Botschafter des Heils in Christo 1853
Der Weg zum Gericht
Es ist ein unangenehmer Weg, selbst dann wenn es nur zum weltlichen Gericht geht, wo Menschen die Richter sind. Das Herz klopft während des peinlichen Verhörs heftiger, wenn das Gewissen schon zum Voraus stets: „Du bist schuldig!“ dem Angeklagten entgegenruft. Hier fühlt er etwas, was er nicht fühlte, als er, dem Willen und der Lust seines Fleisches folgend, seine Taten vollführte und die Ermahnung seines Gewissens unterdrückte.
Die ganze Welt hat einen Tag des Gerichts zu erwarten. Sie muss vor dem Richterstuhl dessen erscheinen, der Augen hat wie Feuerflammen, der den Rat der Herzen offenbar machen kann und ein gerechtes Gericht richten wird (Off 20,11.12). Nicht mehr lange und die Völker werden das eiserne Zepter dessen fühlen, von dem es noch heißt, dass er gekommen sei, zu suchen und zu erretten, was verloren ist (Lk 19,10). Es ist Jesus Christus, der von der Welt verworfen ist, der aber zur Rechten Gottes sitzt und wartet bis alle Feinde zum Schemel seiner Füße liegen (Heb 10,12.13). Welch ein Schrecken und welche Angst wird dann die Herzen der Menschen ergreifen, wenn keine Täuschung mehr möglich ist, wenn alle Entschuldigungen zunichte werden und das Gewissen sein: „Du bist schuldig!“ und der allmächtige Richter sein: „Weicht von mir, ihr Übeltäter!“ jedem Einzelnen entgegen ruft!
Doch jetzt will die Welt nichts von diesem Tag wissen. Im Taumel ihrer Selbstgerechtigkeit erstickt sie jede Mahnstimme. – Auch du, mein Freund, der du noch nicht von Herzen den Herrn liebst, gehörst zu ihr und hast bis jetzt nichts anderes, als einen solchen Tag des Schreckens zu erwarten. Willst du nicht einen Augenblick dich besinnen, ehe du weiter rennst? – Es steht geschrieben: „Du sollst den Herrn, deinen Gott, lieben aus deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft und mit deinem ganzen Verstand, und deinen Nächsten wie dich selbst“ (Lk 10,27). – Jetzt sieh dein ganzes Leben an und überall wird dir dein Gewissen zurufen: „Du bist schuldig!“ Der Hang zur Welt, zu ihrer Lust und ihren Freuden, das Rennen und Laufen nach Hab und Gut beweist, dass du Gott nicht liebst. Die Sorgen der Nahrung, die so oft in deinem Herzen regieren, bestätigen, dass du Gott nicht vertraust, der dich auf die Vögel unter dem Himmel und die Lilien auf dem Feld hinweist, die er so reichlich nährt und kleidet (Mt 6,24–33). Du gehst ruhelos und flüchtig umher, suchst vergeblich nach Glück und Frieden – aber die unaussprechliche Gnade, die dir in Christus Jesus so reichlich und umsonst angeboten wird und die dir alles geben kann, hast du bis jetzt nicht gewollt. Mit deiner äußeren Ehrbarkeit und Frömmigkeit dienst du nicht Gott, sondern dir selbst. Du suchst Ansehen und Ehre bei den Menschen und willst dir den Himmel verdienen. Der Neid, Zorn, Hass, Zank, Habgier, Betrug usw. in deinem Herzen, zeigen dir deutlich, dass du deinen Nächsten nicht liebst wie dich selbst. Willst du es trotzdem wagen, mit deinen Sünden und Übertretungen dem Gerichtstag entgegen zugehen? Willst du nicht einmal mit Ernst fragen: Was soll ich tun, damit ich errettet werde?
Auch dir gilt dann das Wort: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden“ (Apg 16,31). Glaube nur, so wirst du errettet. Noch heißt es: „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn errettet werde. Wer an ihn glaubt, wird nicht gerichtet“ (Joh 3,17.18). Jetzt ist also noch die Zeit, wo dem Sünder die Gnade angeboten, wo die gute Botschaft von der Versöhnung durch Jesus Christus den Übertretern entgegen gebracht wird. Dieses Evangelium gilt auch dir, mein Freund, wenn du in Wahrheit deine Sünde erkennst und bekennst. Auch dir gehört Jesus, wenn du verloren bist. So kehre doch um, erfahre und bewundere den Reichtum der Gnade und Liebe Gottes, die Fülle seiner Herrlichkeit und die Kraft der Auferstehung Jesu Christi. Die Engel Gottes freuen sich über einen Sünder, der sich bekehrt (Lk 15,7). O, möchten sie sich auch jetzt über dich freuen! Gott bietet sich dir noch in seiner ganzen Größe des Erbarmens an. Komm wie du bist, zögere nicht länger!