Botschafter des Heils in Christo 1858
Der Geist - nicht der Furcht, sondern der Kraft
Solche Ermahnungen, wie diese hier, sind nur dann gegeben worden, wenn Umstände vorhanden waren, die sie nötig machten. Sie sind bestimmt, irgend einer Richtung im Fleisch zu begegnen, damit wir im Geist vor derselben bewahrt werden mögen, es ist gut, uns daran zu erinnern, wie der Herr mit uns handelt: gerade so, wie wir sind, – Er berücksichtigt in allen seinen Wegen die Umstände, in welchen wir uns befinden.
Was unsere Sorgen und unsere Versuchungen in dieser Welt betrifft, so ist Christus nicht bemüht, uns daraus zu befreien. Wir lesen in Johannes 17,15: „Ich bitte nicht, dass du sie von der Welt wegnimmst.“ Solange Er uns in dieser Welt lässt, bleiben wir alle den gewöhnlichen Verhältnissen der Menschen unterworfen; aber Er lehrt uns, unser Vertrauen in allem auf Gott zu setzen. Es könnte leicht der Gedanke bei uns entstehen, dass wir, weil wir Christen sind, von diesen Versuchungen frei bleiben, oder doch, wenn wir in dieselben kämen, kein Gefühl von ihnen haben möchten. Dies sind aber nicht die Gedanken Gottes über uns. Der theoretische Christ mag sanft und ruhig sein, viele schöne Bücher und liebliche Sprüche kennen; allein, wenn Gott anfängt an seiner Sanftmut zu rütteln, so wird er anfangen, sich der Schwierigkeiten, die in der Welt sind, mehr bewusst zu werden, und wird erfahren, dass der Christ bestimmt ist, durch diese Schwierigkeiten hindurch zu gehen. Je näher ein Christ durch die Gnade bei Gott wandelt, desto zarter wird auch seine Rücksicht gegen die Fehler anderer werden; je länger er als ein Heiliger lebt, desto mehr wird er sich der Treue und Zärtlichkeit Gottes, welche ihm fortwährend zu Teil geworden ist, bewusst sein.
Betrachten wir das Leben des Herrn Jesus z. B. in Gethsemane. Was sehen wir dort? Eine ununterbrochene Gelassenheit; nicht eine Wolke lagert auf seiner Seele. Er ist immer derselbe; nie verliert Er seinen Ruhepunkt. Aber finden wir nichts in den Psalmen, um diese Gelassenheit zu brechen? Die Psalmen stellen ans Licht, was in seinem Innern vorgegangen ist. In den Evangelien ist Er den Menschen dargestellt, als das Zeugnis der Macht Gottes, und zwar in jenen Umständen, welche den Menschen mit Angst und Schrecken erfüllt haben würden. Er wandelte mit Gott darin; wir finden Ihn in einem vollkommenen Frieden, und hören Ihn mit aller Ruhe sagen: „Wen sucht ihr:“ – „Ich bin es!“ Wie friedvoll! Wie gebietend! (denn der Friede herrscht inmitten der Schwierigkeiten). Als Er in seiner Todesangst war, fiel „sein Schweiß auf die Erde, wie Blutstropfen.“ Er war also nicht deshalb so gelassen, weil Er das Gewicht der Versuchung nicht empfand; er fühlte hier im Geist die volle Versuchung; aber Gott war mit Ihm in den Umständen; deshalb war Er stets ruhig vor den Menschen.
Wir haben nicht zu erwarten, dass wir ohne Gefühl bleiben, wenn wir hier geübt oder versucht oder niedergebeugt werden. Jesus sagt: „Sie geben mir Galle für Speise, und in meinem Durst tränken sie mich mit Essig“ (Ps 69,22). Er fühlte alles vollkommen. Das Eisen drang in seine Seele. „Der Hohn,“ sagt Er, „bricht mir das Herz.“ Es gibt aber einen Unterschied zwischen Christus in seinen Leiden und Schmerzen und uns. Bei Ihm gab es zwischen der Versuchung und der Gemeinschaft mit Gott auch nicht eine augenblickliche Unterbrechung. Dies ist aber nicht so bei uns der Fall. Wir haben zuerst zu lernen, dass wir schwach sind, und uns selbst nicht helfen können; und dann wenden wir uns zu Gott, und schauen auf Ihn.
Wo war Paulus, als er sagt: „Sie haben mich alle verlassen.“ sein Vertrauen zu Gott war ungeschwächt, aber sein Herz war am Ende seines Dienstes gebrochen, wenn er um sich her schaute. Er sah die Flut des Bösen hereinbrechen (Kap 3,4); er erkannte die Gefahr des Timotheus, welcher allein stand; und im Blick auf das hereinbrechende Böse und im Gefühl seiner eigenen Schwäche sagt er zu ihm, damit er nicht von dem Geist der Furcht befallen werden möchte: „Um welcher Ursache willen ich dich erinnere, dass du die Gnadengabe Gottes anfachst, welche durch die Auflegung meiner Hände in dir ist. Denn Gott hat uns nicht einen Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit gegeben. Schäme dich denn nicht des Zeugnisses unseres Herrn, noch meiner, seines Gebundenen, sondern leide Trübsal mit dem Evangelium, nach der Kraft Gottes,“ (V 6–8) Wenn wir den Geist der Furcht haben, so ist es nicht von Gott, denn Gott hat uns den Geist der Kraft gegeben. Er ist in Christus der ganzen Macht des Feindes in der Schwachheit des Menschen begegnet, und Christus sitzt zur rechten Hand der Majestät in der Höhe.
„Leide Trübsal mit dem Evangelium nach Ader Kraft Gottes.“ Er soll also mit dem Evangelium leiden, und nicht ohne Gefühl davon bleiben; aber er soll leiden nach der Kraft Gottes.
Wir sind also nicht gesetzt, um den Druck der Leiden und der Schwachheit nicht zu fühlen. Paulus hatte „einen Dorn im Fleisch;“ (2. Kor 12) und fühlte er ihn nicht? Gewiss, er fühlte ihn täglich, und zugleich „schlug ihn ein Engel des Satans mit Fäusten.“ Und was sagte er? „Ich will mich denn vielmehr am allerliebsten meiner Schwachheiten rühmen (in jenen Dingen, in welchen ich meine Schwachheit fühle), auf dass die Kraft des Christus mir innewohne.“ Die Kraft Gottes, welche mit uns ist, vermindert das Gefühl in der Versuchung nicht; aber wir „werfen alle unsere Sorgen auf den Herrn, denn Er sorgt für uns.“ Doch nicht so, als ob wir in demselben Augenblick, wo wir uns Ihm übergeben, oder Ihn anrufen, auch Antwort bekämen. Daniel musste drei volle Wochen warten, ehe er eine Antwort von Gott erhielt; aber von dem ersten Tage an, da er sein Herz gerichtet, um Verständnis zu erhalten, und sich vor seinem Gott kasteite, waren seine Worte erhört worden (Dan 10). Es ist bei uns oft der Fall, dass wir zuerst selbst über eine Sache denken, und nach unserem eigenen Sinn darin wirken, ehe wir uns zu Gott wenden. Nicht so war es bei Christus. „Zu jener Zeit antwortete Jesus und sprach: Ich preise dich, Vater.“ Wir ermüden uns selbst oft in unseren Wegen.
„Sorgt um nichts!“ (Phil 4,6) Das ist leicht gesagt; aber sollen wir denn keine Sorgen wegen des Zustandes der Versammlung oder wegen des Drucks einer Familie usw. usw. haben? „Sorgt um nichts!“ alles, was irgend eine Sorge in uns erwecken könnte, erweckt auch Gottes Sorge für uns. Deshalb: „Sorgt um nichts, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung euer Begehren vor Gott kund werden,“ und also wird „der Friede Gottes, der jede Vernunft übersteigt, eure Herzen und eure Sinne in Christus Jesus bewahren.“ Nicht bewahren eure Herzen den Frieden Gottes, sondern der Friede, welcher in Gott selbst ist, sein Friede, die unerschütterliche Festigkeit aller Gedanken Gottes – bewahrt eure Herzen.
Ferner, wenn wir nicht sorgen, wenn das Gemüt frei ist, und der Friede Gottes das Herz bewahrt, dann ist die Seele fähig gemacht, an glückliche Dinge zu denken. „alles, was wahrhaftig, was würdig, was gerecht, was keusch, was liebreich, was wohllautend ist; – ist es eine Tugend, ist es ein Lob, – dieses erwägt. Was ihr auch gelernt, und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dieses tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (V 8–9). Gott selbst ist der Gefährte der Seele – nicht nur der „Friede Gottes,“ sondern der „Gott des Friedens.“
Wenn die Seele auf Gott geworfen ist, so ist der Herr in den Versuchungen mit der Seele, und das Gemüt bleibt vollkommen ruhig. Es ist der Geist der Liebe, der Geist Christi da. Wenn ich aber an mich selbst denke, so ist der Geist der Selbstsucht vorhanden.