Botschafter des Heils in Christo 1857
Die Liebe des Vaters
Die Liebe zu erkennen, womit der Vater den Sohn liebt, ist eine gegenwärtige Segnung für uns. Wir haben das Vorrecht, diese zu genießen. Wie muss es unsere Seele erquicken, wenn wir hören, dass die Liebe, womit die Heiligen von Gott geliebt sind, dieselbe ist, mit der Er den Herrn Jesus liebt, „wie du mich geliebt hast“ (Joh 17,23). Unsere Gemeinschaft mit dem Herrn in Herrlichkeit wird die völlige Offenbarung dieser Liebe sein, und dann wird es auch die Welt erkennen. Allein wir sollten nicht bis zu diesem Tag der Offenbarung warten. Schon jetzt soll das Bewusstsein der Liebe Gottes durch den Geist unser Herz erfüllen und uns schon hier erfreuen und trösten.
Wie hat sich nun die Liebe des Vaters gegen uns offenbart, meine Brüder? In der Gabe seines Sohnes, als „Sühnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,10). Wer unter uns weiß das nicht? Aber wir können weiter gehen und bekennen, dass der Geist uns fähig gemacht hat, an den Sohn zu glauben und Ihn anzubeten. Es wird wohl niemandem unter uns einfallen, zu denken, dass die Macht, an den Sohn zu glauben, von geringem Wert sei, als ob das menschliche Herz an und für sich dazu tüchtig wäre. Es gehört bestimmt nicht zur Fähigkeit des menschlichen Geistes, die beste und gesegneste Gabe Gottes, den Sohn zu würdigen, und bestimmt denken wir oft zu wenig an die Größe der Gnade, die uns zum Glauben leitete. Doch lasst uns noch weiter gehen. Wir wissen alle, dass das Kommen des Herrn Jesus in diese Welt nicht aus dem Menschen hervorgegangen ist. Es war allein Gottes Gabe. Wir wollen jedoch nicht länger hierbei verweilen, und vielmehr einige Worte von der Liebe des Vaters zu dem Sohn, an der wir durch unsere Einheit mit demselben so völligen Anteil haben, reden. Die Gnade, die uns fähig machte, den Sohn aufzunehmen, macht uns auch tüchtig, immer mehr von der Fülle und Tiefe dieser Liebe zu verstehen. Die besondere Liebe des Vaters ist unser Teil. Ich spreche nicht davon, dass wir Christus haben, sondern von dem, was wir in Ihm haben.
Wir lesen Johannes 17,25.26: „Gerechter Vater! – Und die Welt hat dich nicht erkannt; ich aber habe dich erkannt, und diese haben erkannt, dass du mich gesandt hast. Und ich habe ihnen deinen Namen kundgetan und werde ihn kundtun, damit die Liebe, mit der du mich geliebt hast, in ihnen sei und ich in ihnen“. Hier wird von einer Liebe gesprochen, die bei uns bleibt, weil wir an den Herrn Jesus glauben und Ihn lieben. Wir wissen alle, dass wir den Herrn Jesus nicht lieben konnten, als nur durch den Geist, aber wenn wir Ihm, als unserem Heiland begegnet sind, wenn wir die Schönheit in Ihm, in welchem der Vater mit Lust und Wonne wohnt, gesehen haben, dann ruht auch unser Herz dort und begegnet der vollen Liebe des Vaters. Dies ist ein köstlicher Gedanke.
In Johannes 16,26.27 lesen wir: „An jenem Tag werdet ihr bitten in meinem Namen, und ich sage euch nicht, dass ich den Vater für euch bitten werde; denn der Vater selbst hat euch lieb, weil ihr mich lieb gehabt und geglaubt habt, dass ich von Gott ausgegangen bin“. Was will diese Stelle sagen? Will sie den Trost der Fürsprache des Herrn Jesus von uns wegnehmen? Gewiss nicht! Sie beabsichtigt, dieses Gefühl aus unsern Herzen zu entfernen, als ob der Herr Jesus die Liebe des Vaters erst erwecken müsste. Er hat nur dem reichen Strom derselben den Weg zu uns gebahnt. Es ist ein ganz falscher und sogar nachteiliger Begriff, zu denken, dass die Stellung des Herrn Jesus nur die sei, das Gericht eines zürnenden Gottes von uns abzuwenden.
Die Liebe des Vaters konnte aber, das ist wahr, nicht eher völlig gegen uns ausströmen, bis das Werk des Sohnes für uns vollbracht war. Es kam aber die Gabe des Sohnes aus der Liebe Gottes hervor. „Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als Sühnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,10).
Das Bewusstsein der Liebe des Vaters gegen uns, macht unsere Herzen recht frei und glücklich, und lässt uns seine Gemeinschaft genießen. So lange aber dieses Bewusstsein nicht in uns verwirklicht ist, haben wir Furcht. Und wie können wir diese Liebe preisen und verherrlichen, wenn wir nicht überzeugt sind, dass sie reichlich vorhanden ist? Wir suchen dann der Gemeinschaft mit dem Vater mehr auszuweichen, als dass wir sie zu genießen trachten. Unsere Freude wird aber völlig sein, wenn wir verstehen, dass die Liebe in dem Herzen des Vaters die Quelle aller Segnungen ist, und dass sie selbst durch die Gabe des Sohnes Sorge getragen hat, um ihrer reichen Strömung gegen uns freien Lauf zu lassen. Jetzt, nachdem die Gerechtigkeit Gottes durch das Opfer Christi völlig befriedigt ist, steht seiner väterlichen Liebe und Zuneigung gegen uns nichts mehr im Wege. Jede Sorge, jede Bemühung für uns hat diese überströmende Liebe zur Quelle.
Noch ein anderer Gedanke wird dann, wenn wir die vollkommene Liebe des Vaters gegen uns erkannt haben, sehr köstlich und gesegnet für uns sein. Ehe unser geliebter Herr aus dieser Welt ging, vertraute Er uns seinem Vater an. Wir lesen Johannes 17,11 und 15: „… Heiliger Vater! Bewahre sie in deinem Namen, den du mir gegeben hast, damit sie eins seien wie wir … Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen“. So sind wir also jetzt unter die besondere Obhut des Vaters gestellt, und wenn unsere Herzen geistlich genug sind, seine Liebe zu erkennen, und in seiner Gemeinschaft voran zu gehen, so werden wir überall der Fürsorge seiner Liebe begegnen. Gott wollte einen Gegenstand hienieden haben, gegen den Er als Vater die ganze Fülle seiner Liebe und Zuneigung ausströmen lassen konnte. Der Herr Jesus war, als Er auf dieser Erde wandelte, allein dieser Gegenstand. Jetzt aber sind auch wir es, weil „… er uns begnadigt hat in dem Geliebten“ (Eph 1,6). Und der Vater hat darin, dass wir Ihm von seinem geliebten Sohn anvertraut sind, sozusagen einen neuen Beweggrund für seine Liebe und Fürsorge gegen uns gefunden, und wie sehr muss dieses Bewusstsein unsere Herzen mit Freude und Trost erfüllen. „Jetzt aber komme ich zu dir; und dieses rede ich in der Welt, damit sie meine Freude völlig in sich haben“ (Joh 17,13).
Weiter: „… wer aber mich liebt, wird von meinem Vater geliebt werden; und ich werde ihn lieben und mich selbst ihm offenbaren“ (Joh 14,21). Hier sehen wir die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn, verbunden mit dem Gehorsam, eine weitere Freude über die Liebe des Vaters, als Folge unseres Gehorsams. Der Gehorsam selbst aber muss das Ergebnis der Liebe sein, denn nur dann führt sie in den vollen Genuss der Liebe des Vaters selbst ein. War das nicht die praktische Seite der Liebe, in der der Herr Jesus selbst verharrte, als Er hienieden war? Er sagt: „wie ich die Gebote meines Vaters gehalten habe und in seiner Liebe bleibe“(Joh 15,10). Was ist das anderes, als die einfache Versicherung, dass, wenn wir gleicherweise durch die Kraft der Einheit so mit Ihm wandelten, wir die volle Offenbarung dieser Liebe genießen würden. Aber dann wird natürlich die Frage in der Seele entstehen, ob der Ungehorsam diese Liebe hindert? Dies eine glaube ich gewiss, dass die Offenbarung des Vaters und des Sohnes in unserer Seele im Verhältnis zu unserem Gehorsam steht. Die Verwirklichung unserer Einheit mit dem Herrn Jesus zur rechten Gottes wird den Gehorsam in uns bewirken. Und dann wird jeder Schritt den wir tun, jede Handlung der Liebe, jeder Ausdruck der Gnade in der Fürbitte für andere, uns zu der weiteren Offenbarung der Liebe des Vaters den Weg öffnen. Die Seele wird durch seine Liebe, womit Er uns so überströmend geliebt hat, fortgedrängt, und in einen weiteren Genuss derselben eingeführt. Es ist eine Handlung der Gnade Gottes, eine Seele zum Gehorsam vorwärts zu treiben, und eine andere Handlung derselben Gnade, ihr auf dem Wege des Gehorsams zu begegnen und sie zu segnen.
Wir sehen, dass die ganze Bürde der Gebote des Herrn Jesus darin besteht, dass wir uns untereinander lieben. Was ist aber der Charakter dieser Liebe, die wir gegeneinander offenbaren sollen? Derselbe Charakter, den die Liebe Jesu offenbarte, sich selbst verleugnen, sich selbst hingeben, arm werden, um andere zu bereichern, Dinge verlassen, nicht nur solche, welche verwerflich, sondern, wenn es sein muss, auch solche, die an und für sich ganz unschuldig sind. Der glückliche und heilige Lauf eines Christen besteht darin, in der Gemeinschaft Christi alle Dinge mit Verleugnung seiner selbst zu verlassen, wenn er dadurch anderen zum Heil, zur Stärkung und zum Gehorsam dienen kann. Dies ist der Weg, auf dem er immer mehr das genießt, was auch Jesus genoss: die Liebe des Vaters. Ihr werdet mich nicht missverstehen, teure Brüder, wenn ich sage, dass der gesegnete Sohn Gottes hienieden lernte, was Er, wenn ich so reden darf, nie so völlig hätte lernen können, nämlich: die Liebe des Vaters. Hienieden in den Umständen der Schwachheit und der Prüfungen und der Drangsale, lernte Er sie praktisch in einer Weise, wie Er es zur rechten des Thrones Gottes nicht hätte tun können. Und hier inmitten der Stürme und der Versuchungen des Lebens, sind auch wir berufen, den eigentlichen Charakter der Liebe des Vaters zu lernen. Gerade in dem Tod, in der Angst des Herzens und in der Hingabe seiner selbst, lernte der Herr Jesus diese eigentümliche Liebe des Vaters, und hier ist es auch allein, wo unsere Seele, wenn wir durch die Gnade auf seinem Weg geleitet werden, die Eigentümlichkeit dieser Liebe, die bei uns bleibt, aus Erfahrung verstehen und kennen lernt. Wenn wir uns selbst vergessen, wenn wir bereitwillig sind, schwach zu sein, damit andere stark werden, für andere Schmach zu tragen, für andere zu sterben, dann ist der Weg eines tieferen Verständnisses der Liebe Gottes für uns geöffnet. Doch können wir in allen unsern Versuchungen nur glücklich sein, wenn wir mit Christus darin sind.
Der Herr lasse uns, geliebte Brüder, die Fülle der Liebe Gottes immer mehr verstehen, die in seinem Sohn ist, und die auch ewiglich bei uns bleiben wird.