Botschafter des Heils in Christo 1855
Über die Leiden Christi
Über die Leiden des Christus (
Die Leiden des Herrn Jesus waren zweierlei: erstens die Leiden, die Er während seiner irdischen Laufbahn vonseiten der Menschen zu erdulden hatte, und nachher die Leiden, die Er erfuhr, da Er die Last des Zornes Gottes trug, indem Er den Kelch nahm, den Er trinken sollte (
Die Größe der Verdorbenheit des Menschen erscheint also auch auf zwei Arten: unmittelbar in allem, was der Mensch hat, indem er sich dem Herrn Jesus widersetzte und Ihn verwarf, aber besonders in dem Gewicht der Sünde, das der Herr Jesus tragen musste, als Er den Kelch trank, den der Vater Ihm gegeben hatte. Dies war für Ihn keine leichte Sache: „… und fing an, sehr bestürzt und beängstigt zu werden. Und er spricht zu ihnen: Meine Seele ist sehr betrübt, bis zum Tod“ (
Sind nicht manche unter denen, die dies lesen, welche nie tief betrübt wegen ihrer Sünden waren? Und wie deckt ein solcher Leichtsinn die Torheit und Verstockung des menschlichen Herzens auf! Wir, die durch die Sünde den Kelch, den der Herr Jesus nahm, so bitter und schrecklich machten, wir betrachten die Sünde als etwas Unrichtiges vor dem Auge Gottes! Er aber, der Herr Jesus, hat es empfunden, wie schrecklich sie ist. Wenn unsere Herzen, elend wie sie sind, die Sünde nicht fühlen, so hat Er sie gefühlt, als Er den Kelch für uns leerte und die Sünde für uns trug. Wenn das Herz die Schwere der Sünde nicht versteht, nicht etwa in demselben Grad, wie sie der Herr Jesus gekannt hat, aber doch in irgend einem Grad; wenn, so schwach es auch sei, das Gefühl der Ernsthaftigkeit der Sünde uns noch fremd ist, so sind wir durchaus noch nicht in die Gedanken Jesu eingegangen.
Ich meine hier nicht das bloße Verstehen, denn es ist ein großer Unterschied dazwischen, ein von diesen Dingen ergriffenes Herz zu haben oder dieselben bloß zu wissen. Wissen, wie schwer die Sünde ist, wie viel sie dem Herrn Jesus gekostet hat, und davon kein ergriffenes Herz haben, ist ärger als gar nichts davon zu verstehen. Der Zustand des Herzens ist in dem einen Fall viel schlechter als in dem anderen.
Nun wollen wir sehen, zwar schwach, sehr schwach, was die Leiden Jesu waren.
Ach, niemand kann ganz ergründen, was diese Leiden gewesen sind. Jeden Tag denkt, sprecht und tut ihr die Dinge, welche die Ursache sind, warum der Herr Jesus diesen Kelch trinken und den Zorn Gottes tragen musste. Dessen ungeachtet glaubt ihr vielleicht nicht so böse zu sein. Wenn ihr euch aber vorstellt, dass Christus für eure Sünden gelitten hat, so werdet ihr sehen, dass Er nicht fand, dieselben seien nicht schwer. Er war sehr bestürzt und beängstigt. Christus bereitete sich im Garten Gethsemane für die anderen vor, seinem Gott nach der Heiligkeit seines Gerichts entgegen zu gehen. Seine Seele war tief betrübt „bis zum Tod“ (
Ihr, die ihr meint euch vorzubereiten zum Zusammentreffen mit eurem Gott, habt ihr diese Ängste und Schrecken? Wie unbestimmt auch der Gedanke sei, den ihr davon bekommen könnt, wenn ihr sie kennen lernen wollt, so seht hin, wie in Gethsemane Christus bedrängt und erschrocken war. Habt ihr das noch nicht getan, so habt ihr auch weder die Liebe Jesu noch das Werk Jesu in der Gnade wert geachtet. Denn es ist wichtig und nötig, dass unsere Gewissen ergriffen sind durch den Gedanken, dass Christus dort war, für uns zu leiden, um unsere Sünden zu tragen. Wenn meine Seele nicht dahin geführt wird, dies anzuerkennen, so werde ich selbst den Zorn Gottes und seine Gerechtigkeit erfahren und tragen müssen, wie der Herr Jesus es erfuhr. Wenn der Sohn Gottes, der Geliebte, in welchem keine Sünde war, für uns zur Sünde gemacht wurde, und Gott die Sünde in Ihm schlagen musste, wenn seine Gerechtigkeit und Heiligkeit Ihn nicht verschonen konnte, wie wollt ihr entrinnen, wenn ihr dem Angesicht Gottes begegnet? Und, wenn ich Christus betrachte, wie Er den Zorn und Fluch trägt, kann ich annehmen, meine Sünden seien etwas Geringes? Nein! Das Böse, das ich getan habe, war in den Augen Gottes und in den Augen des Herrn Jesus groß genug, um, als Er es auf sich nahm, auf Ihn Todesangst und die ganze Last des Zornes Gottes zu bringen. Warum hat Christus auf dem Kreuz den Zorn Gottes getragen? Weil ihr diesen Zorn und die ewige Verdammung verdient habt.
Oft gehen Seelen, ohne es zu wissen, mit ihren Sünden beladen, Gott entgegen. Viele Seelen sind in dieser Stellung und merken es selbst nicht. Oder ist es denn nicht wahr für viele von euch, dass ihr in diesem Leben Gott und seinem Gericht entgegen geht, ohne etwas zu fürchten? Wenn dem so ist, und ihr wirklich angesichts des Gerichts gemächlich weiter lebt, was ist es anders, als dass das Gewissen nicht geweckt oder gar verstockt ist, ungeachtet der Todesangst und der Leiden Jesu, ungeachtet des Kelches, den der Herr Jesus nehmen musste wegen der Sünde?
O, wie erhaben ist es, den Herrn Jesus inmitten seiner Leiden und seiner Angst zu betrachten! Vollkommen ruhig, und mit Ruhe die Schwere des Kelches, den Er trinken wollte, erwägend, sehen wir Ihn. Und unter welchen Umständen? Umgeben von allem, was geeignet war, die Neigungen der Liebe seines Herzens zu verwunden und zu zermalmen. Je mehr die Welt uns verwirft und verachtet, desto mehr bedürfen wir der Liebe. Der Herr Jesus war voller Güte und Zärtlichkeit für seine Jünger. Er hatte sie immer geliebt und getragen und wie ging es Ihm dessen ungeachtet? Was fand Er unter ihnen, als der Menschen Bosheit zügellos auf ihn einstürmte? Was er fand? Dass selbst unter denen, die Er liebte, die mit Ihm als Freunde und Gefährten am gleichen Tisch aßen (
In seiner Laufbahn des Gehorsams litt Er das Widersprechen der Sünder, ohne sich wegzuwenden, und nie hat Er gebeten, dass jener Kelch von Ihm genommen würde. Warum aber nun dieser? Weil es nicht bloß derjenige der Verbrechen der Menschen oder der Bosheit Satans war, sondern den Kelch des Zornes Gottes. In allem, was Er vorher vonseiten der Menschen zu leiden gehabt hatte, war Ihm die Freude geblieben, den Willen seines Vaters zu erfüllen, aber in diesem Kelch, dem des Zornes Gottes, war kein Tropfen Süßigkeit. Da sprach der Herr Jesus: „Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg!“ Warum nun war es unmöglich? Darum: Es ist unmöglich, dass Gott die Sünde dulde, und dass, selbst da der Herr Jesus für uns zur Sünde wird, Gottes Zorn gegen die Sünde nicht offenbar werde.
Liebe Leser! Seht, wie es um euch steht. Wenn der Herr Jesus eure Sünden nicht trug, so ist es unmöglich, dass ihr dem Gericht Gottes, das über die Sünde ausgesprochen ist, entgeht. Wie ernst ist dieser Gedanke! Erwägt dieses Wort Jesu: „Wenn es möglich ist ...“ Gewiss, wenn es möglich gewesen wäre, so hätte ja Gott den Herrn Jesus sicherlich erhört und seinem geliebten Sohn diese Leiden ohne Zahl und Gleichen erspart. Warum sagt der Herr: „Wenn es möglich ist …“? Weil Er, der wusste, was Gottes Liebe ist, auch allein im Stand war, die Schrecklichkeit seines Zornes zu wissen.
Und wie war dann der Zustand der Jünger? Sie schliefen (vgl.
Wie ist nun nach all dem die Stellung der Sünder? Es bleibt nichts als der Preis und Wert des Herrn Jesus über ihnen und in Gottes Augen hat der, welcher glaubt, den ganzen Wert des Herrn Jesus vor Gott. Er kann sich Gott nahen als von Gott so geliebt, dass Er seinen Sohn für ihn hingab, und an sich den Wert aller Leiden des Christus tragend.
Wenn euch Christus so angeboten wird, eins von beiden: Entweder seid ihr schuldig der Leiden Christi, wenn ihr sie verachtet, oder, wenn ihr durch die Gnade deren unendlichen Wert durch den Glauben ergreift, so habt ihr den ganzen Erfolg dieser Leiden. Verachtet ihr sie, so werdet ihr wie die behandelt werden, die sie verachten. Sind aber durch die Gnade eure Augen geöffnet, um das, was der Herr Jesus getan, zu verstehen, so wird die ganze Wirkung seines Werkes euch zugeteilt, und ihr genießt die Liebe Gottes. Entweder seid ihr der Leiden Jesu schuldig oder ihr genießt den Wert dieser Leiden.
Wenn ihr bekennt, dass es eure Sünden sind, die den Herrn Jesus in das Leiden brachten, so glaubt ihr wahrhaftig, dass Er sie trug. Wenn ihr sprecht: Ich bin schuld, dass Christus so leiden musste, so sprecht ihr auch: Und ich werde nie so leiden. Hat der Herr Jesus meine Sünden getragen und deren Folge an sich erduldet, so werde ich es nicht mehr erfahren und bin erlöst und befreit von der Verdammnis.
Möge Gott durch das Gefühl der Liebe Jesu eure Herzen ergreifen. Er lasse euch erkennen, welch ein unendlicher Wert für euch darin liegt, dass der Herr Jesus selbst sich darstellte, den Zorn Gottes zu tragen.
O, wie köstlich ist seine Liebe!