Botschafter des Heils in Christo 1857

Der gegenwärtige und der zukünftige Zeitlauf - Teil 2/9

3. Die erste Erscheinung der Versammlung im Neuen Testament und ihre Bildung durch den Heiligen Geist.

Wenn wir nun zum Neuen Testament übergehen, finden wir die Versammlung zum ersten Mal in den Belehrungen des Herrn bei der Gelegenheit, als Israel Ihn verwarf. Dann sehen wir sie, nachdem sie durch den Heiligen Geist auf den Grund des gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus gebildet war, an die Stelle Israels und seines Reiches gesetzt, das von da an bis auf spätere Zeiten verschoben wird.

So verkündigt auch der Engel der Maria den König dieses Reiches und nicht das Haupt der Versammlung, wenn er ihr sagt: „Und siehe, du wirst im Leib empfangen und einen Sohn gebären, und du sollst seinen Namen Jesus nennen. Dieser wird groß sein und Sohn des Höchsten genannt werden; und Gott der Herr wird ihm den Thron seines Vaters David geben; und er wird über das Haus Jakobs herrschen in Ewigkeit, und sein Reich wird kein Ende haben“ (Lk 1,31–33).

Der Herr Jesus saß nie in der Versammlung auf dem Thron Davids. Auch herrschte Er nicht über das Haus Jakobs, das im Gegenteil verworfen und ohne König ist. Aber dies war Israel verheißen (vgl. 2. Sam 7,12–16; Jes 9,6; Jer 23,5.6; 33,15–17; u.v.m.).

Dieses Reich verkündigte Johannes der Täufer: „Tut Buße, denn das Reich der Himmel ist nahe gekommen“ (Mt 3,2). Und die ganze Folge seiner Predigten steht in Beziehung mit diesem Anfang. Er gibt sich für die Stimme aus, von der Jesaja 40,3 und viele weitere gesprochen hatten, die in der Wüste ruft: „Bereitet den Weg des Herrn“ (Mk 1,3). Der Prophet Jesaja selbst sagt: „Und die Herrlichkeit des HERRN wird sich offenbaren, und alles Fleisch miteinander wird sie sehen; denn der Mund des HERRN hat geredet“ (Jes 40,5). Ist das nun die Zeit der Versammlung? Bejaht man diese Frage, so bringt man Johannes in offenbaren Widerspruch mit dem Apostel Paulus, der diese Zeit der Versammlung als die Zeit bezeichnet, wo die ganze Kreatur zusammen seufzt und in Geburtswehen liegt. Auch wir selbst, die wir die Erstlinge des Geistes haben, seufzen in uns selbst und dieses Seufzen hat nur die Erlösung unsres Leibes zum Ausgangspunkt, nämlich unsere herrliche Auferstehung bei der Ankunft des Herrn (vgl. Röm 8,19–22). Ja, die Zeit, wo alle Täler erhöht und alle Berge erniedrigt werden, wo das Ungleiche eben gemacht und wo die Herrlichkeit des Herrn sich offenbaren wird, ist das Gegenteil von dem, was wir jetzt sehen, das Gegenteil von der Seufzenszeit der Schöpfung. Es ist die Zeit der Erquickung und der Herstellung aller Dinge vom Angesicht des Herrn (vgl. Apg 3,20.21). Dann wird Er alle hohen Berge und alle erhabenen Hügel erniedrigen, damit Er allein hoch und erhaben sei (Jes 2,14–17). Dann wird auch die Erde voll werden von der Erkenntnis der Ehre des Herrn, wie Wasser das Meer bedeckt (vgl. Hab 2,14; Jes 11,9). Dies ist es, was Johannes der Täufer ankündigte. So auch, wenn er sagt: „Dessen Worfschaufel in seiner Hand ist, um seine Tenne durch und durch zu reinigen und den Weizen in seine Scheune zu sammeln; die Spreu aber wird er verbrennen mit unauslöschlichem Feuer“ (Lk 3,17). Diese Worte versetzen uns in die Zeit der Ernte, denn im Morgenland folgt das Sichten des Korns und das Reinigen der Tenne direkt auf die Ernte und macht einen Teil derselben aus. Es kann jedenfalls nie vor ihr geschehen. Die Ernte aber ist das Ende des Zeitlaufs (vgl. Mt 13,37–43). Johannes kündigt also das Gericht des Herrn an, das am Ende dieses Zeitlaufs stattfinden wird, wenn Er diejenigen, welche die Erde verdorben haben, zerstören und sein Reich aufrichten wird. Johannes kündigt aber nicht die Versammlung an. Zu jener Zeit wird diese ihren Lauf hier unten vollendet haben, und wird bei ihrem Herrn sein.

Wenn Johannes der Täufer den Herrn Jesus als „das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt wegnimmt“ (Joh 1,29) ankündigt, so schließt dies allerdings die Versammlung mit ein, weil sie in der Welt mit inbegriffen ist, aber auch dies wird seine völlige Erfüllung erst in der Zukunft haben, wenn die ganze Welt an den Früchten des Opfers des Herrn Jesus teilhaben wird. Er ist jetzt das Versöhnungsopfer für unsere Sünden, für uns, die wir Glieder der Versammlung sind, und dann wird Er es für die ganze Welt sein (vgl. 1. Joh 2,2). Ohne Zweifel war es Johannes dem Täufer gegeben, dies in der Zukunft zu sehen. Er schaute als Seher des irdischen Volkes, wie alle alten Propheten, die großen und herrlichen Dinge, die der Herr auf der Erde herstellen wird, wenn Er sein Reich aufrichtet. Aber die Versammlung, in dem, was sie besonders hat: ihre Berufung, ihre Stellung auf der Erde, ihre Entrückung, war für ihn noch das verborgene Geheimnis. Nur der Herr Jesus, der vom Himmel kam, konnte diese Dinge offenbaren. Dies bedeuten auch ohne Zweifel diese Worte des Johannes: „Der von der Erde ist, ist von der Erde und redet von der Erde. Der vom Himmel kommt, ist über allen; was er gesehen und gehört hat, dieses bezeugt er…“ (Joh 3,31.32) Auch kann man bemerken, dass Johannes sich nicht nur nicht für den Bräutigam oder den Christus ausgibt, sondern sich ebenso wenig als die Braut, die Versammlung, oder als einen Teil derselben darstellt. Er nennt sich vielmehr „Freund des Bräutigams“ (Joh 3,29).

Johannes lud also Israel zur Buße ein, um dem herrlichen Reich des Herrn, das er ankündigte, den Weg zu bereiten. Aber die Obersten „... machten in Bezug auf sich selbst den Ratschluss Gottes wirkungslos, weil sie sich nicht von ihm taufen ließen“ (Lk 7,30). Und die Versuchung des Johannes bestand ohne Zweifel darin, dass das Reich, welches er angekündigt hatte, durch die Verwerfung des Herrn Jesus unterbrochen werden sollte, wie es auch Elias nicht ertragen konnte, dass sein Zeugnis betreffs der Bekehrung Ahabs und Israels wirkungslos blieb (1. Kön 19,3–15; Lk 7,19–28).

Der Herr Jesus selbst fängt an zu predigen: „Die Zeit ist erfüllt, und das Reich Gottes ist nahe gekommen“ (Mk 1,15; Mt 4,17). Die siebzigste Woche Daniels war in der Tat da. Die Zeit des Reiches und aller seiner Segnungen war gekommen. Damit Israel in den Genuss desselben kommen konnte, hatte es nur nötig, den Aufforderungen des Herrn zu gehorchen: „Tut Buße und glaubt an das Evangelium“ (das Evangelium des Reiches Gottes; Mk 1,15).

Folgen wir jetzt dem Herrn Jesus in die Synagoge zu Nazareth. Er wickelt die Rolle des Propheten Jesaja aus und liest: „Der Geist des Herrn ist auf mir, weil er mich gesalbt hat, Armen gute Botschaft zu verkündigen; er hat mich gesandt, Gefangenen Befreiung auszurufen und Blinden das Augenlicht, Zerschlagene in Freiheit hinzusenden, auszurufen das angenehme Jahr des Herrn“ (Lk 4,18.19).

Wenn wir nun selbst Jesaja 61 lesen, so werden wir sehen, dass es die Rückkehr der Gunst Gottes über Israel sowie die Rückkehr aller der Segnungen, die sein Sabbats- und sein Jubeljahr vorbedeuteten, klar ankündigt, nämlich die Loslassung der Schulden, die Befreiung der Knechte, die Ruhe und Segnung der Erde (vgl. 2. Mo 23,10.11; 3. Mo 25; 5. Mo 15). Der Herr Jesus bot also Israel das wahre Jubeljahr, nämlich das Reich mit allen seinen Segnungen, an, indem Er die Worte von Jesaja 61,1.2 gebrauchte. Johannes der Täufer und der Herr Jesus hatten schon einigermaßen den Versöhnungstag gepredigt (vgl. 3. Mo 25,9.10; 23,27–32), indem sie sagten: Tut Buße! Nun bringt der Herr Jesus dem Volk Israel nach der Versöhnung das Jubeljahr, d. h. nach der Demütigung der Buße das Reich mit allen seinen Segnungen, indem Er zu dem Volk sagt: „Heute ist diese Schrift vor euren Ohren erfüllt“ (Lk 4,21).

Warum hält nun aber der Herr inne, indem Er die Rolle vor den Worten: „und den Tag der Rache unseres Gottes“ zu wickelt? Weil Er nicht die Rache brachte, sondern die Segnung. Wenn Israel Ihn daraufhin aufgenommen hätte, so hätten die Verheißungen der Propheten ihre Erfüllung gehabt. Wir wissen aber, wie Er bei dieser Gelegenheit selbst aufgenommen wurde. Bei den Bewohnern Nazareths folgte auf eine augenblickliche Bewunderung bald der Zorn und sie wollten Ihn von dem Berg, an dem ihre Stadt erbaut war, hinabstürzen. Da nun Israel, den Tag seiner Heimsuchung nicht erkennend, seinen König, der sanftmütig zu ihm kam, der das geknickte Rohr nicht brach und den brennenden Docht nicht löschte, verwarf, so wird es Ihn mit vorhergehenden großen und schrecklichen Zeichen kommen sehen müssen. „Indem die Menschen vergehen vor Furcht und Erwartung der Dinge, die über den Erdkreis kommen…“ (Lk 21,26). Dies sind die Tage der Rache, damit alles, was geschrieben ist, erfüllt werde (vgl. Lk 21; Jes 34,4; 63,4). Dies wird der große und schreckliche Tag des Herrn sein (vgl. Joel 3,4; Mal 3,23). Und erst dann, wenn die Israeliten den Tag der Versöhnung verwirklicht haben werden (vgl. Sach 12,10–14), wird das wahre Jubeljahr kommen. „Und sie werden die uralten Trümmer aufbauen, die Verwüstungen der Vorzeit aufrichten; und sie werden die verödeten Städte erneuern, was wüst lag von Geschlecht zu Geschlecht... Ihr aber, ihr werdet Priester des HERRN genannt werden; Diener unseres Gottes wird man euch nennen. Ihr werdet die Reichtümer der Nationen genießen und in ihre Herrlichkeit eintreten“ (Jes 61,4.6). Unterdessen genießt die Versammlung, die an die Stelle des durch Israel verworfenen Reiches gesetzt ist, diese Segnungen in einem geistlichen Sinn.

Was Jesus von Nazareth gepredigt hatte, predigte Er von Ort zu Ort, denn „Jesus zog umher durch alle Städte und Dörfer, lehrte in ihren Synagogen und predigte das Evangelium des Reiches und heilte jede Krankheit und jedes Gebrechen“ (Mt 9,35). Als Er seine zwölf Jünger erwählt, gibt Er ihnen Macht über die bösen Geister, um sie auszutreiben und um alle Arten von Krankheiten und Gebrechen zu heilen, sogar Tote zu erwecken. Dann befiehlt Er ihnen, weder zu den Heiden noch in eine samaritische Stadt zu gehen, sondern zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel, um ihnen zu sagen: „Das Reich der Himmel ist nahe gekommen“ (Mt 10,6). Derselbe Auftrag ist den Siebzig gegeben und wenn man sie in einer Stadt nicht aufnehmen wollte, so sollten sie auf die Straßen hinausgehen und sagen: „Auch den Staub, der uns aus eurer Stadt an den Füßen haftet, schütteln wir gegen euch ab; doch dieses wisst, dass das Reich Gottes nahe gekommen ist“ (Lk 10,11).

So wie aber Israel den Vorläufer seines Königs verworfen hatte, so verwarf es auch seinen König selbst und dessen Gesandten. „Aber mein Volk hat nicht auf meine Stimme gehört, und Israel ist nicht willig gegen mich gewesen“ (Ps 81,12) und der Herr Jesus muss ausrufen: „Wem aber soll ich dieses Geschlecht vergleichen? Es ist Kindern gleich, die auf den Märkten sitzen und den anderen zurufen und sagen: Wir haben euch auf der Flöte gespielt, und ihr habt nicht getanzt; wir haben Klagelieder gesungen, und ihr habt nicht gewehklagt. Denn Johannes ist gekommen, der weder aß noch trank, und sie sagen: Er hat einen Dämon. Der Sohn des Menschen ist gekommen, der isst und trinkt, und sie sagen: Siehe, ein Fresser und Weinsäufer, ein Freund von Zöllnern und Sündern“ (Mt 11,16–19). Man muss nun wohl bemerken, dass der Herr Jesus erst nach diesem Ausspruch anfängt, seine Versammlung anzukündigen. „Wer sagen die Menschen, dass [ich], der Sohn des Menschen, sei? Sie aber sagten: Die einen: Johannes der Täufer; andere aber: Elia; und wieder andere: Jeremia oder sonst einer der Propheten. Er spricht zu ihnen: Ihr aber, wer sagt ihr, dass ich sei? Simon Petrus aber antwortete und sprach: Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes. Jesus aber antwortete und sprach zu ihm: Glückselig bist du, Simon, Bar Jona; denn Fleisch und Blut haben es dir nicht offenbart, sondern mein Vater, der in den Himmeln ist.  Aber auch ich sage dir: Du bist Petrus; und auf diesen Felsen werde ich meine Versammlung bauen, und die Pforten des Hades werden sie nicht überwältigen“ (Mt 16,13–18).

Petrus hatte von Gott die Gnade erhalten, den Herrn Jesus nicht nur als den Sohn Davids oder als den Messias Israels zu erkennen, sondern als Sohn des lebendigen Gottes. Und da er Ihn als solchen bekannt hatte, antwortet der Herr Jesus auf dieses Bekenntnis mit einer neuen Offenbarung, ungefähr, als wollte Er sagen: Es ist so wahr, dass ich der Sohn des lebendigen Gottes bin, dass nicht nur mich die Pforten des Hades (ein unsichtbarer Ort, welcher die Seelen nach dem Tod innehält; vgl. Jes 38,10.11) nicht zurückbehalten werden, nicht nur werde ich, nachdem ich in denselben hinunter gestiegen sein werde, aus demselben als Sieger hervorgehen, sondern ich werde auch meine Versammlung daraus hervorgehen lassen. „Denn wie der Vater die Toten auferweckt und lebendig macht, so macht auch der Sohn lebendig, welche er will. Denn wie der Vater Leben in sich selbst hat, so hat er auch dem Sohn gegeben, Leben zu haben in sich selbst“ (Joh 5,21.26). Weil Er lebt, soll auch seine Versammlung leben (vgl. Joh 14,19).

So haben wir also hier die erste Offenbarung der Versammlung und ihrer Teilnahme am Leben ihres gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus. Es ist ungefähr derselbe Gedanke, den der Herr Jesus später seinem lieben Jünger zum Trost und zur Ermutigung zuruft (vgl. Off 1,17.18). Zu beachten ist, dass der Herr nicht sagt: „Ich habe gebaut“, sondern „Ich werde bauen“ meine Versammlung. Würde Er wohl so gesprochen haben, wenn diese Versammlung von Anfang der Welt bestanden hätte? Nein, denn zu jener Stunde war sogar noch nicht einmal der Grund dazu gelegt, denn dieser Grund ist der verworfene, gekreuzigte und auferstandene Herr Jesus. Auch lesen wir: „Von da an begann Jesus seinen Jüngern zu zeigen, dass er nach Jerusalem hingehen müsse und von den Ältesten und Hohenpriestern und Schriftgelehrten vieles leiden und getötet und am dritten Tag auferweckt werden müsse“ (Mt 16,21) und so verband Er den Gedanken seiner Verwerfung, seines Todes und seiner Auferstehung mit dem der Versammlung.

Als der Herr ein wenig später erklärt, dass da, wo zwei oder drei in seinem Namen versammelt seien, Er in der Mitte sei (vgl. Mt 18,20), bezeichnet Er eine Verfassungsgrundlage dieser Versammlung, die uns die Natur derselben begreiflich macht, und wir haben das Glück, uns auf diese Grundlage, selbst inmitten des Verfalls unserer Zeit, zu stützen.

Es ist wahr, dass Israel später noch einen Augenblick bereit schien, seinen König aufzunehmen. Als eine Menge des Volkes erfuhr, dass der Herr Jesus zum Fest kam, gingen sie vor Ihm her und riefen: „Hosanna dem Sohn Davids! Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!“ (Mt 21,9). Die Kinder im Tempel wiederholten: „Hosanna dem Sohn Davids!“ (Mt 21,15). Auch Griechen, die gekommen waren, um in Jerusalem anzubeten, wünschten Ihn zu sehen, und eine Stimme vom Himmel gab Ihm Zeugnis (vgl. Joh 12,20–29). Es schien, als ob sich alles zu seinem Triumph bereitete. Aber den Obersten des Volkes gelang es wieder, diese guten Neigungen zu ersticken, und somit die Erlösung Israels und der ganzen Welt zu verhindern. Sie machten sogar dem Herrn Jesus seine Macht streitig. Danach kündigte ihnen der Herr Jesus auch offen ihre Verwerfung an. In dem Gleichnis von den Weingärtnern nötigte Er sie, ihre Verdammnis selbst auszusprechen, indem Er sagte: „Sie sagen zu ihm: Er wird jene Übeltäter auf schlimme Weise umbringen, und den Weinberg wird er an andere Weingärtner verpachten, die ihm die Früchte abliefern werden zu ihrer Zeit.“ Dann fügt der Herr Jesus hinzu: „Jesus spricht zu ihnen: Habt ihr nie in den Schriften gelesen: „Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, dieser ist zum Eckstein geworden. Von dem Herrn her ist er dies geworden, und er ist wunderbar in unseren Augen.“? Deswegen sage ich euch: Das Reich Gottes wird von euch weggenommen und einer Nation gegeben werden, die dessen Früchte bringen wird. Und wer auf diesen Stein fällt, wird zerschmettert werden; auf wen irgend er aber fällt, den wird er zermalmen“ (Mt 21,41–44). So war also dieser Stein zuerst auf der Erde. Man stieß sich an ihm, und wird zerschmettert werden. Dies bedeutet offenbar den Herrn selbst in der Erniedrigung bei seiner ersten Ankunft, welcher Israel ein Ärgernis war, und der es der Welt noch immer ist (vgl. Apg 4,10–12). Dann fällt der Stein – weil er vorher erhöht worden ist – und derjenige, auf den er fällt, wird zermalmt. Dies deutet auf den in Herrlichkeit wiederkommenden Herrn hin, um sein Reich durch die Vernichtung seiner Feinde aufzurichten. Es ist der ohne Hände losgemachte Stein, welcher das große Bild, in seinen teils irdenen, teils eisernen Füßen zermalmt (vgl. Dan 2,35.44.45). Was während der Zeit seiner Verwerfung auf diesen Stein gebaut wird, ist die Versammlung, die „Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22), die auf „… einem lebendigen Stein, von Menschen zwar verworfen, bei Gott aber auserwählt, kostbar“ (1. Pet 2,4) ruht (vgl. Mt 16,18 und 1. Pet 2,4–10). Was auf den vom Himmel gekommenen und seine Feinde zermalmenden Stein gebaut wird, ist das Reich (vgl. Jes 28,16), in dem man Psalm 118, besonders Vers 21 – 26 singen wird. Ungefähr dieselben Gedanken sind in dem Gleichnis von dem hochgestellten Mann dargestellt (vgl. Lk 19,12–27).

Nachdem Er den blinden Führern seines blinden Volkes „Wehe!“ zugerufen hatte, nimmt der Herr Jesus seinen rührenden Abschied von Jerusalem: „Jerusalem, Jerusalem, die da tötet die Propheten und steinigt, die zu ihr gesandt sind! Wie oft habe ich deine Kinder versammeln wollen, wie eine Henne ihre Küken versammelt unter ihre Flügel, und ihr habt nicht gewollt! Siehe, euer Haus wird euch öde gelassen;  denn ich sage euch: Ihr werdet mich von jetzt an nicht sehen, bis ihr sprecht: „Gepriesen sei, der da kommt im Namen des Herrn!““ (Mt 23,37–39).

Man sieht es aber, dass es nicht ein Abschied für immer ist: ihr werdet mich nicht sehen, bis ihr sprecht... Dies hatte der Herr schon durch seinen Propheten gesagt: „Ich werde davongehen, an meinen Ort zurückkehren, bis sie sich schuldig bekennen und mein Angesicht suchen. In ihrer Bedrängnis werden sie mich eifrig suchen“ (Hos 5,15). Die Zeit wird also kommen, wo Israel zu seinem König und Gott umkehrt, und indem es Ihn kommen sieht, wird es Ihn aufs Neue mit dem Zuruf begrüßen: „Gesegnet sei, der da kommt im Namen des HERRN!“ (Ps 118,26; vgl. Hos 3,5). Das Reich ist bis zu jenem Augenblick verschoben, und bis zu jenem Augenblick ist es durch die Versammlung ersetzt.

Endlich ist bekannt, was Israel mit seinem König machte. Es übergab Ihn den Heiden, dass sie Ihn töteten, indem es rief: „Kreuzige, kreuzige ihn!“ (Joh 19,6). Als Pilatus zu ihnen sagte: „Euren König soll ich kreuzigen?“, da antworteten die Ältesten: „Wir haben keinen König als nur den Kaiser“ (Joh 19,15). Zur Krone flochte man Ihm Dornen, zum Zepter gab man Ihm ein Rohr und zum Thron ein Kreuz, auf dem man jedoch zum Ärger seiner Feinde in griechischer, lateinischer und hebräischer Sprache lesen musste: „Jesus, der Nazaräer, der König der Juden“ (Joh 19,19), um gleichsam der Welt bekannt zu machen, dass, wenn Israel von jetzt an ohne König sei, es nicht daran liege, dass der König seinem Volk untreu geworden sei, sondern daran, dass das Volk seinen König verworfen und gekreuzigt habe.

Israel war, wie seine Väter, an den Grenzen des verheißenen Landes angekommen (vgl. 4. Mo 13 und 14). Das Himmelreich war ihm nahe gekommen, es war ihm angeboten worden, aber es verhinderte, wie auch seine Väter, durch seinen Unglauben die Erfüllung der Verheißung. Jetzt, bevor sie erfüllt ist, muss es viele Tage in der „Wüste der Völker“ ohne König sein. Die Kinder Israel werden viele Tage ohne König bleiben und „… ohne Fürsten und ohne Schlachtopfer und ohne Bildsäule und ohne Ephod und Teraphim“ umherirren (Hes 20,35; Hos 2,14; 3,4).

Doch der Herr Jesus hatte am Kreuz für seine Mörder gebetet: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,34) und als Antwort auf diese Bitte wurde ihnen das Reich abermals angeboten. Man kann den Worten von Petrus keinen anderen Sinn geben, wenn er sagt: „Und jetzt, Brüder, ich weiß, dass ihr in Unwissenheit gehandelt habt, so wie auch eure Obersten. Gott aber hat so erfüllt, was er durch den Mund aller Propheten zuvor verkündigt hat, dass sein Christus leiden sollte. So tut nun Buße und bekehrt euch, damit eure Sünden ausgetilgt werden, damit Zeiten der Erquickung kommen vom Angesicht des Herrn und er den euch zuvor bestimmten Christus Jesus sende, den freilich der Himmel aufnehmen muss bis zu den Zeiten der Wiederherstellung aller Dinge, von denen Gott durch den Mund seiner heiligen Propheten von jeher geredet hat“ (Apg 3,17–21). Wenn nun auch einige glaubten, so verhärtete sich jedoch die Masse auf den Zuruf der Apostel, wie sie es auch bei dem Zuruf ihres Meisters tat.

Stephanus wandte sich nochmals zu Israel als zu dem Volk Gottes und bat es auf das dringendste, den Vorvätern nicht nachzuahmen, die voll Neid Joseph, den Gott als Erretter seiner Familie und der Welt erweckt hatte, verkauften – noch zu tun, wie die Hebräer in Ägypten, welche zu Mose sagten: „Wer hat dich zum Obersten und Richter über uns gesetzt?“ (2. Mo 2,14), denn dieser Mose, den sie verworfen hatten, war der Mann, den Gott zum Fürsten und Befreier gesandt hatte. Aber die Juden, noch mehr als ihre Väter verhärtet, steinigten den Stephanus und schickten ihn so zu sagen dem Herrn nach wie den Knecht im Gleichnis, um damit zu sagen: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). Von da an wurde dieser Leib, den der Heilige Geist aus Kindern Abrahams gebildet hatte, auch aus Samaritern und bald auch aus den Nationen gesammelt (vgl. Apg 5 und 13). Demgemäß nahm er den Charakter der Versammlung dieses neuen Menschen an, in welchem weder Jude noch Grieche gilt; die Versammlung trat an die Stelle des Reiches. Zur selben Zeit erweckte Gott aus der Zahl der Mörder des Stephanus denjenigen, welcher der Diener der Versammlung, der Verwalter dieses von den Zeitaltern her verborgenen Geheimnisses sein sollte (vgl. Kol 1,24–29; 1. Kor 4,1). Und es scheint, dass er in seiner Berufung selbst die Versammlung als den Leib, der hier unten mit dem gestorbenen und auferstandenen Herrn Jesus lebt, kennen lernen sollte. „Saul, Saul, was verfolgst du mich?“ sagte ihm der Herr, und als Paulus antwortete: „Wer bist du, Herr?“ antwortete Er: „Ich bin Jesus, den du verfolgst.“ (Apg 9,4.5).

Die Versammlung hatte in der Tat vor Paulus begonnen, jedoch ohne von denen, welche sie bildeten, selbst verstanden zu sein. Als zum Beispiel Petrus den Befehl erhielt, den Heiden das Wort zu bringen, gehorchte er sozusagen nur mit Widerwillen und ohne Verständnis. Er ergab sich erst dann vollständig darin, als er sah, dass der Heilige Geist den Heiden, nachdem sie glaubten, gegeben wurde. Diese Tatsache wurde ihm zum Beweis, dass er nicht das Recht habe, ihnen das Wasser zu wehren. „Wer war ich, dass ich vermocht hätte, Gott zu wehren?“ (Apg 11,17). Petrus verstand zwar die Tatsache, dass Heiden durch den Glauben errettet worden waren, aber er begriff damals die Gleichheit der mit Christus für Gott in einem Leib gesammelten Gläubigen nicht. Gewiss war es Paulus vorbehalten, der Verwalter dieses Geheimnisses zu sein, das er ohne Zweifel „sein Evangelium“ nennt (vgl. Röm 16,25; 2. Tim 2,8).

So sind wir denn wieder bei unserm Ausgangspunkt angekommen, nämlich bei den Belehrungen von Paulus über die Natur der Versammlung, welche wir nun besser verstehen können.

4. Zusammenstellung der Belehrungen von Paulus über die besondere Natur der Versammlung

1.       Die wichtigste aller dieser Belehrungen, die, welche gewissermaßen alle anderen einschließt und auf die Paulus am meisten zurückkommt, ist die, dass die Versammlung „der Leib des Christus“ ist. (Eph 1,22.23; 2,16; 3,6; 4,1–16; 5,23–32; Kol 1,18.24; 1. Kor 12,12–27).

Konnte nun dieser Leib existieren, ehe der Herr Jesus verworfen war? Nein, denn wir haben gesehen, dass der Herr Jesus gekommen war, um sich auf den Thron Davids, seines Vaters, zu setzen, und um über das Haus Jakobs zu regieren und nicht um einen Leib zu bilden, und zwar aus den aus allen Nationen erkauften Sündern. Deshalb verbindet er auch, wie wir gesehen haben, den Gedanken der Versammlung mit demjenigen seiner Verwerfung: Die Versammlung ist das im Geist auf dem verworfenen Stein gebaute Haus. Paulus lehrt uns auch, dass die, welche fern waren, im Blut des Christus nahe gebracht worden sind, um mit denen, die nahe waren, nur einen neuen Menschen zu bilden, und dass beide vor Gott durch das Kreuz einen Leib ausmachen (Eph 2,13–16). Kajaphas weissagte durch den Geist, dass der Herr Jesus sterben sollte „nicht für die Nation allein, sondern damit er auch die zerstreuten Kinder Gottes in eins versammelte“ (Joh 11,52). Dieses Versammeln der bis dahin zerstreuten Kinder Gottes in Eins – mit anderen Worten: des Leibes des Christus – ist also eine Frucht seines Todes.

Aber die Versammlung ist weder der Leib eines für immer gestorbenen Christus noch eines irdischen Christus, der noch sterben kann, sondern eines Christus, der tot war und auferstanden ist, der folglich nicht mehr sterben kann, sondern von Ewigkeit zu Ewigkeit lebt (vgl. Mt 16,16–18; Röm 6,9; Off 1,17). Achten wir in der Tat darauf, dass der Christus, der der Versammlung, seinem Leib, zum Haupt gegeben ist, der Christus ist, der von den Toten auferstanden und zur Rechten Gottes in den himmlischen Örtern gesetzt ist, „über jedes Fürstentum und jede Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen“ (Eph 1,21). Dieser Leib konnte demgemäß nicht existieren, ehe der Herr Jesus auferweckt und verherrlicht war.

Da endlich die Versammlung der Leib des Christus ist, so muss der Geist des Christus in ihr wohnen und sie beseelen, wie der Geist des Menschen im Menschen wohnt. Das ist uns auch in diesen Worten gelehrt: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt?“ (1. Kor 3,16; vgl. 1. Kor 6,19; 2. Kor 6,16); Die Versammlung ist eine „Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22; vgl. 1. Pet 2,4.5); „Ein Leib und ein Geist“ (Eph 4,4). Es war aber notwendig, dass Christus in den Himmel eingegangen sei1, damit der Heilige Geist von dorther herab- kommen könne, um in den von Natur armen Sündern, als in seinem Tempel zu wohnen (vgl. Joh 7,37–39; 16,7). Dieser durch seinen Geist beseelte Leib konnte also nicht existieren, ehe der Geist von oben herabgesandt war. Gewiss waren alle Heiligen aller Zeiten durch den Geist Gottes gelehrt, erneuert und geheiligt – durch Ihn haben auch die Männer Gottes gesprochen – aber es ist nie von einem unter ihnen noch von einer Versammlung unter ihnen gesagt, dass sie der Leib des Christus, seine Glieder, der Tempel seines Geistes seien.

2.       Paulus lehrt uns auch, dass die Versammlung ein heiliger Tempel im Herrn ist, eine Behausung Gottes im Geist, aufgebaut auf die Grundlage der Apostel und Propheten, wo Jesus Christus selbst Eckstein ist (vgl. Eph 2,20–22). Sind nun die Propheten, von denen hier die Rede ist, die des alten oder des neuen Testaments (Apg 13,1; 1. Kor 12 und 14)? Man wird sich überzeugen, dass es die Letzteren sind, da man sieht, dass sie immer nach den Aposteln angeführt werden (Eph 2,20; 3,5; 4,11; 1. Kor 12,28.29). In der letzten Stelle ist sogar gesagt: „Und Gott hat einige in der Versammlung gesetzt: erstens Apostel, zweitens Propheten …“ und in Epheser 4,11 wird deutlich, dass diese Propheten eine Gabe des Geistes sind, die in Folge seiner Himmelfahrt gekommen sind. Es ist also in diesen Stellen von den Propheten des neuen Testaments die Rede. Wenn nun die Versammlung auf die Grundlage der Apostel und Propheten des neuen Testaments gebaut ist, so kann sie nicht die Gesamtheit aller Gläubigen von Beginn der Welt an sein, da die meisten vor diesen Aposteln und Propheten gelebt haben, und also nicht auf diese Grundlage haben gebaut sein können. Dies bestätigt und entwickelt einigermaßen das, was wir in Bezug auf das Wort des Herrn Jesus zu Petrus gesagt haben: „Auf diesen Felsen werde Ich bauen“, nicht „habe ich meine Versammlung gebaut“.

3.       Nach den Worten des Apostels Paulus erhebt sich die Versammlung aus den Trümmern der Zwischenwand  (die Gebote in Satzungen), welche früher Juden und Nationen schied, als ein neuer Mensch (Eph 2,11–16). Konnte nun die Versammlung existieren, als diese Zwischenwand noch bestand? Mit anderen Worten, konnte die Versammlung, in welcher weder Jude noch Grieche ist, existieren, wenn im Gegenteil eine tiefe unüberbrückbare Kluft zwischen Juden und Nationen da war? Wird sie existieren können, wenn diese Scheidelinie, obwohl weniger deutlich, weniger tief, wie wir gesehen haben im zukünftigen Zeitlauf wieder bestehen wird?

4.       Schließlich sagt uns Paulus: „Und er hat die einen gegeben als Apostel und andere als Propheten und andere als Evangelisten und andere als Hirten und Lehrer, zur Vollendung der Heiligen, für das Werk des Dienstes, für die Auferbauung des Leibes des Christus“ (Eph 4,11.12). Wenn nun die Versammlung alle Heiligen von Beginn der Welt an in sich schließt, woher kommt es, dass der Apostel, indem er von den Gaben spricht, die Gott dieser Versammlung zu ihrer Auferbauung gegeben hat, nicht ein Wort von den Patriarchen, Königen und Propheten des alten Bundes sagt? Haben diese Männer nicht zur Auferbauung der Heiligen ihrer Zeit gedient? Natürlich, aber für Paulus ist die Versammlung der Leib des Christus, der zu Pfingsten durch seinen Geist belebt wurde, und der erst seit diesem Augenblick Leben hat. Deshalb spricht er nur von den Gaben und Diensten, welche seit Pfingsten durch diesen Geist mitgeteilt sind, wie der Zusammenhang es klar zeigt.

Ja, es gibt eine Versammlung, die weder die Fortsetzung von Israel noch das wiederhergestellte Israel und die gesegneten Nationen des zukünftigen Zeitlaufs ist, sondern die die Gesamtheit derjenigen ist, die der Heilige Geist während der Zeit der Verwerfung Israels zu dem Herrn Jesus führt, um seine Braut, sein Leib, ein neuer Mensch zu sein, wo nicht ist Grieche und Jude, Beschneidung und Vorhaut, Barbar, Skythe, Sklave, Freier, sondern Christus alles und in allen (vgl. Gal 3,26–28; Kol 3,10.11). Weil Christus sich selbst zu nichts machte und Knechtsgestalt annahm, und bis zum Tod am Kreuz gehorsam war, „Darum hat Gott ihn auch hoch erhoben und ihm den Namen gegeben, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu jedes Knie sich beuge, der Himmlischen und Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus Herr ist, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters“ (Phil 2,9–11; vgl. Eph 1,20–23).

Diese herrliche Stellung, welche sich der Herr Jesus durch seine Erniedrigung und seine Leiden zur Rechten Gottes in den himmlischen Örtern, über alle Fürstentümer und alle Macht, erworben hat, ist auch die Stellung, die seiner Versammlung, als seinem Leib, zugesichert ist. Deshalb ist gesagt: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus“ (Eph 1,3). „ hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch Gnade seid ihr errettet –, und hat uns mitauferweckt und mitsitzen lassen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“ (Eph 2,5.6).

Weil wir der Leib, die Glieder dessen sind, der jetzt in den himmlischen Örtern sitzt, und weil sein Geist uns mit Ihm verbindet, sind wir jetzt schon in gewisser Beziehung in den himmlischen Örtern. Dahin hat uns die Liebe des Vaters versetzt, als Er uns von Ewigkeit her erwählte – uns, die toten Glieder des Leibes Adams – um uns Christus, dem Fürst des Lebens, als seine Glieder, einzuverleiben.

Da ist unsere Gerechtigkeit, unser Friede, der Anker unserer Hoffnung, unser Leben, „verborgen mit dem Christus in Gott“ (Kol 3,3). Wer wird es uns rauben (vgl. Röm 8,27–39; 10,6–9)? Lasst uns mit diesen köstlichen Wahrheiten uns nähren, denn nur in dem Maß, wie wir dies tun, werden wir ein Auferstehungsleben führen können als uns selbst, der Sünde und der Welt Gestorbene, als Gott Lebende, durch Jesus Christus.

Da wir der Leib des Christus sind, seine Braut, „von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ (Eph 5,30), so sind wir seine Fülle, „die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“ (Eph 1,23). Denn die Glieder bis zu den kleinsten hin sind die Fülle oder die Vervollständigung des Hauptes, und der Leib ist nur dann vollständig, wenn ihm keines seiner Glieder fehlt. Die Frau ist die Vervollständigung ihres Mannes, der nur mit seiner Frau vollständig ist, sie ist seine Ehre (1. Kor 11,7). So ist es auch mit Christus. Er wird gewissermaßen erst der „vollkommene Mann“ sein, und wird „das Maß des vollen Wuchses“ (Eph 4,13) erst dann erreicht haben, wenn sein Leib durch die Hinzufügung des letzten Gliedes vervollständigt sein wird (vgl. 1. Kor 12,12). Der ganze Leib wird in dieser Stelle „der Christus“ genannt. Denn wenn der zweite Adam sich selbst seine Versammlung verherrlicht, ohne Flecken und ohne Runzel, dargestellt hat (vgl. Eph 5,27), wird Er sich in ihr verherrlichen, wie geschrieben ist: „Wenn er kommt, um an jenem Tag verherrlicht zu werden in seinen Heiligen und bewundert zu werden in allen denen, die geglaubt haben; denn unser Zeugnis bei euch ist geglaubt worden“ (2. Thes 1,10). Und mit ihnen wird Er über sein Erbe, Israel und die Nationen, regieren.

Fragt man, warum der Herr die Versammlung wie auch jedes einzelne Glied zu einem so hohen Beruf, der denjenigen aller übrigen Klassen von Heiligen so weit übertrifft, berufen hat, so finden wir die Antwort allein in dem Wohlgefallen Gottes. Aus keinem anderen Grund haben wir, die wir glauben, die Liebe zur Wahrheit erhalten, als aus dem, weil uns Gott  „… zuvor bestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens“ (Eph 1,5). Wir würden umsonst einen anderen Grund der Berufung der Versammlung suchen. Man muss in einem wie im anderen Fall dahin kommen zu sagen: „Ja, Vater, denn so war es wohlgefällig vor dir“ (Mt 11,26). Übrigens offenbart uns das Wort in Bezug auf den Zweck, den sich Gott hierin vorsetzte, folgendes: „Damit er in den kommenden Zeitaltern den überragenden Reichtum seiner Gnade in Güte an uns erwiese in Christus Jesus“ (Eph 2,7) und ferner: „Damit jetzt den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung kundgetan werde die mannigfaltige Weisheit Gottes“ (Eph 3,10). Wie sehr erhebt dies noch den Gedanken, den wir uns von der Versammlung und ihrer Berufung machen können! Ein Denkmal der Weisheit Gottes in den himmlischen Örtern, und des überreichlichen Reichtums seiner Gnade in den kommenden Zeitaltern zu sein!

Wenn es jemandem als Hochmut vorkommen sollte, an diese hohe Berufung zu glauben, so bedenke man, dass „meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der HERR. Denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken“ (Jes 55,8.9). Man bedenke vor allem, dass die wahre Demut nicht darin besteht, unter dem Vorwand der Unwürdigkeit die Gnade, die uns Gott darbietet, von uns zu stoßen (vgl. Joh 13,8). Denn wessen sind wir würdig? Die Demut besteht vielmehr darin, mit Anbetung das anzunehmen, was Gott uns darreicht, indem wir es weit höher schätzen als unsere liebsten Gedanken, als die ältesten Überlieferungen und die ehrwürdigsten Belehrungen. Lasst uns in diesem Sinn die Belehrungen, welche uns das Wort über die Versammlung gibt, annehmen. Demütigen wir uns. Denn was ist geeigneter, um uns zu demütigen als die Betrachtung der überreichlichen Gnade Gottes gegenüber unserem Elend? Sollte man sich dann nicht sagen: „Was aber hast du, das du nicht empfangen hast? Wenn du es aber auch empfangen hast, was rühmst du dich, als hättest du es nicht empfangen?“ (1. Kor 4,7). Lasst uns deshalb demütig, aber auch gläubig sein. Lasst uns anbeten und danksagen, und gestärkt sein, um würdig der Berufung, zu welcher wir berufen sind, zu wandeln, indem wir den unergründlichen Reichtum der Liebe Gottes betrachten.

[Fortsetzung folgt]

Fußnoten

  • 1 Ursprünglich: „Es war aber notwendig, dass unsere gerechtfertigte und verherrlichte menschliche Natur, in der Person Christi in den Himmel eingegangen sei“
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