Auslegung über die Briefe an die Thessalonicher
1. Thessalonicher 2
Gottes Fürsorge für seine Schafe
Der Prophet Jesaja liebt es, das Volk Gottes mit einer Herde zu vergleichen, und zeigt, dass Gott seine Freude daran hat, diese Herde zu nähren: „Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte, die Lämmer wird er auf seinen Arm nehmen und in seinem Schoß tragen, die Säugenden wird er sanft leiten“ (Jes 40,11). Die Schafe der Herde stehen immer in Gefahr, durch den Feind in verschiedene Richtungen zerstreut zu werden. Doch Er sammelt sie mit der Kraft seiner Arme und liebt sie mit einem Herzen voller Zuneigung. In unserem Kapitel finden wir die besondere Fürsorge für seine Schafe.
Wir erkennen die feine und sanfte Art und Weise, mit der Gott diesen Jungbekehrten gegenübertritt. Er tut das, damit sie würdig dessen wandeln, „der sie zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit beruft“ (V. 12). Der Wolf mag das Ziel haben, die Schafe zu zerstreuen, doch wird der große Hirte die Schafe mit seinem Arm schützen. Der Feind mag versuchen, sie zu Fall zu bringen, doch der Hirte wird sie tragen und bis zur Herrlichkeit bringen. Die ersten zwölf Verse zeigen uns diese liebende Fürsorge Gottes, die durch den Apostel in Worte gefasst wird. Der zweite Teil dieses Kapitels zeigt uns anschließend die Ergebnisse dieser Fürsorge, wie sie sich in den christlichen Eigenschaften der jungen Gläubigen darstellt.
Um die Thessalonicher an die Gnade Gottes zu erinnern, die Er ihnen erwiesen hat, spricht der Apostel zuerst über seinen Eingang bei ihnen, als sie noch Sünder waren (2,1–5), dann über seine Freundlichkeit, die er ihnen als Jungbekehrte in einer Weise erwies, wie eine nährende Frau ihr Kind pflegt (2,6–9), und schließlich von seiner Treue zu ihnen, so wie ein Vater mit seinen Kindern handelt (2,10–12).
Die Gnade des Apostels für Sünder
„Denn ihr selbst kennt, Brüder, unseren Eingang bei euch, dass er nicht vergeblich war; sondern nachdem wir in Philippi zuvor gelitten hatten und misshandelt worden waren, wie ihr wisst, waren wir freimütig in unserem Gott, das Evangelium Gottes zu euch zu reden unter großem Kampf. Denn unsere Ermahnung war nicht aus Betrug noch aus Unreinheit noch mit List; sondern so, wie wir von Gott als bewährt befunden worden sind, mit dem Evangelium betraut zu werden, so reden wir, nicht um Menschen zu gefallen, sondern Gott, der unsere Herzen prüft. Denn niemals sind wir mit schmeichelnder Rede aufgetreten, wie ihr wisst, noch mit einem Vorwand für Habsucht, Gott ist Zeuge“ (2,1–5).
Der Apostel kam freimütig zu ihnen und wusste, dass sie die Errettung nötig hatten. Alle Sünder haben es nötig, errettet zu werden, sei es als religiöser Jude oder als götzendienerischer Heide. Sie waren beeindruckt, dass Paulus und seine Begleiter aus Philippi gekommen waren, wo sie Verfolgung und Leiden als Ergebnis der Verkündigung des Evangeliums erduldet hatten. Ihre Leiden hatten keinen Ärger in ihnen oder ein Ende der öffentlichen Verkündigung des Evangeliums hervorgerufen, wie es eine Reaktion des natürlichen Menschen gewesen wäre, im Gegenteil.
Der Apostel sagt: „sondern nachdem wir in Philippi zuvor gelitten hatten und misshandelt worden waren, wie ihr wisst, waren wir freimütig in unserem Gott, das Evangelium zu euch zu reden unter großem Kampf“ (2,2.3). Es war nicht die Freimütigkeit des Fleisches, die oft in Aggressivität des Fleisches ausartet, sondern die Freimütigkeit Gottes. Somit folgte der Apostel seinem Meister, der still seinen Weg weiter ging, als Steine auf ihn geworfen wurden. Keine Gewalt vonseiten des Menschen konnte schlechte Regungen in ihm hervorrufen oder seine Gnade dämpfen.
Darüber hinaus redete der Apostel zu ihnen in großem Kampf. Er reagierte also nicht nur ohne fleischliche Regungen, sondern hatte darüber hinaus auch ein ernstes geistliches Verlangen, die Seelen zu erreichen. Wenn der Apostel mit äußerer Freimütigkeit zu ihnen kam, war das immer mit innerer Reinheit verbunden. War die Art und Weise seines Verhaltens mit Freimütigkeit verbunden, so wurden seine inneren Motive von Reinheit begleitet. Es gab nichts an dem Predigenden oder an der Predigt zu finden, was den Hörer getäuscht hätte. Seine Rede war nicht „aus Betrug“ (2,3). Seine Predigt war weder mit Unreinheit, die die Lust des Menschen angesprochen hätte, noch mit List verbunden, die die Wahrheit verschleiert und verbirgt. Seine Motive waren rein und er sagte nichts, um den Menschen zu gefallen oder um Menschen durch schmeichelnde Worte zu gewinnen, im Gegenteil. Die Predigt des Paulus öffnete den Menschen die Augen über ihren eigenen Zustand und überführte sie von ihren Sünden. Er predigte die Wahrheit, auch wenn sie dem Fleisch niemals gefallen konnte oder er damit den Menschen hätte schmeicheln können. So etwas ist natürlich auch gar nicht nötig, denn Gewinn und Anerkennung bei Menschen zu erlangen, hat vor Gott keinen Wert. Aber die Botschaft der Wahrheit macht unendlich reich, wenn sie angenommen wird. Der Apostel konnte mit einer solchen Glaubwürdigkeit auftreten, dass er dem gefallen konnte, der die Herzen erforscht (2,5).
Die liebende Fürsorge des Apostels für die Jungbekehrten
„Noch suchten wir Ehre von Menschen, weder von euch noch von anderen, obwohl wir als Christi Apostel euch zur Last sein konnten; sondern wir sind in eurer Mitte zart gewesen, wie eine nährende Frau ihre eigenen Kinder pflegt. So, da wir ein sehnliches Verlangen nach euch haben, gefiel es uns wohl, euch nicht allein das Evangelium Gottes, sondern auch unser eigenes Leben mitzuteilen, weil ihr uns lieb geworden wart. Denn ihr erinnert euch, Brüder, an unsere Mühe und Beschwerde: Während wir Nacht und Tag arbeiteten, um niemand von euch beschwerlich zu fallen, haben wir euch das Evangelium Gottes gepredigt. Ihr seid Zeugen und Gott, wie heilig und gerecht und untadelig wir gegenüber euch, den Glaubenden, waren; ebenso, wie ihr wisst, wie wir jeden Einzelnen von euch, wie ein Vater seine eigenen Kinder, euch ermahnt und getröstet und euch bezeugt haben, würdig des Gottes zu wandeln, der euch zu seinem eigenen Reich und seiner eigenen Herrlichkeit beruft“ (2,6–12).
Wenn die Verse 3–5 uns gezeigt haben, dass das Motiv rein war, mit dem Paulus zu den Sündern redete, zeigen uns die folgenden Verse 6–9, die Zuneigungen seines Herzens, die ihn bewegten, für die Jungbekehrten zu sorgen. Es war keine Eigenliebe oder Selbstsucht, die persönlichen Gewinn gesucht hätte, sondern die Gesinnung des Herrn, die sich selbst vergisst und den anderen in Liebe dient. Es war keine Selbstmotivation, die den Applaus der Menschen gewollt oder die eigne Ehre gesucht hätte. Er suchte nicht die Ehre des Menschen noch hätte er etwas von Menschen angenommen, selbst wenn er das Recht dazu gehabt hätte.
Er wurde durch Liebe mit dem Ziel angetrieben, das Gute der anderen zu suchen. Er suchte nicht nach Liebe in dem anderen, sondern strebte danach, Liebe an dem anderen zu erweisen und so sehen wir, wie er mit Freundlichkeit unter ihnen wirkte, wie eine nährende Frau ihre Kinder liebt. Der Apostel war bereit, ihnen alles in seinem Leben zu geben, und so arbeitete er unermüdlich Nacht und Tag (2,10.11), ohne ihnen zur Last zu fallen.
Wenn der Apostel die Art einer Mutter hatte, so begegnete er ihnen auch in der Treue eines Vaters. Um andere zu ermahnen muss eine Lebensführung bestehen, die durch Treue und Heiligkeit gekennzeichnet ist. Diese Voraussetzungen erfüllte der Apostel. Er führt die Thessalonicher selbst als Zeugen dafür an, dass er unter den Heiligen heilig, gerecht und untadelig gelebt hatte (2,12). Wenn er ein solches Leben unter ihnen geführt hatte, konnte er die Thessalonicher ermahnen, trösten und ermuntern, selbst auch ein Leben würdig des Gottes zu führen, der uns zu seinem Königtum und seiner Herrlichkeit berufen hat.
Die Welt schätzt es als eine besondere Ehre, wenn man den hohen Persönlichkeiten irdischer Reiche und ihrem Prunk nahe steht. Doch wie viel größer ist das Vorrecht, mit solchen verbunden zu sein, die für das Reich Gottes und seine Herrlichkeit berufen worden sind. Es ist eine größere Ehre, zu solchen gezählt zu werden, die hier ungeachtete und ungebildete Fischer sind, aber bald auf Thronen sitzen werden, um im Reich Gottes zu richten und zu regieren.
So arm das Volk des Herrn auch ist, hat Gott doch „die weltlich Armen auserwählt, reich zu sein im Glauben“ und macht sie „zu Erben des Reiches, das er denen verheißen hat, die ihn lieben“ (vgl Jak 2,5). Gott möchte, dass wir über die hohlen Ehrerbietungen dieser Welt hinaus blicken und uns mit der hohen Würde beschäftigen, die Er uns gibt. Während wir uns in dieser Welt bewegen, dürfen wir uns als solche verhalten, die in Bezug auf die kommende Herrlichkeit Erben sind.
Die Frucht der Fürsorge des Apostels
„Und darum danken auch wir Gott unablässig dafür, dass ihr, als ihr von uns das Wort der Kunde Gottes empfingt, es nicht als Menschenwort aufnahmt, sondern, wie es wahrhaftig ist, als Gottes Wort, das auch in euch, den Glaubenden, wirkt. Denn, Brüder, ihr seid Nachahmer der Versammlungen Gottes geworden, die in Judäa sind in Christus Jesus, weil auch ihr dasselbe von den eigenen Landsleuten erlitten habt, wie auch jene von den Juden, die sowohl den Herrn Jesus als auch die Propheten getötet und uns durch Verfolgung weggetrieben haben und Gott nicht gefallen und allen Menschen entgegen sind, indem sie uns wehren, zu den Nationen zu reden, damit sie errettet werden, um so ihre Sünden allezeit voll zu machen; aber der Zorn ist völlig über sie gekommen.
Wir aber, Brüder, da wir für kurze Zeit von euch verwaist waren, dem Angesicht, nicht dem Herzen nach, haben uns umso mehr befleißigt, euer Angesicht zu sehen, mit großem Verlangen. Deshalb wollten wir zu euch kommen (ich, Paulus, nämlich), einmal und zweimal, und der Satan hat uns daran gehindert. Denn wer ist unsere Hoffnung oder Freude oder Krone des Ruhmes? Nicht auch ihr vor unserem Herrn Jesus bei seiner Ankunft? Denn ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude“ (2,13–20).
Der letzte Teil dieses Kapitels beschreibt die herrlichen Früchte, die aus einem Dienst der Gnade, Liebe und Treue hervorgekommen sind. Dieser Dienst führte die Jungbekehrten auf den Weg des Glaubens (2,13–16), in den Kreis der Liebe (2,17.18) und gab ihnen die sichere und klare Hoffnung der kommenden Herrlichkeit (2,19.20).
Zuerst kann der Apostel Gott dafür danken, dass ihr Glaube auf dem festen Grund des Wortes Gottes ruht (2,13). Der Glaube ist in Christus, doch ist die Grundlage des Glaubens nicht das Wort des Lehrers, so begnadet er auch sein mag, sondern das Wort Gottes. Der Beweis dieser göttlichen Autorität des Wortes ist, dass es in den Glaubenden wirkt. Das Wort Gottes erreicht das Gewissen, wie es kein Menschenwort bewirken kann. Es wendet die Herzen von dem Götzendienst weg und bewirkt die großen Züge des christlichen Lebens: Glaube, Liebe und Hoffnung in unserem Herrn Jesus Christus.
Darüber hinaus bewirkte das Wort in ihrem Inneren, dass sie sich von Herzen mit dem Volk Gottes eins machten. Sie wurden „Nachahmer der Versammlungen Gottes, die in Judäa sind in Christus Jesus“ (2,14–16). Nicht nur teilten sie mit ihnen die Vorrechte, die ihnen gegeben waren, sondern wurden auch ihre Genossen in den Leiden für Christus. Die Thessalonicher litten unter ihren eigenen Landsleuten, so wie die Gläubigen in Judäa unter den Juden zu leiden hatten.
Der Widerstand der heidnischen Nationen wurde durch den Todeshass der Juden genährt. Die jüdische Nation hatte nicht nur die Propheten verworfen und ihren Messias getötet und so jedes Angebot der Gnade ihnen selbst gegenüber abgelehnt. Nein, sie füllten das Maß ihrer Schuld weiter an, als sie versuchten die Gnade aufzuhalten, als sie zu den Nationen ausging. Ihre Maßnahmen, die Gnade durch die Verkündigung des Wortes zurückzuhalten, gipfelten in der Verfolgung des Apostels der Nationen selbst. Sie „gefallen Gott nicht und sind allen Menschen entgegen“, und häufen so den Zorn auf sich.
Während die Thessalonicher die Feindschaft ihrer eigenen Landsleute in Kauf nahmen, erfreuten sie sich andererseits in dem neuen Bereich des christlichen Glaubens an der Liebe und der Gemeinschaft. Ihre Herzen waren mit dem Volk Gottes verbunden. Sie hatten sich zwar zeitweise nicht in der Nähe des Apostels und der Gläubigen befunden, doch bestätigt der Apostel, dass dies nur äußerlich und nicht „dem Herzen nach“ so war. Sie – und wir als Gläubige – sind durch ewige Seile der Liebe verbunden und die christliche Gemeinschaft bleibt auch in Schwierigkeiten wie zum Beispiel einer räumlichen Entfernung, bestehen. Wenn das Ende gekommen ist und Satan nicht mehr wirken kann, wird es die praktische Gemeinschaft in dieser Form nicht mehr geben.
Der Apostel sagt: „Deshalb wollten wir zu euch kommen (ich, Paulus, nämlich), einmal und zweimal, und der Satan hat uns daran gehindert“ (2,18). Hätte Gott die Pläne Satans nicht vereiteln können? Zweifellos! Und Er tut es auch, wenn es in Übereinstimmung mit seinen Wegen ist. So wird Er in Kürze den Satan unter seine Füße zertreten. Doch bis dahin kann Er Satan mitunter als Instrument benutzen, um die Gläubigen zu versuchen. Wenn der Herr dem Satan widerstehen würde, würden die Gläubigen den Segen, der aus diesen Übungen hervorkommt, nicht genießen können (2,19.20).
Schließlich lernen wir aus diesem Kapitel, dass die Liebe uns in den Leiden auf „die Ankunft unseres Herrn Jesus“ vorbereitet, was den Apostel veranlasst von „unserer Hoffnung“ zu sprechen.
Der Dienst des Apostels führt die Thessalonicher in den christlichen Bereich ein, der folgende Kennzeichen trägt:
- den Glauben an das Wort Gottes (2,13),
- die Liebe zueinander (2,17) und
- die Hoffnung auf den kommenden Herrn (2,20).
Der Herr Jesus selbst ist das wahre Zentrum dieses Bereiches, denn Er ist der Mittelpunkt seines Volkes. Er ist der Eine, der unsere Zuneigungen zu Ihm wachruft und unsere Herzen so untereinander in seiner Gegenwart vereinigt. Diese Gemeinschaft untereinander in der Freude in dem Herrn Jesus werden wir in besonderer Weise dann genießen, wenn Er wiedergekommen ist. Dann wird keine Macht des Feindes mehr stören.