Botschafter des Heils in Christo 1853
Der Mensch außer Christus
Mag auch der Ausgang sein wie er will, wir wandern zur Ewigkeit. Vor dem Richterstuhl des Christus müssen wir alle erscheinen und alle offenbar werden. Und ist das Urteil auch noch so verschieden, es wird doch unser aller Bekenntnis sein: „Gerecht bist du, HERR, und gerade sind deine Gerichte“ (Ps 119,137). Gott lässt sich hier auf der Erde nicht unbezeugt an jedem von uns, damit wir an jenem Tage keine Entschuldigung haben und Gott allein Recht behält. Der Mensch ist durch den Sündenfall geistlich tot und nimmt nichts von den Dingen wahr, die den Geist Gottes betreffen. Es ist ihm eine Torheit und er kann es nicht erkennen, denn es muss geistlich beurteilt sein (1. Kor 2,14). Durch den Fall Adams ist alles Fleisch verdorben und die ganze Schöpfung von Gott verflucht worden. Jeder Mensch ist ein Nachkomme dieses Adams, Gebein von seinem Gebein und Fleisch von seinem Fleisch und ist aus sündigem Samen gezeugt. „Darum, so wie durch einen Menschen die Sünde in die Welt gekommen ist und durch die Sünde der Tod und so der Tod zu allen Menschen durchgedrungen ist, weil sie alle gesündigt haben“ (Röm 5,12). „Der HERR hat vom Himmel herniedergeschaut auf die Menschenkinder, um zu sehen, ob ein Verständiger da sei, einer, der Gott suche. Alle sind abgewichen, sie sind allesamt verdorben; da ist keiner der Gutes tut, auch nicht einer“ (Ps 14,2.3). „Denn es ist kein Unterschied, denn alle haben gesündigt und erreichen nicht die Herrlichkeit Gottes“ (Röm 3,23.24).
So ist der Mensch von Natur. Er ist tot in Vergehungen und Sünden. Er geht seinen Weg nach dem Zeitlauf dieser Welt, nach den Begierden und dem Willen des Fleisches und der Vernunft. Er wird regiert von dem Fürsten der Gewalt der Luft, von dem Geist, der in den Söhnen des Ungehorsams wirkt, und er ist ein Kind des Zorns (vgl. Eph 2,1–3). Solange der Mensch in diesem Zustand verharrt – mag er ein noch so reiches Maß der Weisheit dieser Welt besitzen –, er selbst bleibt sich verborgen und Gott und sein Wort erkennt er noch weniger. „Es steht geschrieben: ‚Ich will die Weisheit der Weisen vernichten, und den Verstand der Verständigen will ich wegtun.' Wo ist der Weise, wo der Schriftgelehrte, wo der Schulstreiter dieses Zeitlaufs? Hat Gott nicht die Weisheit der Welt zur Torheit gemacht? Denn weil ja in der Weisheit Gottes die Welt durch die Weisheit Gott nicht erkannte, so gefiel es Gott wohl, durch die Torheit der Predigt die Glaubenden zu erretten“ (1. Kor 1,19–21).
Der Mensch ohne Christus hört es und versteht es nicht. Er macht sich selbst einen Gott, wie er ihn gerade gebrauchen kann: der so gerecht ist, dass seine eigene Gerechtigkeit davor besteht und so gnädig, dass er wegen seiner Übertretungen nichts Sonderliches zu fürchten hat. Da gibt es dann viele Götter, und so verschieden die Menschen sind, so verschieden sind auch ihre Götter. Der Weg zum Himmel wird so breit gemacht, dass man bequem darauf gehen kann und die Pforte so weit, dass am Ende alles mit hindurch kommt. Da hat man weder Glauben noch Selbstverleugnung nötig – die durch Sünde in göttlichen Dingen verfinsterte Vernunft ist Licht und Leitstern und an alle Handlungen legt man seinen selbstgemachten Maßstab, so dass man eigentlich nie zu erzittern braucht. Doch alle diese Götter sind nur Schatten und erbleichen am Tage des Gerichts. Ihre Täuschungen haben dann ein Ende. Die Gnadenzeit ist vorbei und die Tränen der Verzweiflung flehen dann umsonst um Änderung des göttlichen Urteils.
Der Weg des Ehrbaren hat mehr Schein vor den Augen der Welt, als der Weg des Lasterhaften, der durch grobe Übertretungen gezeichnet wird. Da hält man noch etwas auf menschliche Tugenden, auf die Werke des Gesetzes, auf Gott und Gottesdienst, wenn auch nur äußerlich. Da macht man noch aus Gewohnheit und um sein Gewissen einzuschläfern das nach, was den Kindern Gottes nur gegeben ist zur Stärkung und Belebung ihres Glaubens. Aber die geheime, unlautere Sündenquelle des Herzens wird nicht untersucht noch erkannt.
Doch überall offenbart sich in diesem unaufhaltsamen Treiben ein tiefes Verlangen nach Glück. Man ist mit der Gegenwart nur wenig oder gar nicht zufrieden und setzt von Tag zu Tag seine Hoffnung auf die Zukunft. Das ganze Laufen und Rennen, das Sorgen und Fürchten, das Forschen und Spekulieren offenbart immer wieder die Sehnsucht nach einem Gut, was vollen Frieden gewährt. Da nun aber der Mensch fleischlich und irdisch gesinnt ist, so ist sein gesamtes Sehnen und Suchen auf das Irdische gerichtet und so erlangt er nie, was er sucht. Bei seinem unermüdlichen Haschen und Jagen übersieht er, dass die Begierden des Herzens immer unersättlicher werden, je mehr sie Erfüllung finden. Er übersieht, dass die Begierde und die Güter dieser Welt ihren Wert und ihren Reiz verlieren, sobald man sie besitzt. Er erkennt nicht, dass der Mensch wegen der Sünde dem Fluche des Todes unterworfen ist, und die Welt und ihre Lust vergeht. Gott aber in seiner großen Langmut und Geduld lässt sich trotzdem nicht unbezeugt.
Schon die ganze Schöpfung ruft jedem zu: Es ist ein Gott, der Himmel und Erde und auch Dich, o Mensch, gemacht hat! Aber du weißt es und vernimmst es doch nicht. Du achtest es nicht der Mühe wert, deinen Schöpfer kennen zu lernen, bist auch nicht bereit, dich ihm zu unterwerfen und ihm von ganzem Herzen zu dienen. Durch die Sünde ist der Mensch in dichte Finsternis eingehüllt, und da er das wahre Licht nicht kennt, hält er die Finsternis selbst für das Licht, und liebt diese mehr als das Licht (Joh 3,19). Die Schrift bezeichnet die Menschen als „verfinstert am Verstand, entfremdet dem Leben Gottes wegen der Unwissenheit, die in ihnen ist, wegen der Verhärtung ihres Herzens“ (Eph 4,18). Wenn sie nun in ihrer Blindheit noch sprechen: „wir sehen“, so bleibt ihre Sünde (Joh 9,41).
Durch Wort und Schrift hören wir von Jugend auf, dass es einen Gott gibt, heilig und gerecht. An uns selbst erfahren wir es täglich (wenn wir nur wollen), dass wir unheilig und ungerecht sind. Das eigene Gewissen bezeugt es, und die vielen Gedanken, die sich untereinander verklagen und entschuldigen, predigen laut: Gott ist gerecht, aber der Mensch ist verderbt! Aber weder freundliches Locken noch ernstes Ermahnen und Drohen entreißt die unzählbare Schar ihrer tiefen Versunkenheit. Mag ihnen auch Tod, Gericht und Hölle vorgestellt werden – sie bleiben gleichgültig, als blieben sie ewig hier, oder als könnte ihnen der Himmel nicht fehlen. Will hier und da ein solcher Gedanke sie beunruhigen, so muss er den Zerstreuungen der Welt, den reizenden Vergnügungen oder dem Drängen der Geschäfte Platz machen. Manch einer sucht sich auch zu beruhigen, wenn er mit dem Vater der Lügen fragt: Sollte Gott gesagt haben? Sollte er dies und das von uns verlangen? Sollte er so unbarmherzig sein? Ist die Bibel nicht von Menschen gemacht? Muss man es denn alles so genau nehmen, wie es geschrieben steht? Wer kann dann errettet werden? Dürfen wir uns auf der Erde nicht freuen? Sollten wir unsere Vernunft nicht gebrauchen? – und wie viele dieser heillosen und ungläubigen Fragen gibt es, womit man versucht Gottes Wort zu verdächtigen und seine Wahrhaftigkeit zu untergraben. Würde doch der Mensch bedenken, was er macht! Denn: „Es ist furchtbar, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen“ (Heb 10,31).
Die unterschiedlichen Schicksale des Lebens verkündigen immer wieder, dass es einen Gott gibt. Das Schreien des Menschen in leiblicher Not zu diesem Gott um Hilfe und Errettung. Die Gelübde des Menschen dankbar zu sein und sich zu bessern, bezeugen, dass er an das Dasein desselben glaubt. Oft in seinem Leben wiederholt sich die freundliche Mahnstimme: Weißt du nicht, dass die Güte Gottes dich zur Buße leitet? Aber er verachtet den Reichtum der Güte, Geduld und Langmut Gottes und häuft sich selber nur Zorn auf am Tag des Zorns und der Offenbarung des gerechten Gerichts Gottes (Röm 2,4.5). Die Tücke des Herzens, seine Feindschaft gegen Gott, bleibt ihm verborgen. Die Welt mit ihrer Lust, der Geiz, die Sorgen der Nahrung, Neid, Zorn usw. sind sein Element, sein Schatz, wo er sein Herz, sein Leben und seine Freude hat. So geht er hin von Tag zu Tag, und erkennt nicht die Torheit seines Herzens und die Gefahr seiner Seele.
Die Sünde hat unumschränkte Gewalt im Menschen. Er steht ganz in ihrem Dienst und ist ihr Knecht. „Wisst ihr nicht, dass, wem ihr euch darstellt als Sklaven zum Gehorsam, ihr dessen Sklaven seid, dem ihr gehorcht: entweder der Sünde zum Tod oder des Gehorsams zur Gerechtigkeit?“ (Röm 6,16). Man mag die Ketten der Sünde fühlen oder nicht, man ist doch immer ein Sklave. Wenn das geistliche und heilige Gesetz Gottes an uns herantritt, wenn es heißt: Lass dich nicht gelüsten! da wird die Lust erst recht rege. „Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die Leidenschaften der Sünden, die durch das Gesetz sind, in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen“ (Röm 7,5). Ein hartes und schweres Joch ist die Sünde, wenn sie als Sünde erkannt wird. Es seufzen viele darunter und suchen bald hier bald da Befreiung. Aber da helfen keine guten Vorsätze, da reicht der gute Wille nicht aus. Unerbittlich fordert die Sünde, und der Mensch ohne Christus muss gehorchen, ob gern oder ungern. Bis Gott uns frei macht, sind wir Sklaven der Sünde (Röm 6,20) und „der Lohn der Sünde ist der Tod“ (Röm 6,23).
Welche Hoffnung bleibt nun dem Sünder? Er mag sein tiefes Verderben fühlen oder nicht, jede Übertretung wird ihren gerechten Lohn empfangen. Er mag wissen, dass er fleischlich ist oder mag es nicht wissen: „Die aber, die im Fleisch sind, vermögen Gott nicht zu gefallen“ (Röm 8,8). „Wer aber dem Sohn nicht glaubt, wird das Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes bleibt auf ihm“ (Joh 3,36). Das ist der Mensch ohne Christus. Ohne Hoffnung eilt er der Ewigkeit entgegen.
Sobald wir aber Jesus im Glauben annehmen, bekommen wir ewiges Leben. Wir können und brauchen dafür nichts tun, es ist ein Geschenk Gottes an uns. Gleichzeitig ist Er auch unser einziger Weg zum Heil: „Denn der Lohn der Sünde ist der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christus Jesus, unserem Herrn“ (Röm 6,23). „Es ist in keinem anderen das Heil, denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter Menschen gegeben ist, in dem wir errettet werden müssen“ (Apg 4,12). „Glaube an den Herrn Jesus und du wirst errettet werden“ (Apg 16,31). „Wenn wir unsere Sünden bekennen, so ist Gott treu und gerecht, dass er uns die Sünden vergibt und uns reinigt von aller Ungerechtigkeit“ (1. Joh 1,9).