Botschafter des Heils in Christo 1853

Die Liebe des Christus

Denn die Liebe des Christus drängt uns, indem wir so geurteilt haben, dass einer für alle gestorben ist und somit alle gestorben sind. Und er ist für alle gestorben, damit die, die leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist (2. Kor 5,14.15).

Die Liebe des Christus muss zunächst von uns geglaubt und erkannt werden, sie muss unser Herz erfüllen, ehe wir von ihr gedrängt werden können. Von Natur aus hat der Mensch nicht diese Erkenntnis der Liebe Christi, die alle Erkenntnis übersteigt (Eph 3,19). Sie ist ein Gnadengeschenk Gottes und wird durch den heiligen Geist mitgeteilt, wenn dieser Jesus Christus in uns offenbart und verherrlicht ist. Sind uns unsere Sünden und Übertretungen durch dieses Licht aufgedeckt, liegt unsere Gottlosigkeit in ihrer ganzen Größe vor uns, so dass wir im Gedanken an die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes erzittern. Dann heißt es für uns: Siehe, das ist Gottes Lamm, welches Sünde der Welt – und damit auch deine Sünde – getragen hat. Da fangen wir an, diese Liebe zu verstehen.

Und wenn wir weiter erfahren, was uns diese Liebe gebracht hat, welchen Frieden und Seligkeit sie uns gegeben hat, von welcher furchtbaren Knechtschaft der Sünde sie uns befreit hat, aus welchem Reich und welcher Macht der Finsternis sie uns erlöst, wie sie uns wiedergeboren hat zu einer lebendigen Hoffnung und uns zu Kindern Gottes und zu Miterben der ewigen Seligkeit gemacht, uns, die wir vorher Gottlose und Feinde Gottes waren – da lernen wir voller Freude auszurufen: Die Liebe des Christus drängt uns!

Sie wird dann der innere Beweggrund unserer ganzen Handlungsweise, von unserem Reden und Schweigen, von unserem Tun und Lassen, von unserem Dulden und Leiden. Ja, in allen Lagen des Lebens ist sie unsere Führerin. Diese Liebe des Christus ist gegründet auf dieses Urteil: Einer ist für alle gestorben und somit sind alle gestorben.

Nach dem Sündenfall der ersten Menschen liegen wir alle unter der Sünde und dem Fluch. Die Sünde hat uns alle verdorben und geschwächt, so dass wir nichts Gutes tun und Gottes Gebot nicht halten können. Das Gebot ist geistlich, wir aber sind fleischlich und unter die Sünde verkauft, wie die Heilige Schrift an vielen Stellen bezeugt. Wir dürfen nun von unserer eigenen Gerechtigkeit nichts mehr hoffen. Kein Mensch könnte vor dem gerechten Gott bestehen und durch sich selbst in seine Gemeinschaft kommen. Seine Gnade und Barmherzigkeit fand aber trotzdem Mittel und Wege zu unserer Erlösung. Schon vor Grundlegung der Welt war sein Heilsplan zu unserer Errettung festgestellt. Und als die Zeit erfüllt war, da sandte Gott seinen eingeborenen Sohn (vgl. Gal 4,4). Dieser sollte unser Erretter und Seligmacher sein. Obwohl Jesus Christus lebendiger Gott war und durch Ihn und in Ihm alle Dinge erschaffen sind und erhalten werden, kam Er dennoch auf die unter dem Fluch liegende Erde und offenbarte sich uns. Diese Offenbarung geschah in unserem Fleisch1. Er nahm Knechtsgestalt an und wurde wie ein Mensch erfunden (Phil 2,7). Er hat die Sünde vieler getragen, Er trug sie an seinem Leib auf dem Fluchholz und musste Gehorsam lernen an dem, was er litt (Jes 53,12; 1. Pet 2,24; Heb 5,8). Der erste Mensch bestand nicht im Gehorsam gegen Gott und brachte alle Menschen in Ungerechtigkeit und Verderben (Röm 5,14.15). Der zweite Mensch, Jesus Christus, wurde gehorsam auch in den schrecklichsten Leiden bis zum Tod am Kreuz und brachte uns zur Gerechtigkeit und zum ewigen Heil. Er wurde für uns zur Sünde gemacht (2. Kor 5,21). Er vergoss sein Blut für unsere Übertretungen, weil es ohne Blutvergießung keine Vergebung gibt (Heb 9,22). Nun ist keine Schuld mehr zu tilgen. Er ist unser Mittler und Bürge und hat eine ewige Erlösung erfunden (Heb 9,12). Jesus Christus ist für alle gestorben und hat den Tod, den alle hätten erdulden müssen, erduldet. Der Tod, als Lohn der Sünde, ist durch Ihn in unserem Fleisch geleistet. Gott sieht uns, die wir glauben, nun als Gerechte an. Er rechnet uns unsere Sünden nicht mehr zu, weil die Bezahlung geschehen ist. Gott betrachtet uns als solche, die den Lohn der Sünde, nämlich den Tod, durch und in Christus abgetragen haben (vgl. Röm 6,5–11).

Als solche, an welche Teufel, Welt, Sünde und Tod kein Anrecht und das verdammende Gesetz keine Forderungen mehr haben. Es kommt nun allein darauf an, wie uns Gott ansieht. Betrachtet er uns als solche, die in Christo gestorben und den Lohn der Sünde getragen haben, so dürfen und sollen wir uns auch als solche betrachten, wie der Apostel ermahnt: „So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde tot seid“. „Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde“ (Röm 6,11.7). Und in diesem gläubigen und ausharrenden Dafürhalten liegt eine unendliche Kraft und Seligkeit.

Das Erbarmen Gottes hat, wie schon erwähnt, vor Grundlegung der Welt ohne unser Zutun eine Errettung und Seligkeit beschlossen. Sie ist nicht gegründet auf unsere Würde, sondern allein auf die freie Gnade in Christus Jesus. Umsonst wird der Übeltäter begnadigt, der Gottlose gerecht gesprochen und der Gefangene erlöst. „Denn mit einem Opfer hat er auf immerdar die vollkommen gemacht, die geheiligt werden“ (Heb 10,14). Wer nun dieses Opfer im Glauben für seine Sünden ergreift, wer die durch Christus erworbene Gerechtigkeit annimmt, wer in den ganzen Heilsplan Gottes zu unserer Seligkeit mit Zuversicht eingeht, der wird auch die Kraft dieses Evangeliums reichlich erfahren. Solange wir aber irgendwie durch Unglauben diese Kraft schwächen, so lange wir diese herrliche Wahrheit in ihrer ganzen Fülle nicht ergreifen, so lange wird auch ihre Wirkung schwach bleiben. Das ist zwar eine törichte Predigt für den menschlichen Verstand, aber für den, der glaubt, ist es Gottes Kraft (1. Kor 1,18).

Wir urteilen weiter: „Und er ist für alle gestorben, damit die, die leben, nicht mehr sich selbst leben, sondern dem, der für sie gestorben und auferweckt worden ist“. Von Natur aus leben wir uns selbst. Wir tun den Willen des Fleisches und der Vernunft und stehen in der Gemeinschaft Satans, der Welt, der Sünde und des verdammenden Gesetzes. Wir wissen aber, dass, sobald das natürliche Leben eines Menschen aufgehört hat, also sobald jemand gestorben ist, er die menschliche Gesellschaft verlässt. Es hören alle seine Verbindungen und Verbindlichkeiten in diesem Leben auf. Er tritt mit seinem ganzen Dasein aus der Welt. Genauso der, der mit Christus gestorben ist. Die Verbindung und Gemeinschaft, die der Mensch bis dahin mit Satan, der Sünde, der Welt und mit seinem ganzen Wesen hatte, ist durch den Tod aufgelöst. Die sündigen Glieder sind abgetan, der Wille des Fleisches und der Gedanken ist getötet und die Werke der eigenen Gerechtigkeit sind gerichtet (Eph 2,3). Wir wissen, „dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“ (Röm 6,6). Christus Jesus ist aber nicht im Tod geblieben. Er ist um unserer Gerechtigkeit willen auferweckt. Er sitzt zur Rechten des Vaters und vertritt uns. Das Opfer für die Sünde ist also angenommen, Gott selbst hat es anerkannt. Wir sind freigesprochen, die Scheidewand ist gefallen. Gott ist versöhnt und fordert von uns keine Bezahlung mehr. Dieses Zeugnis gibt uns die Auferstehung Jesu Christi. Die Versöhnung geschah in unserem Fleisch und Er ist auferstanden nicht nur als Gott, sondern als Gott-Mensch. Sind wir nun mit ihm gekreuzigt, haben wir mit ihm gelitten im Fleisch und sind mit ihm gestorben, so sind wir auch mit ihm auferweckt durch den Glauben, den Gott wirkt, welcher ihn auferweckt hat von den Toten (Kol 2,12; Röm 6,5.6). Wir sind nun in Christus eine neue Kreatur geworden. „Das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden. Alles aber von dem Gott, der uns mit sich selbst versöhnt hat durch Christus“ (2. Kor 5,17.18). So haben wir also alle, die wir in Wahrheit im Glauben stehen und das frühere Leben ganz verlassen haben, jede Gemeinschaft mit ihm aufgehoben. Wir stehen diesem, selbst dem Willen des Fleisches und der Gedanken, gegenüber wie dem größten Feinde. Es ist uns ein Gräuel wie es unserem Gott und Vater, der uns in Christus Jesus wiedergeboren und uns aus unvergänglichem Samen gezeugt hat, ein Gräuel ist (1. Pet 1,23). Diese Feinde sind trotz ihrer List, Bosheit und Gewalt, uns gegenüber, die wir in Christus Jesus sind, macht- und kraftlos, wenn wir im Glauben beharren. Aber sobald wir aus unserem neuen Lebenselement heraustreten und uns mit unseren Feinden, mit unserer früheren Gemeinschaft, irgendwie einlassen – selbst wenn wir den guten Vorsatz haben gegen sie anzukämpfen – werden wir immer überwunden. Unser Kampf besteht nun darin, den Glauben zu behalten, in Christus Jesus zu bleiben, damit der Widersacher uns immer in Ihm antrifft. Wir sollen auch bedenken, dass wir nicht mit vergänglichem Dingen, mit Silber oder Gold erlöst worden sind von unserem eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi (1. Pet 1,18.19). Darum gehört auch dem, der für uns gestorben und auferstanden ist, unser Leben. Wir sollen uns selbst Ihm zum Opfer darbringen. Wir sind sein Werk, geschaffen zu guten Werken (Eph 2,10). „Denn dies ist die Liebe Gottes, dass wir seine Gebote halten, und seine Gebote sind nicht schwer“ (1. Joh 5,3). „Wer da sagt, dass er in Ihm bleibe, ist schuldig, selbst auch so zu wandeln, wie Er gewandelt ist“ (1. Joh 2,6). „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, damit wir Freimütigkeit haben an dem Tag des Gerichts, dass, wie er ist, auch wir sind in dieser Welt. Wir lieben, weil er uns zuerst geliebt hat“ (1. Joh 4,17.19).

Fußnoten

  • 1 Anm.: Hier ist der irdische Leib des Herrn Jesus gemeint (vgl. Heb 2,14), den Er hier auf der Erde hatte (so auch später).
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