Über den Gottesdienst
Botschafter des Heils in Christo 1853
Über den Gottesdienst - Teil 1/3
Die den Gottesdienst Ausübenden sind einmal gereinigt (vgl. Heb 10,2)
Diese so lehrreiche und erbauliche Schrift von J. L. Harris ist aus dem Englischen übersetzt. Hier erscheint es, zum leichteren Verständnis mancher Leser des Botschafters etwas vereinfacht, aber doch ganz sinngetreu.
Die Gnade, worin die Gläubigen sich befinden, besteht darin, dass sie sowohl Gottes Söhne, als auch Priester, Anbeter1 Gottes, sind.
Wir stehen zu Gott in einem Verhältnis als Kinder und auch in einem Dienstverhältnis zu ihm. Als Anbeter Gottes nehmen wir die Stelle ein, welche Israel einst hatte, als einziges Volk der ganzen Erde, das im Gottesdienst war. Ohne Kinder Gottes zu sein, können wir freilich auch keine Priester Gottes sein. Söhne Gottes zu sein ist unsere besondere Würde. Wir kommen dadurch im erhabensten Sinn mit Gott in Verbindung. Dies verhindert aber nicht, dass wir auch eine Stellung als Diener haben und diese wollen wir jetzt betrachten. Es ist die gemeinschaftliche Stellung aller Gläubigen und Heiligen, dass sie, einmal vor Gott gereinigt, im Gottesdienst stehen.
Betrachten wir zuerst den Gottesdienst der Kinder Israel, wie der HERR ihn angeordnet hatte. Gott offenbart uns im Hebräerbrief den gesegneten und köstlichen Teil dessen, der nun im Gottesdienst steht.
Das besondere Vorrecht Israels war das Nahen zu Gott: „Ihr habt gesehen, was ich an den Ägyptern getan habe, wie ich euch auf Adlers Flügeln getragen und euch zu mir gebracht habe“ (2. Mo 19,4). Israel wurde dadurch, im Unterschied zu allen anderen Völkern, in eine Stellung als Priester vor Gott gebracht2. Darum steht geschrieben: „Und er kam und verkündigte Frieden, euch, den Fernen [Heiden], und Frieden den Nahen [Juden]“ (Eph 2,17).
Die Gnade Gottes hatte die Israeliten zu Ihm geführt, indem Er sie den ganzen Weg von Ägypten durch die Wüste Sinai leitete. Am Sinai aber unternahmen sie es, ihr Bestehen auf ihren eigenen Gehorsam zu gründen und unter dieser Bedingung sollten sie dem HERRN ein Königreich von Priestern sein (vgl. 2. Mo 19,5.6). Doch sehr bald sehen wir sie vom Gehorsam abweichen. Sie blieben wohl als Volk in der Nähe Gottes, aber trotzdem wurde gleich nach ihrem Ungehorsam eine Anzahl aus ihrer Mitte abgesondert, um in eine besondere Nähe zu Gott versetzt zu werden. Folglich waren die Übrigen dadurch in eine gewisse Entfernung verworfen. Denn dies war der Befehl des HERRN zu Mose: „Und du sollst deinen Bruder Aaron und seine Söhne mit ihm, aus der Mitte der Kinder Israel, zu dir herzutreten lassen, um mir den Priesterdienst auszuüben: Aaron, Nadab und Abihu, Eleasar und Ithamar, die Söhne Aarons“ (2. Mo 28,1). Sie sollten vor den Altar treten, um den Dienst am Heiligtum zu verrichten (2. Mo 28,43). Ein Einziger von ihnen hatte das Vorrecht, noch näher zu Gott zu kommen: Das war der Hohepriester, der allein ins Innere des Vorhangs gehen durfte. Aber nach der Sünde von Nadab und Abihu (3. Mo 10,1.2) wurde auch dieses Vorrecht des Hohenpriesters beschränkt: „Und der HERR redete zu Mose nach dem Tod der beiden Söhne Aarons, als sie vor der HERR hintraten und starben; und der HERR sprach zu Mose: Rede zu deinem Bruder Aaron, dass er nicht zu aller Zeit in das Heiligtum hineingehe innerhalb des Vorhangs, vor den Deckel, der auf der Lade ist“ (3. Mo 16,1.2).
Israel gehörte ohne Zweifel „der Dienst [oder Gottesdienst]“ des HERRN (Röm 9,4). Es war aber ein Gottesdienst, in dem das Nahen zu Gott unvollkommen und beschränkt war. Der Hohepriester war am nächsten, danach kamen die Priester: diese beteten an im Inneren. Nach ihnen waren die Leviten, welche den Priestern halfen, und welchen die Besorgung der Stiftshütte übertragen war. Letztendlich war das Volk, d.h. die äußeren Anbeter, wie geschrieben steht: „Und die ganze Menge des Volkes war betend draußen zur Stunde des Räucheropfers“ (Lk 1,10). Aber selbst in diesen äußeren Vorhof durfte kein Heide eindringen (Apg 21,28.29). Die wesentlichen Dinge bei dem jüdischen Gottesdienst waren: Opfer und Priestertum. Dies wurde besonders dem Volk Israel unter dem Gesetz eingeschärft. Aber auch wir haben beides notwendig und, Gott sei Dank, wir haben es in Jesus. Dennoch ist zwischen dem damaligen und jetzigen Gottesdienst ein großer Unterschied, und zwar in Bezug auf die Ordnung und des Wertes. Über diesen Unterschied zwischen dem Gottesdienst Israels unter dem Gesetz und demjenigen der Kirche (der Gemeinschaft der Gläubigen) lässt uns das Wort Gottes nicht im Dunkeln. In Hebräer 10 gibt uns der Heilige Geist eine Erklärung über das denkwürdige Fest des großen Versöhnungstages, wodurch wir überzeugt werden sollen, dass die jetzige Stellung des wahren Anbeters gerade das Gegenteil ist von derjenigen der Israeliten unter dem Gesetz. Dies wollen wir nun betrachten.
Die Opfer unter dem Gesetz konnten den Darbringenden nicht zu einem dauernden Anbeter machen. Es fehlte ihnen die innere Kraft und sie mussten auch immer wiederholt werden: „Denn würde sonst nicht die Darbringung aufgehört haben, weil die den Gottesdienst Ausübenden, einmal gereinigt, kein Gewissen von Sünden mehr gehabt hätten?“ (Heb 10,2). Hier wird gesagt, dass das Vollendetsein als Anbeter darin besteht, kein Bewusstsein von Sünden mehr zu haben. Ein solcher ist ein wahrer Anbeter. Und wie erhebt dies unendlich den Gottesdienst, welcher nicht stattfindet, um uns zu rechtfertigen, sondern weil wir gerechtfertigt sind. Er ist nicht das Mittel, sondern das Ziel unserer Rechtfertigung. Wer nicht gerechtfertigt ist, kann Gott nicht dienen. Wenn sich jemand der Vergebung der Sünden, also seiner Rechtfertigung, nicht bewusst ist, worin besteht dann der Gottesdienst eines solchen Menschen?
Wie gesegnet ist die Lehre des Apostels, nach welcher er hier die zahlreichen Opfer (Opfer, welche niemals Sünden wegnehmen konnten) der einzigen Opfergabe gegenüberstellt, durch welche Christus in Ewigkeit vollendet hat, die geheiligt werden (vgl. Heb 10,14). Israel wurde für einen Augenblick am Versöhnungstag geheiligt und selbst da war es nicht nach dem Gewissen, weil dieses von dem Blut ihrer Opfer nicht erreicht werden konnte (vgl. Heb 9,9). Ihr Gottesdienst musste daher in einem Geist der Knechtschaft, welcher die Furcht gebiert, geschehen (vgl. Röm 8,15). Die volle Freiheit, die wir durch das Blut Jesu haben, konnte nicht dabei sein (vgl. Heb 10,19). Die beständige Wiederholung der Opfer bewirkte ein ständiges Erinnern an die Sünden. Christus aber, nachdem Er für die Sünden ein einziges Opfer dargebracht hatte, setzte sich für immer zur Rechten Gottes – nicht als ob er später noch ein Opfer darbringen sollte, sondern Er wartet, bis seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden. Es bezeugt auch der Heilige Geist: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken“ (Heb 10,17), weshalb auch kein Opfer für die Sünde mehr nötig ist.
Das einmalige, vollbrachte und angenommene Opfer des Christus ist also von einer immer dauernden Kraft. Jeder der glaubt, findet darin die Vergebung seiner Sünden, so dass der Gläubige ab sofort kein anderes Opfer für die Sünde mehr zu erwarten hat (vgl. Heb 10,18). Wäre das Letztere nicht der Fall, so würde die Sünde dem Gedächtnis und auf das Gewissen zurückgeführt werden. Das geschieht immer bei solchen Seelen, welche sich nicht einfach auf das ein für alle Mal durch Christus vollendete Opfer stützen. Der Glaube versteht, dass der Tod und die Auferstehung Christi deswegen stattfand, um „die Ungerechtigkeiten zum Abschluss zu bringen und den Sünden ein Ende zu machen und die Ungerechtigkeit zu sühnen und eine ewige Gerechtigkeit einzuführen […] und ein Allerheiligstes zu salben“ (Dan 9,24). Es wurde dem Propheten Daniel offenbart, dass dieses nötig war, um aus seinem Volk „ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation“ zu machen, wonach sie bis dahin durch ihren eigenen Gehorsam vergeblich getrachtet hatten. Sobald aber ein Jude an die Kraft des „teuren Blutes Christi“ glaubte, galten ihm die Worte: „Ihr aber seid ein auserwähltes Geschlecht, eine königliche Priesterschaft, eine heilige Nation, ein Volk zum Besitztum, damit ihr die Tugenden dessen verkündigt, der euch berufen hat aus der Finsternis zu seinem wunderbaren Licht“ (1. Pet 2,9). Nur so kann der erhabenste Teil des Gottesdienstes, d.h. das Lob und die Anbetung, nun unser Vorrecht werden: „Ich will dich erheben, mein Gott, du König, und deinen Namen preisen immer und ewig“ (Ps 145,1). Während das Lob des HERRN in Zion schweigt, ist der Mund des Sünders, erlöst durch das kostbare Blut des Lammes Gottes, geöffnet, um das Lob des Herrn zu verkündigen, und seinen Namen zu preisen. Gott selbst hat die Frucht der Lippen geschaffen, da Er sprach: „Friede, Friede den Fernen und den Nahen“ (Jes 57,19).
Kommen wir auf unser Kapitel zurück. Die Freiheit des Gewissens gehört zum Wesentlichen des wahren Gottesdienstes. Ich meine nicht das, was die Menschen Gewissensfreiheit nennen, sondern die Fähigkeit, sich Gott ohne ein Bewusstsein der Sünde zu nähern. Das bedeutet nicht, dass man behaupten müsse, man sei unschuldig, oder, dass man keine Sünde fühle. Denn wenn ich mir nichts bewusst bin, bin ich dadurch noch nicht gerechtfertigt (1. Kor 4,4). Wir haben ein vollständiges Gewissen, wir erkennen die Sünde an und halten dennoch das Bekenntnis beharrlich fest: sie ist auf ewig hinweggenommen.
Alle Gaben und Opfer unter dem Gesetz konnten den Darbringenden niemals dem Bewusstsein nach vollenden (Heb 9,9). Es konnte möglich sein, dass er genau nach der vorgeschriebenen Ordnung Gott nahte, aber es geschah mit einem beladenen Gewissen. Vor Gott könnte kein Gewissen ruhig sein, wenn irgendetwas vom Tun der Menschen abhinge. Der Anbeter wird ein für alle Mal gereinigt sein, oder es ist bei ihm noch das Bewusstsein der Sünde. – Die vollkommene und wahre Stiftshütte ist nicht mit Händen gemacht, d.h. nicht von dieser Schöpfung. Durch diese ist Christus ins Heiligtum eingegangen. Wer Jesus nun im Glauben nachblickt, wer erkennt, dass der Herr nicht durch „Blut von Stieren und Böcken“ sondern durch sein eigenes Blut einmal ins Heiligtum hineingegangen ist und eine ewige Erlösung erfunden hat – wie kann bei einem solchen noch das Bewusstsein der Sünde sein? Christus wird nicht zum zweiten Mal ins Heiligtum eingehen. Kein Opfer für die Sünde bleibt mehr übrig darzubringen, kein anderes Blut darf von jetzt an hineingebracht werden, denn wo würde man ein so wertvolleres finden? Alles ist vollbracht einmal und ein für alle Mal: darum hat auch der am Gottesdienst, der einmal durch dies Blut gereinigt ist (Heb 9,14), kein Bewusstsein der Sünde mehr. Er kann dem lebendigen Gott dienen. Nichts hängt mehr von dem ab, was der Anbeter tun soll, es knüpft sich alles an das vollbrachte Opfer, an das teure Blut und an das beständige Priestertum unseres Herrn Jesus Christus.
Bevor Gott mit Israel in den Gesetzes-Bund trat, sagte er zu Mose: „Geh zum Volk und heilige sie heute und morgen, und sie sollen ihre Kleider waschen“ – „Und Mose stieg vom Berg zum Volk hinab; und er heiligte das Volk und sie wuschen ihre Kleider“ – „Und Mose führte das Volk aus dem Lager hinaus, Gott entgegen“ (2. Mo 19,10.14.17). Das Volk sollte geheiligt sein, um Gott entgegen zu gehen, geheiligt nach Gottes Willen. Deshalb sprach der HERR, nachdem die Söhne Aarons fremdes Feuer vor ihn gebracht hatten und vom Feuer des Zornes der HERRs verzehrt waren: „In denen, die mir nahen, will ich geheiligt … werden“ (3. Mo 10,3). Wer wollte sich nach diesem schrecklichen Beispiel Gott nahen, ohne die von ihm verlangte Heiligung? denn wie könnte Gott sich in ihm heilig erweisen?
Was steht nun geschrieben in Bezug auf die Heiligung des jetzigen wahren Anbeters? Was lehrt uns Gott, das nötig sei, um einmal gereinigt, sich Ihm zu nähern zum Gottesdienst? Es ist unmöglich, dass das Blut von Stieren und Böcken Sünden hinwegnehme. Darum sagt er bei seinem Eintritt in die Welt: „Schlachtopfer und Speißopfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir bereitet; an Brandopfern und Opfern für die Sünde, hast du kein Wohlgefallen gefunden. Da sprach ich: Siehe, ich komme (in der Rolle des Buches steht von mir geschrieben), um deinen Willen, o Gott, zu tun […] Durch diesen Willen sind wir geheiligt durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“ (Heb 10,5–7.10). Wir sind also nach dem Befehl Gottes selbst geheiligt. Der eigene Wille Gottes ist in dieser Sache geschehen, deshalb können wir in Jesus nahen als Anbeter, die gereinigt und geheiligt sind und in die Stelle des heiligen Volkes eintreten. Das Volk, das im Gottesdienst steht, sind nun diejenigen, welche auf das Opfer des Leibes Jesu Christi vertrauen, welches einmal dargebracht und angenommen ist, und nie wieder erneuert werden wird. Durch den Willen Gottes selbst empfangen sie diese unbewegliche und gesegnete Stellung.
Betrachten wir ferner den Priester, so sehen wir, wie viel Aaron beschäftigt war. Er hatte nicht nur die jährlichen Opfer am großen Versöhnungstag, sondern auch das Morgen- und Abendopfer, so wie alle Gelegenheitsopfer. Jeden Augenblick konnte er gerufen werden, irgendein Schuldopfer darzubringen. Er konnte sich niemals niedersetzen, wie jemand, der sein Werk vollendet hat und es nun mit Zufriedenheit betrachten kann.
Welch einen gesegneten Gegensatz finden wir in den Worten: „Und jeder Priester steht täglich da, verrichtet den Dienst und bringt oft dieselben Schlachtopfer dar, die niemals Sünden wegnehmen können. Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für Sünden dargebracht hat, hat sich auf immerdar gesetzt zur Rechten Gottes“ (Heb 10,11.12). Jesus Christus konnte nach der Vollendung seines Werkes dasselbe mit Zufriedenheit betrachten und Gott beständig darstellen. Nicht wie Aaron ist Er genötigt, jeden Augenblick bereit zu sein, neue Opfer darzubringen. Ein für alle Mal ist dies geschehen und nun wartet er fortan, bis dass seine Feinde zum Schemel seiner Füße gelegt werden – denn mit einem Opfer hat er für immer die vollkommen gemacht, die geheiligt werden.
Der neue Bund hat auch nicht bloß die Verheißungen des alten, sondern er versichert, dass dieselben erworben sind. Erworben durch die Gnade Gottes, nachdem bewiesen worden ist, dass sie durch den Gehorsam des Volkes nicht erfüllt werden konnten. „Und nun, wenn ihr fleißig auf meine Stimme hören und meinen Bund halten werdet, so sollt ihr mein Eigentum sein aus allen Völkern; denn die ganze Erde ist mein; und ihr sollt mir ein Königreich von Priestern und eine heilige Nation sein“ (2. Mo 19,5.6). Das war der Inhalt des alten Bundes. Seine Verheißungen standen unter einer Bedingung, und waren abhängig von dem Gehorsam des Volkes. Aber der bessere Bund, „der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist“, spricht so: „dies ist der Bund, den ich mit dem Haus Israel errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben“ (Heb 8,6.10). In diesem Bund hat Gott alles selbst gemacht. Die Verheißungen werden dadurch erfüllt, dass die Gläubigen ein königliches Priestertum und ein heiliges Volk werden. Und es ist noch folgende Verheißung hinzugefügt: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken“ (Heb 8,12). Das Zeugnis des Heiligen Geistes unterstützt also die Wahrheit, dass Jesus durch eine einzige Opfergabe in Ewigkeit die vollkommen gemacht hat, die geheiligt werden. Denn, wo Vergebung der Sünden ist, da ist kein Opfer mehr für die Sünde.
Wunderbare Auswirkungen entstehen für uns, wenn wir das einzige und vollkommene Opfer Jesu Christi richtig erkennen. Es ist ein Opfer, dem die persönliche Würde des Erlösers seinen unermesslichen Wert gibt. Unsere gesegnete Stellung ist nun die, ein geistlicher Tempel, ein königliches Priestertum, ein heiliges Volk, das Volk des Eigentums zu heißen. Wir haben vor allen anderen das Vorrecht, auf der Erde im Gottesdienst zu stehen. Gott selbst durch seinen Willen (Heb 10,10), Christus durch sein Werk (Heb 10,14) und der Heilige Geist durch sein bestimmtes Zeugnis (Heb 10,15) versetzen uns in die Stellung solcher Anbeter, die ein für alle Mal gereinigt sind und die kein Bewusstsein der Sünde mehr haben. Wir können dem wahren Gott nahen – dem, der unsere Herzen erforschen kann – ohne im Mindesten zu fürchten, dass irgendeine Schuld in uns gefunden oder irgendeine Sünde angerechnet werde, die nicht vollständig versöhnt sei. „Glückselig der, dessen Übertretung vergeben, dessen Sünde zugedeckt ist! Glückselig der Mensch, dem der HERR die Ungerechtigkeit nicht zurechnet und in dessen Geist kein Trug ist!“ (Ps 32,1.2).
Konnte wohl ein Israelit, der nach dem Gesetz sich Gott nahte, ohne Trug vor ihm sein? Ich will nicht entscheiden, aber wenn der leiseste Verdacht bestand, dass Gott in ihm eine schwerere Sünde sah, als seine Opfergabe zu versöhnen vermochte oder dass er irgend eine vorgeschriebene Ordnung vernachlässigt hatte, so konnte er wohl alles sein, nur nicht ein Mensch ohne Trug. Wenn aber jemand durch den Glauben zu Gott kommt, nicht in dem dazu bestimmten Orte, im Tempel, sondern unter einem Feigenbaum im heiligen Vertrauen auf Gott – gewiss ein solcher konnte ein Israelit, in dem kein Trug ist, genannt werden (Joh 1,47). So war Nathanael, der unter göttlichem Unterricht sogleich in Jesus den Sohn Gottes und den König von Israel erkannte. Der Glaube hat ein vollkommenes und ewig gültiges Opfer und derjenige, welcher einmal gereinigt im Gottesdienst steht, ist ein wahrhaftiger Anbeter.
Mögen wir es in Wahrheit erkennen. Denn dies ist unser jetziges Teil und das wird es in der Herrlichkeit bleiben. Amen!
(Fortsetzung folgt)
Fußnoten
- 1 Die wahren Anbeter sind die, welche den Vater anbeten in Geist und Wahrheit (Joh 4,23).
- 2 Als aber Israel zu zerfallen anfing und den Völkern seiner Umgebung ähnlich wurde (sowohl in ihrer Regierung als auch in ihrem Gottesdienst) anstatt in ihrer ursprünglichen Eigentümlichkeit zu verbleiben, sprach der HERR zu ihnen: „Mein Volk wird vertilgt aus Mangel an Erkenntnis. Weil du die Erkenntnis verworfen hast, so verwerfe ich dich, dass du mir nicht mehr Priesterdienst ausübst; und du hast das Gesetz deines Gottes vergessen: So werde auch ich deine Kinder vergessen“ (Hos 4,6).
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