Betrachtung über den Propheten Sacharja (Synopsis)
Kapitel 6
In Sacharja 6 wird uns gezeigt, wie Gott in den vier Weltreichen regiert; indes ist es weder eine unmittelbare Regierung Seinerseits, noch auch eine rein menschliche Regierung. Wir haben gesehen, wie der Mensch in der Person Nebukadnezars in den Besitz der Macht gesetzt wurde und wie er diese Probe nicht bestand. Es war jedoch nicht der Wille Gottes, die Zügel der Regierung auf Erden nun sofort wieder an Sich zu nehmen; aber auch nicht, die Erde ohne irgendwelchen durch Seine Vorsehung gebildeten Zaum, ohne irgendwelche Regierung einfach der Bosheit und dem Eigenwillen des Menschen zu überlassen. Er übt eine Herrschaft aus, ohne jedoch unmittelbar einzugreifen, so daß dadurch ein Zeugnis von dem, was Er ist und wie Er verfährt, aufrechterhalten bliebe; vielmehr benutzt Er zu Seiner Regierung Werkzeuge, die in der Weise tätig sind, daß erst das Endergebnis dessen, was sie tun, Seinem Willen entspricht. Der allein weise Gott kann so handeln; denn Ihm ist alles bekannt, und Er leitet alle Dinge so, daß sich schließlich Seine Absichten verwirklichen müssen. Aus diesem Grunde sehen wir uns gegenwärtig von allerlei Dingen umgeben, die in innerem Widerspruch zu der Art, und Weise stehen, wie Gott in Seiner Regierung verfährt, und die dennoch Gedeihen haben. Wir stehen vor einem Chaos, einem vielfältig verschlungenen Gewirr, das sich aber zu seiner Zeit auflösen wird; und dann werden wir einen zusammenhängenden Faden erblicken, der uns eine Weisheit offenbaren wird, noch tiefer und bewunderungswürdiger als jene, welche damals zutage trat, als Gott in Israel unmittelbar regierte, so vollkommen letztere auch an ihrem Platze war. Es ist das jene Vorsehung, die alles im Auge hat, und deren Endergebnis dem, was die Natur Gottes ihrem inneren Wesen nach fordern muß, entsprechen wird; jedoch nehmen in der Zwischenzeit die Dinge einen solchen Verlauf, daß der Wille des Menschen freien Spielraum behält, um in voller Kraftentfaltung sich zu betätigen.
Indem der höchste Gott Seine Macht in dieser mittelbaren Weise zur Geltung kommen läßt, durch Werkzeuge, die von Seiner Gegenwart ausgehen, erweist Er Seine Rechte als Herr der ganzen Erde. Das ist der Charakter, unter welchem Gott im Buche Sacharja dargestellt wird. In dieser Weise regiert Er auch in der gegenwärtigen Zeit, d. h. während der Dauer der vier Weltreiche. Wenn Christus herrschen wird, dann wird die Regierung in Seiner Person wieder eine unmittelbare sein, und Jerusalem wird den Mittelpunkt derselben bilden.
Ich glaube, daß das in Vers 8 Gesagte auf das an Babel vollzogene Gericht hinweist. Wie wir wissen, war Chaldäa immer das nördlich von Israel liegende Land. Die Geister, die Gott gebraucht, haben den Willen Gottes dort zur Ausführung gebracht. Der siebente Vers scheint das römische Weltreich zu bezeichnen, und zwar unter Zusammenfassung seiner Gestaltung von seiner ersten Gründung an bis auf die gegenwärtige Zeit und seines geschichtlichen Auftretens zu allen Zeiten. Die weißen Pferde würden dann das darstellen, was Gott vermittels des griechischen Weltreiches geschehen ließ. Die scheckigen und starken Rosse scheinen auf eine Vermischung der griechischen und römischen Weltmacht hinzuweisen – jedenfalls tragen diese Pferde einen doppelten Charakter, was nachher noch dadurch zum Ausdruck kommt, daß sie zwei verschiedene Klassen bilden (doch zeigt sich nur bei der letzten Klasse eine allgemeine Wirksamkeit, indem sie die ganze Erde durchzieht). Es ist mir unzweifelhaft, daß alle diese stolzen Werkzeuge, deren Gott Sich in Seiner Regierung bedient, in den letzten Tagen wie ebenso viele Bereiche des Gerichtes Gottes wieder erscheinen werden, wenn Er anheben wird, Seine Rechte als Gott der ganzen Erde geltend zu machen; indessen mag, nach Anleitung des im 8. Verse Gesagten, das eigentliche Land Babel eine Ausnahme hiervon bilden.
Das volle Endergebnis von allem diesem wird uns in den Versen 9 – 15 gezeigt. Wir sehen dort den Sproß als Den, der an der Stätte Seiner irdischen Herrlichkeit geboren wird und aufsproßt; der den Tempel Jehovas baut; der Herrlichkeit trägt; der auf Seinem Throne herrscht; der Priester ist auf Seinem Throne, als der wahre Melchisedek; der der Erde den Genuß eines vollkommenen Friedens, des „Rates des Friedens“ mit Jehova, sichert. Dieser Rat des Friedens besteht zwischen Jehova und dem Sproß. Man vergleiche damit Psalm 85 und Psalm 87. Sie werden deshalb aus der Ferne kommen, um an dem Tempel Jehovas zu bauen, und die Erfüllung des prophetischen Zeugnisses wird beweisen, daß der Inhalt desselben Wahrheit gewesen ist.
Wir können hier aufs neue die beiden Punkte wahrnehmen, vermittels deren die Ereignisse, die sich in den Tagen des Propheten vollzogen, sowie das, was Gott damals tat, mit den herrlichen Dingen zusammenhängen, welche in den letzten Tagen geschehen werden. Zunächst wurde durch den Sturz Babels bereits das Gericht an der Macht vollzogen, welche Jerusalem zuerst unterdrückte und in die Gefangenschaft führte. Damit wurde die ganze Ordnung der Dinge, die damit in Verbindung stand, dem Grundsatz nach gerichtet, ähnlich wie es auch im Neuen Testament von dem Feinde heißt: „Jetzt ist der Fürst dieser Welt gerichtet.“ Sodann wird die Erfüllung der Verheißung an den Gehorsam des Überrestes geknüpft (Vers 15). Dies behält, was Israel betrifft, seine Geltung bis ans Ende (siehe Apg 3 und Heb 3 und Heb 4). Nur muß inzwischen, unabhängig hiervon und auf anderer Grundlage, die Vollzahl der Nationen eingehen, während am Ende das Volk Israel, welches dann gehorsam sein wird (d. h. in Wirklichkeit der Überrest), nicht länger mit der Versammlung seinen Platz finden, sondern auf das ihm auf Erden Verheißene angewiesen sein und sich so der Erfüllung dieser Verheißungen erfreuen wird.
Man beachte, daß wir bei Sacharja (weil Babel bereits gerichtet ist) nicht sehen, wie die Regierung in die Hände des Menschen gelegt wird, auch wird uns nicht das eigentliche Wesen der Weltreiche unter der Gestalt eines Bildes oder von Tieren vor Augen gestellt eher gewahren wir, wie Gott in Seiner Vorsehung in Verbindung mit diesen Weltreichen auf eine zwar verborgene Weise, aber doch tatsächlich Seine Regierung ausübt. Das ist ein Umstand von großer Wichtigkeit, wenn man die ganze Ordnung der Dinge verstehen will, wie sie seit der Zeit Nebukadnezars und der Rückkehr aus der Gefangenschaft bis ans Ende hin, wenn Christus in Gerechtigkeit herrschen wird, besteht. Mit Kapitel 6 schließt der erste Teil des Buches.