Botschafter des Heils in Christo 1853
Fortschritt des Bösen auf der Erde
Es ist notwendig, dass wir das Zeugnis, welches Gott von der Bosheit des Menschen ablegt, gut kennen. Anstatt auf einen beständigen Fortschritt des Guten hoffen zu können, müssen wir im Gegenteil einen Fortschritt des Bösen erwarten. Die Hoffnung, dass die Erde voll werden wird von der Erkenntnis des Herrn, bevor sein Gericht vollzogen und auf der Erde vollendet ist, ist falsch. Wir haben das Böse zu erwarten, bis es sich so schreiend herausstellt, dass der Herr als Richter kommen wird.
Zunächst ist da der Abfall vom Glauben, welcher in der Christenheit selbst stattfindet. Danach die Bildung und der Sturz der weltlichen Macht des Antichristen als sichtbare Macht betrachtet.
In Matthäus 13,24–30.36–43 finden wir das Gleichnis vom Unkraut (das Unkraut könnte man Ketzerei oder Verfälschung der Wahrheit nennen). Der Feind hat es zwischen den guten Samen gesät. Die Bestrebungen des Christen sollen nun nicht dazu dienen, das Unkraut auszuraufen, sondern „lasst beides zusammen wachsen bis zur Ernte“ (Mt 13,30). Diese findet am Ende der gegenwärtigen Haushaltung statt. Alle unsere Anstrengungen sollen das Ziel haben, die Kirche Gottes zu sammeln, die Miterben Jesu Christi zusammenzubringen.
1. Timotheus 4,1: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen, durch die Heuchelei von Lügenrednern“ (vgl. 2. Tim 3,1–5; 4,1–4; Apg 20,28–31; 1. Joh 2,18; 2. Thes 2,3–12). Wir sehen, dass das Unkraut schon zu Lebzeiten der Apostel gesät war, und darum haben wir auch das Zeugnis Gottes darüber, um uns zu warnen, zu leiten und uns vollkommenes Licht über diesen Zustand der Dinge mitzuteilen, wenn diese widerwärtigen Ereignisse kommen werden.
Das Verderben nimmt zu, bis endlich der Mensch der Sünde, der Antichrist offenbart wird. Nicht das Evangelium wird die Welt vereinigen, sondern das Böse. Im elften Vers des Judas-Briefes (Jud 11) finden wir drei Arten des Abfalls in diesen Leuten vereinigt: den natürlichen Abfall, den kirchlichen Abfall von Gott und die offenbare Empörung, über welche das Gericht einbrechen wird. Wir sehen zuerst den Charakter Kains, den Abfall der Natur, Hass, Ungerechtigkeit. Zweitens sehen wir den Charakter Bileams, falsche Lehre um des Lohnes willen, also den kirchlichen Abfall, und drittens sehen wir den Charakter des Korah, der sich gegen die Rechte des Priestertums und des Königtums erhoben hat, nämlich des Königtums Christi, vorgestellt in den Vorbildern Moses und Aarons.
Wenn man sich nach dem Wort Gottes ausdrücken will, so wird man sagen: Wir werden sehen, dass sich alles was mächtig ist, alles was gewaltig ist, sich in dieser Welt in Tätigkeit setzen wird, aber ohne Rücksicht auf Gott. Alle menschlichen Mittel, alle Fähigkeiten des Menschen, alle seine Talente, alle seine Erkenntnisse werden entwickelt werden, alles was das Herz verführen und den Geist beherrschen kann, alles was in dem Charakter und in der Natur des Menschen liegt, wodurch er sich selbst zu helfen weiß, ohne sich irgend ein Gewissen daraus zu machen – das wird die Welt in Erstaunen setzen und wird sie in den Einflussbereich des Antichristen ziehen. Man will die Herrlichkeit des Menschen zur Vollendung bringen, sich gegen Gott erheben und nicht Christus dienen, sich nicht unter Ihn demütigen. „Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden“ (Lk 18,14).
Wenn nun das Böse sich verschlimmern soll bis zum Gericht, so macht Gott zu gleicher Zeit das Zeugnis kräftig, welches das Gute von dem Bösen scheiden soll. Ich glaube, dass Gott immer so handelt. Man kann es nicht leugnen, Gott wirkt sichtbar in unseren Tagen. Man soll Ihm von ganzem Herzen dankbar sein und dies beweist nur noch umso mehr, dass die Zeit nahe ist, dass Gott die Seinen von der Welt zurückziehen will. Es sind zwei Zeichen des bevorstehenden Gerichts: Zum einen, dass das Böse groß wird, dass die Gottlosigkeit sich vermehrt und dass alle Hilfsmittel des Menschen sich auf eine wunderbare Weise entfalten, und zum anderen, dass die Christen sich von dem gegenwärtigen Zustand zurückziehen. Es liegt aber nichts darin, dass uns hindern soll an dem Werk Gottes zu arbeiten.
Ich sehe, dass das Gute wirksam ist, dass es sich verbreitet und ausdehnt und dass Gott seine Kinder von dem Bösen absondert. Ich sehe von der anderen Seite, wie sich alle Grundsätze des Gottlosen sichtbar entwickeln. Ich sehe in dem Wort Gottes eine ausdrückliche Erklärung, dass die gegenwärtige Haushaltung ihrem Ende zugeht und das Böse den höchsten Grad erreicht, bis dass der Gottlose durch die Ankunft Christi umgebracht wird.
Zum Schluss nur noch die Warnung, welche der Herr uns in Römer 11,22 gibt: „Sieh nun die Güte und die Strenge Gottes: gegen die, die gefallen sind, Strenge; gegen dich aber Güte Gottes, wenn du an der Güte bleibst; sonst wirst auch du abgeschnitten werden.“
Hat die Kirche dieser Güte Gottes entsprochen? Die Christenheit hat sich in ihrer Gesamtheit verschlimmert, diese Haushaltung der Heiden ist untreu gewesen. Kann sie wieder hergestellt werden? Nein, es ist unmöglich. Wie die jüdische Haushaltung abgehauen worden ist, so wird es auch mit der christlichen geschehen. Gott schenke uns die Gnade, dass wir festhalten an unserer Hoffnung und dass wir uns auf seine Treue stützen, die uns nie verlassen wird.
Da der Geist Gottes die wahre Stärke der Kirche ist, fängt die Empörung derselben dann an, wenn sie, anstatt sich Christus zu unterwerfen, bloß dem Willen und der Macht des Menschen gehorcht, sich auf Menschen stützt und auf die Wahrheit verzichtet, um der Lüge zu folgen. Christus ist das Haupt. Der Heilige Geist ist die einzige Macht, mittelst derer die Kirche wirken kann. Wenn die Kirche nicht durch den Heiligen Geist geleitet wird und nicht in diesem Sinn wahrhaftig sich Christus unterwirft, so ist die Christenheit eine Abtrünnige. In diesem Zustand der Empörung wird sich zum Ende der gegenwärtigen Haushaltung die bürgerliche Macht befinden. Der Abfall in der bürgerlichen Ordnung ist etwas, das sich viel mehr äußerlich zeigt und weit mehr auffällt. Alle bürgerliche Gewalt ist von Gott, nur befindet sie sich im Zustand der Empörung oder des Abfalls, wenn sie, anstatt sich Gott zu unterwerfen, sich gegen denjenigen erhebt, der ihr ihre Gewalt gegeben hat.
Das wird im Schoß der Christenheit stattfinden und dazu, wie es den Anschein hat, wird das Böse in der Kirche die Quelle und der Hauptanstifter sein. Eine Erfahrung, die sich zu allen Zeiten wahrnehmen ließ.
Von dem Augenblick an, da das Tier oder die bürgerliche Macht der vierten Monarchie sich gegen Gott in Aufruhr setzen wird, wird sich diese Monarchie in Verbindung mit den Juden finden und das ist es, was uns in die Geschichte dieses Volkes hineinführen wird. Als das vierte Tier (das römische Reich) auf dem Schauplatz dieser Welt erschien, waren in Jerusalem die Juden. Christus wurde diesem Reich vor Pontius Pilatus als König der Juden vorgestellt und in diesem seinem Charakter als König der Juden, den Er nie verlieren wird, verworfen. Zum Ende der Zeiten wird sich die gleiche Tatsache wiederholen. Die wieder in ihr Land versetzten, unbekehrten Juden werden sich in Verbindung mit dem vierten Tier befinden. Es werden unter ihnen Heilige sein. Dieses vierte Tier, das sich gegen Gott erhebt, wird sich geradezu den Rechten Christi als König der Juden widersetzen. Es wird sich viel höher gegen Christus erheben als damals, denn es wird sich die Rechte Christi als König der Juden anmaßen. Dann wird Christus, vom Himmel kommend, dasselbe mit dem Antichristen, der das Haupt davon ist, umbringen. Das Übriggebliebene aus den Juden wird Er annehmen als sein Volk auf der Erde und alle Völker wird Er unter seine Füße legen.
Das Gesagte wird uns begreiflich machen, dass sich da vieles nur auf die Heiligen, nämlich auf den treuen Überrest unter den Juden, anwenden lässt und nicht auf die Kirche. Wir wissen z.B. dass, während der kirchliche Abfall regiert hat, viele Verfolgungen gegen die Gläubigen stattfanden. Aber in den letzten Zeiten, wenn die Frage von der Verfolgung der Heiligen sein wird, so wird sie sich an dem Überrest der Juden vollziehen, deren Blut wie Wasser vergossen werden wird (vgl. Ps 79,3).
Das zwölfte Kapitel der Offenbarung zeigt die Quelle dieser Macht, den großen Drachen. Wir dürfen da gleichsam hinter den Vorhang dieses Schauplatzes schauen und wir sehen die Macht des Satans, welcher begehrt denjenigen umzubringen, der alle Völker mit einer eisernen Rute regieren soll: Christus und in Christus und mit Christus die Kirche. Das ist eigentlich die Macht Satans, der große Kampf. Das Wort Gottes stellt den Kontrast auf zwischen dem Vater und der Welt, zwischen dem Fleisch und dem Geist, zwischen dem Satan und dem Sohn Gottes. Hier ist der große Drache oder Satan, welcher denjenigen verschlingen will, der die Völker mit einer eisernen Rute regieren soll. Aber Er ist im Himmel, wo Ihn unser Auge erblickt.
Später, in Off 12,9, wird Satan aus dem Himmel verstoßen, ein Ereignis, das noch nicht wirklich stattgefunden ist.
Hier entsteht für einige eine Schwierigkeit. Weil Satan aus dem Gewissen vertrieben ist, was an sich wahr bleibt, so stellt man sich vor, er sei auch aus dem Himmel vertrieben. Es ist ganz richtig, dass Satan über unser Gewissen keine Macht hat, wenn wir den Wert des Blutes Christi verstanden haben. Aber auch deswegen bittet Christus für uns im Himmel, wo Satan die Kinder Gottes anklagt. Wir sehen in Epheser 6,12, dass die bösen Geister in den himmlischen Örtern sind. Folglich wird es ein Kampf im Himmel sein, ein Kampf, der nicht durch einen Akt der Fürbitte oder des Hohenpriesteramtes bewirkt wird, sondern durch Gewalt, der sich vielleicht mittelst der Engel erheben, der aber immerhin ein Werk der Gewalt sein wird. Obwohl Satan vom Himmel gestürzt werden soll, wird sein Sturz zu gleicher Zeit diese Erde zum Ziel haben. Aber er wird noch nicht in dem Abgrund gebunden sein und die Früchte seiner Bosheit werden ihr Ziel noch nicht erreicht haben. Er wird in großer Wut herabsteigen, „da er weiß, dass er wenig Zeit hat“ (Off 12,12).
Er wird seine Macht dem Antichristen geben und diesen wird der Herr umbringen durch den Hauch seines Mundes (vgl. 2. Thes 2,8). Direkt danach wird der Tag des Gerichts anbrechen, der kommen soll wie ein Dieb in der Nacht, für die Kinder dieser Welt, wenn sie sagen werden: „Friede und Sicherheit“.
Aber bei den Kindern des Tages und des Lichts wird dies Wort in Erfüllung gehen: „Weil du das Wort meines Ausharrens bewahrt hast, werde auch ich dich bewahren vor der Stunde der Versuchung, die über den ganzen Erdkreis kommen wird, um die zu versuchen, die auf der Erde wohnen. Ich komme bald; halte fest, was du hast, damit niemand deine Krone nehme!“ (Off 3,10.11)
(Auszug aus der „Erwartung der Kirche“)