Botschafter des Heils in Christo 1854
Paulus und Silas in Philippi
Der Christ gehört sich selber nicht mehr an, sondern dem, der für ihn gestorben und auferstanden ist. Er ist in ganz neue Beziehungen getreten; er ist vom Tod zum Leben hindurchgedrungen und aus dem Reich der Finsternis in das Reich Jesu Christi versetzt. Nicht mehr ist er ein Kind der Welt, sondern ein Kind Gottes und der Geist der Kindschaft ruft in ihm das: Abba, lieber Vater! Die in jeder Beziehung so nahe Stellung zu Gott dem Vater und Christus Jesus zeigt uns hinreichend, dass wir uns selbst nicht mehr angehören und nicht mehr leben dürfen. Wenn wir durch den Glauben mit Christus einverleibt sind, so sollen wir auch stets daran denken, den Namen unseres Gottes und das Werk Christi durch Wort und Wandel zu verherrlichen. Der Gedanke an diese Verherrlichung unseres Gottes macht uns stets bereit seinen Willen zu erforschen und uns demselben ganz hinzugeben. Nur wenn dieses geschieht, beweisen wir, dass wir unsere Beziehungen zu Gott ganz verstanden haben.
Gott selbst wird stets seinen Namen an seinem Volk verherrlichen. Er wird immerdar offenbaren, dass Er unser Gott und Vater und wir seine geliebten Kinder sind. Nie werden wir allein und nie verwaist sein. Jesus Christus, der für uns gestorben und auferstanden ist, wird sich immer als treuer Hohepriester seines zu vertretenden Volkes und als starkes und liebendes Haupt seiner Gemeinde kund tun. Es mag uns in dieser Welt alles verlassen, Gott verlässt uns nicht, und ist Gott für uns, wer mag wider uns sein?! Es tut aber auch Not, stets in dem lebendigen Bewusstsein zu wandeln, dass Gott für uns ist, und alles in der gläubigen Überzeugung zu tun, dass es sein Wille also ist. Wir werden immer finden, dass Christen, die fleißig bemüht sind, nur den Willen Gottes zu erforschen und sich diesem unbedingt zu übergeben, überall ruhig und sicher einhergehen. Keine Lage, wenn auch noch so schwierig, bringt sie in Verlegenheit, denn sie handeln immer in Übereinstimmung mit Gott und tragen keine Sorge um die Folgen. Sie wissen, dass Gott jede Verantwortung für alle, die nach seinem Willen einhergehen, übernimmt; ihr Friede mit Ihm begleitet sie auf allen ihren Wegen. Sobald wir uns in unseren Handlungen aber nicht in Übereinstimmung mit dem göttlichen Willen wissen, sind wir Überall ungewiss und unsicher. Sehr bald kommen wir bei den mancherlei Hindernissen in Verlegenheit und Verwirrung und gehen wir in diesem Zustand dennoch fort, so werden wir uns bald ganz verstricken strickt sehen; wir werden sehr oft verzagt und mutlos sein, und der Friede des Herzens wird gestört werden.
In dem oben angeführten Kapitel lesen wir, dass Paulus und Silas, nachdem sie bei der Nacht ein Gesicht gesehen hatten, überzeugt waren, dass der Herr sie nach Mazedonien berufen hatte, um daselbst das Evangelium zu predigen (V 10). Die Kinder Gottes, namentlich die Arbeiter im Dienst des Herrn, sollen immer die Überzeugung haben, dass sie vom Geist Gottes geleitet werden. Sie werden dann in allen Lagen den Trost bei sich haben, dass Gott sie segnet. Es erfordert aber einen recht kindlichen Umgang und eine stete Gemeinschaft mit Gott dem Vater und dem Herrn Jesus Christus, um seinen Willen recht zu verstehen und sich Ihm mit aller Freudigkeit hinzugeben. Wir bedürfen alle Wachsamkeit und Nüchternheit im Gebet, um nicht vom Satan überlistet zu werden. Wo das Herz wenig in innigem und kindlichem Verkehr mit Gott einhergeht, da wird sein Wille wenig erkannt und befolgt; es wird aber oft die Täuschung stattfinden, dass man den eignen Willen für den Willen Gottes hält. Das stete Aufsehen auf Jesus macht und hält uns frei von uns selbst. Geht es uns nur darum, dass der Name Gottes verherrlicht werde, und nicht wir selbst, so werden wir durch den Heiligen Geist, der uns gegeben ist, den Willen Gottes immer mehr verstehen. Solange wir nach dem Willen Gottes wandeln und uns von seinem Geist leiten lassen, werden wir immer Gelegenheit finden, Ihn zu loben und zu preisen; Er wird uns immer erkennen lassen, wie nahe Er seinen Kindern ist. Wir werden auch nie vergeblich arbeiten, wenn Er uns zu seinem Dienst berufen hat; es wird unsere Arbeit immer gesegnet sein. Wir finden dieses auch an den beiden Knechten Gottes bestätigt, wie wir Vers 13–15 lesen: „Des Tages des Sabbats gingen wir hinaus vor die Stadt an das Wasser, da man Pflegte zu beten, und setzten uns und redeten zu den Weibern, die da zusammen kamen. Und ein gottesfürchtiges Weib, mit Namen Lydia, eine Purpurkrämerin, aus der Stadt der Thyatira, hörte zu, welcher tat der Herr das Herz auf, dass sie darauf Acht hatte, was von Paulus geredet ward.“ Dieses Weib, aus einer fernen Stadt, war die Erstlingsfrucht in Philippi. – Eine bekehrte Seele ist in den Augen Gottes etwas Großes; sie ist ein Gegenstand der Freude im Himmel und ans der Erde; sie ist ein Werk der herrlichen Macht des lebendigen Gottes, der die Toten auferweckt; ja eine einzige bekehrte Seele ist der Gegenstand der Verherrlichung der göttlichen Gnade und des Werkes Jesu Christi.
Aber der Feind schlummerte auch in Philippi nicht. Der Satan ist immer beschäftigt, das Werk Gottes zu hindern und zu verderben. Vor allem ist er bemüht, den Trägern der guten Botschaft, allerlei Drangsale zu bereiten, sie mutlos und verzagt zu machen und sie wo möglich ganz aus dem Weg zu räumen. In solchen Zeiten wird es recht offenbar, wie er sein Werk in den Kindern des Unglaubens hat. Paulus mochte selbst wohl wissen, dass, wenn er den Wahrsagegeist im Namen Jesu von der Magd austriebe, er ihren Herren eine reiche Erwerbsquelle abschneiden und sich und Silas Verfolgung bereiten würde. Allein er beschäftigte sich nur mit dem göttlichen Willen. So macht es der Christ immer, der sich ganz seinem Gott übergeben hat. Er handelt stets im Glauben nach dem Willen Gottes und ist um die Folgen ganz unbekümmert. Seine Sorge ist allem die, als ein gehorsames Kind, als ein getreuer Knecht erfunden zu werden; für alles andere lässt er Gott sorgen. Es ist etwas Köstliches, wenn wir also willenlos geworden sind; wir werden alsdann immer finden, wie Gott sich herrlich an uns beweist. Scheint es oft auch, als ob Satan den Sieg davon getragen habe, so wird der Herr dennoch offenbaren, dass dieser Sieg eine Niederlage für ihn ist. Mochte er auch triumphieren, als er den Sohn Gottes unter Mördern am Kreuz hängen sähe, so war dies dennoch der größte Sieg Gottes, der uns das unaussprechliche Heil brachte. Wird es auch dem Satan zugelassen, den Knechten Gottes große Drangsale zu bereiten, Schläge und Gefängnis, ja selbst den Tod über sie herbeizuführen, ihr Gott und Vater wird sich dennoch immer an ihnen verherrlichen.
Wir lesen im obigen Kapitel vom 22. bis 25. Verse: „Und das Volk ward erregt Wider sie; und die Hauptleute ließen ihnen die Kleider abreißen und hießen sie schlagen. Und da sie sie viel geschlagen hatten, warfen sie sie in das Gefängnis und geboten dem Kerkermeister, dass er sie wohl bewahrte. Der nahm dies Gebot an und warf sie in das innerste Gefängnis und legt? ihre Füße in einen Stock. Um Mitternacht aber beteten Paulus und Silas und lobten Gott. Und es hörten sie die Gefangenen.“
Wir sehen hier, wie viel Paulus und Silas um des Namens Jesu willen in Philippi zu leiden hatten. Nicht allein wurden ihnen die Kleider abgerissen und blutige Striemen geschlagen, sie wurden noch dazu in ein tiefes Gefängnis geworfen und ihre Füße in einen Stock gelegt. In solchen Drangsalen ist es ein großer Trost, zu wissen, dass man nicht nach seinem eignen, sondern nach dem Willen des Herrn wandelt. Wo man auf der Erde unter den Menschenkindern weder Erbarmen noch Liebe findet, da darf man dann zuversichtlich Auge und Herz zu Gott dem Vater erheben, der in den drückendsten Lagen sich zu verherrlichen weiß. Ja Gott war nahe, als alles sie verlassen hatte, und nie ist die Not größer als der Helfer. Sie waren nicht allein im dunklen Gefängnis, wie die übrigen Gefangenen; obgleich gebunden in der Finsternis, so waren sie dennoch frei und wandelten im Licht. Sie litten am Fleisch, aber ihr Geist ruhte in Gott. Zu Ihm beteten sie in der Mitternachtsstunde und von Ihm wurden sie getröstet. Sie fangen Lobgesänge. Da wo die Welt jammert und wehklagt, singt der Christ Loblieder; wo sie sich verlassen sieht, erfährt der Christ die so herrliche Nähe seines Gottes. Paulus sagt 2. Korinther 1,9 von der großen Trübsal, die ihm und seinen Begleitern in Asien widerfuhr, als sie glaubten, dass sie sterben müssten: „Dies geschah aber darum, dass wir unser Vertrauen nicht auf uns selbst stellten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt. Welcher uns von solchem Tod erlöst hat und noch täglich erlöst; und hoffen auf Ihn, Er werde uns auch hinfort erlösen.“ Und Vers 4–5: „Der uns tröstet in all unserer Trübsal, dass wir auch trösten können, die da sind in allerlei Trübsal mit dem Trost, damit wir getröstet werden von Gott. Denn gleich wie wir des Leidens Christi viel haben, also werden wir auch reichlich getröstet durch Christus.“
Wie fremd mussten die Lobgesänge in den Ohren der übrigen Gefangenen klingen. Sie waren gefesselt an Leib und Seele. Sie kannten den Gott nicht, der sich also an den Seinen verherrlicht, dass sie inmitten großer Drangsale Loblieder singen können. Bei ihnen war es noch Nacht, sowohl nach außen als nach innen. Die arme Welt hat keinen Gott und Vater, der überall nahe ist und seine große Gnade und Liebe offenbart. Die Sünde beraubt sie ihrer Freiheit nach innen und auch oft nach außen.
Gott weiß aber auch die Seinen aus aller Drangsal zu erretten. Seine Hand ist nirgends zu kurz; Ihm ist alles untertan. Schnell aber ward ein großes Erdbeben, also dass sich bewegten die Grundfesten des Gefängnisses. Und von der Stunde an wurden alle Türen aufgetan und aller Bande los (V 26). Der Herr ist immer beschäftigt, den Seinen sich als ihr Gott und Vater zu beweisen. Wer seine Hoffnung allein auf Ihn setzt, wird nimmer zu Schanden. Wer in seinem Willen einher geht, wird stets die Güte und Treue seines Gottes erfahren. O Geliebte, sein Wille sei uns allein heilig; lasst uns Ihm uns ganz übergeben. Wir dürfen dann in allen Lagen getrost sein; der Herr wird sich immer an uns als unser Gott und Vater verherrlichen. Sind die Hindernisse und Schwierigkeiten auch noch so groß, für Ihn sind sie nicht da. Lasst uns im Glauben wandeln und den Kampf des Glaubens kämpfen, so werden wir in allen Lagen sicher und getrost sein. Der Glaube hält sich allein an Gott und wirkt stets in seiner Gegenwart und seiner Kraft. Gott und sein Wort ist für ihn genug; er hält sich mit aller Zuversicht und festem Vertrauen daran.
Paulus und Silas lagen um Mitternacht im innersten Gefängnis und ihre Füße waren in einen Stock geschlossen. Vor den Augen der Menschen waren sie wohl verwahrt, aber was war dies alles vor Gott? Nicht eine einzige Nacht vermochten diese Fesseln auszuhalten, als Er redete. Ähnliches finden wir Apostelgeschichte 12,5–8. „Und Petrus ward zwar im Gefängnis behalten, aber die Gemeinde betete ohne Aufhören für ihn zu Gott. Und da ihn Herodes wollte vorstellen, in derselben Nacht schlief Petrus zwischen zwei Kriegsknechten, gebunden mit zwei Ketten und die Hüter vor der Tür hüteten des Gefängnisses. Und siehe, der Engel des Herrn kam daher, und ein Licht schien in dem Gemach, und schlug Petrus an die Seite und weckte ihn auf und sprach: Steh schnell auf. Und die Ketten fielen von seinen Händen. Und der Engel sprach zu ihm: Gürte dich und tue deine Schuhe an. Und er tat also. Und er sprach zu ihm: Wirf deinen Mantel um dich und folge mir nach.“ Petrus schlief und wusste doch, was über ihn beschlossen war. Allein Er vertraute auf seinen Gott, dem er sich ganz übergeben hatte, darum fürchtete er sich nicht. Gott aber wachte über ihn und für ihn. Weder Gefängnis noch Ketten und Kriegsknechte sind vermögend, dem Willen unseres Gottes zu widerstehen.
Es wollte aber der Herr in jener Nacht in Philippi noch mehr seine reiche Gnade und herrliche Macht beweisen. Nicht nur sollten die Türen des Gefängnisses geöffnet und die Fesseln der Gefangenen gelöst werden, sondern auch noch andere Banden, die Ketten der Finsternis und des Todes sollten gelöst werden von einem Mann, der ganz frei zu sein schien. Es war der Kerkermeister, der den Knechten Gottes weder Erbarmen noch Liebe bewies, sondern ihre Wunden und Striemen nicht achtend, sie in das innerste Gefängnis warf und ihre Füße in einen Stock legte. Bis diese Mitternachtsstunde hatte dieser Mann ruhig und sicher in seinen Sünden geschlafen; aber als Gott redete, fuhr er aus dem Schlafe. Doch verstand er diese Stimme noch nicht; denn sogleich war das Mordschwert in seiner Hand; ein Stoß und – er lag in ewiger Nacht und Finsternis. Doch Gott redete noch einmal zu ihm durch den Mund seiner Knechte: „Tue dir nichts Nebels, denn wir sind alle hier.“ Es drang ein anderes Schwert durch seine Seele – das Schwert des Geistes Gottes, und – er ging in das ewige Leben ein. „Er ward zitternd und fiel Paulus und Silas zu den Füßen.“ Wohl zum ersten Male in seinem Leben fühlte er, dass er der Gefangene und jene die Gefreiten waren; wohl zum ersten Male fragte er: „Liebe Herren, was soll ich tun, dass ich selig werbe?“ Und der Herr lässt ihm die frohe Botschaft verkündigen: „Glaube an den Herrn Jesus Christus, so wirst du und dein Haus selig.“
Blicken wir jetzt in die zweite Hälfte dieser Nacht, so tritt uns so recht lebendig die Wirksamkeit des Werkes Christi und die Macht und der Reichtum der göttlichen Gnade entgegen. Dieses Werk und diese Gnade hatten einen Weg zu dem Herzen des Kerkermeisters gefunden. Die Ketten der Sünde und der Finsternis sind gesprengt und das Licht des Lebens ist hineingedrungen, und die Liebe Gottes darin ausgegossen. Sogleich nehmen auch die Handlungen des Kerkermeisters eine andere Richtung, sie tragen einen himmlischen Charakter an sich. „Und er nahm sie zu sich in derselben Stunde der Nacht und wusch ihnen die Striemen ab.“ Jetzt ist sein Herz mit Erbarmen und Liebe erfüllt. Hier erkennen wir, dass die Bekehrung allein Gottes Werk und oft das Werk eines Augenblicks ist. Es ist der Übergang von der Sünde zur Gerechtigkeit Gottes, von der Finsternis zum Licht und vom Tod zum Leben. Gott aber ist es allein, der alles wirkt und ist an keine Zeit noch Umstände gebunden. Wo Er einkehrt mit seiner Gnade, da ist Frieden und Seligkeit.
„Und er führte sie in sein Haus, und setzte ihnen einen Tisch und freute sich mit seinem ganzen Haus, dass er an Gott gläubig geworden war.“ Welch eine große Veränderung zwischen der ersten und zweiten Hälfte dieser Nacht. In der ersten schlief der Kerkermeister noch ruhig und sicher in seinen Sünden, in der zweiten freut er sich mit seinem ganzen Haus seines Gottes und Christi Jesu; in der ersten sitzen Paulus und Silas im dunklen Gefängnis, unter vielen Schmerzen Gott lobend, in der zweiten werden sie durch die Liebe und das Erbarmen ihres eigenen Kerkermeisters erquickt. O wie unendlich reich ist doch die Liebe, Gnade und Macht unseres Gottes! wie sehr weiß Er in einer einzigen Nacht seinen Namen zu verherrlichen!
Da wir nun einen solchen Gott haben, Geliebte, so lasst uns mit aufrichtigem Herzen und völligem Glauben unsere ganze Hoffnung auf Ihn setzen; lasst uns stets seinen wohlgefälligen Willen erforschen und darin wandeln. Sein Geist sei immerdar unser Führer, so werden wir gewisse Tritte tun und in den mancherlei Drangsalen nicht matt und mutlos werden. Er wird uns überall seine verborgene aber nahe Gegenwart kund tun und uns in stetem Frieden wandeln lassen. „Ist Gott für uns, wer mag wider uns sein!“ „Und Jesus Christus gestern und heute und derselbe in alle Ewigkeit. Amen.“