Botschafter des Heils in Christo 1855
Wenn ihr nun mit dem Christus auferweckt worden seid, so sucht, was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes.
Das Werk und die Person Christi sind das einzige Fundament, worauf sich alle unsere Vorrechte und Beziehungen mit Gott gründen. Dies lässt uns die Wichtigkeit erkennen, sowohl sein Werk als Ihn selbst in Wahrheit zu verstehen und daran Teil zu haben. Je mangelhafter und unklarer aber unsere Erkenntnis von dem Heil in Christus ist, desto mangelhafter und unklarer ist auch dessen Wirkung auf unsere Herzen; und es bleibt sogar ohne alle Kraft, wenn die Erkenntnis nur eine tote und buchstäbliche ist. Jesus sagt: „Die Worte, welche ich zu euch rede, sind Geist und Leben“ (Joh 6,63). Eine Erkenntnis ohne Leben ist wohl vermögend uns aufzublähen; aber sie kann keine Früchte der Gerechtigkeit in uns wirken. Selbst der natürliche Mensch kann eine äußerliche oder buchstäbliche Erkenntnis der Wahrheit haben; doch er vernimmt in der Tat nichts von den Dingen, welche des Geistes Gottes sind; er kann sie nicht begreifen; denn diese müssen geistlich beurteilt werden, (1. Kor 2,14) Die Wahrheit Gottes erfordert einen geistlichen Sinn, um verstanden zu werden; und sie wird in uns wirksam durch den Glauben nach der in uns wirkenden Kraft des Heiligen Geistes. Der Glaube erkennt die Wahrheit, und nimmt sie auf als Wahrheit Gottes; er reinigt durch dieselbe unser Gewissen und erfreut unsere Herzen; er richtet nach derselben unsere Gesinnung und unseren Wandel. „Der Glaube ist die Verwirklichung dessen, was man hofft, und die Überzeugung dessen, was man nicht steht“ (Heb 11,1).
Zunächst wollen wir einen Blick auf das Werk Christi in Betreff der Reinigung unserer Sünden werfen. – In diesem Werk findet der verlorene Sünder Versöhnung und Erlösung; und gerechtfertigt durch den Glauben, hat er Frieden mit Gott. Er naht jetzt mit Freimütigkeit dem Thron seiner Gnade; denn alles, was ihn bisher daran hinderte, alles, was ihn von Gott trennte und seinem Herzen Furcht einflößte, ist für immer hinweggetan. Das einmalige Opfer Christi reinigt unser Gewissen ganz und gar voll den Sünden und von den toten Werken, zu dienen dem lebendigen Gott (Heb 10,2–9,14). Er ist einmal durch sein eigenes Blut in das Heiligtum eingegangen und hat eine ewige Erlösung erfunden (Kap 9,12). Wir bedürfen kein anderes Opfer, weil wir eine vollkommene und immer gültige Versöhnung oder Vergebung in diesem einen Opfer haben (Kap 10,18). Christus hat sich nach Vollendung seines Werkes für immerdar zur Rechten Gottes gesetzt, weil für Ihn in Betreff unserer Sünden nichts mehr zu tun übrig war; aber auch für uns blieb in dieser Beziehung nichts mehr zu tun übrig; darum sind wir schon mit auferweckt und in Ihm mitversetzt zur Rechten Gottes. Wir haben wegen unserer Sünden nichts mehr zu wirken, sondern nur zu glauben; nichts mehr zu fürchten, sondern mit fröhlichem Herzen Gott zu verherrlichen. Die Auferweckung Christi ist ein Beweis unserer Rechtfertigung. Er ward um unserer Sünden willen dahingegeben, und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt (Röm 4,25). Weil aber Christus unsere Sünden auf sich genommen hatte, so mussten diese erst ganz und gar hinweggetan sein, ehe Er seinen Platz zur Rechten Gottes nehmen konnte; denn ein nur mit einer einzigen Sünde Beladener hätte dort nie seinen Platz nehmen dürfen. Der Sünder findet keine Ruhestätte in der Gegenwart des heiligen und gerechten Gottes. Sind aber unsere Sünden ganz und gar vor dem Angesicht Gottes hinweggetan, so sind wir ja gerechtfertigt und haben Frieden mit Gott, also dass wir jetzt sagen können: „Wenn Gott für uns ist, – wer wider uns? Der doch seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle hingegeben hat; wie wird Er uns mit Ihm auch nicht alles schenken? Wer wird Anklage erheben wider die Auserwählten Gottes? – Gott ist es, welcher rechtfertigt. Wer ist, der verdamme? – Christus ist es, der gestorben, ja noch mehr, der auch auferweckt, der auch zur Rechten Gottes ist, der auch für uns bittet“ (Röm 8,32–34).
Unter dem alten Bunde durften nur die als Priester Geweihten und Abgesonderten dem Altar im Heiligtum nahen und Gottesdienst darin Pflegen; und allein dem Hohepriester war es einmal im Jahr gestattet, hinter den Vorhang ins Allerheiligste zu gehen, und selbst dann nicht ohne Blut. Die Sünde forderte dieses Blut und machte diese Beschränkung notwendig, weil Gott keine Sünde in seiner Gegenwart duldet. Dennoch konnten die Opfer und Satzungen des alten Bundes den Anbeter nicht nach dem Gewissen oder nach dem Bewusstsein reinigen, weil sie nur Vorbilder und Schatten waren; der Körper oder das Wesen aber ist Christus. Sein Opfer und sein hohepriesterliches Amt hat uns für immer in die Nähe Gottes gebracht; wir sind das königliche Priestertum (1. Pet 2,9). Durch ein Opfer sind wir für immerdar nach dem Willen Gottes geheiligt und vollkommen gemacht; (Heb 10,14) und als die ein für alle Mal gereinigten Anbeter, welche für immer mit dem Blut Christi besprengt sind, haben wir zu jeder Zeit das köstliche Vorrecht, im Heiligtum anzubeten. Dieses Blut ist stets vor dem Angesicht Gottes, und kraft desselben erscheinen wir vor Ihm immer als die Gereinigten. Es kann auch der Sünder Gott um Erbarmung und Gnade anrufen, wenn er das Bedürfnis dazu fühlt; aber nur der für immer durch das Blut Christi gereinigte Anbeter hat die Freiheit im Heiligtum Gott zu nahen. Hier darf der Sünder nicht erscheinen. – Während der ersten Stiftshütte war der Weg zum Heiligtum noch nicht offenbart (Heb 9,8). Die Priester konnten wohl in die vordere Hütte eintreten, aber sie hatten kein Recht, weiter zu gehen. Ein dichter Vorhang verbarg vor ihren Blicken das Allerheiligste. Durch das Blut Jesu aber steht der Weg nun auch dorthin offen; der Vorhang ist zerrissen, und Jesus selbst ist der neue und lebendige Weg (Heb 10,19–20). – Er ist mit seinem eigenen Blut in das wahre Heiligtum, in den Himmel eingegangen, und hat sowohl dieses, wie auch den Anbeter selbst, für immer gereinigt; (Heb 9,23–24) Er ist für uns vor dem Angesicht Gottes erschienen und weilt dort zu jeder Zeit. Sein fortdauerndes Priestertum entspricht in jeder Beziehung all unseren Bedürfnissen, also dass auch wir nun das selige Vorrecht haben, zu jeder Zeit in dem Heiligtum droben zu sein, um Gott anzubeten und Ihm zu dienen; und welch eine Freimütigkeit und freudige Zuversicht erweckt dies Bewusstsein in dem Herzen des gläubigen Anbeters! „So lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens, besprengt an den Herzen und also gereinigt vom bösen Gewissen, und gewaschen am Leib mit reinem Wasser“ (Heb 10,22).
Wie einfach, klar und köstlich ist diese Wahrheit für das nach Versöhnung und Erlösung sich sehnende Herz. – Dem Menschen blieben zwar nichts als seine Sünden, seine Blindheit und seine Ohnmacht; Gott selbst aber hat ohne irgend ein Zutun von Seiten des Menschen unsere Versöhnung in Christus Jesus vollbracht. Nur hier findet der Sünder durch den Glauben eine vollkommene Befreiung, sonst nirgendwo. Sobald wir das Werk Christi in Wahrheit durch den Glauben erkannt und als für uns angenommen haben, so verstehen wir auch, dass in Betreff unserer Sünden alles vollbracht ist, und dass nichts mehr von uns gefordert werden kann. Wir sind völlig versöhnt, gerechtfertigt und haben Frieden mit Gott. Wir genießen jetzt die Gnade, in welcher wir stehen, und rühmen uns der Hoffnung der Herrlichkeit Gottes. Doch nicht allein das, sondern wir rühmen uns auch der Trübsale; denn die Liebe Gottes ist in unsere Herzen ausgegossen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist. Vermöge dieser Liebe kennen wir Gott; wir wissen, dass alles, was in Ihm ist, auch für uns ist; nicht nur seine Barmherzigkeit und Liebe, sondern auch seine Treue und Gerechtigkeit sind für uns. Er ist für uns in völliger Liebe, und darum rühmen wir uns auch selbst der Trübsale, in welchen wir diese Liebe stets wirksam finden. Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch Gottes durch unseren Herrn Jesus Christus, durch welchen wir die Versöhnung empfangen haben (Röm 5,1–11). Wie süß und köstlich ist dieses Rühmen, worin Gott so reichlich verherrlicht wird, für das gläubige und befreite Herz! In Christus zu Gott gekommen, befindet sich der Gläubige an einer unermesslich reichen Quelle von Segnungen. Gott selbst ist diese Quelle, aus welcher ihm in Christus Gnade um Gnade entgegenströmt; und seinen Namen durch den Gehorsam des Glaubens verherrlichend, genießt sein Herz jetzt schon, gleichsam als ein verborgenes Manna, diese Fülle von Segnungen. Sobald aber der Mensch ferne Gedanken voll Unglauben und Kleinmut in die einfachen und segensreichen Gedanken Gottes bringt, richtet er nur Verwirrung an, und diese Verwirrung teilt sich stets seinem Herzen mit. Dies ist auch der Grund, warum in unseren Tagen so viele Christen so gedrückt und niedergebeugt sind, und nicht mit fröhlichem Herzen ihre Straße ziehen; warum so wenige wahrhaft befreit und sich ihrer Stellung in Christus Jesus vor Gott bewusst sind. Sie vermengen das Wort Gottes mit ihren eigenen Gedanken; aber sie glauben es nicht als Wort Gottes. Sie verkümmern es für sich selbst, und verunehren Gott.
Es gibt nun auch viele Christen, die sich ihrer Rechtfertigung durch den Glauben völlig bewusst sind, und in Folge dessen Frieden mit Gott haben; allein sie klagen stets über Mangel an Kraft zu einem würdigen Wandel und zur Ausharren darin. Gleichgültige Seelen werden sich freilich damit begnügen, dass sie ihrer Errettung durch Christus gewiss sind, und denken wenig an die Verherrlichung seines Namens; ernstere Seelen aber, welche Jesus von Herzen lieben, wünschen Ihn auch durch einen Ihm wohlgefälligen Wandel zu preisen. Dies ist ja auch der Zweck so vieler ernsten Ermahnungen des Heiligen Geistes. Zunächst handelt es sich freilich um unsere Versöhnung durch das Werk Christi außer uns; aber sobald wir durch den Glauben gerechtfertigt und uns unserer Versöhnung durch die Erkenntnis seines Werkes bewusst sind, sobald wir unseren Anteil an der himmlischen Berufung in Christus Jesus erkannt haben, gilt es auch, dieser Berufung gemäß zu wandeln. Aber woher Kraft nehmen? – Die Beantwortung dieser Frage führt uns nicht nur zu dem Werke, sondern auch zu der Person Christi. Durch die lebendige Erkenntnis und die gläubige Zueignung seines Werkes ist zwar unser Gewissen gereinigt und unser Herz völlig beruhigt; allein dieses, und selbst die innige Freude darüber, gibt keine hinreichende Kraft, um vor Gott würdig zu wandeln. Wir bedürfen der Kraft Gottes, nämlich der Kraft, welche sich in Macht wirksam erwies in der Auferweckung Christi aus den Toten, und welche sich in uns, die wir mit Ihm auferweckt und lebendig gemacht sind, kräftiglich wirksam erweist durch den Glauben nach der Kraftwirkung des in uns wohnenden Geistes. Auf zwei Stücke haben wir jetzt vornehmlich unseren Blick zu richten: auf die, Person Christi, in welchem alle Fülle wohnt, und auf unsere Vereinigung mit Ihm in Kraft des Lebens. Wir können durch den Heiligen Geist unserer Kundschaft versichert und unseres Erbteils mit Christus gewiss sein, und doch nicht wandeln, wie es einem Kind und Erben Gottes geziemt. Dieser Wandel ist abhängig von der freien und kräftigen Wirkung des Geistes Gottes in uns, und von der lebendigen Erkenntnis und dem Gehorsam des Glaubens in Betreff der Person Christi und unserer Vereinigung mit Ihm in Kraft des Lebens. Der Heilige Geist wirkt diese Erkenntnis; Er erweckt, nährt und kräftigt den Glauben, und verwirklicht also das Leben Christi in unserem Wandet. „Deshalb beuge ich meine Knie zu dem Vater unseres Herrn Jesus Christus, … dass Er euch nach dem Reichtum seiner Herrlichkeit gebe, mit Macht gekräftigt zu werden durch seinen Geist an dem inwendigen Menschen, dass Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne, und ihr in Liebe gewurzelt und gegründet seid“ (Eph 3,14–17). Ist aber der Geist Gottes in uns durch Ungehorsam betrübt oder geschwächt worden, ist unsere Erkenntnis, wie unser Glaube mangelhaft und kraftlos, so wird sich dasselbe auch in unserem Wandel offenbaren, weil dieser davon abhängig ist; und wir bedürfen alsdann immer wieder in besonderer Weise der mächtig wirkenden Gnade Gottes, um in den Genuss der Gemeinschaft mit Christus zurückzukehren. Doch ist die Unterbrechung unseres Wandels in dieser Gemeinschaft mit Christus, nicht auch eine Unterbrechung unserer Vereinigung mit Ihm in Kraft des Lebens. Wir sind immer in Christus; aber wir können unsere Vereinigung mit Ihm im Wandel verleugnen.
Um noch tiefer in das Verständnis des Gesagten einzudringen, wollen wir einen Teil des Briefes an die Kolosser etwas näher betrachten, der sich hauptsächlich mit diesen Gedanken beschäftigt. Die Gemeinde in Kolossä hatte ihre Bereinigung mit Christus, als ihrem Haupt, etwas vergessen. Ihre Herzen fingen an, sich wieder ein wenig zur Erde zu neigen, und in anderen Dingen ihre Befriedigung zu suchen. Dies ist immer der Fall, sobald wir in Christus nicht alles haben und durch den Glauben genießen. Das Herz will völlig befriedigt sein; aber es täuscht sich immer, sobald es außer Christus etwas zu finden glaubt. Nur in Ihm ist die Fülle, und wir besitzen diese Fülle kraft unserer Vereinigung mit Ihm. Deshalb war auch der Apostel bei den Kolossern so ernstlich bemüht, sie sowohl wieder ganz in Christus zurückzuführen, als auch das Bewusstsein ihrer völligen Vereinigung mit Ihm wieder zu beleben. Diese beiden Stücke charakterisieren den ganzen Brief. Möge der Herr durch die Kraft des Heiligen Geistes auch unsere Herzen in Einfalt und Ernst auf diese so segensreiche Wahrheit lenken und darin befestigen.
In den beiden ersten Kapiteln des Briefes führt der Apostel den Kolossern namentlich die Person Christi und seine vollkommene Fülle vor die Seele. Wir lesen in Kapitel 1,15–17: „Welcher ist das Ebenbild des unsichtbaren Gottes, Erstgeborener aller Schöpfung. Denn durch Ihn sind alle Dinge erschaffen, die in den Himmeln und die auf der Erde, die sichtbaren und die unsichtbaren, es seien Throne oder Herrschaften oder Fürstentümer oder Gewalten; – alle Dinge sind durch Ihn und für Ihn geschaffen.“ – Hier haben wir die Herrlichkeit Christi in Betreff aller Dinge. Er ist der Schöpfer von allen; und wenn Er als Mensch seinen Platz in der Schöpfung ein nimmt, so gebührt es auch Ihm allein, das Haupt darin zu sein (vgl. Heb 1).
Wir lesen dann Vers 18 weiter: „Und Er ist das Haupt des Leibes, der Gemeinde, der da ist Anfang, Erstgeborener aus den Toten, auf dass Er unter allen Dingen den Vorgang habe.“ – Hier haben wir den Anderen Teil der Herrlichkeit Christi. „Denn es war das Wohlgefallen der ganzen Fülle in Ihm zu wohnen, und durch Ihn alle Dinge mit sich zu versöhnen; – da Er durch das Blut seines Kreuzes Frieden gemacht durch Ihn, es seien die Dinge auf der Erde, oder die Dinge in den Himmeln“ (V 19–20). – Wie die Herrlichkeit Christi eine doppelte ist, so ist es auch die Versöhnung durch Ihn. Hier haben wir die Versöhnung aller Dinge und in den beiden folgenden Versen die Versöhnung der Gemeinde. „Auch euch, die ihr einst entfremdet und Feinde nach der Gesinnung in den bösen Werken wart, hat Er aber nun versöhnt in dem Leib seines Fleisches durch den Tod, um euch heilig und untadelig und unsträflich vor sich hinzustellen“ (V 21–22). – In Vers 14 lesen wir: „In welchem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Sünden,“ und in Kapitel 2,14: „Die uns entgegen stehende Handschrift in Satzungen, welche wider uns war, hat Er ausgetilgt; und Er nahm sie aus der Mitte, da Er sie an das Kreuz nagelte; und als Er die Fürstentümer und die Gewaltigen ausgezogen hatte, stellte Er sie öffentlich zur Schau, da Er an demselben über sie einen Triumph hielt.“ – Wo sind jetzt unsere Sünden? wo ist die wider uns zeugende Handschrift? und wo der Feind, der uns in der Knechtschaft der Sünde und in der Furcht des Todes hielt? Für immer hinweggetan – vernichtet – besiegt! – O Dank der unendlichen Gnade und Liebe Gottes in Christus Jesus, wodurch unsere Herzen auf eine so zuversichtliche und köstliche Weise erfreut und beruhigt werden, und wir jetzt ohne Furcht in der Gegenwart Gottes leben können.
„In Christus sind alle Schätze der Weisheit und Erkenntnis verborgen“ (Kap 2,3). „In Ihm wohnt die ganze Fülle der Gottheit leibhaftig; und ihr seid in Ihm vollendet, welcher ist das Haupt jedes Fürstentums und jeder Gewalt“ (V 9–10). Welch ein Glück für uns, den zu kennen, und zu besitzen und mit dem im Leben eins und in Liebe verbunden zu sein, in dem die ganze Fülle wohnt! Es ist nichts tröstlicher, erquicklicher und beruhigender für unsere Herzen, als die Erkenntnis seiner selbst, und dann das selige Bewusstsein, dass Er selbst, wie und was Er ist, ganz und gar unser Teil ist, und wir mit Ihm auf ewig eins sind. Außer Ihm aber ist nichts für uns; jedes Bedürfnis der Seele findet nur in Ihm seine wahre und volle Befriedigung. Wir können aber sowohl von seiner persönlichen Gemeinschaft, als auch von seiner Fülle genießen, wenn unsere Herzen mit Ihm verkehren. Dieser Verkehr kann freilich jetzt nur durch den Glauben und die Wirksamkeit des in uns wohnenden Geistes geschehen; „denn wir wandeln im Glauben und nicht im Schauen;“ und das gläubige Herz ist stets gesegnet und glücklich in seiner Gemeinschaft; der Unglaube aber geht immer leer aus.
Jetzt wollen wir auf den Anderen Teil der Wahrheit, womit sich der Kolosserbrief vornehmlich beschäftigt, etwas näher eingehen, nämlich auf unsere völlige Vereinigung mit Christus in Kraft des Lebens. Dieser Teil der Wahrheit ist ebenfalls von der größten Wichtigkeit für uns. Es gründen sich auf diese Tatsache sowohl unsere Beziehungen mit Gott, als auch die Kraft unseres Wandels. Sei es unsere so gesegnete Stellung vor Gott, sei es, was wir jetzt im Glauben und einst im Schauen genießen und besitzen, alles ist von dieser Vereinigung abhängig. Schon wenn die Erkenntnis oder das lebendige Bewusstsein derselben mangelhaft oder schwach ist, so sind auch die süßen Gefühle, welche diese Vereinigung in unseren Herzen hervorbringen, geschwächt. Wenn wir aber Jesus wirklich kennen und lieben, so wünschen wir nichts sehnlicher, als immer mit Ihm vereinigt zu sein; und welche Freude, dass das Wort Gottes uns die tröstliche Gewissheit gibt, dass wir immer mit Ihm vereinigt sind. Jetzt genießen wir seine Gemeinschaft durch den Glauben, und wenn Er kommt, so werden wir Ihn sehen, wie Er ist, und werden allezeit bei Ihm sein. – Verstehen wir unsere völlige Vereinigung mit Christus nicht, so werden wir uns immer in einer gewissen Entfernung von Ihm fühlen und stets mehr oder weniger mit Furcht erfüllt sein. Unsere Gemeinschaft mit Ihm ist dann weder ganz herzlich, noch innig und vertraut, und unserem Wandel in seiner Gegenwart fehlt die freudige Zuversicht und die nötige Kraft. Nicht selten fallen ernste Seelen, denen das Bewusstsein ihrer Vereinigung im Leben mit Christus mangelt, und welche dennoch wohlgefällig vor Ihm wandeln wollen, in einen gesetzlichen Zustand zurück, wo sie nur immer wieder aufs Neue erfahren, dass das Fleisch ohnmächtig und verdorben ist. Solche Erfahrungen aber machen mutlos und niedergedrückt, und selten können diese Seelen mit fröhlichem Herzen Gott verherrlichen durch Preis und Anbetung.
Was ist nun der Charakter und die Tragweite unserer Vereinigung mit Christus, und welche Ermahnungen in Betreff unserer Gesinnung und unseres Wandels knüpft der Heilige Geist an dieselbe? Diese Frage wird sowohl in dem erwähnten Briefe an die Kolosser, als auch in mehreren anderen Teilen der heiligen Schrift auf das einfachste und klarste beantwortet.
Gott hat mit dem natürlichen Menschen keine Gemeinschaft noch irgendwelche Beziehung, es sei denn als Richter. Als Jesus von der Welt verworfen war, ist jede Beziehung abgebrochen; denn Er sagt: „Jetzt ist das Gericht dieser Welt“ (Joh 12,31). Gehören wir noch zu der Welt, so stehen wir auch unter diesem Gericht. „Die, welche im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen, weil die Gesinnung des Fleisches Feindschaft wider Gott ist“ (Röm 8,7–8). Der Mensch von Natur ist eins mit der Sünde, und darum getrennt von Gott; denn Gott ist heilig und kann keine Gemeinschaft mit der Sünde haben. Ebenso wenig wird die Natur des Fleisches weder unter dem Gesetz, noch unter der Gnade verändert; das Fleisch ist immer sündig und ohnmächtig. Es bleibt für dasselbe nichts anders übrig, als der Sold der Sünde, der Tod. Der Sünder als solcher muss ganz und gar vor dem Angesicht Gottes hinweggetan werden; doch der gerechtfertigte und erneuerte Mensch, der allein mit Gott in einer gesegneten Beziehung sein kann, ist in Christus von der Sünde getrennt worden. Dieses findet statt durch unsere Mitpflanzung zur Gleichheit des Todes und der Auferstehung Christi. Wir starben als Er starb; in der Taufe sind wir mit Ihm begraben; durch den Glauben mit Ihm auferstanden, und in Ihm mitversetzt in die himmlischen Örter. Wir lesen in Kolosser 2,11–13: „In welchem (Christus) ihr auch beschnitten seid mit der Beschneidung nicht mit Händen geschehen, durch das Ausziehen des Leibes (der Sünden) des Fleisches, durch die Beschneidung Christi, mit Ihm begraben in der Taufe; in welchem ihr auch mit auferweckt worden seid durch den Glauben an die Wirkung Gottes, der Ihn aus den Toten auferweckt hat. Auch euch, als ihr in den Vergehungen und in der Vorhaut eures Fleisches tot wart, euch hat Er mit lebendig gemacht, und hat euch alle die Vergehungen vergeben.“ – Der Apostel belehrt hier ausdrücklich die gläubigen Kolosser, dass sie den Leib des Fleisches, d. i. der Sünde, worin sie früher wohnten und lebten, ausgezogen hätten; dieses Ausziehen sei geschehen durch eine Beschneidung, nicht mit Händen am Fleisch, sondern durch die Beschneidung d. i. durch den Tod Christi. In diesem Tod ist der Gläubige als Sünder hinweggetan; er ist als solcher in der Taufe mit Christus begraben und also ganz und gar für immer vor Gott beseitigt worden; allein die Wirkung Gottes, die sich kräftig in der Auferweckung Christi aus den Toten erwies, hat auch ihn durch den Glauben mit auferweckt, und ihn an dem Leben Christi Teil nehmen lassen. Wir sehen hier aber, in welch enger Beziehung dies alles mit der Person Christi steht, sowohl mit seinem Tod, als mit seiner Auferstehung, und es ist durchaus notwendig, dies stets im Glauben festzuhalten. Trennen wir es von seiner Person, so bringen wir uns in Verwirrung, und bleiben in unserem Wandel nach wie vor kraftlos. Es würde auch eine Unwahrheit sein, zu bekennen, dass wir gestorben, begraben und auferstanden seien, anders als durch unsere Mitpflanzung zur Gleichheit seines Todes und seiner Auferstehung. Ebenso ist hier nicht die Rede davon, in wie weit diese Wahrheit durch das Werk des Heiligen Geistes in uns verwirklicht ist, sondern allein was unsere Stellung vor Gott ist durch unsere Vereinigung mit Christus, welcher auferstanden ist und lebt. In Ihm aber ist unsere Stellung vor Gott in jeder Beziehung vollkommen, und keinem Wachstum unterworfen; und haben wir diese durch den Glauben und in Kraft des Heiligen Geistes lebendig erkannt und eingenommen, so wird sie sich auch als ein Werk des Geistes Gottes in uns verwirklichen, und im Leben und Wandel offenbaren. Es gibt Seelen welche wohl zugeben, dass wir eine vollkommene Stellung in Christus vor Gott haben, allein sie schwächen sich die wirksame Kraft derselben durch die Meinung, dass wir nicht immer in Christus seien. Doch sind dies nur ihre eigene Gedanken und nicht die Gedanken Gottes; zugleich aber beweisen sie dadurch, dass sie ihre Stellung vor Gott in Christus nicht in Wahrheit verstanden haben. Es kann für eine Zeit das lebendige Bewusstsein derselben, sowie die Kraft des Glaubens und die Wirksamkeit des Geistes Gottes in uns geschwächt sein, und dieses hat immer Mangel und Schwachheit im Wandel zur Folge; aber es hebt unsere Vereinigung mit Christus in Kraft des Lebens nicht auf. Der Christ ist stets in Christus vor Gott; aber in seinem Wandel kann er an dieser Stellung fehlen.
Wir werden später zum Brief an die Kolosser zurückkehren, und wollen jetzt einen Abschnitt aus dem Brief an die Römer, Kapitel 6, welcher sich ebenfalls sehr ausführlich mit dieser Wahrheit beschäftigt, etwas näher ins Auge fassen. – Der Apostel hatte am Schluss des vorigen Kapitels nachgewiesen, dass durch die Einführung des Gesetzes die Übertretung überströmend, d. h. in ihrer ganzen Ausdehnung offenbar geworden sei, dass aber die Gnade viel überschwänglicher geworden; und also die überströmende Sünde Ursache gewesen sei, die noch reichlicher überströmende Gnade völlig ans Licht zu stellen. Diese Behauptung hatte nun zu dem falschen Schluss verleiten können: es sei gut in der Sünde zu beharren, auf dass die Gnade überströme (Kap 6,1). Dies gibt dem Apostel Veranlassung zu beweisen, dass der Gläubige von der Sünde ganz und gar getrennt worden sei; er sagt: „Das sei ferne! die wir der Sünde gestorben sind, wie sollten wir noch in derselben leben? Wisst ihr nicht, dass wir, so viele auf Jesus Christus getauft worden, auf seinen Tod getauft worden sind? So sind wir denn mit Ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod, auf dass, gleich wie Christus aus den Toten auferweckt ist, auch wir in Neuheit des Lebens wandeln sollen. Denn wenn wir zur Gleichheit seines Todes mitgepflanzt worden sind, so werden wir es auch freilich zu der seiner Auferstehung sein; dieses wissend, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt ist, auf dass der Leib der Sünde abgetan sei, so dass wir der Sünde nicht mehr dienen“ (V 2–6). Wir sind also, wie wir auch hier sehen, durch den Tod von der Sünde getrennt worden, indem wir durch die Taufe dem Tod Christi einverleibt und mit Ihm begraben worden sind; so ist also diese Trennung für uns, die Glaubenden, in dem Tod Christi vollzogen. Christus ist aber durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt; und wie wir mit Ihm eine Pflanze geworden sind zur Gleichheit seines Todes, so werden wir es auch in der seiner Auferstehung sein. Unser alter Mensch ist am Kreuz Christi vor Gott beseitigt; der Leib der Sünde ist hinweggetan, auf dass wir nicht mehr der Sünde dienen, sondern als mit Christus Auferstandene in Neuheit des Lebens wandeln. Was ist denn jetzt unsere Stellung vor Gott? Sein Wort bezeichnet sie ganz klar. Als Sünder in dem Tod Christi getötet, in der Taufe mit Ihm begraben, und eins mit Ihm. in der Auferstehung in Kraft des Lebens, sind wir eine neue Kreatur vor Gott, in der Gleichheit des zweiten Adams, wie wir es in der des ersten waren. In Christus von der Sünde und von der Welt getrennt, sind wir jetzt: Auserwählte, Gerechtfertigte, Heilige. Dies ist stets die Stellung, in welcher allein Gott uns kennt; und nur in dieser genießen wir alle die segensreichen Beziehungen mit Gott, und der Gläubige findet in dem lebendigen Bewusstsein derselben durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes reiche Kraft nach diesen Beziehungen im Glauben vor Gott zu wandeln. Solange aber der Christ seine Stellung in Christus vor Gott nicht in Wahrheit erkannt hat, darf er an keinen würdigen Wandel denken; er wird nur immer wieder beschäftigt sein, den Sünder, der ein für alle Mal durch den Tod Christi vor Gott hinweggetan und sogar begraben ist, wieder vor Ihn zu bringen. Der treue Herr kann in seiner reichen Gnade wohl die Unkenntnis der Seinen übersehen, und sie der Stellung in Christus gemäß, die Er kennt, segnen; doch wird Er nur dann in Wahrheit durch uns in Gesinnung und Wandel verherrlicht, wenn wir stets in dem lebendigen Bewusstsein derselben in Kraft des Heiligen Geistes einhergehen.
Der Apostel fährt im 7. Vers des Kapitels weiter fort: „Denn der gestorben ist, ist von der Sünde freigesprochen. Wenn wir aber mit Christus gestorben sind, so glauben wir, dass wir auch mit Ihm leben werden, wissend, dass Christus, aus den Toten auferweckt, nicht mehr stirbt; – der Tod herrscht nicht mehr über Ihn. Denn dass Er gestorben ist, – Er ist ein für alle Mal der Sünde gestorben; dass Er aber lebt, – Er lebt Gott“ (V 7–10). Diese Folgerungen sind sehr tröstlich und segensreich für uns. Frei von der Sünde, haben wir in Christus Teil an einem Leben, was dem Tod nicht mehr unterworfen ist. Denn der Tod herrscht nicht mehr über den, der aus den Toten auferstanden ist, und wir sind mit Christus auferstanden.
Was jetzt folgt, sind meistens ernste Ermahnungen in Bezug auf unseren Wandel, als Ergebnis der durch den Heiligen Geist in uns wirksamen Wahrheit, nämlich unserer Trennung von der Sünde, durch den Tod Christi und unserer Teilnahme am Leben durch unsere Auferstehung mit Ihm. „Also auch ihr, haltet euch der Sünde für tot, Gott aber lebend in Christus Jesus (unserem Herrn)“ (V 11). Nicht als wären wir der Sünde tot, wenn wir uns dafürhielten, sondern weil es eine Tatsache ist, dass wir ihr in dem Tod Christi gestorben sind, sollen wir uns dafür halten. Unser Leben ist nicht mehr in der Sünde, sondern in Christus und für Gott. „So herrsche denn die Sünde nicht in eurem sterblichen Leib, ihr zu gehorchen in seinen Lüsten; noch gebt eure Glieder der Sünde hin, als Werkzeuge der Ungerechtigkeit, sondern gebt euch selbst Gott hin als Lebende aus Toten, und eure Glieder Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit; denn die Sünde wird nicht über euch herrschen, denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade“ (V 12–14). „Freigemacht von der Sünde, seid ihr Knechte der Gerechtigkeit geworden … denn da ihr der Sünde Knechte wart, da wart ihr Freie von der Gerechtigkeit. Welche Frucht hattet ihr denn damals von den Dingen, welcher ihr euch jetzt schämt? denn das Ende derselben ist der Tod. Nun aber von der Sünde freigemacht und Gottes Knechte geworden, habt ihr eure Frucht zur Heiligkeit; das Ende aber ewiges Leben“ (V 18.20–22). – In diesen Worten ist eine vollkommene Scheidung ausgedrückt; das Wesen oder der Charakter unseres früheren Lebens steht im völligen Gegensatz mit unserem jetzigen in Christus, und dieser Gegensatz soll sich auch ebenso in unserem Wandel offenbaren.
In 1. Petrus 4,1 haben wir ebenfalls eine Stelle, die uns deutlich zeigt, welche Beziehung der Christ zur Sünde hat, indem er zur Gleichheit des Todes Christi mitgepflanzt ist, oder, was Fleisch betrifft, gelitten hat: „Da nun Christus für uns im Fleisch gelitten hat, so wappnet euch mit demselben Sinn; denn wer am Fleisch gelitten hat, ruht von Sünde.“
Noch wollen wir hier Epheser 2,4–6 anführen: „Gott aber, weil Er reich ist an Barmherzigkeit, hat, wegen seiner vielen Liebe, womit Er uns geliebt, als auch wir in den Vergehungen tot waren, uns mit Christus lebendig gemacht – durch die Gnade seid ihr errettet – und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus.“ – Nach dieser Stelle waren wir die in Sünden Toten, aber nun sind wir mit Christus auferweckt und lebendig gemacht. Zugleich zeigt sie uns, welchen Platz wir jetzt schon in Christus eingenommen haben. Dieser Platz ist da, wo Er selbst ist, in den himmlischen Örtern, und in Ihm haben wir denselben schon eingenommen. – Dies aber beweist uns völlig die Tragweite unserer Stellung, die wir jetzt durch den Glauben in Christus empfangen haben; aber bald auch im Schauen und voller Wirklichkeit mit Ihm besitzen werden. Eine Fülle von Freude wird der Gläubige darin finden, wenn er sie in Wahrheit verstanden hat, und nicht weniger eine reiche Kraft, um durch einen würdigen Wandel Gott zu verherrlichen.
So haben wir denn gesehen, wie der Gläubige in Christus vor Gott dasteht. Er ist eine neue Kreatur, in der Gleichheit des zweiten Adams, welcher auferstanden ist und lebt. Diese Stellung wird uns auch besonders dadurch klar, wenn wir im Anfang der meisten Briefe den Gruß an die Gemeinen lesen. Der Heilige Geist redet darin die Christen an: „Gläubige, Geliebte, Geheiligte in Christus Jesus, berufene Heilige usw.;“ doch hören wir nie, dass Er zu ihnen sagt: „Ihr armen Sünder.“ Die letztere Bezeichnung drückt freilich unsere Stellung aus, ehe wir in Christus sind, und besonders dann, wenn wir unser Elend in der Sünde erkennen. Wollen wir dieselbe aber auf die Christen anwenden, so verkennen wir ganz und gar den Charakter, die Ausdehnung und die Kraft ihrer Vereinigung mit Christus. Man will demütig sein, und man urteilt nicht nach der Wahrheit. Wir haben ja gesehen, dass Gott mit dem Sünder, und wäre er der ärmste, keine Gemeinschaft haben kann; weil Er heilig, der Sünder aber eins mit der Sünde ist. Doch in Christus sind wir getrennt von der Sünde, und zwar so sehr, was unsere Stellung vor Gott betrifft, als Er es selbst ist, und sind eins mit Gott. Der Ausdruck „arme Sünder,“ auf die Christen angewandt, ist nur ein Produkt des Unglaubens und der Unwissenheit, aber nicht des Wortes Gottes. Er ist durch die List Satans unter die Christen eingeführt und hat sie mehr oder weniger ihrer Freiheit beraubt; und jetzt in der Zeit des Abfalls, bei der Schlaffheit und Unwissenheit der Christen ist dieser Ausdruck ganz und gar einheimisch geworden. Wenn es bei manchen Seelen auch nur ein bloßer Ausdruck ist, worin sie sich gefallen, so ist das doch schon übel genug; es beweist jedenfalls eine mangelhafte Erkenntnis im Wort und unserer Beziehung zu Gott; und dies kann nicht ohne Einfluss auf unseren Wandel bleiben. Ist es aber ein Grundsatz des Herzens, auf welchem ein Christ mit Gott verkehren und in Beziehung sein will, so bringt dies nur Ohnmacht und Verwirrung; der Geist wird gelähmt, das Herz niedergedrückt und Gott wird nicht durch unser Leben verherrlicht. Unsere Stellung vor Gott ist abhängig von der Tatsache, dass wir wirklich mit Christus eins sind in Kraft des Lebens; die Gefühle des Herzens aber, sowie unsere Gesinnung und unser Wandel, sind von unserer Erkenntnis und unserem Bewusstsein dieser Tatsache abhängig. Nach dem Maß, als die Erkenntnis; dieser Tatsache wirklich in uns lebendig ist, sind wir im Leben geistlich und befreit. Wohl kann auch eine befreite Seele sündigen, und so oft dies geschieht, ist die Kraft ihrer Vereinigung mit Christus und die Kraft seiner Auferstehung nicht wirksam in ihrem Herzen durch den Glauben; aber es hebt dies ihre Stellung in Christus vor Gott nicht auf; weil das Opfer Christi immerdar vollgültig, und stets vor dem Angesicht Gottes für uns ist. Christus, der treue Hohepriester, ist ohne Unterbrechung unser Fürsprecher vor Gott in Kraft seines Opfers. Unsere Gesinnung aber und unser Wandel sind stets der Maßstab für die Verwirklichung unseres Einsseins mit Christus in uns durch den Glauben und die Kraft des Heiligen Geistes. Doch Fleisch bleibt Fleisch und es wohnt nichts Gutes darin; darum lasst uns wachen und nüchtern sein, und nicht vergessen, dass wir jetzt Schuldner sind, durch den Geist des Fleisches Geschäfte zu töten (Röm 8,13).
Der Herr Jesus sagt von seinen Jüngern: „Sie sind nicht von der Welt, gleich wie auch ich nicht von der Welt bin;“ (Joh 17,14) und der Apostel Johannes schreibt den Gläubigen: „Kindlein, ihr seid von Gott“; aber von den Ungläubigen sagt er: „Sie sind aus der Welt“ (1. Joh 4,5). Diese so tröstlichen Ausdrücke sind für manche Christen zu bestimmt und zu kühn, um davon für sich zur Freude ihrer Herzen und zur Kraft in ihrem Wandel Gebrauch zu machen. Sie halten es gar für Hochmut, aus der Welt und ihrer Stellung als Sünder, auch selbst nach dem inneren Bewusstsein, herauszutreten, wie es schon in Christus geschehen ist. Sie verkümmern sich die glückselige Stellung im Heiligtum droben, welche eine gläubige Seele für immerdar und zwar ohne Sünde in Christus vor Gott eingenommen hat, und verkümmern sich die so liebliche und süße Gemeinschaft des Vaters und seines Sohnes Jesu Christi in der Gegenwart Gottes. – Der Apostel Paulus tadelt auch die Kolosser, welche anfingen zu vergessen, dass sie nicht mehr in der Welt lebten. „Wenn ihr mit Christus den Anfängen der Welt gestorben seid, – was unterwerft ihr euch den Satzungen, als lebtet ihr noch in der Welt“ (Kap 2,20). Wie viele Christen würden aber in unseren Tagen denselben Tadel verdienen! – Der treue Gott wolle alle die Seinen, durch die Wirksamkeit seines Geistes und die Erkenntnis der Wahrheit recht befreien, auf dass sie durch den Glauben in seiner Gegenwart und Gemeinschaft zur Verherrlichung seines Namens wandeln.
Kehren wir denn jetzt zu dem 3. Kapitel des Kolosserbriefes zurück, welches noch so manches Liebliche und Ernste über den vorliegenden Gegenstand enthält. – „Wenn ihr denn mit Christus auferweckt seid, so sucht was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf der Erde ist. Denn ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit Christus in Gott. Wenn Christus, unser Leben, offenbart sein wird, dann werdet auch ihr mit ihm in Herrlichkeit offenbart werden“ (Kol 3,1–4). – Als Sünder standen wir in Beziehung mit der Welt; ihr Wesen war unser Leben, wir liebten, was darinnen war. Doch wir sind gestorben; und durch unsere Auferweckung mit Christus sind wir in Ihm eines Lebens teilhaftig geworden, das nicht von der Erde, sondern himmlisch ist. Es hat nichts gemein mit dem Wesen dieser Welt; es kann durch nichts Irdisches oder Vergängliches befriedigt werden; es ist göttlicher Natur, ewig und unvergänglich. Dies ist das Leben Christi und des Christen, der es in Ihm besitzt. So kann es uns denn auch nicht befremden, dass das Herz des Christen niedergedrückt und ohne Ruhe und Frieden ist, wenn es sich mit dem Wesen und den Dingen dieser Welt einlässt, wenn es nach dem trachtet, das auf der Erde ist. Dieser Zustand wird umso fühlbarer sein, je mehr das Leben Christi in dem Herzen verwirklicht ist. In der Gemeinschaft mit Christus aber, welcher die Quelle unseres Lebens ist, genießen wir die Gefühle des Himmels, ja alles das, was sein Herz genießt; denn die Liebe Gottes ist ausgegossen in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist. Die Erde ist für den Christen eine Wüste geworden; er findet hier nichts, was seinem Leben entspricht; er ist ganz und gar ein Fremdling darin. Seine Neigungen, gleich den Neigungen Christi, weil er seines Lebens teilhaftig geworden ist, finden nur im Himmel ihre vollkommene Befriedigung. Die Welt ist zwar reich an Versuchungen, aber arm an Trost und Freude für ihn. Alles, was irdisch und vergänglich ist, kann nicht das Teil eines Lebens sein, welches ewig und unvergänglich ist. Unser Teil ist mit Christus, der unser Leben ist. Wir haben alles mit Ihm gemein, sowohl seine Stellung, als seine Herrlichkeit. Wir sind nicht von der Welt, gleich wie auch Er nicht von der Welt ist; (Joh 17,16) wir sind vom Vater geliebt, wie auch Er von Ihm geliebt ist; (V 23) und wie Er ist, so sind auch wir in dieser Welt (1. Joh 4,17). Er hat uns dieselbe Herrlichkeit gegeben, die Er vom Vater empfangen hat; (Joh 17,22) wir sind gesegnet mit aller geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus (Eph 1,3). „Sind wir denn Kinder, so sind wir auch Erben, – Erben Gottes und Miterben Christi, wenn wir anders mit leiden, auf dass wir auch mit verherrlicht werden“ (Röm 8,17).
Dies alles aber lässt uns die Kraft der Ermahnung des Apostels verstehen, wenn er den Christen zuruft: „Sucht was droben ist, wo Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes. Trachtet nach dem, was droben ist, nicht nach dem, was auf der Erde ist.“ Das Trachten nach dem Irdischen ist immer eine Verleugnung unseres himmlischen Charakters und eine Verkennung unserer Vereinigung mit dem auferstandenen Christus; und wenn schon die Unruhe des Herzens, welches sich in die Dinge der Welt einlässt, ein Beweggrund für uns sein sollte, diese Ermahnungen mit Ernst zu beachten, – so doch dieses noch viel mehr. Mit dem innigsten Dank und der seligsten Freude sollten wir die unaussprechlich köstlichen Vorrechte genießen, woran wir durch diese Ermahnung so ernstlich erinnert werden: „Unsere Gemeinschaft ist mit dem Vater und mit seinem Sohn Jesus Christus“ (1. Joh 1,3). Diese segensreiche Gemeinschaft ist schon jetzt unser Teil geworden, obwohl wir noch in der Fremde, in einer feindseligen Welt und fern vom Herrn sind. Wir genießen sie durch den Glauben, und genießen mit ihr alle die süßen Empfindungen, welche diese Gemeinschaft begleiten. Doch unsere Hoffnung geht noch weiter. Noch ist unser Leben mit Christus in Gott verborgen, wie Christus selbst verborgen ist; noch ist unsere Gemeinschaft mit Ihm, die des Herzens durch den Glauben. Doch Christus, unser Leben, wird offenbart werden; und wird Er offenbart, so können wir nicht verborgen bleiben, weil Er unser Leben ist. Diese Offenbarung geschieht in Herrlichkeit. Aller Kampf des Glaubens ist dann aufgehoben; wir genießen schauend und ungestört seine Gemeinschaft in vollkommener Wirklichkeit, und genießen mit Ihm in ungetrübter Freude die Herrlichkeit Gottes, ja alles, was sein ist. – O selige Hoffnung, besonders für solche Seelen, die Ihn kennen und in Wahrheit lieben. Diese Hoffnung, wenn sie unser Herz erfüllt, gibt Mut und Ausdauer im Kampf wider die Sünde, und besonders zur Verleugnung alles dessen, was nicht unser Teil ist. Wir vergessen, was dahinten ist, und strecken uns nach dem aus, was vor uns liegt, und streben, das vorgesteckte Ziel immer anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus (Phil 3,14). Alles werden wir hienieden ausschlagen, um droben alles mit Christus zu besitzen; und das Ziel unserer Hoffnung, auf welches unverwandt unsere Blicke mit Sehnsucht gerichtet sind, und nach welchem wir immerdar hinstreben, wird sich in all unserer Gesinnung und unserem Wandel ausdrücken.
In diesen ersten Versen haben wir nun sowohl unsere jetzige Stellung, die wir in Christus durch den Glauben einnehmen, als auch die, welche wir mit Ihm in Herrlichkeit bei seiner Offenbarung haben werden. Im Wesen sind beide eins, aber in ihrer äußeren Erscheinung verschieden. Die eine ist verborgen, die andere offenbar; was Glaube und Hoffnung in der einen festhält, ist in der anderen Erfüllung. – Jetzt folgen ernste Ermahnungen, welche der Apostel an das feste Bewusstsein des Glaubens und der Hoffnung knüpft; Ermahnungen, welche wie immer nicht unserer Schwachheit, wohl aber unserer Stellung vor Gott in Christus Jesus entsprechend sind. Unser Wandel soll dieser gemäß sein; und deshalb fordert es unsererseits Kampf, ja entschiedenen Kampf des Glaubens, um diese Stellung in unserem Leben zu verwirklichen. Alles Sichtbare kann für uns Versuchung werden, und Satan, voll List und Bosheit, und alle Mächte der Finsternis sind immerdar beschäftigt, unsere Herzen niederzuhalten, den Glauben und die Hoffnung zu schwächen, und uns durch Allerlei zu täuschen, zu verführen und zu verstricken. Doch wollen wir in diesem allen mehr als Überwinder sein, so können wir es nur durch den, der uns geliebt hat. „Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod, noch Leben, noch Engel, noch Fürstentümer, noch Gegenwärtiges, noch Zukünftiges, noch Gewalten, noch Hohes, noch Tiefes, noch irgend eine andere Kreatur uns zu scheiden vermögen wird von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus, unserem Herrn, ist“ (Röm 3,39). Welch köstliches Bewusstsein ist dies für das gläubige Herz in den mannigfachen Versuchungen und Kämpfen. Die durch den Glauben in uns wirksame Kraft der Auferstehung Christi, welche Ihn zur Rechten Gottes über alles erhöhte, die lebendige Erkenntnis seiner selbst, und unserer Vereinigung mit Ihm in Kraft des Lebens, unser steter und inniger Verkehr oder unsere Gemeinschaft mit Ihm in Liebe durch die Kraft des heiligen Gottes, unser Ausharren in der Hoffnung auf seine nahe Zukunft und unserer Versammlung zu Ihm wird uns in allen Versuchungen feste und gewisse Tritte tun lassen und unsere Herzen immerdar mit Mut, Trost und Freude erfüllen. Doch welche Wachsamkeit, welche Gebote, welche völlige Hingabe an den Herrn, welch stetes und gläubiges Aufsehen auf Ihn, welch unverrücktes Festhalten an Gott und seinem Wort erfordert dies alles, um nicht im Kampf zu ermatten oder gar zu erliegen. Doch der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus ist für und mit uns. Er ist stets bereit, durch seine Gnade und Liebe uns zu geleiten, durch seine Treue uns zu bewahren, durch seine Kraft in uns zu wirken. Darum können wir getrost und mit freudiger Zuversicht unseren Lauf vollenden und den Kampf des Glaubens kämpfen, bis seine Ankunft inmitten der Feinde uns vom Kampfplatz abruft und Er uns mit sich in die Wohnungen des Vaters, wo unsere Heimat ist, einführt.
„So tötet denn eure Glieder, die auf der Erde sind: Hurerei, Unreinigkeit, Leidenschaft, böse Lust, und den Geiz, welcher Götzendienst ist, um welcher willen der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams kommt, in welchen auch ihr einst gewandelt habt, als ihr darinnen lebtet. Aber jetzt legt auch ihr das alles ab: Zorn, Wut, Bosheit, Lästerung, Schandreden aus eurem Mund. Belügt euch einander nicht, indem ihr den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen, und den neuen angezogen habt, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat, wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, Scyte, Sklave, Freier, sondern alles und in allen – Christus“ (V 5–11). – Wir sind in Christus mitversetzt in die himmlischen Örter; aber von den Gliedern der Sünde, sagt der Apostel, dass sie auf der Erde seien. Dies Bewusstsein ist köstlich. Wir sind also ganz und gar von diesen Gliedern getrennt, weil wir gestorben und mit Christus auferstanden sind; jetzt ist die Kraft des Lebens wirksam in uns. Diese Scheidung ist, wie wir gesehen haben, in Christus vollbracht; wir sind eine neue Kreatur und der Glaube hält dies Bewusstsein fest. Doch sind wir jetzt noch in einem Leib, der nicht vom Himmel, sondern von der Erde ist; und praktischer Weise ist nicht alles getötet, nicht alles abgelegt, und die Sünde ist nicht von uns getrennt, sonst wären diese Ermahnungen überflüssig. In Christus aber sind wir tot für die Sünde, Gott aber lebend in Ihm; wir sind von ihr getrennt, aber eins mit Christus in Kraft des Lebens, und weil dieses eine Tatsache ist, so werden wir nun ermahnt, auch die Glieder auf der Erde zu töten. Wären die Glieder der Sünde tot, wäre das Fleisch nicht mehr bei uns, wären wir nicht mehr da, wo Satan und Sünde wohnt, so würde jede Versuchung und jeder Kampf beendigt sein. Dies hebt aber unsere Stellung vor Gott in Christus nicht auf; und je mehr wir diese in Wahrheit erkennen, je mehr wir darin im Glauben kämpfend ringen, desto mehr wird sich auch die Kraft der Auferstehung Christi in unserem praktischen Leben offenbaren. Dies ist das Werk des Heiligen Geistes in unseren Herzen. – Solange wir der Sünde leben, solange wandeln wir auch darin; doch sind wir ihr gestorben, wie sollten wir noch darin wandeln? Unser Leben ist jetzt in dem, was droben ist, und der Glaube ist die Verwirklichung dessen, was man nicht sieht. Der Sünde leben und zugleich die Glieder der Sünde töten, ist unmöglich. Mag das Gesetz noch so heilig und gut sein, mögen wir noch so sehr wünschen, das Gute zu tun, und mögen wir noch so oft hören, dass der Zorn Gottes über die Söhne des Ungehorsams kommt, weil sie der Sünde leben, – wir können nichts anders, als der Sünde dienen. Doch freigemacht von der Sünde durch Christus und eins mit Ihm im Leben, vermögen wir kraft dieses Bewusstseins durch den Glauben nach der Wirkung des Heiligen Geistes die Glieder auf der Erde zu töten und alles abzulegen, was nicht dem himmlischen Wesen entspricht; und je mehr unsere Herzen mit Erkenntnis Gottes erfüllt sind, je mehr wir die innigen Beziehungen zu Gott in Christus verstanden haben, desto mehr werden wir auch das hohe Vorrecht unseres Dienstes in seiner Gegenwart schätzen und mit Freuden genießen. Ohne Glauben aber ist es unmöglich in diesem Dienst zu stehen und die Glieder des Fleisches zu töten. Der Glaube allein hat seine Kraft in Christus, der Unglaube sucht sie in der Kreatur; der Glaube wirkt nach der Macht Gottes, der Unglaube liegt ohnmächtig unter der Macht des Fleisches; der Glaube urteilt nur nach den Gedanken Gottes, der Unglaube nach den Gedanken der Menschen; der Glaube sieht den Christen stets in Christus vor Gott, der Unglaube aber sieht ihn in der Welt und der Sünde, und so viel der Eine und der Andere in den Herzen wirksam ist, so viel wird sich auch das Wesen oder der Charakter von beiden im praktischen Leben offenbaren.
Doch warum fordert der Apostel so entschieden, die Glieder auf der Erde zu töten, und alles, was zum Wesen dieser Welt gehört, abzulegen? Zunächst, weil der Zorn Gottes über alle kommt, die darin leben; dann, weil wir in Christus daraus errettet sind, indem wir den alten Menschen mit seinen Handlungen ausgezogen haben, und endlich, weil die Sünde oder das Fleisch im völligen Gegensatz zum neuen Menschen steht, der erneuert wird zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat, und welchen wir angezogen haben. Christus und die Sünde haben keine Gemeinschaft, und wie könnten wir praktisch in einem Dienst beharren, wovon wir in Christus befreit sind. Es war der Zweck der unendlichen Gnade und Liebe Gottes und der Hingabe Christi uns aus der Sünde und der Welt zu erlösen, und nun sollte es gleichgültig sein, nachdem wir dieser Erlösung durch Christus teilhaftig geworden sind, in unserem Wandel in diesen Dingen zu beharren? Das sei ferne! Der Herr bewahre uns vor solcher Gleichgültigkeit und solch schrecklichem Undank! Vielmehr werden wir erneuert zur Erkenntnis des Bildes dessen, der uns geschaffen hat. Der neue Mensch ist von und nach Gott geschaffen, dessen Bild auch völlig in Ihm erkannt werden soll. Die Erneuerung geschieht praktischer Weise in uns durch die Wirksamkeit des Heiligen Geistes. Es steht aber der neue Mensch in keiner Beziehung mit irgend einem Verhältnis und Stand in dieser Welt, so wenig wie Christus selbst; bei ihm handelt es sich nur um Christus, welcher allein alles und in allen ist. –
Die jetzt folgenden Ermahnungen beschäftigen sich vornehmlich mit der Kundgebung des Wesens des neuen Menschen, d. i. des Christen im praktischen Leben oder im Wandel. „Zieht denn an, als Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte, – herzliches Erbarmen, Güte, Niedriggesinntheit, Milde, Langmut, einander vertragend und einander vergebend, wenn einer wider den Anderen Klage hat; wie auch Christus euch vergeben hat, also auch ihr; – zu diesem allem aber die Liebe, welche das Band der Vollkommenheit ist. Und der Friede Gottes herrsche in euren Herzen, wozu ihr auch in einem Leib berufen seid – und seid dankbar. Das Wort Christi wohne in euch reichlich in aller Weisheit; euch lehrend und ermahnend mit Psalmen und Lobliedern und geistlichen Liedern, Gott singend mit Gnade in euren Herzen. Und alles, was ihr immer tut, im Wort oder im Werk, alles tut im Namen des Herrn Jesus, danksagend dem Gott und Vater durch Ihn“ (V 12–17). Die Namen, welche der Heilige Geist hier den Christen beilegt, bezeichnen ganz und gar die Stellung, welche sie in Christus vor Gott haben. Sie sind nicht mehr von der Welt und ohne Hoffnung, sondern Auserwählte für die Seligkeit; sie sind nicht mehr die Unreinen und die armen Sünder, sondern Heilige, gewaschen durch das Blut Christi, getrennt von der Sünde, und für Gott bei Seite gestellt; sie sind nicht mehr die Entfernten und die Feinde Gottes, sondern seine Geliebten. Eine Stellung wie diese, sollten wir nach den Ratschlüssen Gottes vor Ihm einnehmen; wir haben sie jetzt schon durch den Glauben eingenommen in Christus Jesus, und werden sie einst in vollkommener Wirklichkeit mit Ihm einnehmen droben in der Herrlichkeit. Das Bewusstsein einer solchen Stellung gibt dem Herzen Freimütigkeit zu Gott zu nahen, und eine kindliche und innige Freude in seiner Gegenwart zu wandeln. – Fassen wir nun die Ermahnung selbst etwas näher ins Auge, so finden wir ganz die Gesinnung und den Charakter Christi darin. Wir sollen also wandeln und gesinnt sein, wie Er. Der Unglaube möchte hier wieder fragen: Wie ist dies möglich? Allein das einfältig gläubige Herz weiß, dass wir mit Ihm eins sind in Kraft des Lebens, und dass die Liebe Gottes ausgegossen ist in unsere Herzen durch den Heiligen Geist, welcher in uns wohnt; es fragt nicht lange, sondern glaubt und folgt; es ruht in Christus, es wandelt in seiner Gegenwart und genießt von seiner Gemeinschaft. Nur die Gesinnung Christi ist für den Gläubigen das vollkommenen Muster seines Wandels; sie ist für ihn das Kleid, worin er überall erscheinen soll. Dies ist die Kraft und die Tragweite dieser Ermahnungen. Sein Charakter soll der unsrige sein; wir sollen vergeben, wie Er uns vergab, und lieben, wie Er uns liebte. Die Liebe, das Band des Vaters und des Sohnes, ist das Band der Vollkommenheit. O welche Gnade, dass auch uns dieses Band mit umschlungen hat! Jetzt soll es uns nun auch untereinander umschlingen. Sein Friede soll in unseren Herzen, und in der ganzen Versammlung, als in einem Leib regieren; sein Wort soll in uns in aller Weisheit wohnen, und nicht nur ein Gast oder gar Fremdling bei uns sein; seine treue Fürsorge, seine Freude und sein Lob soll in unserer Mitte in jedem Herzen offenbar werden, und sein Name soll endlich der Grund sein, auf welchen jedes Wort und jedes Werk gebaut ist. – Diese Ermahnungen beweisen auf das klarste, welche gesegnete Stellung wir vor Gott in Christus haben, und wie wir mit Ihm ganz und gar eins sind. Haben wir sie in Wahrheit verstanden, so können sie unsere Herzen nur mit Lob und Anbetung erfüllen, und die tiefste Freude und die größte Bereitwilligkeit in uns erwecken, den guten Kampf des Glaubens zu kämpfen und in der Gesinnung Christi zu wandeln.
Der Gott aller Gnade aber wolle unsere Herzen mit Ernst ans diesen Gegenstand lenken; Er wolle uns durch seinen Geist unsere segensreichen Beziehungen zu Ihm in Christus Jesus verstehen lassen, und uns Kraft geben, nach denselben zur Verherrlichung seines Namens zu wandeln.