Hilfe zu kommen (Röm 12,13); er lobt die Witwen, welche das Zeugnis hatten, „die Füße der Heiligen gewaschen zu haben“ (1. Tim 5,10); er sagt dem Philemon (V 7): „Die Herzen der Heiligen sind erquickt durch dich, lieber Bruder.“ Er empfiehlt den Brüdern zu Rom, die Schwester Phöbe auf eine den Heiligen würdige Weise zu empfangen (Röm 16,2), und denen von Ephesus: „für alle Heiligen zu bitten“ (Eph 6,18). Er unterrichtet uns, dass das Geheimnis, verborgen vor den Zeiten, jetzt seinen Heiligen offenbart worden ist (Kol 1,26), und dass die gläubigen Heiden nicht mehr Fremdlinge sind, sondern Mitbürger der Heiligen (Eph 2,19), dass die Gaben, durch Jesu der Kirche gegeben seien, die Vollendung der Heiligen zum Zweck haben (Eph 4,12). Er bittet den Vater unseres Herrn Jesus Christus für die Heiligen zu Ephesus, dass sie fähig seien, mit allen Heiligen zu begreifen, welches da sei die Breite und die Länge usw (Eph 3,18). Er sagt uns, dass der Heilige Geist vor Gott die Heiligen vertritt (Röm 8,27), und gibt den Namen heilige Brüder allen denen, welche an der himmlischen Berufung Teil haben (Heb 3,1).
In allen diesen Beispielen handelt es sich um die Gesamtheit der Heiligen auf dieser Erde, oder um die Kirche, den Leib Christi. Hier einige Stellen, wo dasselbe Wort die allgemeine Vereinigung der Kinder Gottes in der Herrlichkeit bezeichnet. „Danksagt dem Vater, der uns tüchtig gemacht hat zum Erbteil der Heiligen im Licht“ (Kol 1,12). Es ist ferner die Rede von den Reichtümern dieser Herrlichkeit dieses Erbes Gottes in seinen Heiligen (Eph 1,18), und von der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus mit aller, seinen Heiligen (1. Thes 3,13; vgl. Sach 14,5; Jud 1,14). „Und wenn der Herr kommen wird, die Rache auszuüben mit einer Feuerflamme, so wissen wir, dass Er an jenem Tag in seinen Heiligen verherrlicht sein wird“ (2. Thes 1,10) und, „dass die Heiligen die Welt richten werden“ (1. Kor 6,2).
Durch diese zahlreichen Anführungen wird mein Zweck erreicht sein, denn alle meine teuren Leser werden jetzt mit mir überzeugt sein, dass das Wort „Heilige,“ auf die Gläubigen angewandt, eine Stellung bezeichnet, in welche sie die Gnade Gottes alle gleich gestellt hat. Sie sind alle auf dieselbe Weise heilig, mit gleichen Namen und auf gleicher Stufe. Sie sind heilig, wenn sie alle gerettet, und weil sie alle gerettet sind, und es gibt also in dieser Beziehung keinen Unterschied zwischen ihnen. Die einzige Stelle, welche auf den ersten Blick anscheinend eine Anspielung auf verschiedene Gerade unter den Heiligen zulässt, zeigt im Grund nur die Demut des Apostels Paulus, wenn er sagt: „Mir, dem Geringsten unter allen Heiligen, ist diese Gnade widerfahren“ (Eph 3,8).
Was sind denn die Heiligen nach dem Wort? Es sind alle diejenigen, für deren Sünden Jesus Christus sich selbst dahin gegeben hat, um sie von der gegenwärtigen bösen Welt zu erretten. – Bileam, Israel von dem Gipfel der Hügel betrachtend, rief: „Dieses Volk wird besonders wohnen und es wird nicht unter die Nationen vermengt sein“ (4. Mo 23,9). Ein anderer Feind Israels, Haman, sagte dem König Ahasveros, indem er von den Juden sprach: „Es gibt ein gewisses Volk, abgesondert unter den Nationen, ... und welches sich überall getrennt hält, deren Gesetze anders sind, als die der anderen Völker ..“ (Est 3,8). –
Was nun die Juden durch ihre Einrichtungen waren, das verwirklicht die Kirche geistlicher Weise. Sie ist das abgesonderte Volk Jesu Christi, welches Er erkauft und gereinigt hat von aller Ungerechtigkeit, und besteht aus denen, die durch den Glauben Himmelsbürger sind, die gestorben sind, und deren Leben verborgen ist mit Christus in Gott. Obwohl in der Welt, sind sie nicht von der Welt, wie Jesus nicht von der Welt war. Sie sind also heilig oder abgesondert 2 von dem verkehrten und verdorbenen Geschlecht, um Gott anzugehören, der sie in Christus Jesus geliebt hat, und alle sind gleich heilig, abgesehen von irgend einem Werk ihrerseits.
Aber lasst uns genauer untersuchen und von dem Wort lernen, auf welche Weise wir zu Heiligen und Geheiligten gemacht worden sind. Hier ist die Antwort und die verschiedenen Mittel der Gnade Gottes, welche uns als Ursachen bezeichnet werden, die dieses gesegnete Ergebnis bewirken.
Vor allem zeigt uns das Wort die ewige Erwählung Gottes, welcher „uns vor Gründung der Welt in Christus erwählte, auf dass wir würden heilig und ohne Tadel vor Ihm in der Liebe“ (Eph 1,4); und anderswo: „Erwählt in der Vorsehung Gottes, des Vaters, in der Heiligung des Geistes“ .. (1. Pet 1,2). Auch Judas wendet sich an die Berufenen, geheiligt in Gott dem Vater, in Christus Jesus. Ferner wird uns darin der Beruf Gottes mitgeteilt, welcher „uns berufen hat, nicht zur Unreinigkeit, sondern zur Heiligung“ (1. Thes 4,7).
Das Wort gibt den Glauben in Christus Jesus, welcher selbst seinem Knecht Paulus sagt: „Ich sende dich zu den Heiden, um ihre Augen zu öffnen, auf dass sie empfangen die Vergebung der Sünden und ein Anteil haben unter denen, welche geheiligt sind, durch den Glauben an mich.“ Unsere Vereinigung mit Christus ist der Grund unserer Heiligung. Darum ist gesagt: „Alle Heilige in Christus Jesus“ (Phil 1,2), und die „Geheiligten in Christus Jesus“ (1. Kor 1,2). Wir sehen ferner in dem Wort, was Jesus ist und was Er getan hat. Jesus, „welcher uns von Gott gemacht ist zur Heiligung, zur Weisheit, zur Gerechtigkeit und zur Erlösung“ (1. Kor 1,30). Ferner heißt es: „Sintemal sie alle von einem kommen, beide, der da heiligt und die da geheiligt werden“ (Heb 2,11).
Wir sehen ferner darin das Werk Christi und vornehmlich Seilt Opfer und seinen Tod: „Er hat euch jetzt versöhnt durch den Leib seines Fleisches durch seinen Tod, um euch heilig und ohne Tadel darzustellen ... vor Ihm“ (Kol 1,22). „Christus hat die Kirche geliebt und sich selbst für sie dahingegeben, auf dass Er sie heiligte ..“ (Eph 5,25–26). – Und noch durch den Willen (Gottes) sind wir geheiligt, durch das Opfer des Leibes Jesu Christi, einmal geschehen, ... denn durch ein Opfer hat Er vollendet alle, die Geheiligten (Heb 10,10.14).
Das Wort teilt uns den Wert des Blutes Jesu mit: „Denn wenn das Blut der Stiere und Böcke heiligt die Unreinen zur leiblichen Reinigung; wie vielmehr wird das Blut Christi unser Gewissen, von den toten Werten reinigen“ (Heb 9,13,14). Es ist das Blut des Bundes, durch welches das Volk geheiligt worden ist, denn: „Jesus, auf dass Er das Volk heiligte durch sein Blut, hat Er gelitten draußen vor dem Tor“ (Hed 13,12). –
Das Wort zeigt uns die Himmelfahrt Christi und sein jetziges Sitzen zur Rechten Gottes, wo Er unser Sachwalter vor dem Vater ist. „Also ist Er abgeändert von den Sündern und erhoben über die Himmel“ (Heb 7,26). Das ist der wahre Sinn jener Worte, welche Er an seinen Vater richtet, indem Er seine Jünger seiner Obhut befiehlt: „Ich heilige mich selbst für sie, auf dass auch sie geheiligt seien durch die Wahrheit“ (Joh 17,19).
Wir finden im Wort den Geist Gottes ausdrücklich „den Heiligen Geist!“ oder „den Geist der Heiligung“ genannt. – „Gott hat euch von Anfang erwählt zur Seligkeit in der Heiligung des Geistes und dem Glauben der Wahrheit“ (2. Thes 2,13). – Paulus hat von Gott die Gnade empfangen, der Apostel Jesu Christi unter den Nationen zu sein, indem er den heiligen Dienst des Evangeliums von Gott ausrichtete, auf dass das Opfer der Nationen angenehm sei, geheiligt durch den Heiligen Geist (Röm 15,15–16). Derselbe Apostel, nachdem er verschiedene Klassen von Sündern aufgezeichnet hat, von welchen er erklärt, dass sie das Reich Gottes nicht ererben werden, fügt hinzu, indem er sich an die Heiligen zu Korinth, und demzufolge an die Heiligen aller Orten und Zeiten wendet: „Und derselben waren etliche unter euch; aber ihr seid abgewaschen, ihr seid geheiligt, ihr seid gerechtfertigt durch den Namen des Herrn Jesus und den Geist unseres Gottes“ (1. Kor 6,11). „Gott hat uns errettet nach seiner Barmherzigkeit, mittels der Abwaschung, der Wiedergeburt und der Erneuerung des Heiligen Geistes, welchen Er ausgegossen hat reichlich über uns durch Jesus Christus, unseren Erlöser“ (Tit 3,4–6).
Die Heilige Schrift endlich gibt uns die Bedeutung des Wasserbades im Wort an, durch welches Jesus seine Kirche reinigt (Eph 5,26). Er sagt: „Ihr seid schon rein um des Wortes willen, welches ich euch verkündigt habe“ (Joh 15,3).; – und in der Bitte, welche Er an den Vater richtet, sagt Er: „Heilige sie in deiner Wahrheit; dein Wort ist die Wahrheit“ (Joh 17,17). Man sieht es ganz deutlich, dass dieses Werk von Gott ist, und zwar völlig von Gott, dem Vater, dem Sohn und dem Heiligen Geist. Der Mensch tut durchaus nichts dabei. Er ist geheiligt, wie er gerechtfertigt ist, und dieses geschah zu derselben Zeit, in welcher er gerechtfertigt ist durch die alleinige Gnade Gottes, das vollkommene Werk Jesu und die Wirkung des Heiligen Geistes in ihm. Von da muss er ausgehen, um in dem Gehorsam zu wandeln und heilig zu leben. Das Wort erinnert ihn daran, und er selbst muss es im Bewusstsein halten, wenn er Früchte zur Verherrlichung Gottes bringen will. „So zieht nun an, wie Erwählte Gottes, Heilige und Geliebte, herzliches Erbarmen, Wohlwollen, Demut, Sanftmut ..“ (Kol 3,12). „Hurerei aber und alle Unreinigkeit, oder Geiz lasst nicht von euch gesagt werden, wie den Heiligen zusteht“ (Eph 5,3). – Das Wort sagt ausdrücklich: „wir sind geheiligt.“ Und in der Tat, man muss heilig sein, um Werk der Heiligung wirken zu können; ganz so, wie ein Apfelbaum sein muss, um Äpfel hervorbringen zu können. Diese Werke sind eine Folge der Erlösung des Sünders, welcher, von der Sünde befreit und ein Kind Gottes geworden, seine Frucht in der Heiligung hat, und das Ende: das ewige Leben. Jetzt werden wir begreifen, dass die praktische Heiligung darin besteht, hauptsächlich unsere Stellung zu verwirklichen und nach unserem Charakter, als Heiliger zu wandeln; mit einem Wort: in der Heiligung zu bleiben, in welche uns der Herr gestellt hat. Wir dürfen also die Heiligung nicht als etwas verstehen, was wir noch nicht besitzen und wonach wir laufen und doch niemals erreichen werden, sondern wir haben vielmehr das Bewusstsein festzuhalten, dass wir Heilige sind, um zur Vollkommenheit zu gelangen, und um auf dem Wege, die Heiligung, wie sie in Gott ist und uns durch Christus mitgeteilt, besser zu verstehen und zu genießen, und zu verwirklichen in der Entwicklung des neuen Lebens, in Verständnis und in Kraft in der Gemeinschaft Gottes durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist; wie uns Gott auch züchtigt, auf dass wir seiner Heiligkeit teilhaftig seien. – Wir sind geheiligt, weil wir in Christus sind; wir haben in der Heiligung zu verbleiben, ganz so wie wir in Christus bleiben sollen. Wir besitzen die Heiligkeit, weil Christus in uns ist. Das Leben Christi in uns, hat immer Christus selbst zu seinem Gegenstand, und weil wir das, was in Ihm ist, immer mehr verwirklichen, so wächst unser inneres Leben. Wir sind, in Betreff unseres Verhältnisses mit Gott, in Christus geheiligt und weil Er unser Leben ist, sind wir seiner Heiligkeit teilhaftig. Und dieses ist es, was unser Leben heiligen wird. Lasst uns darin ganz sicher sein. Es ist nicht möglich, in dem Gewissen und in dem Gefühl unserer Heiligung in Christus zu leben, ohne dass dadurch selbst unsere Gedanken, unsere Neigungen, unser Wille, unser Wer! und unsere Aufführung heilig gemacht seien.
Es ist nur eine sehr kleine Fahl von Vorschriften, die unmittelbar auf die praktische Heiligung Bezug haben. Das sagen wir nicht, um dadurch die Wichtigkeit derselben schwächen zu wollen; denn fände sich auch nur eine einzige derselben, so würde dieses schon hinreichend genügen, um den dem Wort unterworfenen Christen, eine ernste Aufmerksamkeit darauf zu verwenden: auch ist die Heiligkeit für sein Herz köstlich. Freilich, indem wir uns der Menge der Andeutungen erinnern, welche den Zustand der Heiligung und der Heiligkeit des Gläubigen grundsätzlich und außerhalb jedem Werk seinerseits feststellen, so muss uns notwendig der Gegensatz zwischen den Gedanken des Menschen und den Gedanken Gottes auffallen. Beschäftigt man sich doch heutzutage fast ausschließlich mit der praktischen Seite der Heiligung, während man die andere Seite dieser Frage sehr wenig beachtet, ja sogar vernachlässigt und dadurch die Seelen in Verwirrung und Zaghaftigkeit bringt. Dieses sollte man tun und jenes nicht lassen. Lasst uns daher etwas näher in die Gedanken Gottes eingehen. Wir fangen mit 1. Thessalonicher 4,3–4 an: „Das ist der Wille Gottes, eure Heiligung; dass ihr euch fern haltet von der Hurerei; und ein jeder von euch zu besitzen sein eigen Gefäß in Heiligung und Ehren.“ – Ja, dieses ist der Wille Gottes, welcher will, dass wir verstehen, uns ohne Tadel vor der Welt und abgesondert von ihr zu halten; denn darin besteht vornehmlich vor unserem Gott und Vater der reine und unbefleckte Gottesdienst.
Der Apostel Petrus, nachdem er die Brüder ermahnt hat, in der Gnade Gottes, welche ihnen in der Offenbarung Jesu Christi geworden ist, vollkommen zu verharren, empfiehlt ihnen, wie gehorsame Kinder zu wandeln, indem er hinzufügt: „Sondern nachdem, der euch berufen hat und heilig ist, seid auch ihr heilig in allem euren Wandel; weil geschrieben steht: Ihr sollt heilig sein, denn ich bin heilig“ (1. Pet 1,15–16). Gott hat uns zu seinen Kindern gemacht und uns auf diese Weise geheiligt und uns der göttlichen Natur teilhaftig gemacht. Jetzt will Er, dass in seinem Haus die Familie in allen Einzelheiten des Lebens den Charakter des Vaters offenbare. Er ist heilig und hat uns zur Heiligung berufen; von da aus entspringt für uns die Verantwortlichkeit: „Seid heilig in allem euren Wandel.“
„Sucht den Frieden mit allen und die Heiligung, ohne welche wird niemand den Herrn schauen“ (Heb 12,14). Unmittelbar darauf lesen wir: „Wacht, dass niemand die Gnade Gottes versäume;“ – und die Heiligung ist ein Teil dieser Gnade, ohne welche in der Tat niemand den Herrn sehen wird. Wir sind der Heiligkeit teilhaftig. wie der Gnade; Gott hat uns mit beiden zusammen in Christus gesegnet. Wir lesen ferner: „Glückselig die, welche reines Herzens sind; weil sie Gott, schauen werden“ (Mt 5,8).; – und welche sind es, die reines Herzens sind, wenn nicht die, welche durch den Glauben unter die Besprengung des Blutes Jesu gekommen sind, das uns von aller Sünde reinigt (1. Joh 1,7; Tit 2,14; Apg 15,9) und welche; von Gott geboren, mit Ihm in einer neuen Natur nach der Kraft dieses Blutes, wie seine Erlösten und Geheiligten Gemeinschaft haben. Deshalb können wir sagen: „Wir wissen, dass wir von Gott sind“ (1. Joh 5,19). Sie allem, die Geheiligten, haben das Vorrecht gehabt, den Herrn Jesus nach seiner Auferstehung zu sehen, wie Er es ihnen angekündigt hatte (Joh 14,19.22; Apg 13,31; 1. Kor 15,5–8). „Und wie dem Menschen ist gesetzt, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: Also ist Christus einmal geopfert, wegzunehmen vieler Sünden. Zum anderen Mal aber wird Er ohne Sünde erscheinen denen, die auf Ihn warten, zur Seligkeit“ (Heb 9,27–28). Sie allein, nämlich diejenigen, deren Sünden durch Christus getragen sind und welche sorgfältig von den Menschen, deren einzige Erwartung Tod und Gericht ist, abgesondert sind, sie allein werden Ihn sehen, wenn Er in Gnaden und zur Seligkeit kommen wird zur Befreiung unserer Leiber und zu unserer Einführung in die Herrlichkeit. – „Vielgeliebte, wir sind nun Gottes Kinder, und wir wissen, dass, wenn Er offenbart worden ist, wir Ihm gleich sein werden; weil wir Ihn sehen, wie Er ist“ (1. Joh 3,2). – Den Heiligen ist gesagt: „Ihr seid gestorben“ – und dann als Folgerung: „Tötet denn eure Glieder, welche auf Erden sind“ (Kol 3,3.5). Und gleichfalls: „Ihr seid errettet, ihr seid vollkommen gemacht bewirkt denn eure Seligkeit mit Furcht und Zittern; denn Gott ist es, welche in euch das Wollen und das Vollbringen nach seinem Wohlgefallen bewirkt“ (Phil 2,12–13). –
Im sechsten Kapitel des zweiten Korintherbriefes empfiehlt der Apostel den Korinthern, gemäß ihrer Absonderung zu wandeln und nicht an demselben Joch der Ungläubigen zu ziehen. Zur Unterstützung dieser Anempfehlung rückt er es ihnen ins Bewusstsein, dass sie der Tempel des lebendigen Gottes sind, und setzt ihnen als Folgerung diesen Befehl und diese Verheißung des allen Testaments hinzu: „Darum, geht aus ihrer Mitte, und sondert euch ab, spricht der Herr, und rührt kein Unreines an und ich werde euch annehmen. Und ich werde euer Vater sein und ihr werdet meine Söhne und Töchter sein, sagt der Herr, der Allmächtige.“ Die Verwirklichung unserer Heiligung ist also, dass wir, in Jesu verbleibend und im Licht wandelnd, Gemeinschaft mit dem Vater, so wie den Genuss alles dessen haben, was unser Vorrecht als Söhne und Töchter des Allmächtigen enthält. Dann fügt Paulus hinzu: „Habend denn diese Verheißungen, Geliebte, lasst uns reinigen von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes, unsere Heiligung in der Furcht Gottes vollendend“ (2. Kor 7,1). Die Heiligung vollendet und verwirklicht 3 sich durch Ausgehen aus der Mitte der Ungläubigen, und da bekennend sein Verhältnis mit dem allmächtigen Gott, der in der Mitte der Seinen wohnt. Der Gläubige wandelt ferne von der Welt und in der Gemeinschaft mit seinem Vater in dem Verhältnis, in welches der heilig? Geist ihn schon gestellt hat, und reinigt sich von aller Befleckung; – und das ist es, was den Heiligen zusteht.
„Wenn einer sich von solchen Leuten reinigt, der wird ein Fass zu Ehren sein, geheiligt und ganz gebräuchlich dem Herrn und zubereitet zu jedem guten Wert“ (2. Tim 2,21). Praktisch geheiligt zu sein, wie er, abgesondert ein Gefäß zu Ehren, es grundsätzlich ist; – das könnte man von einem Christen im Mannesalter sagen, „welcher aus Gewohnheit geübte Sinne hat, das Gute von dem Bösen zu unterscheiden“ (Heb 5,14).; oder er ist: „Der vollkommene Mensch Gottes, völlig ausgebildet für jedes gute Werk.“ – (2. Tim 3,17) Es ist derjenige, welcher die Ermahnung des Paulus begreift und sein Leben danach gestaltet: „Ich ermahne euch denn, Brüder, durch die Barmherzigkeit Gottes, eure Leiber, wie lebendiges, heiliges, angenehmes Opfer, Gott darzubringen; dies ist euer Gottesdienst nach dem Wort“ (Röm 12,1). Dieses Opfer ist Gott angenehm, weil es heilig ist; und es heiligt, weil es Gott durch Christus angehört.
Die nahe Ankunft des Tages des Herrn, an welchem die Himmel und die Erbe vergehen werden, so wie die geduldige Erwartung Jesu zu unserer Vereinigung mit Ihm, sollen für uns mächtige Anregungen zum Gehorsam und zur praktischen Heiligung sein. „Weil denn alle diese Dinge sich auflösen, darum sollt ihr heilig sein im Wandel in der Gottesfurcht, erwartend und entgegeneilend der Ankunft des Tages Gottes ... Darum Vielgeliebte, diese Dinge erwartend, beeifert euch, vor Ihm ohne Tadel und ohne Fehler im Frieden erfunden zu werden“ (2. Pet 3,11–14). – „Und weil wir solches wissen, nämlich die Zeit, dass die Stunde da ist, aufzustehen vom Schlaf, sintemal unser Heil jetzt näher ist, als wir gläubig wurden; die Nacht ist vorgerückt, der Tag hat sich genähert; lasst uns ablegen die Werke der Finsternis und lasst uns bekleidet sein mit den Waffen des Lichts“ (Röm 13,11–12).
Ja, heilige Brüder, „lasst uns unter einander bewachen, uns reizen zur Liebe und guten Worten, nicht verlassen die Versammlungen unserer selbst, ... sondern uns ermahnend, und umso mehr als ihr seht herannahen den Tag“ (Heb 10,24–25). Ja, der Tag naht; alles soll entschieden mehr und mehr seine Gestalt zeigen; die heiligen und weltlichen Sachen sollen geschieden und nicht mehr vermengt sein. Das Volk Gottes soll je mehr und mehr seine Absonderung von der Welt offenbaren. Bald wird dieses Wort seine Erfüllung haben, zum Gericht für die Ungläubigen, zur Warnung für die Heiligen: „Wer böse ist, der sei immerhin böse, und wer unrein ist, der sei immerhin unrein, aber wer fromm ist, der sei immerhin fromm, und wer heilig ist, der sei immerhin heilig“ (Off 22,11).
Gott liebt die Heiligen, und weil Er sie liebt und sie als seine Söhne anerkennt, und weil Er ihr Glück will und es außer dem kindlichen Gehorsam kein Glück für sie gibt, lässt Er es nicht mangeln, weder an Ermahnungen, noch an Beweggründen, noch an Zurechtweisungen, noch an Gerichten, „auf dass sie Teil haben an seiner Heiligkeit“ (Heb 11,10). Wie ein geschickter und weiser Weingärtner beschneidet Er die Rebe, welche in Christus Früchte trägt, auf dass sie noch mehr Frucht trage. Ehre und Dank unserem Gott und Vater!
„Und jetzt, Brüder, empfehle ich euch Gott und dem Wort seiner Gnade, welcher euch erbauen und ein Erbteil geben kann unter allen Geheiligten“ (Apg 20,32); dass der Herr euch vermehren und zunehmen lasse in der Liebe zu einander und gegen jedermann ..., um zu befestigen euer Herz, ohne Tadel in der Heiligkeit vor unserem Gott und Vater, auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus mit allen seinen Heiligen (1. Thes 3,12–13). – „Nun denn, dass der Gott des Friedens selbst euch durch und durch heilige, und dass euer Geist ganz samt Seele und Leib, ohne Tadel auf die Ankunft unseres Herrn Jesus Christus bewahrt sei. Derjenige, welcher euch berufen, ist treu, und Er wird es tun“ (1. Thes 5,23–24). (Nach dem Französischen)
Fußnoten
- 1 Wir lesen in Markus 6,20: „Herodes fürchtete Johannes, ihn als einen gerechten und heiligen Mann kennend.“ – Ich kenne nicht eine andere ähnliche Anwendung des Wortes „heilig.“ Jedenfalls ist nicht gesagt: „ihn als einen Heiligen kennend.“
- 2 Wenn Jesus sagt, Johannes 10,36: „Sprecht ihr denn zu dem, den der Vater geheiligt hat,“ – so sehen wir, dass Er zunächst abgesondert worden ist, ehe Er gesandt wurde; und daher ist Er „das Lamm, erwürgt vor Grundlegung der Welt“ (Off 13,8); ebenso wie das Passahlamm vier Tage vorher abgesondert war, ehe es erwürgt wurde.
- 3 Das griechische Zeitwort bezeichnet auch: verwirklicht.