Botschafter des Heils in Christo 1853
Denn es ist kein Unterschied
„Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,22.23).
Der klarste Beweis, dass alle Menschen von Geburt an Sünder sind, ist der, dass wir alle sterben. Der Tod ist der Lohn der Sünde und ist zu allen Menschen durchgedrungen, weil sie alle gesündigt haben. Wir haben keinerlei Ruhm vor Gott, denn das Dichten und Trachten des menschlichen Herzens ist böse von Jugend auf. Wir sind alle abgewichen und allesamt untüchtig geworden, da ist keiner, der Gutes tue, auch nicht Einer (vgl. Röm 3,12).
Wenn wir die Geschichte des menschlichen Herzens im Wort Gottes (das Buch untrüglicher Wahrheit) studieren, werden wir die klarsten Beweise für seine Unverbesserlichkeit in der Erfahrung der Jahrtausende finden, wodurch die oben genannten Wahrheiten zur Genüge belegt sind. Der heilige und gerechte Gott hat in einem Übermaß von Geduld und Langmut den Menschen bis auf den Grund erprobt: „Dass er nicht zu verbessern sei.“
Von Adam bis auf Noah gab es gleichsam kein Regiment, kein Gesetz, als lediglich das mahnende Zeugnis Henochs (der siebte von Adam): „Siehe, der Herr ist gekommen inmitten seiner heiligen Tausende, um Gericht auszuführen gegen alle und zu überführen alle Gottlosen von allen ihren Werken der Gottlosigkeit, die sie gottlos verübt haben, und von all den harten Worten, die gottlose Sünder gegen ihn geredet haben“ (Jud 14.15).
Wir sehen, wie sich die völlige Verderbtheit des Menschengeschlechts immer mehr offenbart, bis dass sich Gott am Ende seiner gerechten Rache nicht mehr erwehrt. In 1. Mose 6,5–7.12.13 lesen wir: „Und der HERR sah, dass die Bosheit des Menschen groß war auf der Erde, und alles Gebilde der Gedanken seines Herzens nur böse den ganzen Tag. Und es reute den HERRN, dass er den Menschen gemacht hatte auf der Erde, und es schmerzte ihn in sein Herz hinein. Und der HERR sprach: Ich will den Menschen, den ich geschaffen habe, von der Fläche des Erdbodens vertilgen [...]. Und Gott sah die Erde, und siehe, sie war verdorben; denn alles Fleisch hatte seinen Weg verdorben auf der Erde. Und Gott sprach zu Noah: Das Ende allen Fleisches ist vor mich gekommen; denn die Erde ist voll Gewalttat durch sie; und siehe, ich will sie verderben mit der Erde.“
Mit Noah richtet Gott einen Bund auf, gibt den Regenbogen zum Zeichen und das Regiment über Leben und Tod in seine Hand (vgl. 1. Mo 9,6). Aber Noah vergeht sich, und aus seiner Sünde folgt die Verfluchung Kanaans.
Von Noah bis auf Abraham verfällt der Mensch wieder so sehr, dass Gott beschließt, durch den Samen des Erzvaters (Abraham wurde von den Götzendienern genommen) die Völker wegen ihrer furchtbaren Gräuel, besonders der der Abgötterei, auszurotten, und machte zugleich mit dem Volk Israel ganz besondere Pläne. Neben den Bündnissen der Verheißungen mit den Vätern, die nur auf der freien Gnade und Treue Gottes beruhen, hat Er nicht abgelassen, versuchsweise vorteilhafte Bündnisse, aber gegründet auf das Tun und die Treue des Menschen, mit den Nachkommen Adams einzugehen. Dadurch würde offenbar, was in unseren Herzen ist, denn die Geschichte des Volkes Israels ist die Geschichte des menschlichen Herzens.
Mehrere Gesetzes-Bündnisse schließt der HERR nacheinander mit dem Volk ab. Erstens auf Sinai. In 2. Mose 20,1–17 lesen wir die zehn Gebote, und 2. Mose 24,3 heißt es: „Und Mose kam und berichtete dem Volk alle Worte des HERRN und alle Rechte; und das ganze Volk antwortete mit einer Stimme und sprach: 'Alle Worte, die der HERR geredet hat, wollen wir tun.'“
Ein anderer Bund wurde auf der moabitischen Ebene geschlossen (vgl. 5. Mo 29) und ein dritter Bund in Josua 24,1–25, wo das Volk wiederholt in Vers 18. 21 und 24 beteuert: Wir wollen dem Herrn unserem Gott dienen, und seiner Stimme gehorchen. Das Volk hätte wissen sollen, was Josua in Vers 19 sagt: „Ihr könnt dem HERRN nicht dienen; denn er ist ein heiliger Gott, er ist ein eifernder Gott; er wird eure Übertretung und eure Sünden nicht vergeben.“ Das Volk hätte, anstatt Gott Gehorsam und Treue zu versprechen, seine Schwäche anerkennen sollen, wie sie es durch lange Erfahrung zu Genüge gelehrt wurden, und sich Gottes Gnade anvertrauen sollen. Aber wir sind so verfallen in die Sünde Adams, nämlich des Selbsterhebens und der eigenen Würdigung, dass der Heilige Geist sich gleichsam in seinem Evangelium abmühen muss, um den Menschen über seinen Abfall und seine Ohnmacht zu belehren.
Das Volk Israel war und blieb ein halsstarriges Volk, sodass der Prophet ausrufen muss: „Habt ihr mir vierzig Jahre in der Wüste Schlachtopfer und Speisopfer dargebracht, Haus Israel? Ja, ihr habt den Sikkut, euren König, und den Kijun, eure Götzenbilder, getragen, das Sternbild eures Gottes, die ihr euch gemacht hattet“ (Am 5,25.26). Außer den vielen Stellen sei nur 5. Mose 9 angeführt, wo der HERR seine überschwänglichen Wohltaten und den schändlichen Abfall des Volkes schildert. Lieber Leser, lass uns nicht vergessen, dass die Geschichte des Volkes Israels die Geschichte unseres Herzens ist! Denn das Alles ist zu unserer Belehrung geschrieben, zum Vorbild, damit wir ein Beispiel daran nehmen sollen (vgl. 1. Kor 10).
Gottes unendliche Geduld und Langmut wartet noch, das schreckliche Gericht, was über die Erde beschlossen ist, zu vollziehen. Da Er Geduld hat, und nicht will, dass jemand verloren geht, sondern sich dass jeder Buße tut. Ja, Er trägt noch mit Geduld die Gefäße des Zorns, die zubereitet sind zur Verdammnis. Darum: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet euer Herz nicht“ (Ps 95,7.8), und: „Wache auf, der du schläfst, und stehe auf aus den Toten, und der Christus wird dir leuchten!“ (Eph 5,14).
So wie ein Tropfen aus einer bitteren Quelle bitter ist, so bist du auch als ein Mensch aus dem Menschengeschlecht ein verdammungswürdiger Sünder, weil jeder verflucht ist, der nicht in allem, was geschrieben ist, in dem Buch des Gesetzes, bleibt. Wo ist der Sterbliche, der ruhig auf seine Vergangenheit zurück sehen kann? Woher die Mühseligkeiten und Widerwärtigkeiten des Lebens? Woher Streit und Krieg unter uns? Kommt es nicht von den Lüsten und Begierden her, die in unserer Seele regieren? Nun lieber Leser, es wird Dir wohl nicht schwer fallen, einzugestehen: vor Gott habe ich große Schuld, und Du möchtest wohl gerne verbessert werden.
Die Menschen machen große Anstrengungen zur Veredlung und Verbesserung des Menschengeschlechtes. Aber, o Jammer! Wo Kultur und Bildung blüht, wo die Kräfte des menschlichen Geistes sich recht entfalten, da ist der Sitz der geheimen Sünden. Glatt und schön geziert unterwühlen die verborgenen Laster wie giftige Schlangen den Boden, und der Sturz in die ewige Verdammnis ist umso unvermeidlicher; während beim ungebildeten Volk die Sünde sich plump offenbart.
Gott hat nun, wie wir gesehen haben, das Fleisch 4000 Jahre hindurch auf vielerlei Weise als unverbesserlich erprobt. Doch seine anbetungswürdige Liebe und Weisheit fand dennoch einen Weg zur Errettung des Sünders. Es handelt sich um nichts weniger, als den Sünder von seiner Schuld zu befreien, den Ungerechten zu rechtfertigen, und nicht nur das, sondern ihn auch heilig darzustellen und ihn so eines ewigen Lebens aus Gott teilhaftig zu machen, um ihn dadurch in die herrliche und selige Gemeinschaft des großen Gottes zu versetzen. Wie aber solch Wunderbares bewerkstelligt worden ist, kannst Du in dem Herrlichen Evangelium des Heilands Jesus Christus erfahren.
Dieser Jesus ist der letzte Adam, ewiger Gottessohn und Mensch zugleich. Und Er erscheint hier als der Stammvater eines göttlichen Geschlechts, eines himmlischen Volkes. Das Fleisch schuldet, das Fleisch muss bezahlen. Christus wird Fleisch, um als unfehlbares und fleckenloses Lamm dem Menschen zur Sühne, zum Schuldopfer vor Gott zu gelten, denn alle unsere Sünden warf Gott auf ihn, damit wir Frieden haben und durch seine Wunden geheilt werden. Er wurde für uns zur Sünde gemacht, damit wir in Ihm die Gerechtigkeit empfangen, die vor Gott gilt. Der Zorn Gottes lag auf Ihm, und Er wurde zum Fluch am Kreuz, damit für uns keine Beschuldigung, keine Verdammnis sei. Er nahm den Lohn der Sünde, den Tod, auf sich, damit Er dem Tod die Gewalt nähme, und unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt würde und sterbe. Denn wenn einer für alle starb, so sind sie alle gestorben.
Also ist das erste Leben vor Gott beseitigt, weggewischt, und unserer Sünden und Übertretungen wird nicht mehr gedacht. Und das alles mit einem Opfer in Ewigkeit, sodass wir los sind vom bösen Gewissen, kein Bewusstsein von unserer Sünde mehr haben, sonst müsste Christus oftmals leiden. Er für uns! Das ist das Geheimnis. Doch noch mehr. Christus ist Gott, der Heilige, und konnte die Verwesung nicht sehen. Er ist durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt, und hat uns dadurch den Geist Gottes mitgeteilt, dass es nun „Christus in uns“ heißt. Wir sind als Mitgestorbene auch mit auferweckt und mit in den Himmel versetzt, denn es handelt sich nun immer um die Person Jesus Christus, in dem unser Leben verborgen ist. Unser ganzes Sein ist ganz außer Betracht gekommen, wenn wir glauben. Christus Jesus stand in allen Dingen an unserer Statt, so hat Er auch das Gesetz, was wir erfüllen sollten, vollkommen erfüllt, denn es wurde kein Trug in seinem Mund gefunden. Somit ist auch in dieser Beziehung alles in Ordnung gebracht, denn weil das Gesetz in Christus seine Erfüllung fand, so fand es auch seine Vollendung, und wir leben jetzt durch und in Christus so, dass selbst auch die Gerechtigkeit des Gesetzes in uns erfüllt ist (vgl. Röm 8,4).
Wer nun an Christus Jesus glaubt, der hat das ewige Leben, denn nun hat Er uns „versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und untadelig und unsträflich vor sich hinzustellen, sofern ihr in dem Glauben gegründet und fest bleibt und nicht abbewegt werdet von der Hoffnung des Evangeliums“ (Kol 1,22.23).
So wie wir vorher Teil hatten an der sündigen Natur und Knechtschaft des ersten Adams, so haben wir jetzt Teil an der göttlichen Natur, des letzten Adams (vgl. 2. Pet 1,4). Es handelt sich darum, alles zu verlassen und in Christus Jesus zu sein. Ist aber jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur, das Alte ist vergangen, siehe es ist alles neu geworden. Einen neuen Sinn, ein neues Herz, einen neuen Geist, einen neuen Beruf, einen neuen Namen, eine neue Behausung. Befreit von der Knechtschaft der Sünde, versetzt aus dem Reich der Finsternis in das Reich des Lichts bringen wir jetzt Gott Früchte der Gerechtigkeit. Der Satan ist nicht mehr unser Herr, unser Tyrann, dem wir gehorchen müssen, vielmehr kann er uns in Christus Jesus nicht antasten (vgl. Joh 5,18). „Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer“ (1. Joh 5,3).