Botschafter des Heils in Christo 1858
Der wahre Grund des Friedens
Das Blut an den Türpfosten sicherte den Frieden Israels. Es wurde nichts mehr, als die Anwendung des Blutes der Versprengung gefordert, um dem Würgengel gegenüber den festgestellten Frieden zu genießen. Gott fügte diesem Blut nichts anderes hinzu, weil nichts mehr nötig war, um dem Schwert des Gerichts zu entgehen. Er sagte nicht: „Wenn ich das Blut und das ungesäuerte Brot und die bitteren Kräuter sehe, so will ich vorüber gehen.“ Keineswegs. Diese Dinge hatten ihren besonderen Platz und ihren besonderen Wert; aber sie konnten nie als Grund des Friedens in der Gegenwart Gottes angesehen werden.
Es ist höchst notwendig, in dem, worin der wahre Grund des Friedens besteht, recht klar und gewiss zu sein. Es sind viele Dinge mit dem Werk Christi vermengt worden, und in Folge dessen sind die Seelen in Betreff ihrer Annahme in Dunkelheit und Ungewissheit versunken. Sie wissen wohl, dass es keinen anderen Weg zur Errettung, als den durch das Blut Christi gibt; aber die Teufel wissen dies auch, und es nutzt ihnen nichts. Was nötig ist, ist zu wissen, dass wir errettet sind – ganz und gar, vollkommen und ewiglich errettet. Es ist nicht möglich, halb errettet und halb verloren, halb gerecht und halb schuldig, halb lebendig und halb tot zu sein, halb aus Gott geboren und halb nicht. Es gibt nur zwei Zustände, und wir werden uns entweder in dem einen oder in dem anderen befinden.
Der Israelit war nicht zum Teil durch das Blut geschützt, und zum Teil dem Schwert des Würgengels ausgesetzt. Er wusste, dass er in Sicherheit war. Er hoffte nicht, es zu sein, noch bat er darum; er war vollkommen sicher. Und warum? Weil Gott gesagt hatte: „Wenn ich das Blut sehe, will ich vorüber gehen.“ Er ruhte einfach auf Gottes eigenem Zeugnis über das vergossene Blut. Er hatte es „versiegelt, dass Gott wahrhaftig war.“ Er glaubte, dass Gott auch meinte, was Er sagte; und das gab ihm Frieden. Er war fähig, beim Passahfest seinen Platz in Zuversicht, Ruhe und Sicherheit einzunehmen, indem er wusste, dass der Würgengel ihn nicht antasten konnte, sobald ein unbeflecktes Opfer an seiner Statt gestorben war.
Wenn ein Israelit über den Genuss seines Friedens befragt worden wäre, was würde er geantwortet haben? Würde er gesagt haben: Ich weiß, es gibt keinen anderen Ausweg für mich, als das Blut des Lammes, und ich weiß, dass dies ein göttlich vollkommener Weg ist; noch mehr, ich weiß, dass das Blut vergossen und an meine Türpfosten gesprengt worden ist; aber dessen ungeachtet fühle ich mich nicht ganz ruhig; ich bin nicht ganz gewiss, ob ich in Sicherheit bin. Ich fürchte, dass ich das Blut nicht so schätze, wie ich sollte, noch den Gott meiner Väter liebe, wie ich sollte? Würde das seine Antwort gewesen sein? Gewiss nicht. Und doch sprechen Hunderte von bekennenden Christen also, wenn sie gefragt werden, ob sie Frieden haben. Sie setzen ihre Gedanken in Betreff des Blutes an die Stelle des Blutes selbst; und so geschieht es, dass sie die Errettung so viel von sich selbst abhängig machen, als wenn sie durch Werke errettet würden.
Der Israelit wurde allem durch das Blut, und nicht durch seine Gedanken darüber errettet. Seine Gedanken mögen tief oder flach gewesen sein – sie hatten nichts mit seiner Sicherheit zu tun. Er war weder durch seine Gedanken, noch durch seine Gefühle errettet, sondern durch das Blut. Gott sagte nicht: „Wenn du das Blut siehst, so will ich vorüber gehen.“ Nein; sondern: „Wenn ich es sehe.“ Was einem Israeliten Frieden gab, war die Tatsache, dass Jehovas Auge auf dem Blut ruhte. Dies beruhigte sein Herz. Das Blut war draußen, und der Israelit drinnen, so dass er jenes wahrscheinlich nicht sehen konnte; aber Gott sah es, und das war völlig genug.
Die Anwendung hiervon, wenn es sich um den Frieden eines Sünders handelt, ist sehr einfach. Christus, nachdem Er sein Blut als eine vollkommene Genugtuung für die Sünde vergossen hatte, brachte dasselbe in die Gegenwart Gottes, und sprengte es dort aus; und Gottes Zeugnis versichert dem Gläubigen, dass in Betreff seiner alles in Ordnung ist. Alle Ansprüche der Gerechtigkeit sind völlig befriedigt und die Sünde ganz und gar hinweggetan worden, so dass durch den Kanal, welchen das Opfer Christi geöffnet hat, die ganze Flut der errettenden Liebe aus dem Herzen Gottes herniederströmen kann.
Von dieser Wahrheit gibt der Heilige Geist Zeugnis. Er stellt immer die Tatsache der Wertschätzung des Blutes Christi, von Seiten Gottes vor. Er richtet des Sünders Auge auf das am Kreuz vollbrachte Werk. Er versichert, dass alles geschehen ist; dass die Sünde weit hinweggetan und die Gerechtigkeit nahe gebracht ist – so nahe, dass sie „alle, welche glauben, erreichen.“ Aber was denn glauben? Glauben, was Gott sagt, weil Er es sagt, und nicht, weil sie es fühlen.
Wir sind stets geneigt, auf etwas in uns selbst zu schauen, als notwendig, um den Grund des Friedens zu bilden. Wir blicken lieber auf das Werk des Geistes in uns, als auf das Werk Christi für uns; und das ist ein Irrtum. Wir wissen, dass die Wirkungen des Geistes Gottes ihren besonderen Platz im Christentum haben; aber dies Werk ist uns nie als das vorgestellt, wovon unser Friede abhängt. Der Heilige Geist machte den Frieden nicht, sondern Christus hat ihn gemacht. Es ist auch nicht gesagt, dass der Heilige Geist unser Friede sei, sondern Christus. Gott ließ nicht durch den Heiligen Geist den Frieden verkündigen, sondern durch „Jesus Christus“ (vgl. Apg 10,36; Eph 2,14.17; Kol 1,20).
Der Heilige Geist offenbart Christus. Er lässt uns Ihn erkennen; Er macht, dass wir uns in Ihm erfreuen und von Ihm genährt werden. Er zeugt von Christus; Er „nimmt von dem seinen und verkündigt es uns.“ Er ist die Kraft der Gemeinschaft, das Siegel, das Zeugnis, das Unterpfand, die Salbung; – kurz, alle seine Wirkungen sind wesentlich. Ohne Ihn können wir weder sehen, hören, erkennen, fühlen, erfahren, genießen, noch irgendwie Christus verehren. Das ist ganz einfach, und wird von jedem wahren und recht unterwiesenen Christen verstanden und anerkannt. – Dessen ungeachtet ist das Werk des Geistes nicht der Grund des Friedens, obgleich Er uns fähig macht, uns dessen zu erfreuen. Wir haben unseren Namen nicht von Ihm; aber Er offenbart uns denselben und macht uns fähig, ihn zu genießen. Der Heilige Geist setzt immer noch sein Werk in der Seele des Gläubigen fort. Er „bittet für uns mit nicht auszusprechenden Seufzern.“ Er ist beschäftigt, uns immer mehr dem Bild unseres Herrn Jesus Christus gleichförmiger zu machen; und sein Zweck ist, einen „jeden vollkommen in Christus darzustellen.“ Er ist der Urheber jedes guten Wunsches, jedes heiligen Strebens, jeder reinen und himmlischen Neigung, jeder göttlichen Erfahrung; aber sein Werk in und mit uns wird nicht eher vollkommen sein, bis wir den gegenwärtigen Schauplatz verlassen und unseren Platz mit Christus in der Herrlichkeit eingenommen haben. Gerade wie in dem Fall des Knechtes Abrahams, dessen Werk nicht eher vollkommen war, bis er die Rebekka dem Isaak zugeführt hatte.
Es ist aber nicht so mit dem Werk Christi für uns. Dies ist ganz und gar und für immer vollkommen. Er konnte sagen: „das Werk habe ich vollbracht, welches du mir gegeben hast, dass ich es tun sollte“ (Joh 17,4). Und wiederum: „Es ist vollbracht.“ Der Heilige Geist kann aber noch nicht sagen, dass Er das Werk vollendet habe. – Er hat während der letzten achtzehnhundert Jahre, als der wahrhaftige, der göttliche Vertreter Christi auf Erden gewirkt. Er wirkt noch immer unter den mannigfachen, feindlichen Einflüssen, welche seinen Wirkungskreis umgeben. Er wirkt noch immer in den Herzen des Volkes Gottes, um es praktisch und erfahrungsmäßig zu der göttlich verordneten Standarte zu führen. Nie aber lehrt Er eine Seele, sich in Betreff des Friedens in der Gegenwart der göttlichen Heiligkeit auf sein Werk zu stützen. Sein Dienst ist, von Jesu zu reden. Er spricht nicht von sich selbst. Jesus sagt: „Von dem Meinen wird er nehmen, und euch verkündigen.“ Er kann nur das Werk Christi als den festen Grund, worauf die Seele für immer ruhen muss, darstellen. Und es ist allein aus dem Grund der vollkommenen Genugtuung Christi, dass Er hier seinen Platz einnahm und sein Werk in dem Gläubigen fortsetzt: „In welchem auch ihr, nachdem ihr in Ihm gläubig geworden, mit dem Heiligen Geist der Verheißung versiegelt worden seid.“ Keine Macht oder Energie des Heiligen Geistes konnte die Sünde tilgen. Das Blut hat es getan. „Das Blut Jesu Christi, seines Sohnes, reinigt uns von aller Sünde.“
Es ist von der höchsten Wichtigkeit, das Werk des Geistes in uns von dem Werk Christi für uns zu unterscheiden. Wo beides mit einander vermengt wird, findet man in Betreff der Frage der Sünde selten einen beständigen Frieden. Das Vorbild des Passah stellt diese Unterscheidung sehr deutlich dar. Der Friede des Israeliten war nicht auf die ungesäuerten Brote oder auf die bitteren Kräuter, sondern auf das Blut gegründet. Auch war keineswegs davon die Rede, was er, sondern was Gott davon dachte. Dies zu verstehen gibt dem Herzen unaussprechliche Erleichterung und Trost. Gott hat ein Lösegeld erfunden, und Er offenbart dieses Lösegeld den Sündern, damit wir darin ruhen mögen, kraft der Autorität seines Wortes und durch die Gnade seines Geistes. Und wenn auch unsere Gedanken und Gefühle in Betreff der unendlichen Köstlichkeit dieses Lösegeldes immer weit zurückbleiben müssen, so können, insofern uns Gott sagt, dass Er in Betreff unserer Sünden vollkommen befriedigt sei, auch wir befriedigt sein. Unser Gewissen kann wohl da Ruhe finden, wo Gottes Heiligkeit sie findet.
Geliebter Leser, wenn du noch keinen Frieden in Jesu gefunden hast, so bitten wir dich, dies ernstlich zu erwägen. Siehe hier die Einfachheit des Grundes, auf welchem dein Friede ruhen soll. Gott ist in dem vollendeten Werk Christi ganz befriedigt – ganz befriedigt in Betreff seiner Gerechtigkeit und Heiligkeit. Und diese Befriedigung ist nicht auf deine Gefühle oder Erfahrung gegründet, sondern auf das vergossene Blut des Lammes Gottes; und folglich ist dein Friede von deinen Gefühlen oder deiner Erfahrung abhängig, sondern von demselben kostbaren Blut, welches von unwandelbarer Wirkung und von unveränderlichem Wert in dem Gericht Gottes ist.
Was bleibt nun für den Gläubigen noch übrig? Wozu ist er berufen? Das Fest der ungesäuerten Brote zu feiern, indem er alles, was der Reinheit seiner erhabenen Stellung zuwider ist, hinweg tut. Es ist sein Vorrecht, sich von dem köstlichen Christus, dessen Blut seine ganze Schuld getilgt hat, zu nähren. Er darf sicher sein, dass das Schwert des Würgengels ihn nicht antasten kann, weil es, anstatt auf ihn, auf Christus gefallen ist. Es ist seine Sache, in heiliger Ruhe innerhalb der mit Blut bestrichenen Tür Festfeier zu halten, und zwar unter dem vollkommenen Schutz, welchen Gottes Liebe in dem Blut am Kreuz bereitet hat.
Möge Gott, der Heilige Geist, jedes zweifelnde und verzagte Herz leiten, Ruhe zu finden in dem göttlichen Zeugnis, welches in diesen Worten: „Wenn ich das Blut sehe, will ich vorübergehen,“ enthalten ist.