Botschafter des Heils in Christo 1860
Mitteilungen über das Werk Gottes in unseren Tagen
Unter diesem Titel hoffen wir, so der Herr will und der Raum es gestattet, in jeder Nummer dieses Blattes etwas von dem großen Werk, das der Herr, unser Gott, in diesen Tagen in so vielen Ländern angefangen hat, mitzuteilen. Es ist sehr köstlich, dass wir Mitgenossen seiner Freude sein dürfen, und darum vertrauen wir auch, dass es jedem Kind Gottes erfreulich sein wird, von den vielen und ergreifenden Wundern der Gnade Gottes etwas zu hören.
Toskana. Der besondere Korrespondent der Times schreibt folgendes aus Florenz. Seit einiger Zeit hört man hier vom evangelischen Christentum sprechen. Ich kann jedoch nur wenig davon mitteilen, weil die Regierung die Sache so viel als möglich unterdrückt und diese neue Partei auch deshalb im Geheimen handeln muss. Die Bewegung scheint aber dennoch täglich zuzunehmen. An zwei, drei bis fünfhundert, ja einige Male an tausend Menschen, stehen des Sonntagabends vor einem kleinen Saal, wo die „Brüder“, wie sie sich nennen, zusammenkommen. Sie suchen nach einem größeren Lokal. Ihre Anzahl, sowie ich höre, ist an dreihundert, welche das Abendmahl unter einander feiern; und obwohl alle diejenigen, welche kommen, um zu hören, sicher keine Bekehrte sind, so ist es doch nicht zu berechnen, welch einen Einfluss dies auf das Volk ausüben wird. Diese neue Versammlung hat bis jetzt kein bestimmtes Glaubensbekenntnis, keine eingesetzte Geistlichkeit; sie bekennen, das sie ihren Glauben auf das Evangelium und die Freiheit der Schriftforschung gründen. Außer der geregelten Versammlung des Sonntags kommen sie auch noch in der Woche zusammen, doch mehr zu dem Zweck, um dem Volk das Evangelium zu verkündigen. Ich habe schon gehört, dass auch ein Priester die katholische Kirche verlassen und sich diesen „Brüdern“ angeschlossen hat.
Wir teilen nun hier auch den größten Teil eines Briefes mit, den ein ehemaliger Lehrer des höheren Schulfachs und jetziger Agent der britischen Bibelgesellschaft aus Mailand schreibt:
Lieber Freund!
Ihnen zu schreiben ist schon lange mein Vorsatz – nur musste ich es solange anstehen lassen, weil ich gerade Ihnen das Meiste und Wichtigste, was ich bisher erlebt, mitteilen wollte. Von Herrn D. haben Sie also schon vernommen, wie sich in Mailand, sowie das Land dem König von Sardinien zugefallen war, eine Bibelgesellschaft zur Verbreitung des göttlichen Wortes in der Lombardei gebildet hat, wie ferner auch in M. selbst eine Abendschule zu Gunsten unbemittelter Arbeiter ins Leben getreten usw.
Als eine besondere Gnadenerweisung vom Herrn, rechne ich den Umstand, dass die Turiner italienische freie evangelische Kirche, die schon seit mehreren Jahren besteht und einem ehemaligen römischen Priester, de Sanctis, der durch besondere Führung des Herrn zur vollen Erkenntnis kam, den ich nun auch persönlich kenne, dass diese Kirche, sogleich nach dem Sieg – einen Evangelisten mit zwei Kolporteuren nach M. abgesandt, die sich dann auch hier angesiedelt und sogleich Versammlungen veranstaltet haben. – Sogleich nach meiner Wiederkunft in M. wurde ich mit diesen Glaubensgenossen bekannt, besuchte auch regelmäßig ihre kleinen Versammlungen (an Sonn– und Festtagen zwei Mal) um, vor allem sie genau kennen zu lernen; erkannte aber bald in ihnen aufrichtige von dem Wort Gottes lebhaft ergriffene Leute, die mühsam sich nach und nach von den Irrtümern der römischen Kirche los gewunden und aus Liebe zu Christus und seinem Wort des Lebens alle Opfer gebracht – und zwar mit Freuden – die ihre Trennung, von der falschen Kirche für sie zur Folge hatte. Obgleich ich eigentlich zur kleinen protestantischen Gemeinde gehöre, wo ich aber leider um wenig Spuren christlichen Lebens finde; obgleich weder die hiesige Bibelgesellschaft, noch die Abendschule zu diesem Zweck der Evangelisation gehören, so halte ich mich doch, um des Glaubens willen, zu diesen lieben Brüdern, und wie gesegnet ist mir bis auf diesen Tag ihre Gemeinschaft gewesen. Jedes Mal, wenn ich ihre Versammlung verlasse, freue ich mich schon in dem Nach–Hause–gehen auf den folgenden Tag! Bei ihnen wurden meine religiösen Bedürfnisse völlig befriedigt. Es fehlte mir eben an Kenntnis der Schrift, die ich bisher nirgends besser kennen lernte, als da, weil eben bei ihnen nichts anders gilt, als die Schrift, nichts anders gelesen wird, als die Schrift usw. Von diesen Brüdern habe ich gelernt, dass ein Unterschied zu machen ist zwischen „Reich Gottes“ und der „Kirche Christi“, hieran fehlte es mir; jetzt bin ich im Reinen. Ferner habe ich die Erfahrung gemacht, was es heißt, Gottes Wort täglich in Gemeinschaft gläubiger Brüder zu betrachten – und wie das Wort des Lebens für Gläubige, an die, es hauptsächlich gerichtet ist, durchaus keiner mühsamen, künstlichen, oder gar gelehrten Auslegung bedarf, wodurch es oft erst recht unverständlich wird. Kurz, lieber Freund, wie oft habe ich an Sie gedacht, an unsere Gespräche, an unsere Klagen usw. und gewünscht: Könnten sie nur sechs Monate bei uns sein! Was für ein Glück, was für ein Segen! würden Sie ausrufen. – das Lokal, in dem wir uns jeden Abend um acht Uhr versammeln, ist ein ziemlich großer Saal im Gasthof L.M., ein Tisch mit Bibeln und Neuen Testamenten, Stühle, zwei Lampen – weiter nichts – Ein jeder aber weiß und in jedem lebt das Bewusstsein, dass Christus das unsichtbare Haupt der Kirche ist – dass Er auch da ist, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt sind – dass hier nichts gilt als sein Wort – dieses Wort zu lesen, zu betrachten, mit Gläubigen frei zu besprechen, ist jedes Gläubigen seliges Vorrecht, – keine Anmaßung also von Seiten der Menschen – jeder Formalismus fällt von selbst weg...
Möchten doch unsere deutschen Glaubensgenossen von diesen italienischen lernen – zusammenhalten, in Gemeinschaft treten, sich apostolisch leiten lassen – alle menschliche Rücksichten – um Christus zu gewinnen, fahren lassen; sich täglich zu versammeln, denn je weniger wir es tun, desto matter ist unser Leben! – Eins noch: die italienischen Brüder sind schon oft aufgefordert worden, hauptsächlich von England aus, etwas Schriftliches, oder eine Art „Glaubensbekenntnis“ aufzusetzen; allein sie werden sich wohl hüten, dieses zu tun. Sie sagen: die Worte Christi sind Geist und Leben, sie lassen sich nicht in ein Lehrsystem bringen. Wir wollen uns nicht in unseren eigenen Worten fangen. Wer unser Glaubensbekenntnis wissen will, der lese vom ersten Vers des 1. Buches Mose an bis zum letzten der Offenbarung, so weiß er von A. bis Z. haarklein, was wir glauben – und wehe uns, wenn wir etwas dazu oder davon täten.
Ferner habe ich noch diese Erfahrung gemacht! Wir tragen von Jugend auf Irrtümer in uns, die wir eben unkundigen Religionslehren zu verdanken haben; diese Irrtümer, wenn wir uns einzig an das Wort Gottes halten und nicht so viel andere Werke und Christentümer studieren, treibt dann der Geist Gottes wieder aus. Dies ist es, was der Apostel Paulus „Einfalt in Christus“ nennt.
Nun lieber und werter Freund, leben Sie recht wohl! – Der Herr erfreue uns immer mehr mit seiner Gnade und seinem Frieden in Christus Jesus (Der Grafschafter).
Amerika. – In der täglichen Gebetsstunde, die hier stattfindet, ereignete sich vor einigen Tagen Folgendes. – Ein Jüngling fragte einen Evangelisten, der gerade die Treppe hinaufstieg, um in die Versammlung zu gehen: „Wollen sie wohl die Versammlung ersuchen, für mich zu beten? So wie ich bin, kann ich nicht länger leben. Ich fühle mich ganz elend und unglücklich, und begehre sehr, dass für mich gebetet werde.“ Der Evangelist teilte diese Worte der Versammlung mit und fügte hinzu: „Betet doch für diesen Jüngling!“
Am nächsten Tage kam der Jüngling in die Betstunde zurück und sagte folgende Worte: „Ich bin der Jüngling, für den gestern hier gebetet worden ist. Ich bin derjenige, der gerade neben dem Evangelisten stand, als er meine Bitte vorbrachte. Und jetzt komme ich hierher, um zu erzählen, welch einen Frieden ich gefunden habe – einen Frieden, wie ich ihn zuvor nie und nimmer kannte. Ich weiß jetzt, dass meine Sünden, deren so viele waren, alle vergeben sind und ich stelle meine Hoffnung allein auf Christus Jesus. Welch eine große Veränderung seit gestern Morgen! O, der Herr ist reich an Gnade! Bittet jetzt für mich, dass ich Ihn, der mir das ewige Leben gegeben hat, auch allezeit verherrliche“ (N.Y Observer).