Botschafter des Heils in Christo 1858
Abigail, die Frau Nabals des Karmeliters
Um hienieden während des Kampfes zwischen Fleisch und Geist praktische Gemeinschaft mit Gott zu haben, ist es nötig, dass die Seele in der Gnade befestigt werde. Satan sucht allezeit die Einfachheit dieser Gnade zu verbergen; aber es ist einfache Gnade gegen diejenigen, die in Sünden und Übertretungen tot waren, welche uns zu Teil geworden ist. So wie die Schlange in der Wüste aufgerichtet worden ist, so ist auch Jesus am Kreuz erhöht, und uns von Gott als Gegenstand unseres Glaubens dargestellt worden. Wenn wir Ihn anschauen, so sagt Gott: Lebe! Allein Satan sucht uns stets Gottes fortdauernde Gnade zu verbergen und uns in seine mannigfachen lügenhaften Erfindungen hineinzuziehen. Gott aber bewahrt uns durch etwas, das im Himmel verborgen ist. Es ist möglich, dass wir beim Gedanken an unsere Bewahrung den Blick auf unsere Erfahrungen, auf äußere Formen und Einrichtungen in Betreff des Gottesdienstes, oder auf gewisse Personen richten, – allein, ist es nicht das im Himmel Verborgene, verbunden mit dem kostbaren Blut Jesu und seines Priestertums, worauf wir uns stützen und gründen, so kann dies nur von dem sein, welcher der Vater der Lüge ist. Alle diese genannten und andere dergleichen Dinge, welche dahin gerichtet sind, der Seele Bewahrung zu versprechen, leiten irre.
Es gibt für alle Gläubige in dem kostbaren Blut Jesu, welches für sie vergossen ist, eine sichere und ewig dauernde Annahme. „Christus aber – gekommen als Hohepriester der zukünftigen Güter, in Verbindung mit der größeren und vollkommeneren Hütte, die nicht mit Händen gemacht, das heißt, nicht von dieser Schöpfung ist, auch nicht durch Blut von Böcken und Kälbern, sondern durch sein eigenes Blut, ist ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte“ (Heb 9,11–12). Dies sichert unsere Segnung und unseren Frieden für immer. Nichts kann den Frieden, welcher zwischen dem Vater und dem Sohn besteht, erschüttern noch verändern; nichts von dem, was unseren Pfad hienieden durchkreuzt, nicht irgend ein Umstand auf der Erde ist vermögend, den Frieden des Heiligtums zu stören. Er ist für immer zwischen dem Vater und Jesu festgestellt. Zu jeder Zeit, wenn irgend ein Gläubiger ihn sucht – was auch der Zustand der Seele, in welchem er sich zu Gott wendet, sein mag – der Friede des Heiligtums ist vorhanden – unveränderlich vorhanden. Wie köstlich ist diese Zuversicht! Ein jeder, welcher etwas von Gott und seiner Heiligkeit gelernt hat, weiß, dass oft in einer einzigen Stunde viele Dinge den Pfad hienieden durchkreuzen, welche geeignet sind, den Frieden unserer Herzen zu stören. Doch, wie köstlich ist das Bewusstsein, dass der Friede im Heiligtum unveränderlich ist.
Wir kennen aber auch noch andere Segnungen. Gott wollte, dass die Heiligen Ihn und seine Wege hienieden, seine Handlungen auf einer unheiligen Erde, wo der Sitz Satans ist, verstehen und lieben lernen, und mit Ihm und seinen Gedanken Gemeinschaft haben sollten. In kurzer Zeit wird die Versammlung mit dem Herrn in der Ausübung seiner Macht gegen die Erde teilnehmen. Wir werden seine Herrlichkeit mit Ihm besitzen; denn wir sind „Miterben Christi.“ Unsere jetzige Stellung aber ist die des Dienens, und zwar mit einem demütigen Herzen. Jesus diente Gott inmitten der Umstände des Bösen und dem Widerspruch der Sünder.
Der Apostel Paulus sagte: „Durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin; und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet, als sie alle; – nicht aber ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir war“ (1. Kor 15,10). Die Stelle: „durch die Gnade Gottes bin ich, was ich bin,“ wird häufig als eine solche betrachtet, die es nur mit unserer Annahme bei Gott zu tun habe, und dies geschieht deshalb, weil wir so sehr geneigt sind, bei dieser Sache ausschließlich stehen zu bleiben. Der Herr aber wünscht, dass wir Ihm in der Mitte der Welt Satans völlig dienen, dass wir nicht nur gegen das Böse in uns selbst, sondern auch gegen das in anderen kämpfen; und seine Gnade allein kann uns fähig machen, dieses zu tun. Es ist die „Gnade Gottes“ allein, welche uns zu seinen Dienern machte, und die „Gnade Gottes“ allein, welche uns in diesem Dienst kräftigt, wie es auch die „Gnade Gottes“ allein war, die uns im Anfang errettete.
Als „Christus in die Höhe hinaufgestiegen,“ „hat Er den Menschen Gaben gegeben … Und Er hat die Einen als Apostel gegeben, die Anderen als Propheten, die Anderen als Evangelisten, die Anderen als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen; – für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus“ (Eph 4). Lasst es uns wohl beachten, dass die Gnade Gottes uns den Weg gehen lässt, auf welchem wir für den Dienst gekräftigt und fähig gemacht werden. Wenn dich also jemand lehrt, so geschieht es nicht nur, damit du gesegnet sein möchtest, sondern so gesegnet, dass du ein Diener des Anderen sein kannst. Das Leben in dir soll zum Leben in ihnen dienen; wir sollen stärken, was der Stärkung bedarf. Wenn ich dieses aber nicht verstehe, wenn ich es nicht als mein Vorrecht erkenne, so mag ich sehr dankbar sein, wenn mich jemand lehrt, aber mein Glaube wird schwach und meine Gebete verhindert sein; denn ich habe den rechten Gegenstand nicht vor mir. Der eigentliche Zweck des Lehrens unter den Heiligen ist nicht der, ihnen einfach die Wahrheit zu erklären, ihnen zu erzählen, was Errettung ist, oder ihnen Trost zu bringen, sondern ihre Seelen also zuzubereiten, dass jene Dinge, welche Gott Wohlgefallen, ein Gegenstand ihres Dienstes im Glauben werden möchten, wie geschrieben steht. „ … eures Werks des Glaubens, eurer Bemühung der Liebe, und eures Ausharrens der Hoffnung unseres Herrn Jesus Christus vor unserem Gott und Vater.“ Ich habe nicht nötig, geliebte Brüder, daran zu erinnern, wie oft wir dieses vergessen, und an unseren eignen, persönlichen Segen denken. Wenn aber die Seele einmal die wahre Absicht Gottes in dieser Beziehung kennt, dass Er uns deshalb stärkt, damit wir Ihm im Dienst unter den Anderen dienen möchten, so findet sie einen ganz neuen Beweggrund, um sich diesem Dienst völlig zu widmen.
Ich kenne nichts Wichtigeres und Gesegneteres, als fähig zu sein, den Dienst Christi in der Welt zu unterscheiden. Nichts zeigt mehr die Verschiedenheit zwischen einer Seele, gelehrt von dem Heiligen Geist, und einer solchen, die es nicht ist. Es war sehr gesegnet, und zugleich ein großer Probierstein des Glaubens,– fähig zu sein, den Herrn Jesus, als Er auf dieser Erde wandelte, als den zu unterscheiden und zu bekennen, der Er wirklich war, als Sohn, gesandt von Gott. Und also geht die Leitung des Heiligen Geistes in der gegenwärtigen Zeit dahin, das anzuerkennen, was von Gott in der Welt ist. Dieses aber wird, bis der Herr kommt, nur an unscheinbaren Orten gefunden werden, zu welchen das Fleisch sich nicht hingezogen fühlt, welche aber der Heilige Geist erkennt. Er bringt die erleuchtete Seele zu dem Bekenntnis: Dort will ich meine Wohnung aufschlagen; dort ist Segen für mich!
Ein Abschnitt der heiligen Schrift, wie der unserer Betrachtung vorliegende, bringt uns in die Gemeinschaft mit den Dienern Gottes der Familie des Glaubens in den vergangenen Zeitaltern. Er zeigt uns, dass ihre Prüfungen und Kämpfe auch unsere Prüfungen und Kämpfe sind, und wir sehen uns auf das Innigste mit ihnen vereinigt.
David nahm deshalb die Stellung ein, in welcher wir ihn hier finden, weil er des Glaubens war, und weil Saul es nicht war. Er repräsentiert die Person, mit welcher die Wahrheit und die Berufung Gottes ist. Schon im zarten Jünglingsalter hatte David auf Gott, den Gott Israels vertrauen gelernt. Als der Löwe und der Bär kamen, hatte er sie im Glauben überfallen und besiegt. Dies war eine Sache zwischen David und Gott im Verborgenen. Aber sehr bald nachher machte sein Glaube ihn fähig hervorzutreten, nicht für seine eigene Befreiung, sondern für die des Gottes Israels. Der Glaube leitete ihn, den Lauf der Ratschlüsse Gottes aufzunehmen. Geht ein Christ auf seinem Lebensweg, selbst wenn die Schwierigkeiten, denen er zu begegnen hat, immer größer werden, stets vorwärts, so geht er nur in dem Lauf der Ratschlüsse Gottes voran; wie auch Paulus sagt, dass er allezeit im Triumphzug in Christus umhergeführt werde. Nehmen auch seine Prüfungen einen immer ernsteren Charakter an, so scheinen sie doch leichter zu sein, weil er mehr mit der Kraft Gottes vertraut wird. Doch muss dieser Pfad im Verborgenen beginnen, und dann werden wir von Gott weiter geleitet.
Kehren wir jetzt zu dem vorliegenden Kapitel zurück. Gott hatte den David zum König gesalbt; Saul war noch in Macht und Amt, welches doch niemand anderes zukam, als dem, der des Glaubens war. David aber streckte nicht seine Hand gegen Saul aus, um Rache auszuüben. Er verwarf alles, was mit dem Fleisch in Verbindung war, und er nahm seinen Platz wie ein Verworfener, einfach und abgesondert in der Wüste. Dort erfreute er sich über jede Unterstützung und jede Versorgung. Gerade so ist es in der gegenwärtigen Stunde mit den Dienern Christi, welche in der Wahrheit zu wandeln suchen – mit denen, welche im gewissen Sinne mit David auf einer Linie stehen. Je völliger sie in der Wahrheit wandeln und ihren Platz als Diener einnehmen, desto dankbarer werden sie jegliche Liebe und Güte, welche ihnen auf dem Weg begegnet, um ihre müden und matten Herzen zu erquicken, entgegennehmen. Ich glaube, dass es nichts Erfreulicheres für eine Seele gibt, welche das Glück der Anderen und die Ehre Gottes wünscht, als sich mit der Wahrheit irgendwie vereinigt zu sehen. Das „Glas kalten Wassers“ – jeder kleine Beweis von Güte verbindet einen solchen mit der Wahrheit Gottes. In diesen Dingen gibt es einen ausgezeichneten köstlichen Dienst: „Wahrlich, ich sage euch: Insofern ihr dieses einem der Geringsten dieser meiner Brüder getan habt, habt ihr es mir getan“ (Mt 25,40). Gott sieht allein das Herz an; und wo es jemand gibt, welcher von Herzen sagt: Ich nehme solche Personen, die in der Wahrheit wandeln und um der Gerechtigkeit willen leiden, auf und unterstütze sie, und wünsche ein gleiches Los mit Ihnen zu haben, da wird Segen sein. David hatte Mangel; wir sehen hier aber einen Anderen, welcher keinen Mangel hatte. Es war Nabal, ein Mann, reich auf dieser Erde, umgeben von Gütern dieser Welt, lebend im Überfluss (V 2). David beneidete ihn wegen seines Glücks nicht; er würde gewiss nicht die Stellung des Nabal mit seiner vertauscht haben. Es war keine harte Botschaft, welche er ihm sandte, denn wir lesen:
„Da nun David in der Wüste hörte, dass Nabal seine Schaft schor, da sandte er zehn Jünglinge, und sprach zu ihnen: Zieht hinauf gen Karmel, und wenn ihr zu Nabal kommt, so grüßt ihn von meinetwegen freundlich, und sprecht so: Glück zu! Friede sei mit dir und Friede mit deinem Haus und Friede mit allem, was dir angehört. Ich habe jetzt gehört, dass du Schafscherer hast. Nun sind deine Hirten mit uns gewesen: wir haben sie nicht gekränkt und nichts ist irgendetwas von ihnen vermisst worden, solange sie zu Karmel waren – frage deine Jünglinge darum, sie werden dir es berichten –; und so mögen die Jünglinge Gnade finden in deinen Augen; denn zu einem festlichen Tage sind wir gekommen. Gib doch, was dir vor die Hand kommt, deinen Knechten und deinem Sohn David“ (V 4–8). Das Herz Davids war weit genug, um sich an alle dem zu erfreuen, wodurch Nabal seine Einheit mit ihm hätte offenbaren können. Und immer, wenn das Herz eines Heiligen in einem guten Zustand ist, wird er niemand um sich her beneiden, noch wird er daran denken zu sagen: Seht was ich bin, und was ihr nicht seid. Nein, ein solches Herz wird vielmehr suchen, das mit sich zu verbinden, was sich verbinden lässt.
Gott handelt in Gnade. – Er wusste, was das Ende Nabals sein würde; doch war dies der schöne Prüfstein, welchen er ihm stellte. Und wenn irgend ein Funken von Gnade in Nabals Herzen gewesen wäre, oder irgend eine Harmonie mit Gott, so würde er auf dieses Zeichen geantwortet haben; aber es war nichts vorhanden. Sein Auge war auf die äußeren Umstände gerichtet. Wir sehen, wie fleischlich er über Davids Lage gedachte. Er sagte: Wer ist David, und wer der Sohn Isais? Heutzutage gibt es der Knechte viel, die ihren Herrn entlaufen (V 10). Wir müssen uns daran erinnern, teure Brüder, dass wir alle von Natur die Gesinnung Nabals in uns tragen, und dass wir deshalb als Gläubige nötig haben, stets über uns zu wachen und uns zu richten. Wir haben uns zu fragen, wenn wir Gott zu dienen wünschen, ob wir in völliger Freiheit des Herzens ganz bereitwillig sind, alles hinzugeben, womit wir anderen, – sei es durch Unterstützung, oder durch Trost, oder durch Gemeinschaft, sei es durch zeitliche oder durch ewige Dinge – dienen können. Die Liebe wird mancherlei Wege ausfinden.
In den gegenwärtigen Tagen gibt es nicht wenige, welche, wie es einigen von uns scheinen könnte, vor den Umständen, worin sie sich versetzt finden, zurückschrecken. Doch hüten wir uns, solche falsch zu beurteilen und in ähnlicher Weise wie Nabal zu sprechen, indem wir wenig an die tiefe innere Not und Angst denken, welche sie durchzumachen hatten. David hatte vieles aufgegeben; manches Band war zerrissen und manche Angst ausgestanden, ehe er diese Stellung einnahm. Zwar war es in einem Sinn wahr, dass er seinen Herrn verlassen hatte. Doch wie ganz anders war diese Tat in den Augen Gottes, als in denen der Menschen. Das Äußere zieht bald das Auge an, während es nötiger wäre, mit Ausharren und Fleiß zu forschen, um die Wahrheit zu erkennen. Wenn die Seele mit Gott und seinen Wegen Gemeinschaft begehrt, so darf dieser Fleiß nicht fehlen, anders wird sie bald ihre Nüchternheit und somit den Genuss der Gemeinschaft verlieren.
Doch können wir aus dem, was hier von Davids Herzen vorgestellt ist, eine tiefe und praktische Wahrheit lernen. David war noch im Fleisch, und (wie wir es oft erfahren werden, wenn irgend eine Sache uns unerwartet traf) er war unvorbereitet, um in Festigkeit der Gnade dem zu begegnen, was Gott auf seinem Pfad zu sein erlaubte.
Ohne Zweifel erwägte er, dass durch Nabal Geringschätzung und Unehre über ihn gebracht würde, weil jener so unberufen, ungerecht und lieblos über ihn geurteilt hatte. Deshalb ward er entrüstet; aber diese Entrüstung war hier nicht am rechten Platze. Und dennoch ist dies leider so oft der Fall bei den Heiligen Gottes. Sie bleiben bei den Umständen stehen, anstatt sich von diesen ab zu Gott hinzuwenden, und in Gemeinschaft mit Ihm darin zu handeln. Sie sagen vielleicht: Wie lieblos! Wie ungerecht! Habe ich eine solche Behandlung verdient? Ist es nicht ganz recht, dass ich ärgerlich bin? Dann aber ist die Stellung der Gnade verlassen. Tagtäglich wirken tausend Dinge auf diesem oder jenem Weg auf unseren Geist, welche geeignet sind, drückende und schmerzliche Einwirkungen hervorzubringen. Wenn diese uns nun in Gemeinschaft mit Gott antreffen, so bringen sie für uns gesegnete Früchte hervor; wenn aber nicht, so werden sie uns selbst verunreinigen und wir werden Sünde zu bekennen haben; und Satan, anstatt in jedem Kampf zu zittern und zu fliehen, wird uns oft überlegen sein. Es ist eine gesegnete Sache Gott zu preisen, der uns tüchtig macht, praktisch zu triumphieren und zu überwinden. Und dieses sollten wir zu erreichen suchen. Der Apostel Paulus konnte sagen: „Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt usw.“ Wir können stets Gott preisen für das, was Er selbst ist, und für das, was Er uns in Christus gegeben hat; aber wir können Ihn auch rühmen wegen unseres praktischen Sieges über Satan. Wie schwach sind wir unter den mächtigen Feinden, und dennoch müssen diese in jedem Kampf zittern und fliehen, weil Gott unser Schild und unsere Waffe, und weil sein der Kampf ist. Durch Ihn sind die schwächsten Heiligen mehr als Überwinder.
Sehr oft, geliebte Brüder, wird der Zustand, worin wir uns befinden, uns verhindern, Gott zu preisen. Ich erwähne dies gar nicht, um uns mutlos zu machen, sondern vielmehr deshalb, dass wir fähig sein möchten, den Unterschied zwischen dem, was wir in Christus sind, und unserem praktischen Zustand als Überwinder recht verstehen zu lernen. Sehen wir auf David. Er war nicht in Gefahr, nicht zu überwinden, sondern zu überwinden, und in eine tiefe Sünde zu fallen. Wie handelt er? – Trug er als Diener Gottes Nabats Spott und Schmähung mit Sanftmut? Nahm er es im Namen Gottes auf? Nein, er gab sich dem Gefühl seines verwundeten Stolzes hin. Doch war jemand in dem Haus Nabals, verbunden mit ihm durch ein Band, welches nur Gott brechen konnte, von ganz und gar anderem Charakter als Nabal, – jemand, welcher dem Herrn angehörte, – ein Weib des Glaubens. Abigail war fähig in David, obgleich er jetzt ein verstoßener und elender Wanderer war, den Gesalbten Gottes zu erkennen, welchen Gott auch gewiss zur Größe, als auserwähltes Haupt über sein Volk bringen würde. „Denn schaffen wird Jehova meinem Herrn ein beständiges Haus, weil mein Herr die Streite Jehovas streitet“ (V 28). Abigail war fähig, dem Pfad Davids mit dem Auge des Glaubens zu folgen, und sich in die Zeit seines Ruhms zu versetzen. Dies zeigt, dass ihre Seele recht tief in die Gedanken Gottes eingeweiht war. Und gewiss hatte ihre drückende Lage im Haus Nabals, und ihre eheliche Verbindung mit ihm, sie viel zum Herrn hingezogen. Sie fand in den Dingen Gottes bei ihm nur Hindernisse und Schwierigkeiten, aber keine Gemeinschaft, und wurde sicherlich täglich durch ihn ermüdet. Sie erkennt die Torheit Nabals und seinen traurigen Zustand. Sie sieht den großen Kontrast zwischen ihm und dem Mann des Glaubens; und vielleicht mag es sie oft befremdet haben, dass sie in einer solchen Stellung verharren musste. Doch wurde hier ihr Herz für einen Dienst zubereitet, von welchem sie vorher nichts wusste. Manche Seelen mögen oft fragen: Warum muss ich in dieser Lage verharren? Wäre ich doch in anderen Verhältnissen! Wie gesegnet und glücklich würde ich mich fühlen, wenn ich den Arbeitern des Herrn dienen könnte; aber hier bin ich verhindert! So befindet sich mancher, und gewiss nicht immer durch selbsterwählte Wege, in einer versuchungsreichen und mühevollen Lage; aber das aufrichtige Verlangen, Gott zu dienen, wird nie vergeblich sein. Er wird unsere Herzen zubereiten, und uns gewiss auch Gelegenheit geben, Ihm unter den Heiligen zu dienen. Ist unser Nacken unter ein Joch gebracht, so kann dies gewiss nicht ohne Nutzen und Erfahrung für uns bleiben. Wir werden, wenn wir anders geduldig ausharren, mehr zur Unterwürfigkeit Gottes gebracht werden. – Mose war nicht an Pharaos Haus gebunden, und deshalb gab er alles im Glauben um des Herrn willen hin. So war es mit Abraham und seines Vaters Haus. Aber es gibt Umstände, wie bei Abigail, worin man ausharren muss, wo die Seele berufen ist, das Joch zu tragen und auf Gott zu warten. Doch dies wird, wie schon bemerkt, den reichsten Segen für uns haben. In solchen Fällen wird der Wille im Verborgenen gebrochen, und das Fleisch in Knechtschaft gebracht, und dies wird gewiss von großem Nutzen für den späteren Dienst Gottes sein.
Abigail, in ihrer stillen Zurückgezogenheit, stand in den Umständen, wovon dieses Kapitel handelt, viel mehr in Gemeinschaft mit der Wahrheit, als David tat. Sie war fähig, das unrichtige Gefühl des Mannes des Glaubens zu bezähmen. Während David sich in dem Nebel seiner eigenen Gedanken verlor, brachte Abigail das klare Licht der Wahrheit hinein, um seine Handlung zu offenbaren. Und David erkannte es und dankte Gott für ihren Rat. „Gepriesen sei Jehova, der Gott Israels, der dich an diesem Tag mir entgegen gesandt hat! Und gesegnet sei dein Verstand und gesegnet seist du, dass du mich heute gehindert hast, in Blutschuld zu kommen und mit meiner Hand mir Hilfe zu schaffen“ (V 32–33). Dies waren die Worte Davids, als er eben mit der Sünde beschäftigt war, in welche sein Stolz ihn gebracht hätte.
Wer würde, geliebte Brüder, gedacht haben, dass Abigail je der Ratgeber Davids geworden wäre, des Mannes, der so vieles zu erdulden hatte, der von Gott so geliebt, in seinem Dienst so ausgezeichnet, auf dem Weg des Glaubens so hochbegnadigt war, und der soweit über Abigail stand. Allein sie war erprobt, solange sie allein war, und war aufbewahrt bis für sie die Zeit kam, wo sie Davids treuer Ermahner, und Nabals Fürsprecher sein konnte. Sie war in der Schule Gottes erzogen, und nahm jetzt die gesegnete Stellung eines Fürsprechers ein. David stand in seinem Zorn eben bereit, Blut zu vergießen, und sich mit seiner eigenen Hand zu rächen, anstatt die Sache in die Hand Gottes zu legen. Diese Tat aber würde einen der gesegnetsten Züge in dem Charakter Davids weggenommen haben, nämlich alle Dinge in die Hand Gottes zu legen. In Abigails Worten sehen wir die starke Kraft des Glaubens. Sie sagt: „Und ist jemand aufgestanden, dich zu verfolgen und nach deiner Seele zu stehen: so wird das Leben meines Herrn gebunden sein in das Bündel der Lebendigen bei Jehova, deines Gottes, und das Leben deiner Feinde wird Er weg schleudern in der Schleuderschale. Und wenn Jehova meinem Herrn alles das Gute tun wird, so wie Er dir verheißen, und dich ordnet zum Fürsten über Israel: so wird dies nicht zum Anstoß und zum Herzensvorwurf meinem Herrn sein, dass du Blut vergossen ohne Ursache und dass sich mein Herr selbst Hilfe geschafft. Wenn aber Jehova meinem Herrn wohltut, so gedenke deiner Magd!“ (V 29–31) Wenn sich David in die Zeit seines Ruhms versetzt hatte, so würde er nicht daran gedacht haben, seine Hände aufzuheben und Blut zu vergießen, und sogar unschuldiges Blut, indem seine Hand ja auch gegen den Jüngling gerichtet war, der so liebreich von ihm zu Abigail redete (V 11–17). Hätte er gedacht: Wie werde ich in der Zeit meiner Erhöhung diese Tat beurteilen? so würde er sich geschämt haben.
Die Stellung des Glaubens ist immer die, von den gegenwärtigen Umständen hinweg zu sehen und auf das Ende zu schauen; dann werden wir anfangen, alle Dinge mit den Gedanken Gottes zu sehen und zu beurteilen. Also war es mit Abigail. Und wenn wir unsere Gemeinschaft mit Gott verwirklichen, und unseren Blick auf die himmlische Herrlichkeit gerichtet halten, so werden wir ebenso handeln. Genießen wir in den größten Versuchungen durch den Glauben die Gemeinschaft Gottes, sind wir völlig überzeugt, dass Er unser Freund ist, und dass Er gesagt hat: „Die Rache ist mein, ich will vergelten,“ so werden wir nicht daran denken, uns selbst zu rächen, sondern viel mehr „die segnen, welche uns fluchen, und für die bitten, welche uns lästern.“ Gott handelt gegenwärtig in Gnade und Erbarmen; und nichts ist geziemender für uns, als auch diese Stellung einzunehmen. Wir sind in Übereinstimmung mit Gott, wenn jegliche Handlung diesen Charakter trägt, und alles in uns der Gnade unterworfen ist. „Lass dich nicht das Böse überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem“ (Röm 12,21).
Wie hochgeehrt war diese arme, geprüfte und zurückgezogene Zeugin Gottes in Nabals Haus!
Die Stunde wird kommen, wo die Hand des Herrn den letzten Schlag geben wird. Nabal wurde von David verschont; aber Gott war da, um seinem Weg ein Ende zu machen. Er lebte nur in den Dingen, die um ihn her waren, und verstand deren Nichtigkeit nicht, – es war für ihn Fürsprache geschehen, aber er blieb sorglos, nach wie vor. Die Zeit der Gnade ging vorüber und er beachtete sie nicht. „Und als Abigail zu Nabal kam, siehe, da hatte er ein Mahl in seinem Haus, gleich einem Königsmahl, und das Herz Nabals war fröhlich dabei, und er war trunken über die Maßen. Und sie berichtete ihm nichts, weder Kleines noch Großes, bis zum Anbruch des Morgens“ (V 36). Als aber dieses vorüber war, erzählte ihm sein Weib ganz einfach, was sich zugetragen hatte – eine Sprache der Gnade und Erbarmung. Allein, obgleich sie es in der Einfachheit der Wahrheit erzählte, es waren Worte des Todes für Nabal; „da erstarb sein Herz in seinem Leib, und er ward zu Stein“ (V 37–38). Die Hand Gottes war gegen ihn.
Dies ist geeignet, einen sehr feierlichen Schatten über dies Kapitel zu werfen. Dies ist das Ende aller derer, die nicht des Glaubens sind. Dieselben Dinge, welche zum Segen bestimmt sind, verwandeln sich in Macht des Todes. Dies wird vollkommen gefühlt werden, wenn Personen fähig sind, auf empfangene Gnade zurück zu schauen, und wenn sie sich dann von allen Segnungen, und selbst von Gott, der sie gegeben hat, getrennt sehen. Dies ist eine große Qual. Gewiss, es gibt nichts Schrecklicheres, als das Gefühl, die Gnade verscherzt zu haben, und für ewig von derselben, sowie auch von Gott selbst getrennt zu sein.
Nabals Weg war „töricht“ und sein Ende war das eines „Toren.“ Aber also wird es mit allem um uns her sein, was seine Gemeinschaft mit den Wegen und der niedrigen Stellung Davids verleugnet. Nabal sagt: „Und soll ich mein Brot und mein Wasser nehmen, und mein Fleisch, das ich geschlachtet für meine Scherer, und es Männern geben, die ich nicht kenne, wo sie her sind?“ – Wenn wir auch nicht diesem Nabal gleichen, geliebte Brüder, so haben wir doch über seine Neigungen, die auch in unserem Fleisch wohnen, zu wachen. Wie schnell sind wir oft bereit, zu sagen: mein Brot, meine Güter, meine Ehre, mein Stand! und immer durchkreuzt das Wörtchen „mein“ das gesegnete Vorrecht unseres Einsseins mit Christus in der Niedrigkeit. Kein Herz kann unglücklicher sein, als das, worin der Geist des Richtens wohnt; und doch muss der Geist Gottes uns richten und wider uns sein, wenn wir das Unsrige, und nicht das, was Christi Jesu ist, suchen. Sehr oft werden wir in den Heiligen, welche Gott zu dienen gesucht haben, auf ihrem Sterbebett nicht dieselbe Freude finden, wie wir sie bei Neubekehrten sehen. Betrachten wir den Mörder, welcher erst an Christus glaubte, als er schon am Kreuz hing; und jemand, der etwa schon zwanzig Jahre Gott gedient hat. Beide sind völlig angenommen und in Christus vollkommen gemacht; es sollte aber der letztere den Worten des armen Mörders gegenüber fähig sein zu sagen: „Ich habe Glauben gehalten.“ In dem Augenblick, wo das Sehnen des Geistes erfüllt werden soll, kommt der praktische Friede und die Freude der Heiligen sehr ins Gedränge. Dies sage ich nicht, um die Freude selbst des schwächsten Heiligen zu stören oder wegzunehmen, wenn es aber zur Demütigung nötig ist, so mag es sein. Doch sei es, dass wir zum Gebet oder zum Lob oder zur Demütigung geleitet werden, so lasst es in dem Charakter der Wahrhaftigkeit vor Gott sein.
Wir haben das Ende Nabals gesehen; aber so traurig dies Ende auch war, so befreite es doch Abigail von ihrer schweren Lage und sie verband sich mit dem, von welchem sie wusste, dass die Segnungen Gottes auf ihm bleiben würden (V 39–42). Sie gab ihr Haus, ihre Reichtümer und alles auf, und teilte das Los dessen, der doch nur ein Wanderer war, und der um seines Lebens willen, wie ein Wild in den Bergen verfolgt wurde.“
Aber bald änderte sich die Szene. Abigail wurde gefangen genommen, und wie es schien, für immer von David getrennt (Kap 30). Sie war in schrecklichere Umstände versetzt, als zuvor, und die gehofften Segnungen schienen ihr ferner als je. Doch eröffnete diese Lage nur eine neue Gelegenheit für den Glauben. Vorausgesetzt, es wäre irgend ein Gefühl von Stolz oder ein sich selbst erhebender Gedanke in Abigails Herz gewesen, wie sehr müsste sie es in dieser harten Prüfung als eine Züchtigung von der Hand Gottes gefühlt haben, und war dies nicht der Fall, so wird sie in einem entschiedenen und heiligen Glauben gehandelt haben, wenn sie die Segnung direkt von Gott erwartete. Die Segnungen müssen stets auf dem einen oder anderen dieser Wege erwartet werden. Wäre sie stolz gewesen und hätte nach dem Fleisch gewandelt, so würde sie diesen harten Schlag nicht nur als Züchtigung schmerzlich gefühlt, und sich zu demütigen und ihre Wege zu richten gelernt haben, sondern sie würde auch Gelegenheit gehabt haben, die Ruhe in der Kreatur von der Ruhe in Gott zu unterscheiden. Setzen wir voraus, dass sie ihre Lage in der Kraft des Glaubens aufgenommen und erduldet habe, so wird auch diese Prüfung nur zur Stärkung ihres Glaubens und zur Verherrlichung Gottes gewesen sein, und sie wird zugleich die Schwachheit der Natur, und die Gefahr, in der Kreatur, anstatt in Gott zu ruhen, gelernt haben. Früher oder später muss die Zeit kommen, wo wir von der Nichtigkeit der Kreatur überzeugt werden. Wenn alle Hilfe fehlt, kann nur Gott unsere Kraft sein.
Es ist unser Vorrecht, nicht nur zu wissen, dass wir Frieden mit Gott haben, sondern auch, dass Er über uns wacht, und uns auf dem Pfad des Dienstes leitet. Möchten wir fähig sein, immer mehr zu lernen, dass wir unter seiner Hand stehen. Ist es unser Wunsch, mit Ihm in seinen Wegen in praktische Gemeinschaft gebracht zu werden, so lasst es uns durch Gebet und Flehen suchen.