Jeremia, Gottes Bote in böser Zeit
Jeremia bleibt im Lande zurück
Diese Kapitel schildern die Ereignisse, die sich nach der Wegführung der letzten Gruppe der Juden in die babylonische Gefangenschaft zutrugen. Schon früher liess Jehova den Propheten zwei Körbe mit Feigen - gute und schlechte - sehen. An den Herzen der Juden in Babel werde ein Werk Gottes geschehen. Sie würden mit ganzem Herzen zu Ihm umkehren; Er werde sie ins Land zurückbringen und sie dort aufbauen und pflanzen. Das waren die guten Feigen. Die im Lande Übriggebliebenen und die im Lande Ägypten Wohnenden aber waren die schlechten Feigen. Diese wollten sich der über das Volk verhängten Züchtigung Gottes nicht unterwerfen. Vielen gelang es, in die Nachbarländer zu fliehen, um sich der Wegführung zu entziehen.
Wir werden nun sehen, wie sich dieses Urteil Gottes über die Gruppe der Übriggebliebenen bestätigte.
Jeremia bleibt im Lande zurück
Nebukadnezar richtete sein besonderes Augenmerk auf Jeremia, den Knecht Gottes. Er wusste wohl, dass dieser Prophet den göttlichen Auftrag in Treue erfüllt und dem Volke immer wieder zugerufen hatte, sich doch nicht zu weigern, zu den Chaldäern hinauszugehen. Diese Treue hatte Jeremia von seiten der widerspenstigen Führer des Volkes Verfolgung und Leiden eingetragen. Aber nun kamen die Obersten Nebukadnezars und setzten ihn in Freiheit. Sie stellten ihm frei, hier zu bleiben oder nach Babel zu kommen.
Sollte Jeremia seinen Dienst unter den «guten» Feigen fortsetzen, in glücklicher Arbeitsgemeinschaft mit den treuen Mitknechten Hesekiel und Daniel? Er schien unschlüssig. Er wollte eben nicht dem Zug seines Herzens folgen, sondern auf die klare Anweisung Gottes warten, wie es ja jeder tun muss, der Ihm wohlgefällig dienen möchte. Schliesslich wurde ihm gezeigt, dass sein Platz bei den «schlechten Feigen», beim kleinen Überrest in Judäa war. Bis zuletzt also musste er seinen leidensvollen, scheinbar unfruchtbaren Dienst unter den im Lande Verbliebenen fortsetzen und durfte die Anfänge der Wiederherstellung des Volkes in Babel nicht miterleben. Aber Glauben heisst, Gott gehorchen und keine Fragen stellen.
Gedalja als Landpfleger
Über den in Juda endgültig zurückgelassenen kleinen Überrest des Volkes - den Geringen - setzte der König von Babel Gedalja als Landpfleger ein. Das war eine gute Wahl. Er war ein Mann, der sich unter die züchtigende Hand Gottes beugte und um das Wohl des Überrestes besorgt war. Als auch alle die Heerobersten und ihre Männer, die ins Innere des Landes geflüchtet waren, sich zu ihm sammelten, rief er ihnen zu: «Fürchtet euch nicht, den Chaldäern zu dienen; bleibet im Lande und dienet dem König von Babel, so wird es euch wohlgehen.» Er ermunterte sie, Wein, Obst und Öl einzusammeln und in den Städten zu wohnen. Der Krieg war zu Ende und alle schienen sich von den Schrecken zu erholen. Auch die nach Moab, Ammon und Edom vertriebenen Juden kehrten zurück, und sie alle «sammelten sehr viel Wein und Obst ein». Gott selber wollte nun mit diesem Überrest sein, um ihn vor weiteren Überfallen der Chaldäer zu bewahren.
Aber der Feind des Volkes Gottes ruhte nicht. Hatte er es zuvor zum Ungehorsam und zu einem sinnlosen, blutigen Widerstand gegen den König von Babel aufgestachelt, so sann er jetzt darauf, auch diesen schwachen Überrest noch zu vertilgen. Leider findet er im natürlichen, unerlösten Menschenherzen, das sich Gott widersetzt, nur zu leicht einen Anknüpfungspunkt.
So liess sich jetzt Ismael, einer der Heerobersten Judas, vom König der Kinder Ammon aussenden, um Gedalja zu ermorden! Der Ammoniter dachte wohl, die Gelegenheit sei günstig, um aus dem verwaisten Lande einen ihm unterworfenen Vasallenstaat zu machen, mit Ismael an der Spitze.
Gedalja glaubte den Warnungen nicht. Wenn es auch gut ist, mit dem, der als Verleumder seine Lippen aufsperrt, sich nicht einzulassen, so gilt es doch, gegenüber den Machenschaften des Feindes wachsam zu sein. Gedalja liess es an dieser Wachsamkeit fehlen. Er nahm Ismael und seine zehn Mordgesellen an seinen gastfreundlichen Tisch, ohne sich zu sichern! Welch ein Blutbad entstand nun! Gedalja und alle Juden und Chaldäer, die sich bei ihm in Mizpa aufhielten, sowie auch die gottesfürchtigen Männer aus Sichem, die Gaben zum zerstörten Tempel hinaufbringen wollten, wurden hingemordet. Schliesslich führte Ismael einen grossen Teil des Überrestes gefangen hinweg. Damit haue der Feind, «der Mörder von Anfang», sein erstes Ziel erreicht.
Das Spiel mit dem Worte Gottes
Jochanan und den übrigen Heerführern mit ihren Männern gelang es, alles Volk, welches Ismael von Mizpa gefangen weggeführt hatte, zu befreien, Aber sie kehrten nicht nach Mizpa oder nach Jerusalem zurück, sondern bereiteten sich vor, um nach Ägypten hinabzuziehen. Denn sie fürchteten sich vor den Chaldäern, weil einer der Ihren den durch den König von Babel eingesetzten Landpfleger erschlagen hatte.
Diese Furcht war nach all den Erfahrungen mit den Chaldäern wohl verständlich.
Aber sie machten in dieser vermeintlichen Gefahr den grossen Fehler, sich für einen Weg des Eigenwillens zu entscheiden, statt ihre Not vor Jehova zu bringen und auf Seine Weisungen zu warten.
Erst nachdem sie ihren Sinn festgestellt hatten, nach Ägypten zu fliehen, trat das ganze Volk vor Jeremia mit der Bitte, für sie zu Jehova zu beten, damit er ihnen den Weg kundtue, auf welchem sie gehen, und die Sache, die sie tun sollten. Das hörte sich sehr schön an. Ja, sie versprachen sogar, und nahmen dabei Jehova zum Zeugen, dass sie alles tun wollten, «es sei Gutes oder Böses», was Jehova ihnen sagen würde, und sie fügten hinzu: «damit es uns wohl gehe».
So redeten sie, erwarteten aber nichts anderes, als dass Jehova ihren Plan gutheisse und Seinen Segen zu ihrem eigenwilligen Weg gäbe.
Gott liess sie zehn volle Tage auf Seine Antwort harren, und dies angesichts der zu befürchtenden Vergeltungsmassnahmen des Königs von Babel! Er stellte sie auf die Probe: Sind ihre Worte echt? Werden sie Mich durch Vertrauen ehren? - Ach nein, die Wartefrist bestärkte sie in ihrem eigenwilligen Entschluss und brachte ihre fleischliche Ungeduld an den Tag! Jeremia teilte ihnen nun mit, dass Jehova sich des Übels gereue. Er wolle sie in diesem Lande pflanzen und aufbauen, sie vor dem König von Babel beschützen, ihnen Barmherzigkeit zuwenden und mit ihnen sein. - Dann aber warnte Er sie eindringlich davor, den Plan ihres Herzens auszuführen und nach Ägypten hinabzuziehen, im Bestreben, dem Krieg und dem Hunger zu entfliehen. Dort würde Jehova gegen sie sein und in Seinem Zorn alles das über sie bringen, wovor sie sich hier fürchteten: Schwert, Hunger und Pest.
So lauteten also die Worte Jehovas. Aber dieselben Männer, die sich feierlich verpflichtet hatten, «nach jedem Worte», das Gott ihnen durch Jeremia senden würde, zu tun, handelten nun ganz anders. «Du redest Lügen!» sagten sie zu Jeremia. «Jehova, unser Gott (!), hat dich nicht gesandt und gesagt: Ihr sollt nicht nach Ägypten ziehen, um euch daselbst aufzuhalten; sondern Baruk hetzt dich wider uns auf.»
Die Führer und das Volk hörten also nicht auf die Stimme Jehovas. Sie zogen jetzt unverzüglich nach Ägypten hinab. Dadurch, dass sie auch den Propheten Jeremia mitnahmen, wollten sie offenbar sich selber beruhigen und dokumentieren: Jehova ist doch mit uns! Welche Selbsttäuschung!
Hüten wir uns vor solch unaufrichtigem Spiel mit dem Worte Gottes! Dieses ist dazu da, dass wir «von jedem Worte leben, das durch den Mund Gottes ausgeht». Es dient dazu, dass wir in glücklicher Gemeinschaft mit Ihm leben. Es darf nicht als frommes Mäntelchen für fleischlichen Eigenwillen und Ungehorsam missbraucht werden, indem wir Ihm nur die Worte entnehmen, die unser Tun zu rechtfertigen scheinen.
Offener Götzendienst in Ägypten
Wahrlich, dieser Überrest Judas konnte mit einem Korb schlechter, ungeniessbarer Feigen verglichen werden! Sie hatten sich die schweren Schläge der Züchtigung über Juda, die Schrecken des Krieges und der Belagerung, die Wegführung des Grossteils des Volkes in die babylonische Gefangenschaft keineswegs zu Herzen genommen und keinerlei Reue gezeigt. Dass sie an allem Mangel gehabt hatten und durch das Schwert und durch den Hunger aufgerieben worden waren, schrieben sie vielmehr dem Umstand zu, dass sie für eine Zeit in den Städten Judas und auf den Strassen Jerusalems aufgehört hatten, «der Königin des Himmels zu räuchern und ihr Trankopfer zu spenden»!
In Ägypten angekommen, gerieten sie völlig in den Sog des Götzentums. Sie taten der Königin des Himmels das frevelhafte Gelübde, ihr wieder zu räuchern und Trankopfer zu spenden. Und so mussten denn die Augen Jehovas sehen, wie diese Nachkommen des Volkes, das Er aus der Sklaverei und dem Götzendienst Ägyptens befreit hatte, dahin zurückkehrten, Kuchen bereiteten, um die Königin des Himmels abzubilden und ihr zu räuchern!
Noch einmal zeugte Jehova durch Seinen Propheten ernstlich wider sie und ihre grosse Übeltat, andern Göttern zu räuchern. Er stellte ihnen vor, dass sie sich dadurch selbst ausrotten und zum Fluch und zum Hohn würden unter allen Nationen der Erde. Aber in offener Auflehnung gegen Gott antworteten sie Jeremia: «Was das Wort betrifft, welches du im Namen Jehovas zu uns geredet hast, so werden wir nicht auf dich hören; sondern gewisslich alles tun, was aus unserem Munde hervorgegangen ist.»
So schwur ihnen denn Jehova, dass Er sie in Ägypten durch Schwert und Hunger vernichten würde; nur ein zählbares Häuflein sollte nach Juda entrinnen. Als Zeichen dafür, dass diese Heimsuchung von Ihm ausgehen würde, werde Er ihren menschlichen Beschützer, den Pharao Hophra, in die Hand Nebukadnezars geben. - Wie schrecklich ist es doch für die, welche in Herzenshärtigkeit vorangehen und die Gnade verachten, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen!
Ein persönliches Wort an Baruk
Dieser treue Gefährte und Schreiber Jeremias bedurfte in den Tagen Jojakims, als das Gericht über Juda hereinzubrechen begann, eines persönlichen Zuspruchs Jehovas. Er hatte noch nicht gelernt, sich - wie ein Jeremia - daran genügen zu lassen, in treuer Hingabe Gott und Seinem Volke zu dienen. Er trachtete noch nach grossen Dingen «für sich». Gerade in bösen Tagen, wenn ein treues Zeugnis für den Herrn dem Diener so viel Leiden und Schmach einträgt, kann ein solches Trachten nach Anerkennung, nach einem Ehrenplatz unter Seinem Volke ihn hindern, seinen Dienst in einer Gott wohlgefälligen Weise auszuüben. Er ist dann geneigt, alles zu vermeiden, was ihn erniedrigen könnte. Dass doch die «Gesinnung, die in Christo Jesu war», uns allezeit kennzeichnete! Er machte Sich Selbst zu nichts und nahm Knechtsgestalt an. In Seinem Dienst erniedrigte Er Sich Selbst, indem Er gehorsam ward bis zum Tode am Kreuze. Dabei hat Er der Schande nicht geachtet: Sein höchstes Anliegen war, den Vater zu verherrlichen und Sein Werk, das Er Ihm gab, zu vollbringen.
Jehova gab Baruk für jene gefährlichen Tage die beruhigende Zusage: «Ich gebe dir deine Seele zur Beute an allen Orten, wohin du ziehen wirst.» Droben aber wird er mit allen treuen Knechten für jeden Dienst und alle damit verbundenen Trübsale reichen Lohn empfangen.