1 Timotheus 2 - eine Vers-für-Vers-Auslegung

Vers 4

„... der will, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“. (Vers 4)

Der Wille Gottes

Dieser Vers macht weiter klar, warum wir für alle Menschen beten sollen (Vers 1). Es ist nämlich der ausdrückliche Wunsch Gottes, dass alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Gott ist nicht nur ein Heiland in dem Sinn, dass er der Erhalter aller Menschen ist (1. Tim 4,10), sondern er möchte alle Menschen vor dem ewigen Verderben retten. Das ist sein primäres Interesse an allen Menschen.

Es ist an dieser Stelle wichtig zu bemerken, dass es hier nicht um den unabänderlichen Ratschluss Gottes geht. Wenn Gott einen Ratschluss fasst, dann wird er auch sicher zustande kommen (Jes 46,10). Wenn das hier gemeint wäre, würden tatsächlich alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Es gibt aber viele Stellen in der Bibel, die eindeutig klar machen, dass das leider nicht der Fall ist. In unserem Vers geht es nicht um den ewigen Ratschluss Gottes, sondern um seine Absicht oder seinen Wunsch. Gott hat alle Menschen im Blick, was seine Absicht betrifft. Er wünscht alle Menschen zu retten. Mehr noch, denn das Wort „wollen“ wird auch benutzt, wenn jemand etwas gerne tut oder Freude daran hat. Gott ist ein Gott, der Freude daran hat, Gnade zu üben und Menschen zu retten.

Wenn es dennoch Menschen gibt, die einmal ewig verloren gehen, dann ganz sicher nicht, weil Gott die Absicht hatte, sie verloren gehen zu lassen. Schon im Alten Testament hören wir Gott sagen: „So wahr ich lebe, spricht der Herr, HERR, ich habe kein Gefallen am Tod des Gesetzlosen, sondern dass der Gesetzlose von seinem Weg umkehre und lebe“ (Hes 33,11). Gott hat niemand zur Verdammnis zuvorbestimmt. Das zu behaupten ist eine Lüge. Wir müssen allerdings bedenken, dass Gott uns Menschen einen freien Willen gegeben hat. Wir können uns im Eigenwillen und Ungehorsam der Absicht Gottes verschließen. Nur „wer da will“ wird das Wasser des Lebens nehmen (Off 22,17) – das sind die Auserwählten Gottes. Leider wollen nicht alle Menschen. Dennoch ist es Gottes unveränderliche Absicht, dass alle Menschen errettet werden. Wenn sie nicht gerettet werden, liegt das in keinem Fall an Gott. In Johannes 5,40 sagt der Herr Jesus ein erschütterndes Wort: „Ihr wollt nicht zu mir kommen, damit ihr Leben habt“. Er wollte den Menschen Leben geben, aber sie wollten es nicht, weil sie ihn nicht wollten. Dafür tragen die Menschen die volle Verantwortung. In Lukas 13,34 gebraucht der Herr Jesus ebenfalls diese Worte, als er von Jerusalem sagte: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Brut unter die Flügel, und ihr habt nicht gewollt!“

Diese Seite der Wahrheit steht der Wahrheit der Auserwählung nicht entgegen. Über Auserwählung können wir mit ungläubigen Menschen nicht reden. Ihnen gilt die Botschaft, dass Gott ein Heiland-Gott ist, der seinen Sohn zur Rettung aller gegeben hat. Aber es hat keinen Sinn, mit Ungläubigen über etwas zu reden, das sie nicht verstehen können.

Erneut geht es um „alle Menschen“ - niemand ist ausgeschlossen. „Alle Menschen“ meint jedes „menschliche Wesen“. In Kapitel 1,15 hatte Paulus gesagt, dass Christus Jesus in die Welt gekommen ist, Sünder zu erretten. Jeder Mensch ist ein Sünder. Es gibt keine Ausnahme. Deshalb gilt die Botschaft der Gnade ohne jede Ausnahme allen Menschen.

Gottes Absicht wird hier in zwei Punkten vorgestellt, die wir zwar unterscheiden, aber nicht von einander trennen können. Der Gedanke ist nicht, dass Gott zunächst einen Menschen rettet und dass er dann – zu einem späteren Zeitpunkt – zur Erkenntnis der Wahrheit kommt. Grundsätzlich ist das natürlich wahr. Andere Bibelstellen machen klar, dass das Erkennen der Wahrheit des Wortes Gottes ein Prozess ist, mit dem wir hier auf der Erde nicht zu Ende kommen. Aber in unserem Vers ist der Gedanke ein anderer. Hier geschieht beides zeitgleich. Wenn ein Mensch errettet wird, kommt er zur Erkenntnis der Wahrheit. Anders ausgedrückt: Man kann nur dann errettet werden, wenn man die Wahrheit Gottes anerkennt.

Errettung

Zunächst spricht Paulus von der Errettung. Das Wort Errettung bedeutet, dass jemand sicher behütet wird, vor einer Gefahr geschützt, vor dem Verderben und der Zerstörung bewahrt bleibt. Man kann es auch mit „heilen“ oder „wiederherstellen“ übersetzen.

Die Bibel zeigt uns verschiedene Aspekte unserer Errettung. Es gibt eine zeitliche Errettung aus irdischen Umständen heraus und es gibt eine ewige Errettung für den Himmel. Errettung ist hier sehr allgemein und umfassend zu verstehen. Gemeint ist die Errettung in ihrer Gesamtheit. Sie betrifft den Geist des Menschen, seine Seele und seinen Körper. Jeder Mensch braucht Errettung, weil er von Natur verloren und somit auf dem Weg in die ewige Gottesferne ist. Die Verdammnis ist die größte Gefahr, in der jeder Mensch sich befindet. Davor kann sich kein Mensch selbst retten. Er muss errettet werden. Das kann nur Gott tun. Der Weg zur Errettung ist der Glaube und die Grundlage das Kreuz von Golgatha. In diesem umfassen Sinn ist die Errettung die Befreiung des Menschen aus jeder Gefahr, sei es in der Vergangenheit, in der Gegenwart oder in der Zukunft.

  • Epheser 2,8 spricht von der Errettung als einer vollendeten Tatsache, die in der Vergangenheit liegt, aber gegenwärtige Auswirkungen hat: „ Denn durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens; und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es“.
  • 1. Korinther 1,8 spricht von der Errettung in der Gegenwart: „Denn das Wort vom Kreuz ist denen, die verloren gehen, Torheit; uns aber, die wir errettet werden, ist es Gottes Kraft“.
  • Hebräer 9,28 hat den zukünftigen Aspekt im Augen, der den Leib des Gläubigen einschließt: „ … nachdem er einmal geopfert worden ist, um vieler Sünden zu tragen, zum zweiten Male denen, die ihn erwarten, ohne Sünde erscheinen zur Errettung“. So erwarten wir den Herrn Jesus als unseren Heiland, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit (Phil 3,21).

Erkenntnis der Wahrheit

Wenn es um die Erkenntnis der Wahrheit geht, so müssen wir bedenken, dass weder vor „Erkenntnis“ noch vor „Wahrheit“ ein Artikel steht. Es geht also weder um die Erkenntnis einer speziellen Glaubenswahrheit, noch um die Erkenntnis einer bestimmten Heilstatsache oder um die Wahrheit als Glaubensgut. Es geht vielmehr um die Beschaffenheit oder Qualität einer Sache. Gemeint ist Wahrheit in einem allgemeinen Sinn. Es geht um das, was wahr ist. Von Natur befindet sich der verlorene Mensch in der Gewalt Satans und damit im Bereich der Lüge. Wahrheit finden wir nur bei Gott. Wahrheit bedeutet, die Dinge so zu sehen, wie sie tatsächlich sind. Nur Gott sieht die Dinge so, wie sie wirklich sind. Deshalb muss der Mensch seinen Standort wechseln. Der errettete Mensch „kommt“ aus dem Bereich der Lüge in den Bereich der Wahrheit. Der Mensch muss einsehen, dass Gott der unumschränkte Herrscher ist und dass er gegen ihn gesündigt hat. Er muss einsehen, dass nur Gott einen Weg zu Rettung weist. Es ist der Weg über den einen Mittler, von dem Paulus im nächsten Vers spricht. Erkenntnis bedeutet „Wissen“, „Unterscheiden“ und „Anerkennen“. Erkenntnis der Wahrheit meint hier also sowohl das Anerkennen des eigenen Zustandes als auch des Heilsweges, den Gott vorgesehen hat.

Zwei verschiedene Seiten

Bemerken wir noch, dass der Ausdruck „errettet werden“ im Passiv steht. Niemand kann sich selbst retten. Dennoch möchte Gott, dass alle Menschen die Errettung erfahren. Das „Retten“ an sich ist das, was Gott tut. Gleichzeitig steht der Mensch unter Verantwortung, das Angebot Gottes anzunehmen. Er hat die Möglichkeit, anzunehmen oder abzulehnen. Ablehnung ist sowohl ein Beweis des Unglaubens als auch des Ungehorsams. In der Tat gibt es viele Menschen, die das tun. Deshalb haben wir – in negativer Form – einen ähnlichen Gedanken in 2. Thessalonicher 2,10. Dort lesen wir von Menschen, die verloren gehen, weil sie die Liebe zur Wahrheit nicht annehmen. Diese Menschen haben die Wahrheit über sich und über Gott nicht akzeptiert.

Der Ausdruck „zur Erkenntnis der Wahrheit kommen“ ist hingegen aktiv. Wer seiner Verantwortung nachkommt und sich retten lässt, wird die Erfahrung machen, dass er aus dem Bereich der Lüge in den Bereich der „Erkenntnis der Wahrheit“ kommt. Er hat Licht über das, was wahr ist und sieht die Dinge so, wie Gott sie sieht.

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