Einführender Vortrag zum 2. Timotheusbrief

Kapitel 4

Einführender Vortrag zum 2. Timotheusbrief

Das abschließende Kapitel zeigt den ernsten Auftrag des Apostels an Timotheus und gleichzeitig seine Stellungnahme zu dem, was ihm selbst bevorstand. So wie Timotheus in eine neue Phase seines Dienstes ohne die Gegenwart und den lebendigen Rat des Apostels eintrat, machte letzterer ihm zur ernsten Pflicht: „vor Gott und Christo Jesu, der da richten wird Lebendige und Tote, und bei seiner Erscheinung und seinem Reiche: Predige das Wort, halte darauf in gelegener und ungelegener Zeit; überführe, strafe, ermahne mit aller Langmut und Lehre“ (V. 1–2). Der Grund, warum er ihm so dringend nahelegt, nicht abgewandt zu werden, besteht darin, dass eine Zeit kommen würde, in der die Menschen die gesunde Lehre nicht mehr ertragen wollen. Nach ihren eigenen Lüsten würden sie sich dann Lehrer aufhäufen, „indem es ihnen in den Ohren kitzelt; und sie werden die Ohren von der Wahrheit abkehren und zu den Fabeln sich hinwenden“ (V. 3–4). „Du aber sei nüchtern in allem, leide Trübsal, tue das Werk eines Evangelisten, vollführe deinen Dienst. Denn ich werde schon als Trankopfer gesprengt, und die Zeit meines Abscheidens ist vorhanden. Ich habe den guten Kampf gekämpft, ich habe den Lauf vollendet, ich habe den Glauben bewahrt; fortan liegt mir bereit die Krone der Gerechtigkeit, welche der Herr, der gerechte Richter, mir zur Vergeltung geben wird an jenem Tage; nicht allein aber mir, sondern auch allen, die seine Erscheinung lieben“ (V. 5–8). So blickt er also nicht auf das Kommen des Herrn, wenn Er ihn zu sich aufnehmen wird, sondern auf das „Erscheinen des Herrn“, welches die normale Blickrichtung auf die Wahrheit in diesen Briefen ist. Der Grund dafür ist offensichtlich. Das Kommen des Herrn wird im Unterschied zu seinem Erscheinen in keinster Weise die Treue des Knechtes offenbaren. „An jenem Tage“  hingegen wird alles enthüllt werden, was um des Herrn willen erduldet oder getan wurde.

Mit dieser Aussicht tröstet er Timotheus nicht weniger als seinen eigenen Geist. Aber gleichzeitig spricht er auch von seinen Begleitern mit einem Blick auf einen Mann, der ihn verlassen hat. „Demas hat mich verlassen, da er den jetzigen Zeitlauf liebgewonnen hat, und ist nach Thessalonich gegangen, Krescenz nach Galatien, Titus nach Dalmatien. Lukas ist allein bei mir“ (V. 10–11). Er war vergleichsweise einsam. Wenn Paulus auch seine Sorge bezüglich eines alten Mitarbeiters, der im Eifer des Dienstes mit all seinen Gefahren nachgelassen hat, nicht verbirgt, stellt er doch auch den Trost durch solche vor Timotheus, die in der Arbeit treu voranschreiten, und insbesondere durch jenen, der auf jeden Fall wiederhergestellt worden war. „Nimm Markus und bringe ihn mit dir, denn er ist mir nützlich zum Dienst.“  Somit finden wir, wie Gott das Bittere mit dem Süßen zu mildern vermag, indem Er immer das Rechte am rechten Ort und zur rechten Zeit bewirkt.

Auf diese Weise ermahnt Paulus Timotheus gleichzeitig, während er ihn tröstet. Inmitten dieser ernsten Umstände sollte er den Mantel, den Paulus in Troas bei Karpus zurückgelassen hatte, mitbringen – und die Bücher, insbesondere die Pergamente. Auch das hat wieder viele Menschen gestört. Sie können nicht verstehen, dass ein inspirierter Apostel in einem von Gott gegebenen Hirtenbrief von einem Mantel sprechen kann. Der Grund ist eigentlich klar. Sie verraten menschliches Denken und nicht göttliches. Nichts offenbart Gott mehr als seine Fähigkeit, ewige Dinge mit der Sorge für die geringsten Umstände dieses Lebens zu verquicken. Für Gott war dieser Umstand also nicht gleichgültig. Der Heilige Geist verwandelte ihn in eine äußerst praktische und kostbare Angelegenheit. Sei versichert: Wenn du nicht den Geist Gottes in die Umstände hineinbringst, wird vielleicht sogar dein Mantel, vielleicht ein Buch zum Fallstrick für dich. So manchem Mann und so mancher Frau hat ein unbedeutendes Kleidungsstück nicht geringes Unheil gebracht, gerade weil sie es für zu geringfügig hielten, als dass der Heilige Geist sie in Bezug darauf hätte leiten wollen. So schreibt Paulus: „Den Mantel, den ich in Troas bei Karpus zurückließ, bringe mit, wenn du kommst, und die Bücher [nicht nur das Kleidungsstück, sondern auch seinen Lesestoff], besonders die Pergamente.“ Bei Letzterem handelte es sich möglichweise um Paulus' fortlaufende Notizen 1. „Alexander, der Schmied, hat mir viel Böses erzeigt; der Herr wird ihm vergelten nach seinen Werken. Vor ihm hüte auch du dich, denn er hat unseren Worten sehr widerstanden“ (V. 14–15).

Zuletzt lesen wir von Paulus' Gewissheit, dass der gesegnete Herr für ihn sorgt, und von seinem Vertrauen auf Ihn, dass Er ihn vor allem Bösen für sein himmlisches Reich bewahren wird. Danach schließt er diesen ernsten und ergreifenden Brief (anscheinend die letzten Worte, die er schrieb) mit Grüßen verschiedener Gläubiger.

Fußnoten

  • 1 Vgl. auch: Carsten Peter Thiede & Matthew d'Ancona (1997): Der Jesus-Papyrus, Reinbek bei Hamburg, S. 50 f.! (Übs.)
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