Botschafter des Heils in Christo 1853
Denn ihr habt Ausharren nötig
Je näher wir dem Ende kommen, desto schwieriger wird es für den Christen, in dieser Welt seiner himmlischen Berufung gemäß zu wandeln. Die Verführung nimmt zu, und der Abfall und die Verwirrung wachsen von Tag zu Tage. Darum tut es jetzt besonders not, geliebte Brüder, dass wir uns stets mit den Worten des Apostels untereinander ermahnen: „Wacht, steht im Glauben, seid männlich und seid stark!“ Im alten Bund klagt der HERR durch den Mund des Propheten: „Mein Volk kommt um aus Mangel an Erkenntnis!“ (Jes 5,13), und dieselbe Klage hat Er auch heute über das Volk des neuen Bundes zu führen. Jesus Christus hat die Kirche, seine Braut, durch sein eigenes Blut erkauft, hat sie heilig, gerecht und unsträflich neben sich hingestellt und ihr seinen Geist, als Unterpfand einer überschwänglichen Herrlichkeit, die für sie im Himmel aufbewahrt wird, geschenkt, allein wie achtet sie den teuren Kaufpreis so gering, und wie wenig versteht sie sein so köstliches Erlösungswerk! Sie fragt ja fast in den meisten ihrer Glieder immer noch: Wer wird mich erretten vom Dienst der Sünde und des Todes (vgl. Röm 7,24)? Sie hat die Reinigung ihrer Sünden durch das Blut Jesu vergessen; sie ist sich ihrer Rechtfertigung und Heiligung durch das ein für alle Mal geschehene Opfer nicht mehr bewusst und gedenkt nicht daran, dass Er mit einem Opfer die Geheiligten auf ewig vollendet hat (Heb 10,14). Ihr Verständnis ist geschwächt, das Licht des Heiligen Geistes getrübt, weil sie sich freiwillig der Erleuchtung und Führung dieses Geistes entzogen hat; sie hat die so gesegnete Stellung, die ihr Gott angewiesen und Christus Jesus so teuer erkauft hat, verlassen und ist in einen Zustand zurückgesunken, der ihres Gottes und Heilands unwürdig ist.
Wie kann es auch anders sein? Der Apostel Paulus ruft den Korinthern zu: „Wisst ihr nicht, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig versauert?“ Wie vielmehr wird der große Sauerteig den geringen Süßteig verderben, seit die Kirche mit der Welt buhlt und der Gläubige mit dem Ungläubigen an einem Joch zieht! Die Gemeinde Gottes hat ihre hohe himmlische Berufung vergessen, als sie angefangen hat, sich auf dieser Erde wohnlich einzurichten, und ist nicht hienieden, sondern droben in ihrem Vaterland ein Fremdling geworden; sie hat das Bewusstsein verloren, dass sie mit Christus auferstanden und in den Himmel versetzt ist, darum ist die Erwartung der Zukunft des Herrn von ihr gewichen und die Hoffnung der Herrlichkeit in ihr verdunkelt. Sobald sie menschliche Autoritäten über sich anerkannte, hat sie Jesus Christus als ihr alleiniges Haupt und den Heiligen Geist als ihren einzigen Führer verworfen; sobald sie in der weltlichen Macht ihren Schutz suchte, hat sie Fleisch für ihren Arm gehalten und ist mit ihrem Herzen vom Herrn gewichen, und sobald sie in der menschlichen Verewigung ihre Stärke erkannte, hat sie aufgehört, ihre Hoffnung auf den Gott zu setzen, der da lebendig macht die Toten, und ruft dem, das nicht ist, dass es sei. Darum ist sie auch nicht mehr die verachtete und verfolgte Gemeinde, die von der Welt verkannte und gehasste Braut, die in der Gesinnung ihres Bräutigams einherwandeln soll, sondern sie ist verweltlicht in Gesinnung und Wandel. Möchte sie doch in diesen letzten Tagen ihren großen Schaden erkennen und zu dem zurückkehren, der Jesus, unseren Herrn aus den Toten erweckt hat, der um unserer Sünden willen dahingegeben und um unserer Gerecht-Erklärung willen auferweckt ist, damit sie nicht beschämt werde vor Ihm in seiner Zukunft. Der Abfall ist sehr groß und dennoch haben wir auch in unseren Tagen viel Ursache, den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus zu preisen und Ihm zu danken, dass Er an vielen Seelen den Reichtum seiner Gnade offenbart, dass ihr Glaube wächst, ihre Liebe völliger und ihre Hoffnung fest wird. Lasst uns darum im Gebet beharren, dass die Erkenntnis Gottes und Jesu Christi unter uns immer mehr zunehme.
Wundert euch nun aber nicht, meine Brüder, wenn ihr nicht allein von der offenbaren Welt gehasst und verfolgt werdet, sondern auch von denen viele und mannigfache Verleumdungen zu erdulden habt, die viel von ihrem großen Verderben rühmen, dessen Tiefen sie immer gründlicher zu entdecken meinen, während sie in Wahrheit mehr in sich als im Herrn leben, oder gar von solchen, die da meinen, in der Nachfolge des Herrn zu stehen, aber noch dienen im alten Wesen des Buchstabens und nicht im neuen Wesen des Geistes. Wundert euch nicht, wenn ihr seht, dass sich in ihnen Neid, Eifersucht und Bitterkeit regt, wenn sie von eurem Frieden mit Gott und eurer Freude im Heiligen Geist hören und wie ihr bereit seid, alles zu erdulden, damit ihr nur gelangt zur ersten Auferstehung. O gewiss, es sind viele Seelen unter ihnen, die nicht aus Mangel an Aufrichtigkeit, sondern nur aus Mangel an wahrer Erkenntnis diese unsichere und unklare Stellung eingenommen haben; wir werden viele am Tag des Herrn gerettet sehen, die uns heute verwerfen. Deshalb lasst uns nicht vergessen, dass sie unsere Brüder, ja Brüder unseres Herrn Jesus Christus sind, und dass es auch nur das Werk seiner Gnade ist, dass wir vor Ihm stehen und leben. Lasst uns nicht müde werden, ihnen mit Sanftmut und Liebe zu begegnen, mit Geduld alles zu ertragen, stets zu ihrem Dienst bereit zu sein, und nicht aufhören, heilige Hände für sie aufzuheben, bis dass wir alle gelangen zu einerlei Glauben und Erkenntnis des Sohnes Gottes und ein vollkommener Mann werden zu vollem Maß der Fülle Christi (Eph 4,13), umso viel mehr, da wir sehen, dass sich der Tag naht. Lasst uns stets dabei auf Jesus hinsehen, der ein solches Widersprechen von Sündern wider sich erduldete, der sich für uns dahingegeben hat und nicht widerschalt, da Er gescholten ward, sondern es dem anheimstellte, der da recht richtet. In dieser Gesinnung lasst auch uns immerdar einhergehen, ja in seinen Fußstapfen lasst uns wandeln!
Es ist aber nicht zu verkennen, dass wir uns bei dem schnell herannahenden Ende in einer schwierigen Stellung befinden. Je mehr die Versuchungen den Schein der Gottseligkeit an sich tragen, desto mehr Nüchternheit und Wachsamkeit bedarf es, um das Ziel unverrückt festzuhalten. Darin liegt das Schwierige unserer Stellung und die Größe der Verführung, dass jahrelange Erfahrungen so vieler, ja selbst die Heilige Schrift dazu benutzt wird, um uns in unserem Lauf zu dem göttlichen Kampfpreis aufzuhalten. Unvermerkt kann sich der Feind einschleichen, wenn er sich in einen Engel des Lichts verstellt und scheinbar mit Wahrheit auf uns losdringt; er trübt das Glaubensauge, und ehe es manche Seele gewahrt, ist sie durch den Geist der Zeit, der die Kirche Christi in ihrem krankhaften Zustand gefangen hält, mitgefesselt. Lasst uns diese Gefahr wohl beachten und uns gegenseitig ermahnen und aufrichten und uns auf betendem Herzen tragen. Auch dürfen wir nicht daran denken, dass diese Gefahr, solange wir hier sind, aufhöre; wir dürfen nie dahin arbeiten wollen, uns in dieser Welt Ruhe zu verschaffen; vielmehr wird die Verführung zunehmen und Spott und Verfolgung wachsen, bis der Herr kommt und uns in seine Ruhe einführt. Aber selig ist, wer ausharrt bis ans Ende; der Herr wird bald kommen und nicht verziehen. „Der Gerechte aber wird aus Glauben leben; und: Wenn jemand sich zurückzieht, so hat meine Seele kein Wohlgefallen an ihm.“ Wir aber sind nicht von denen, die sich zurückziehen zum Verderben, sondern von denen, die glauben zur Errettung der Seele (Heb 10,38.39).
Es ist Gottes Wille, dass wir ausharren in den Drangsalen dieser Zeit, dass wir inmitten der kräftigen Irrtümer Ihm dienen in einem lauteren und heiligen Wandel, bis der Herr kommt und wir die Verheißung davontragen. Wir haben dabei einen herrlichen Trost: „Gott ist für uns, und nichts kann uns von seiner Liebe scheiden!“ Er ist ein starker und getreuer Gott und weiß die Seinen wohl durch alle Versuchungen hindurchzuführen und uns zu befestigen bis ans Ende, dass wir untadelig sind am Tag unseres Herrn Jesus Christus (1. Kor 1,8). Und wie Er der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ist, so ist Er auch unser Gott und unser Vater und trägt und führt uns mit großer Geduld und Liebe. In seiner Gemeinschaft, in welcher wir mit Jesus leben, lasst uns stets erfunden werden, so kann uns nichts schaden. Wir haben auf dieser Erde nichts mehr zu verlieren, weil wir ein himmlisches Volk sind und alle unsere Segnungen und reichen Güter uns droben beim Vater aufbewahrt werden. Wir harren täglich darauf, um mit Jesus in den Vollgenuss der Herrlichkeit zu gelangen. Jetzt schon eingekehrt in das Heiligtum droben durch das Blut Jesu, lasst uns Ihm dienen im heiligen Wandel, Ihn anbeten im Geist und in der Wahrheit; lasst uns stets warten auf seinen Sohn vom Himmel, den Er auferweckt aus den Toten, Jesus, der uns erlöst hat vor dem kommenden Zorn (1. Thes 1,10). „Deshalb ermatten wir nicht, sondern wenn auch unser äußerer Mensch verfällt, so wird doch unser innerer Tag für Tag erneuert. Denn das schnell vorübergehende Leichte unserer Trübsal bewirkt uns ein über jedes Maß hinausgehendes, ewiges Gewicht von Herrlichkeit, indem wir nicht das anschauen, was man sieht, sondern das, was man nicht sieht; denn das, was man sieht, ist zeitlich, das aber, was man nicht sieht, ewig“ (2. Kor 4,16–18). Bald werden wir diese zerbrechliche Hütte ablegen und einen Bau aus Gott haben. Wir wissen aber, dass der Herr, vor dessen Richterstuhl wir alle offenbar werden müssen, zu fürchten ist, darum lasst uns, solange wir im Leib und in der Fremde leben, nur daran denken, Ihm wohlzugefallen. Lasst uns zu Ihm hinausgehen und seine Schmach tragen, und es für eitel Freude und Ehre achten, um seines Namens willen zu leiden. Ja bald wird Er kommen und sein Lohn mit Ihm und wir werden die Stätte bereitet finden. Wir werden Ihm gleich sein und Ihn sehen, wie Er ist. Darum harrt diese wenigen Tage aus und seid getrost, meine Brüder! „Freut euch in dem Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch!“ (Phil 4,4). Haltet unverrückt das Ziel im Auge und wandelt als die Auserwählten und Geliebten Gottes.
Sein Geist offenbare uns immer mehr die reiche Segensfülle, die uns in Christus Jesus geschenkt ist.