Botschafter des Heils in Christo 1854

Gedanken

Die Kirche sieht Christus verherrlicht zur Rechten Gottes. Da steht sie den Beweis, dass alles für sie vollbracht ist, dass sie in der Person Christi eine so reine und vollkommene Heiligkeit besitzt, die selbst den Thron Gottes nicht beschmutzen kann. In der Verherrlichung Christi fleht sie den Erfolg dieser Gerechtigkeit (Phil 2,6–10). Seine Herrlichkeit gehört aber auch der Kirche an, als Teilhabern der Gerechtigkeit, vermöge ihrer Vereinigung mit Ihm. „Ich habe ihnen gegeben die Herrlichkeit, die du mir gegeben hast.“ Hier sehen wir den wahren Sinn von Galater 5,5: „Wir erwarten im Geist die Hoffnung der Gerechtigkeit, durch den Glauben.“ Wir erwarten nicht die Gerechtigkeit, diese haben wir schon in Christus durch den Glauben. Die Kirche ist durch den Glauben bereits gerechtfertigt; weil wir aber in Christus nicht bloß die Gerechtigkeit vollbracht sehen, sondern auch die Herrlichkeit, als Lohn derselben, so erwarten wir, als Gerechtfertigte und mit dem Heiligen Geist erfüllte, auch diese Herrlichkeit. Sie gehört uns an als dasjenige, was der Gerechtigkeit zukommt, an welcher wir Teil haben. ...

Die Kirche steht Christus tot, um der Sünde willen, die sie begangen hat. Dies ist das Ende von allem, was sie getan hatte, vermöge ihrer Abstammung von dem ersten Adam. Die unaussprechliche Liebe des Erlösers bewog Ihn, sich selbst an die Stelle der Kirche zu begeben. Er nahm die Schmerzen des Todes, das gerechte Gericht des heiligen Gottes auf sich. Er fühlte umso mehr dies schreckliche Zorngericht über die Sünde, weil Er selbst heilig war und nach der Liebe Gottes liebt. Unter der Schwere der Sünde sank Er in den Tod. Satan, der Fürst dieser Welt, der des Todes Gewalt hatte, jubelte, wiewohl er nichts an Christus fand, das ihm Macht über Ihn geben konnte, so jubelte Er doch in seinem Triumph über den einzig Gerechten, in welchem die einzige Hoffnung der Welt bestand. Der Tod rühmte sich, sein einzig edles Schlachtopfer verschlungen zu haben. Doch sein Jubel war kurz. Der Triumph des Fürsten der Finsternis war nichts anders, als eine Schautragung seiner eigenen Niederlage. Er hatte einen Kampf zu Gesehen gehabt, nicht mit der Kirche, als Gebundene unter seiner Gewalt im ersten Adam, sondern mit dem Heerführer unseres Heils. Christus aber hatte sich der Gerechtigkeit Gottes unterworfen. Der Satan vollzog das Urteil, weil er die Gewalt des Todes vermöge des göttlichen Gerichts über uns halte; das Urteil selbst aber war das Recht Gottes gegen uns. Gottes Recht aber war nun vollzogen, und so war Satans Macht zerstört. „Durch den Tod nahm Er die Macht dem, der des Todes Gewalt hatte.“ Satans Sieg über den ersten Adam machte ihn zum Meister über dessen Besitz und Erbe. „Die Kreatur ist unterworfen der Eitelkeit.“ Der Sieg des zweiten Adams zog ihn aus von allem dem, das er dem ersten Adam abgenommen hatte. Gott hat nach seinem überaus gütigen und weisen Rat die Folgen des Sieges noch nicht in die Erscheinung gebracht, aber er ist völlig errungen.

Wie die aufgehende Sonne, also bestrahlte die Auferstehung die Welt. Der Glaube nur sähe es; der Glaube derer, deren Augen geöffnet waren, und die Gott erwählt hatte, von dem vollkommenen Siege Zeugnis zu geben. Christus allein hatte den Sieg errungen. Die Kirche aber, um welche gestritten warb, teilt alle frohen Erfolge des Sieges. Sie ist gesegnet mit Christus; sie ist die Gesellschafterin seiner Herrlichkeit, die Miterbin aller Verheißungen. Sie hat Gemeinschaft mit Ihm, der da segnet; sie geht ein in die Freude des Herrn. Sie ist eins mit Ihm und wird zu Ihm in seine Herrlichkeit geführt. Sie hat ein Leben empfangen, welches sie mit Ihm vereinigt, und in Folge dieser Vereinigung besitzt sie mit Ihm alles, was sein ist.

Die Kirche ist mit Christus gestorben. Da ihre Sünden Ihm auferlegt sind, so ist das Gedächtnis derselben vor Gott im Grab Christi begraben. Als gerechter Gott gedenkt Er derselben nicht mehr. Ein Gedenken derselben würde eine Herabsetzung des Blutes Christi sein, welches kein gerechtes Verhalten gegen Ihn wäre. „Er ist getreu und gerecht, dass Er uns die Sünden vergibt.“ Das Blut Christi, nicht aber unsere Sünden, ist vor Gottes Augen. Er schätzt uns als erkauft, durch den Preis seines Blutes.

Die Kirche ist aber auch angesehen, als auferstanden mit Christus. In dem Leben Christi lebt sie vor dem Vater, indem Er sie ebenso völlig liebt, wie Er den Sohn selbst liebt. Er züchtigt sie, wenn sie von den Wegen ausweicht, die Ihm wohlgefällig und solchem Leben, solch hoher Vereinigung angemessen sind. „Ich bin der Weinstock,“ sagt Jesus, „und mein Vater ist der Weingärtner.“ Rechtlicher Weise erkennt uns Gott in Christus an, als ebenso vollkommen in Ihm, wie Christus selbst vollkommen ist, indem unsere Sünden in seinem Grab vergraben sind. In Liebe züchtigt Er uns, als in Christus, wenn wir nicht wandeln in seinen Wegen, nicht wandeln nach der Kraft des Auferstandenen, als Erbin der Herrlichkeit, welche Er durch die Auferstehung beerbte. ...

Der Gerechtigkeit Christi bin ich teilhaftig, indem ich belebt bin mit dem Leben, in welchem Er ist auferstanden von den Toten, aus dem Leben hervorgehend, in welchem Er alle meine Sünden vergraben hat. Dieses Leben ist auch die Kraft der Heiligung hienieden. Es ist die Quelle der Heiligkeit in uns, es ist die Heiligkeit selbst, das „Leben aus Gott“ in uns. Vermöge dieses Lebens suchen wir die Dinge, die droben sind, die in Christus und sein sind. Vermöge dieses Lebens wird unser Verlangen nach Gott gerichtet. Darin besteht die wahre Heiligung, dass der alte Mensch verurteilt ist, als tot, weil Christus seinetwegen gestorben ist. – „Der Leib ist tot um der Sünde willen;“ das ist ihr ganzer Lohn. „Der Geist ist das Leben um der Gerechtigkeit willen.“ Indem also Christus uns das Leben schenkt, welches in uns die Kraft der Heiligung ist, macht Er uns zu Teilhabern aller seiner Verdienste.

Es gibt noch eine andere Frucht der Auferstehung, nämlich die innere Gewissheit der völligen Gunst Gottes, die mit dem– Bewusstsein der Kindschaft gepaart ist; „die Gnade, in der wir stehen.“ Nachdem wir den Zugang erlangt haben durch das Kreuz, stehen wir jetzt in der Gunst Gottes im Heiligtum; indem wir nicht den Geist der Knechtschaft empfangen haben, sondern den Geist der Kindschaft und rufen: Abba, lieber Vater! Unser Anteil an der Auferstehung ist unser von Gott Geborensein. Als solche, die von ihren Sünden erlöst sind, weil Christus für sie dahingegeben ward, stehen wir vor Gottes Angesicht, als seine Kinder, als seine Geliebten, als seine Heiligen. Erwiesen ward die Liebe darin gegen uns, dass Christus auf diese Erde kam, für uns zu sterben. Vollendet aber ist diese Liebe gegen uns dadurch, dass wir in Ihm solche vor Gott sind, wie Er ist. Dies sind wir schon hienieden, weil wir mit Ihm vereinigt sind durch den Geist, den Er uns gegeben hat. Unser Kindesverhältnis zu dem Vater, als gereinigt von den Sünden, und bekleidet mit dem Rock der Gerechtigkeit, ein Verhältnis welches die Seele mit Freude erfüllt, stießt uns aus dieser Lehre zu. „Er hat uns das Anrecht gegeben, Gottes Kinder zu werden.“ Nicht Knechte nein Kinder. Hier sind süße Folgerungen dieser Wahrheit, die selbst hienieden schon vorhanden sind. Die Vereinigung mit Christus aber ist das Fundament. Tiefen Folgerungen nun mögen wir nachgehen, in Betreff unserer Leider, bis zur Herrlichkeit. Die Auferstehung Christi ist die Erstlingsfrucht, die Kirche ist die Ernte. Es ist ein inniges Verband zwischen der Auferstehung der Kirche und der Auferstehung Christi, und zwar vermöge der Vereinigung der Kirche mit Ihm, wegen des einen Geistes, welcher der Geist Christi ist, und in Ihm und in der Kirche wohnt.

Nicht also verhält es sich in Betreff des Bösen. Wohl ist es die Macht Christi, wodurch sie auferstehen, aber es geschieht dies doch nicht vermöge der Bereinigung mit Ihm, noch durch seinen innewohnenden Geist. Die Welt kann diesen Geist nicht sehen noch empfangen. Die Gottlosen werden auferweckt, um gerichtet zu werden. Die Auferweckung der Kirche ist die Folge ihrer Vereinigung mit Christi; es ist der Augenblick ihrer gänzlichen Vollendung, nicht aber ein notwendig Vorhergehendes vor ihrem Gerichte. Christus ist in der Tat schon für sie gerichtet worden und hat die Strafe aller ihrer Sünden ausgestanden. Die Auferstehung ist die Folge davon, dass die Kirche in Christus durch das Gericht ihrer Sünden hindurchgegangen ist; nicht aber etwas das ihrem Gericht durch Christus vorangeht. Die Auferstehung der Kirche ist ihre Aufnahme durch Christus, als welche in und mit Ihm, die vom Gericht über sie verfügte Strafe gebüßt hat. Hinfort soll sie bei Ihm sein in seiner Herrlichkeit, in seinem Reiche, wie Er in Johannes 14,1–3: „In meines Vaters Haus sind viele Wohnungen.“ Christus ist nicht dahin gegangen, um dort allein zu sein. „Wenn es nicht so wäre, dann würde ich es euch gesagt haben. Ich gehe hin, euch eine Statte zu bereiten, und ob ich hingehe, euch eine Stätte zubereiten, so will ich wiederkommen und euch zu mir aufnehmen, auf dass ihr sein möget, wo ich auch bin.“ Es ist nötig, dass, wenn Christus wiederkommt, auch die Leiber der Seinen die Vorrechte seines Reiches genießen, denn auch diese sind sein, weil Er sie erkauft hat.

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