Botschafter des Heils in Christo 1853
Wer aus Gott geboren ist, sündigt nicht
Diese Worte werden sehr leicht und vielfach missverstanden und doch sind sie so einfach. Es bedarf nur des einfältig kindlichen Glaubens, um sie recht zu verstehen und zu gebrauchen. Der Apostel will uns hier ebenso wenig zu einer fleischlichen Heiligung auffordern, noch uns für die kleinen subtilen Sünden blind machen 1. Vielmehr will er unserem Glauben einen sicheren, festen Halt und unserem Glaubenskampf ein freudiges Aufsehen geben. Darum ist es eine gute Botschaft, ein liebliches Evangelium, und hält uns aufrecht und nüchtern. Jagen wir einer falschen Heiligung nach, meine Freunde, so können uns diese und ähnliche Worte nur mutlos machen. Nehmen wir es leicht mit der Sünde, werden wir dadurch selbstsicher und denken uns nichts mehr dabei 2. So entschieden sie nun aller fleischlichen Heiligung und Sicherheit entgegentreten, ebenso entschieden und freudig bekennt der Christ: „Wer aus Gott geboren ist, der sündigt nicht; er kann nicht sündigen.“ Lasst uns nun in den Sinn dieser Worte etwas näher eingehen.
„Und Das Wort wurde Fleisch und wohnte unter uns“ (Joh 1,14). „Jeder, der glaubt, dass Jesus der Christus ist, ist aus Gott geboren“ (1. Joh 5,1). Es ist etwas überaus kostbares für ein Herz, was unter der Last der Sünde seufzt, wenn ihm das Geheimnis der Gottseligkeit kund wird, wenn es in Wahrheit in das Bekenntnis einstimmt: Gott ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, usw. (vgl. 1. Tim 3,16). Jesus Christus ist im Fleisch gekommen (vgl. 1. Joh 4,2). Dieses Kommen galt unserer Erlösung. Es sollte die göttliche Gerechtigkeit befriedigt und der Reichtum der Gnade an uns in Christus Jesus offenbart werden. Es ist nun vollbracht zum Preis unseres Gottes. Aber nur der Glaube erfasst es und betet an. Für den Unglauben bleibt das Wort vom Kreuz die alberne Predigt. Für ihn ist die Weisheit und Kraft Gottes nur Torheit und Schwachheit.
Der Mensch war Sünde und Ohnmacht, er stand unter dem Fluch und Zorn Gottes und sein Ende war Tod und ewige Verdammnis. Das war sein Los als Nachkomme des ersten Adams, in welchem durch Ungehorsam das Ebenbild Gottes verloren wurde. Da erschien der zweite Adam, Jesus Christus. Er hüllte sich in Fleisch und Blut, weil auch wir gemeinsam dasselbe an uns tragen (vgl. Heb 2,14), in diesem ist er hingegangen und hat unsere Sünde an seinem Leib an dem Fluchholz getragen (vgl. 1. Pet 2,24) 3. Auf diesem Weg ist die Sünde, die uns von Gott trennte, beseitigt worden. Allein an dieses Opfer hält sich der Glaube, der nichts eigenes mehr zu bringen vermag. Er spricht ebenso zuversichtlich, dass alle Sünden getilgt seien, als ob er nie eine Sünde begangen hätte. Der Gläubige naht sich Gott mit Freimütigkeit, nicht mit einem von Sünde beschwerten, sondern mit einem befreiten Gewissen, weil er Jesus ergriffen hat. Noch weiter geht der Glaube in seinem Bekenntnis, da er ja nicht mehr auf das Sichtbare sieht, sondern unbedingt und mit völliger Gewissheit dem Wort Gottes traut. In Christus Jesus sieht sich der Gläubige vertreten und dargestellt. Jesus Christus ging mit uns, die wir durch den Glauben in Ihm sind, mit allen unseren Sünden Gott entgegen. Auf Ihn wurde alle unsere Schuld und Missetat gelegt. Die göttliche Gerechtigkeit aber traf den so beladenen, und uns in Ihm, auf Golgatha. – „Verflucht sei, wer nicht aufrechterhält die Worte dieses Gesetzes, sie zu tun! (5. Mo 27,26). Und: „Die Seele, die sündigt, die soll sterben“ (Hes 18,20). Das war genug, und die Gerechtigkeit Gottes musste sich auch völlig als Gerechtigkeit erweisen. Dies ist geschehen am Fluchholz, als Christus den Tod der Missetäter starb und wir in Ihm. Er wurde für uns zur Sünde gemacht (vgl. 2. Kor 5,21). Der Leib also, der dem Gesetz der Sünde unterworfen war, wurde am Kreuz in Jesus vom Tod getroffen und ist dadurch ganz beseitigt worden. Die Sünde hat also den Gegenstand ihrer Knechtschaft in Christus am Fluchholz getötet. Somit ist nun dieser Gegenstand, der Leib der Sünde, bei allen, die durch den Glauben in Jesus sind, hinweggetan. Die Sünde kann ihre Kraft und Herrschaft nur in denen ausüben, die nicht im Glauben stehen, bei den Glaubenden hat sie nichts mehr auszurichten noch zu fordern, weil das geschehen ist. Die Gerechtigkeit Gottes hat sodann auch ihr Genüge an den Glaubenden. Gott selbst war in Christus und hat sich völlig zufriedengestellt durch sich selbst.
Der Tod konnte den nicht halten, der Gott vertraut hatte und das Leben selber war. Das Gericht war beendet und alles beseitigt worden, was sich irgendwie zwischen Gott und uns stellen konnte. Jetzt offenbarte sich an uns den Glaubenden der Reichtum seiner Gnade und Liebe. Hielt uns keine Sünde mehr gefangen, konnte kein Gesetz mehr einen Fluch über uns aussprechen, weil der Tod beiden volles Recht hatte zu Teil werden lassen, so konnte uns auch mit Jesus, unserem Leben, das Grab nicht behalten. Wie Er durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt wurde, so auch wir. Ein neuer Mensch entstieg dem Grab, an dem die Gerechtigkeit Gottes nichts mehr fand. Er war gerecht, heilig und ohne Tadel und darum setzte Ihn auch Gott zu seiner Rechten. Er hatte sich selbst erniedrigt und wurde völlig gehorsam, darum hat Ihn auch Gott erhöht und Ihn hoch über alles gesetzt, was im Himmel und auf Erden ist. Als Sohn und Erbe ist Ihm vom Vater im Himmel ein ewiges, unverwelkliches Erbteil, eine unaussprechliche Herrlichkeit geworden. Der Glaube sieht sich nur in Jesus. Wo dieser ist, da bleibt auch er. Bis zur Rechten Gottes bis zur Herrlichkeit des Vaters folgt er und betet an. Er erfüllt das Herz mit Lob und Preis, dass es laut rühmend mit dem Apostel spricht: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“ (Röm 11,33). Der Gläubige richtet unverwandt sein Auge auf Jesus und erblickt in Ihm die ganze Fülle der Gnade und Liebe. Nur er versteht die Worte: „Also ist jetzt keine Verdammnis für die, die in Christus Jesus sind“ (Röm 8,1). „Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Kor 5,17). Der Gläubige sieht sich mit den Augen Gottes an und da sieht und bekennt er, dass er in Jesus versöhnt, gerechtfertigt und geheiligt dargestellt und dem Vater lieb und wert ist. Er hat Jesus im Glauben angezogen und darum hat er das ewige Leben und ist auf dieser Erde schon in dasselbe eingegangen.
Der Sündenleib ist getötet und die Knechtschaft der Sünde aufgehoben. Es ist alles neu geworden. Wir sind aus Gott geboren, sind in Christus auferstanden und in den Himmel versetzt. Sollen wir nun wieder einen neuen Sündendienst aufrichten? Dann wäre Christus ja ein Sündendiener. Wisst ihr nicht, dass eure Leiber Glieder Christi sind? Soll ich nun die Glieder Christi nehmen und sie zu Gliedern der Sünde machen? Das sei ferne. Vielmehr halten wir gläubig fest, dass wir der früheren Herrschaft und Gemeinschaft ganz gestorben sind, dass alles neu geworden ist, dass der ganze Dienst, ja unser ganzes Verhältnis ein anderes geworden ist. Eine solche Sprache des Glaubens führt der Apostel Johannes fast durchgängig in seinem ersten Brief. Er spricht von den Christen, als spräche er von Christus selbst. Auf die ungläubigen Einwendungen des menschlichen Herzens nimmt er gar keine Rücksicht. Er redet von den Christen, als solchen, die in Christus der Sünde gestorben und nun mit Ihm auferstanden und in den Himmel versetzt sind. Er führt nur die Sprache des Glaubens, der die Dinge besitzt, die er glaubt. Nur einige Stellen will ich hier anführen: „Wenn wir aber in dem Licht wandeln, wie er in dem Licht ist, so haben wir Gemeinschaft miteinander“ (1. Joh 1,7). „Und hieran wissen wir, dass wir ihn kennen, wenn wir seine Gebote halten. Wer sagt: Ich kenne ihn, und hält seine Gebote nicht, ist ein Lügner, und in diesem ist die Wahrheit nicht“ (1. Joh 2,3.4). „Jeder, der in ihm bleibt, sündigt nicht; jeder, der sündigt, hat ihn nicht gesehen noch ihn erkannt. [...] Wer die Sünde tut, ist aus dem Teufel, denn der Teufel sündigt von Anfang an. Hierzu ist der Sohn Gottes offenbart worden, damit er die Werke des Teufels vernichte. Jeder, der aus Gott geboren ist, tut nicht Sünde, denn sein Same bleibt in ihm; und er kann nicht sündigen, weil er aus Gott geboren ist. [...] Und was irgend wir erbitten, empfangen wir von ihm, weil wir seine Gebote halten und das vor ihm Wohlgefällige tun“ (1. Joh 3,6.8.9.22). „Hieran erkennen wir, dass wir die Kinder Gottes lieben, wenn wir Gott lieben und seine Gebote halten. Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer. [...] Wir wissen, dass jeder, der aus Gott geboren ist, nicht sündigt; sondern der aus Gott Geborene bewahrt sich, und der Böse tastet ihn nicht an“ (1. Joh 5,2.3.18).
Es wird uns hier nicht schwer fallen, zu erkennen, dass der Apostel von solchen redet, die in Christus Jesus vollkommen gemacht sind, „die nicht aus Geblüt noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,13). Von dem Leib der Sünde, der am Kreuz in Christus Jesus getötet ist, wird keine Notiz genommen. Der Glaube hält ihn für völlig vernichtet. Die frühere Macht und Herrschaft, welcher wir unterworfen waren, ist in Jesus gebrochen, und in Ihm kann uns nichts schaden. Dies ist aber nur ein Werk des Glaubens und nicht des Schauens. In der Wirklichkeit sehen wir den Leib, worin das Gesetz der Sünde sein Werk hatte, noch an uns und das macht manchen viel Mühe. Der Glaube hat aber dieselbe Kraft, die auch die Dinge, die er glaubt, in der Wirklichkeit haben. Er ist es, der uns allein in Christus Jesus hält und uns untadelig leben lässt. Doch bleibt er fortwährenden Anfechtungen unterworfen. In meinem Fleisch finde ich noch alle Anknüpfungspunkte für das, was fleischlich ist, und nur, wenn ich im Glauben stehe, hat nichts Macht über mich. Ohne Glauben, mag ich auch noch so viel Jahre ein Christ gewesen sein, komme ich immer wieder unter die Herrschaft der Sünde und des Todes. Unzählige Feinde sind beschäftigt, mir meinen Glauben zu rauben, und darum bleibt in diesem Leben ein steter Kampf. Ohne Kampf bin ich schnell eine Beute des Unglaubens, und der Sündenleib, den der Glaube in Jesus als getötet ansah, wird, wenn ich so sagen darf, wieder aus dem Grab hervorgezogen und tritt unter den Dienst der Sünde. In diesem Dienst bleibe ich, so lange der Unglaube währt. Nur der Glaube allein versetzt mich aus demselben in Jesus. In diesem Sinn spricht auch der Apostel, uns zu trösten, nachdem er vorher ermahnt hat: „Meine Kinder, ich schreibe euch dies, damit ihr nicht sündigt; und wenn jemand gesündigt hat – wir haben einen Sachwalter bei dem Vater, Jesus Christus, den Gerechten“ (1. Joh 2,1). Es soll keiner, der mutlos geworden, der den Glauben verlassen, den Sündenleib wieder angesehen, und nicht im Kampf verharrte, in seinem Unglauben bleiben, sondern sofort zu Jesus seine Zuflucht nehmen. In Ihm ist die Versöhnung, in Ihm sind wir gerecht.
So tröstlich es nun einerseits für uns ist, zu finden, dass wir nicht Ursache zum Verzagen haben, eben so entschieden fordert uns auch andererseits die Geduld und Güte Gottes auf, nicht zu sündigen. Es ist sehr betrübend, diese Trostworte aus dem Mund solcher zu hören, die leichtsinnig leben. Sie wollen darin eine Unmöglichkeit sehen, der Sünde nicht zu dienen. Finden sie bei sich so oft Glauben und Unglauben wechseln, finden sie, wie sie in Gedanken, Worten oder Werken immer wieder der Sünde dienen, so soll dies der Maßstab eines Christen sein. Ihr eigenes Gewissen aber, wenn sie nur darauf achten wollen, sagt ihnen, dass sie nicht in dem rechten christlichen Ernst einhergehen, und ihre hohe himmlische Berufung wenig kennen und beachten. „Da wir nun diese Verheißungen haben, Geliebte, so lasst uns uns selbst reinigen von jeder Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes“ (2. Kor 7,1). „Jeder, der den Namen des Herrn nennt, stehe ab von der Ungerechtigkeit!“ (2. Tim 2,19). „Darum, Brüder, befleißigt euch umso mehr, eure Berufung und Erwählung fest zu machen; denn wenn ihr diese Dinge tut, so werdet ihr niemals straucheln“ (2. Pet 1,10). Das sind Ermahnungen, die kraftlos an solchen leichtfertigen Herzen vorüber gehen. Ebenso suchen sie den Ernst dieser Aussagen durch allerlei Spitzfindigkeiten zu schwächen. Bei vielen mangelt es auch an der richtigen Erkenntnis. Sie verstehen nicht das Wesen des Glaubens und Unglaubens. Leider wird dies aber von einigen unter ihnen anerkannt, aber viel lieber verharren sie in einem mangelhaften Glaubensleben. Aber damit beweisen sie eine große Undankbarkeit gegenüber dem Reichtum der uns in Christus geschenkten Gnade und Herrlichkeit. Es gibt auch nicht wenige, die den alten und neuen Menschen in der Weise trennen, dass sie meinen, der alte sei auf der Erde und lebe fleischlich, während der neue im Himmel sei und Gott diene. Es wird dabei in dem Wollen des Guten, (die Anerkennung, dass das Gesetz gut ist) und dem Tun des Bösen, (der Erfahrung, dass wir Fleisch sind), der neue und alte Mensch erkannt. Aus dem oben Gesagten ist aber zur Genüge bewiesen, und der Apostel Johannes zeigt uns deutlich, dass der aus Gott Geborene eine neue Kreatur ist, der nicht nur das Gute will, sondern auch tut, und der nicht sündigt. Der alte und der neue Mensch können nie zusammen leben und regieren. Der neue Mensch geht aus dem Tod des alten hervor, beides durch den Glauben. Durch denselben können wir uns nur dann als auferstanden und mit Jesus in den Himmel versetzt sehen, wenn wir dafür halten, dass wir in Ihm gestorben sind und dies durch Wort und Wandel vor Gott und Menschen bezeugen.
Als aus Gott Geborene, als mit Christus Auferstandene können wir der Sünde nicht dienen, es ist unmöglich. Aber so lange ich auf der Erde im Glauben lebe, und ich alles nur durch Glauben habe, der noch dazu mancherlei Prüfungen unterworfen ist, so lange ist es möglich, dass ich ermatte und für eine Zeit lang in den Unglauben zurück sinke. Wenn dies geschieht, so bin ich wieder unter die Macht der Sünde und in ihren Dienst getreten. Wenn ich also mit Geduld in den verordneten Kampf laufe, ist das Sündigen nicht etwas Gewöhnliches sondern etwas Unnormales, nicht etwas, was eben nicht anders sein kann, oder so sein muss, sondern etwas, was nur dann geschieht, wenn wir nicht im Aufsehen verharren. Lasst uns aber unsere hohe Berufung nicht aus den Augen verlieren, meine Brüder, und im Kampf des Glaubens nicht ermatten. Es ist etwas Herrliches, zu wissen, dass uns in Jesus nichts schaden kann, dass wir in Ihm vor aller List und Bosheit der Feinde gesichert sind. Es ist etwas Herrliches, in dem Bewusstsein umhergehen zu können, dass die Sünde alle Macht und Herrschaft an uns verloren hat, dass wir nicht sündigen können, wenn wir nur in Ihm bleiben. Das Bewusstsein macht unseren Gang sicher und gibt Mut im Kampf. Darum lasst es uns in unserem ganzen Leben unseren Dank für sein großes Opfer beweisen. Dringen auch Versuchungen aller Art auf uns heran, seht unverrückt auf Jesus und lasst euch mit nichts ein. Bald haben wir auch den Siegespreis errungen und dann werden wir uns mit unaussprechlicher Freude freuen.
Möge der Heilige Geist immer tiefer in die Erkenntnis Gottes und Christus Jesus dringen und unseren Herzen den Reichtum seiner Gnade und Herrlichkeit, die wir in Christus haben, immer besser verstehen und schätzen lassen.
Fußnoten