Botschafter des Heils in Christo 1853
Die himmlische Berufung des Christen
Teure christliche Leser! – Ich vertraue darauf, dass die folgenden einfachen Bemerkungen dadurch gesegnet sein werden, dass sie uns veranlassen, in allem Ernst vor dem Herrn zu erwägen, ob nicht vieles in unserem gegenwärtigen praktischen Leben unwürdig (ungeziemend) für Gläubige in Christus Jesus ist, die in der Geisteskraft und Gnade leben sollten, zu welcher wir gerufen sind.
Es ist ein großer Unterschied zwischen der jüdischen und christlichen Haushaltung oder der Gnadenzeit, aber der Unterschied wird oft nicht ausreichend hervorgehoben. Und daher entehren wir unseren geliebten Herrn zu oft dadurch, dass wir mehr leben wie irdische Juden und nicht wie Heilige, die mit Ihm auferstanden sind und mit Ihm in den himmlischen Örtern in Christus Jesus sitzen (vgl. Eph 2,6). Ich hoffe, wir werden die Bedeutung davon einsehen, das Jüdische und das Christliche in der Schrift zu unterscheiden, und – indem wir segensreiche Lektionen aus der Schrift lernen (vgl. 2. Tim 3,16) – jeden Teil derselben auf dasjenige anwenden, worauf der Heilige Geist es angewandt haben will. Stellen wir hierüber eine kurze Untersuchung an, so werden wir finden, dass viele irdische materielle Segnungen und Handlungsweisen Gottes gegenüber den Juden damals eine geistliche Parallele für uns darstellen.
1) Die Juden segnete Er mit irdischen Segnungen im Land, uns hat Er (der Vater) „gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus“ (Eph 1,3). Die Veranlassung der großen Veränderung in dem Handeln Gottes war Folgendes: Der Herr Jesus kam auf die Erde als der Messias der Juden, aber die Juden verwarfen Ihn von der Erde zurück in den Himmel von wo aus Er gekommen war (Mt 21,38.39). Jetzt, während der Herr von den Juden immer noch verworfen ist, sammelt Er sich eine Kirche aus den Nationen 1, die seine Schmach zu tragen und Ihm zum Himmlischen nachzufolgen hat. Doch auch die irdische Segnung ist nicht auf immer zu Grunde gegangen und der Jude ist nicht auf immer verworfen (vgl. Röm 11,15.25.26), denn wenn die Juden sagen werden: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ dann werden sie Christus wieder sehen (Mt 23,39). Er wird sie wieder in ihr eigenes Land bringen (vgl. Jes 11,11.16), „und … sie zum Lob und zum Namen machen in allen Ländern ihrer Schmach“ (Zeph 3,19). Bis zur Zeit seines Kommens – während des Zeitraums zwischen der Verwerfung Christi und seiner Wiederaufnahme durch die Juden – ist die Kirche, die vor Grundlegung der Welt in Christus erwählt war (vgl. Eph 1,4), berufen, dass sie stehe – nicht in irgendeiner jüdisch-irdischen Verbindung, sondern – in dem Verworfensein des Herrn Jesus Christus, des großen Hauptes der Kirche. Denn genau so wie diese Welt Ihn nicht aufgenommen hat, ebenso wenig nimmt sie auch seine Kirche auf (vgl. Joh 15,18.20). Und so wie Er aufgenommen wurde in den Himmel, so ist Er auch hingegangen, seiner Kirche eine Stätte zu bereiten, damit Er wiederkomme und sie zu sich aufnehme, damit, wo Er ist, auch sie sein möge (vgl. Joh 14,2.3). Sie ist dort als die Braut, als die Frau des Lammes (Off 21,9), die zur Gleichgestalt mit seinem Leib der Herrlichkeit umgestaltet werden wird (Phil 3,21) 2 und seine Miterbin ist, um seinen Thron mit Ihm einzunehmen (Röm 8,17; Off 3,21). Darum sollte auch der Lebenswandel eines Gläubigen in Jesus sehr von dem eines Juden unterschieden sein.
2) Die Dinge der Erde waren von dem HERRN den Juden gegeben (vgl. Jos 1,11) 3 und deshalb durften sie dieselben zu Herzen nehmen. Uns aber sind himmlische und nicht irdische Segnungen gegeben. Darum gibt es die Anweisung: „Sinnt auf das, was droben ist, nicht auf das, was auf der Erde ist“ (Kol 3,2). Die Juden durften irdische Dinge beherzigen und sollten es getan haben, weil es die irdischen Dinge waren, die Gott ihnen gab. Diejenigen aber, die jetzt irdische Dinge beherzigen, deren Ende ist die Verdammnis (Phil 3,19). Denn das ist nicht das, was Gott gibt um die Herzen seines Volkes zu erfüllen.
3) Die Juden hatten mit dem Schwert zu kämpfen gegen irgendeinen Feind, der sie in ihrem Land angriff (4. Mo 10,9), „aber die Waffen unseres Kampfes sind nicht fleischlich“ (2. Kor 10,4), „denn unser Kampf ist … gegen die geistlichen Mächte der Bosheit“, indem wir „das Schwert des Geistes, das Gottes Wort ist“ (Eph 6,12.17) gebrauchen.
4) Die Juden hatten in ihrem Land einen besonderen Ort und dort ein geweihtes Gebäude, wo sie Gott verehrten (1. Kön 8). Wir dagegen haben keinen einzigartigen Ort oder einzigartiges Gebäude, das anderen vorzuziehen wäre (Joh 4,20.21), sondern der Herr Jesus hat gesagt: „Wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen, da bin ich in ihrer Mitte“ (Mt 18,20).
5) Der jüdische, irdische Tempel war „mit schönen Steinen und Weihgeschenken geschmückt“ (Lk 21,5). Aber statt eines solchen Gebäudes mit solchem Schmuck in der christlichen Kirche ist die Kirche selbst ein geistliches Haus, zusammengefügt aus Gläubigen, als lebendige Steine, die zusammen aufgebaut werden „zu einer Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,20–22; 1. Petr 2,5).
6) Die Juden hatten gewisse Personen unter sich auf der Erde, die als Priester ein besonderes Amt erhielten. Aber unser einziger Priester (außer, dass jeder Gläubige ein Priester ist: 1. Petr 2,9) ist Jesus, der große „Hohepriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln“ (Heb 8,1).
7) In dem jüdischen Königreich auf der Erde waren Reichtümer ein Zeichen der göttlichen Gunst (1. Kön 3,13). Jesus aber spricht: „Schwerlich wird ein Reicher in das Reich der Himmel eingehen“ (Mt 19,23). Allein die unergründlichen Reichtümer Christi sind in dem himmlischen Königreich von Wert.
8) Unter den Juden wurden irdischer Rang und königliche Gewalt von Gott gehalten, als Stellen, womit er sein eigenes Volk zu ehren Pflegte (1. Kön 9,5). Jesus aber sagt: „Ihr wisst, dass die, die als Fürsten der Nationen gelten, diese beherrschen und dass ihre Großen Gewalt über sie ausüben. Aber so ist es nicht unter euch; sondern wer irgend unter euch groß werden will, der soll euer Diener sein; und wer irgend unter euch der Erste sein will, soll der Knecht aller sein. Denn auch der Sohn des Menschen ist nicht gekommen, um bedient zu werden, sondern um zu dienen und sein Leben zu geben als Lösegeld für viele“ (Mk 10,42–45).
9) Unter den Juden durfte ein Beleidigter Rache durchs Gesetz nehmen (4. Mo 35,19; 2. Mo 21,24). Aber die Vorschrift für die Gläubigen, die nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade stehen, ist: „Rächt nicht euch selbst, Geliebte, sondern gebt Raum dem Zorn“ (Röm 12,19) und: „Vergeltet nicht Böses mit Bösem ober Scheltwort mit Scheltwort, sondern im Gegenteil segnet“ (1. Petr 3,9).
Darum, ihr heiligen Brüder, Mitgenossen der himmlischen Berufung, wie sollten wir denn gekennzeichnet sein durch ein geheiligtes Glaubensleben und gottseliges Wesen! Was für einen Juden ganz richtig war, würde für uns die Lust (Begierde) des Fleisches und die Lust (Begierde) der Augen und der Hochmut des Lebens sein. Und wer diese lieb hat, in dem ist nicht die Liebe des Vaters (vgl. 1. Joh 2,15.16). Christi Reich ist jetzt nicht von dieser Welt (Joh 18,36), sondern die ganze Welt liegt in dem Bösen (vgl. 1. Joh 5,18). Satan ist der Fürst dieser Welt, der Gott dieser Welt (vgl. Joh 14,30; 2. Kor 4,4). Und jetzt von der Welt zu sein, heißt vom Teufel zu sein. Eine fürchterliche Wahrheit!
Dass du sie in dein Gewissen eindringen lassen möchtest, wenn du noch zu dieser Welt gehörst! – Steh still und bedenke deine so gefahrvolle Stellung! – Der Herr handelt jetzt nicht mit der Welt, noch mit irgendeinem Teil derselben, wie Er einst mit den Juden handelte. Er hat Geduld mit der Welt in seiner Langmut. Nicht, dass sie durch die Predigt des Evangeliums jetzt bekehrt werde, denn dies ist nirgendwo verheißen, sondern um aus den Nationen ein Volk zu nehmen für seinen Namen (vgl. Apg 15,14). Und dieses Volk soll nur eine gewisse Erstlingsfrucht seiner Geschöpfe sein (vgl. Jak 1,18).
Es gibt nicht eine einzige Schriftstelle, die für die gegenwärtige Haushaltung oder Heilszeit von einer allgemeinen Erkenntnis Gottes auf der Erde redet. Im Gegenteil: Wir werden gewarnt, dass die Bosheit überhand nehmen wird, bis der Herr kommt um den Menschen der Sünde zu verderben und zwar nicht durch die Predigt seines Wortes, sondern durch die Klarheit seines Kommens (2. Thes 2,8). „Und kommen wird der HERR, mein Gott, und alle Heiligen mit dir“ „Und seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen, der vor Jerusalem im Osten liegt“ (Sach 14,5.4). Und darüber hinaus sollen die Juden wiederhergestellt werden in ihrem eigenen Land. „In jener Zeit wird man Jerusalem den Thron des HERRN nennen, und alle Nationen werden sich zu dir versammeln wegen des Namens des HERRN in Jerusalem; und sie werden nicht mehr dem Starrsinn ihres bösen Herzens nachwandeln“ (Jer 3,17). „In Zukunft wird Jakob Wurzel schlagen, Israel blühen und knospen; und sie werden mit Früchten füllen die Fläche des Erdkreises“ (Jes 27,6) und „die Erde wird voll Erkenntnis des HERRN sein, wie die Wasser den Meeresgrund bedecken“ (Jes 11,9).
Dann wird die Verheißung, die dem Abraham und dem Altertumsvolk Gottes gegeben ist, erfüllt sein, erfüllt in dem Land, welches ihnen vor Zeiten verheißen war, in welchem aber Abraham sein Leben zubrachte wie in einem fremden Land. Die irdische Herrlichkeit wird in ihrem Wesen himmlisch sein, weil der Himmel geöffnet gesehen wird und die Engel Gottes auf- und niedersteigend auf den Sohn des Menschen (vgl. Joh 1,51). Darum wird man sagen, wie Jakob in seinem Gesicht sagte: „Dies ist nichts anderes als Gottes Haus, und dies ist die Pforte des Himmels!“ (1. Mo 28,17). Die himmlische Herrlichkeit wird mit der Erde verbunden sein, denn alle Dinge, die im Himmel und die auf der Erde, werden zusammengefasst werden in Christus durch Ihn selbst (vgl. Eph 1,10).
Diese frohe Zeit ist noch nicht gekommen. Aber die Kinder Gottes werden aufgefordert, dem Kommen des Herrn vom Himmel zur Aufrichtung derselben entgegen zu sehen. Und wie müssten die Kinder Gottes jetzt erfunden werden? Sehr abgesondert von einer bösen Welt (vgl. 2. Kor 6,17), als solche, die nicht wie (irdisch gesinnte) Juden leben, sondern als solche, die mit Christus auferstanden sind und nach dem sinnen, „was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“ (Kol 3,1), die leben als solche, die sich nicht Schätze sammeln auf der Erde, sondern im Himmel, mit ihrem Herzen im Himmel, wo ihr Schatz ist (vgl. Mt 6,19–21). „Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mir seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (Phil 3,20.21). „Denn wir wissen, dass, wenn unser irdisches Haus, die Hütte, zerstört wird, wir einen Bau von Gott haben, ein Haus, nicht mir Händen gemacht, ein ewiges, in den Himmeln. Denn in diesem freilich seufzen wir und sehnen uns, mit unserer Behausung, die aus dem Himmel ist, überkleidet zu werden“ (2. Kor 5,1.2). „Denn der Herr selbst wird mit gebietendem Zuruf, mit der Stimme eines Erzengels und mit der Posaune Gottes herabkommen, und die Toten in Christus werden zuerst auferstehen; danach werden wir, die Lebenden, die übrig bleiben, zugleich mit ihnen entrückt werden in Wolken dem Herrn entgegen in die Luft; und so werden wir allezeit bei dem Herrn sein. So ermuntert nun einander mit diesen Worten“ (1. Thes 4,16–18).
„Er selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und uns ewigen Trost und gute Hoffnung gegeben hat durch die Gnade, tröste eure Herzen und befestige euch in jedem guten Werk und Wort“ (2. Thes 2,16.17).
(Nach einem Traktat)
Fußnoten
- 1 Ursprünglich: „sammelt er sich eine Kirche aus allen Heiden und Völkern und Sprachen (Off 7,9)“ Beim genauen Studium des Abschnittes in Offenbarung 7 wird man feststellen, dass mit der großen Volksmenge „aus jeder Nation und aus Stämmen und Völkern und Sprachen“ nicht die Versammlung (Kirche) gemeint ist, sondern die Menschen aus den Nationen, die nach der Entrückung der Versammlung (1. Thes 4,15-17) Gott als ihren Retter angenommen haben und durch die Zeit der Drangsal hindurch gerettet worden sind.
- 2 Ursprünglich: „die in seiner eigenen herrlichen Ähnlichkeit gebildet worden (Phil 3,21)“ Die Änderung beruht auf der Verbesserung der Übersetzung des Bibelverses in Philipper 3,21.
- 3 Es ist wichtig, zu wissen, dass der Wert der irdischen Umstände der Juden vielfach darin bestand, dass sie Vorbilder und Abschattungen waren von weit kostbareren Dingen welche nach demselben kommen sollten (siehe 1. Kor 10,11; Heb 10,1; Kol 2,16.17).