Einführender Vortrag zum 2. Thessalonicherbrief
Kapitel 2
In diesem Kapitel beschäftigt sich Paulus dann besonders mit dem vorliegenden Irrtum. „Wir bitten euch aber, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus ..., daß ihr nicht schnell erschüttert werdet in der Gesinnung, noch erschreckt, weder durch Geist, noch durch Wort, noch durch Brief als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre“ (V. 1–2). Es ist gut bekannt, dass hier zweifellos der Ausdruck „Tag des Herrn“ (und nicht „der Tag Christi“) nach den besten Bibelhandschriften und anderen alten Zeugnissen gefordert wird 1.
„Ἑνέστηκε“ besagt nicht „nahe sein“ 2, sondern „schon gekommen sein“. Ich möchte mich hier nicht auf einen langen Beweis dafür einlassen, da ich dieses schon andernorts getan habe 3. Es genügt zu sagen, dass das Wort in einem halben Dutzend Stellen im Neuen Testament vorkommt und nirgendwo einen anderen Sinngehalt hat als den gerade angeführten. Auch vermittelt es bei keinem korrekten griechischen Autor den Gedanken, als spräche es von einem „Nahe-sein“. Einige dachten so; doch das war ein Irrtum. Der Ausdruck spricht immer von der Gegenwart im Gegensatz zur Zukunft, wie nahe sie auch bevorstehen mag. So steht er an zwei Stellen im Neuen Testament in einem Gegensatz zu zukünftigen Dingen, nämlich wenn (in Römer 8, 38 und 1. Korinther 3, 22) ausdrücklich „Gegenwärtiges noch Zukünftiges“ gesagt wird. In dem zweiten Fall könnten wir vielleicht auch an ein „nahe sein“ denken, aber nicht in dem ersten. Das Zukünftige steht in einem ausdrücklichen Gegensatz zum tatsächlich Vorhandenen. Ferner lesen wir (Galater 1, 4) von der „gegenwärtigen bösen Welt.“ Das gilt nur für unsere Zeit. Das zukünftige Zeitalter ist nicht böse, sondern gut. Es steht im Gegensatz zum Gegenwärtigen. Dieselbe Bedeutung des Wortes erkennen wir auch in den Begriffen „auf die gegenwärtige Zeit“ (Hebräer 9, 9) und „um der gegenwärtigen Not willen“ (1. Korinther 7, 26). Sie sprechen nicht von der Zukunft, sondern ausschließlich von der Gegenwart. Die Not besteht nur jetzt und zu keiner anderen Zeit. Kurz gesagt: Das griechische Wort ist der normale Ausdruck für „Gegenwart“. Wenn ein Grieche „Gegenwart“ sagen wollte im Gegensatz zur Zukunft, gab es für ihn kein eindeutigeres Wort. Können wir uns vorstellen, dass etwas anderes das richtige Verständnis unseres Briefes mehr verhindert als diese gebräuchliche Falschübersetzung? Das ist der wahre Sinn des griechischen Wortes, wage ich kühn zu behaupten.
Das ist offensichtlich eine sehr große Hilfe zum Verständnis unseres Abschnitts. Der Apostel wendet sich an Erlöste. In diesen Versen geht es nicht um Belehrung, sondern um eine ernste Bitte. Grundlage ist jener machtvolle Beweggrund, den sie schon in ihrer Seele besaßen. Der Apostel meint nicht, dass sie „betreffend“ der Ankunft des Herrn nicht beunruhigt sein sollten, wie so manche annehmen. Stattdessen benutzt er ihre Hoffnung, mit Christus bei seinem Kommen versammelt zu werden, als ein Motiv („wegen“), nicht auf jene irreführenden Lehrer zu hören. Das ist eine rechtmäßige Anwendung der griechischen Präposition (Verhältniswort) im Zusammenhang mit Flehen. Beachten wir auch den Charakter dieser falschen Belehrung! Nicht die Hoffnung wurde angefacht, sondern in den Seelen Schrecken hervorgerufen. Sie bewirkte Erschütterung und hinderte sie daran, in Frieden, heilig und von Herzen Christus zu erwarten. Durch den Irrtum waren sie mit den Schrecknissen irgendwelcher vorher eintretenden Nöte beschäftigt. Die Täuschung bestand darin, alle die Bedrängnisse, welche sie erduldeten, als Teile oder Zeichen jenes wohlbekannten Tages der Drangsal, des Tages des Herrn, anzusehen. „Keineswegs!“, schreibt der Apostel. „Die Leiden jenes Tages brechen über die Feinde, nicht die Freunde, des Herrn herein.“ So wie die Thessalonicher wussten, dass jeder Gläubige seinen Namen liebt, sollten sie auch erkennen, dass diese sich ausbreitende Lehre ein Weg in die Irre ist. Schon sittlich gesehen, war sie falsch, da sie an erster Stelle des Herrn unfehlbare und vollkommene Liebe zu ihnen unberücksichtigt ließ.
Darum konnte Paulus sagen: „Wir bitten euch aber, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin, daß ihr nicht schnell erschüttert werdet in der Gesinnung, noch erschreckt, weder durch Geist, noch durch Wort, noch durch Brief als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre.“ „Wisst ihr nicht, dass Christus für euch kommt und dass das erste Ziel und die erste Wirkung seines Kommens darin besteht, euch zu sich zu versammeln, um Ihm in der Luft zu begegnen? Warum seid ihr dann so beunruhigt wegen solcher Gerüchte über seinen Tag mit seinen schrecklichen Umständen? Gott hat euch darüber belehrt – warum lasst ihr euch durch diesen Versuch des Feindes erschüttern, der sich lügnerisch auf den Geist, das Wort oder sogar einen angeblichen Brief von mir bezieht?“ Jener Tag kommt über die Welt. Tatsächlich hatte der Apostel in den Anfangsversen dieses Briefes sowie im letzten Teil seines ersten vorausgesetzt, dass der Tag des Herrn die Erlösten nicht betrifft, welche Söhne des Lichts und des Tages sind. Folglich werden sie mit jenem Tag kommen, anstatt dass er sie wie ein Dieb in der Nacht überrascht; denn so wird er über seine Opfer hereinbrechen. Der Tag geht vom Herrn aus in seiner Ausführung des Gerichts über eine schuldige Welt. Schon die Tatsache, dass sie Söhne des Lichts sind, hätte ihnen als Beweis dienen können, dass sie von dem Tag nicht überrumpelt werden. Sie gehörten nämlich zu dem Bereich, von woher er kommt.
Mit eindringlichem Nachdruck stellt Paulus kurz die Wege der Täuschung und der Finsternis heraus, welche diese Ansicht begleiten und ihre wahre Quelle verraten. Die Wahrheit lehnt eine Vermischung mit der Lüge ab; und die Vortäuschung, dass jemand eine geistliche Botschaft an die Thessalonicher (oder ein Wort an andere) habe, dass der Tag des Herrn schon gekommen sei, kam offensichtlich von der Schlange und nicht von Gott. Solcherart und so schnell fortschreitend sind die Schritte des Bösen – ein Irrtum führt zu einem weiteren. Die Behauptung, dass jene falschen Lehrer die Autorität des Apostels für ihre Verführung besäßen, gab ihm eine unmittelbare Gelegenheit, dem Irrtum zu widersprechen. „Laßt euch von niemand auf irgend eine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, daß zuerst der Abfall komme und geoffenbart worden sei der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens“ (V. 3). Das sind zwei verschiedene Ereignisse. Der Apostel erklärt mit Nachdruck, dass beide vor dem Tag des Herrn geschehen müssen. Die Christenheit hat dann den Glauben vollständig preisgegeben und der Mensch der Sünde wird offenbart. Was für eine Aussicht! Glauben die Kinder Gottes daran? Wir wissen, dass die Welt vollkommen entgegengesetzte Erwartungen hat. Jene Menschen, die sich mit wenig Ernsthaftigkeit anmaßen, den kostbaren Namen des Herrn zu tragen, werden öffentlich von dem Bekenntnis des Evangeliums abfallen; und dann wird für die Abtrünnigen auch bald ein passender Anführer in den Abgrund des Verderbens folgen.
Ich bin völlig davon überzeugt, dass einige der wichtigsten Bestandteile der Wirkmittel Satans, um den Abfall herbeizuführen, heute schon in Tätigkeit sind. Gott hat in seiner Gnade viele Herzen mit Freude an der Wahrheit und Trost erfüllt. Er hat nicht wenigen den Glauben an diese Worte geschenkt, deren sittliche Vorzeichen täglich mehr und mehr hervortreten. Der Abfall muss kommen; und – im Gegensatz zum Mann der Gerechtigkeit – wird der Mensch der Sünde offenbart, der letzte Judas, „der Sohn des Verderbens, welcher widersteht und sich selbst erhöht über alles, was Gott heißt oder ein Gegenstand der Verehrung ist, sodaß er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, daß er Gott sei“ (V. 4). Welch ein scharfer Gegensatz zum Herrn Jesus, der, obwohl Er wirklich Gott war, in Liebe Mensch wurde, um die herrlichen Ratschlüsse Gottes und die Erlösung des Menschen durch die Gnade zur Ausführung zu bringen! Jener Mensch ist der Sohn des Verderbens zum Ruin derjenigen, die auf ihn vertrauen. Obwohl er nur ein Mensch ist und sogar der Mensch der Sünde, nimmt er hier auf der Erde den Platz ein, als sei er der wahre Gott, und zwar nicht allein in der Welt, sondern auch im Tempel Gottes jener Tage. Er stellt sich also nicht nur auf den Platz Gottes hienieden, sondern betritt wirklich in Person Gottes Tempel. Ich bezweifle nicht, dass dann in Jerusalem ein Tempel steht, sodass, genauso wie das Christentum in Jerusalem begann, die Heilige Stadt auch sein letzter Schauplatz sündigen Stolzes und göttlichen Gerichts sein wird – allerdings nicht der einzige Platz seines Gerichts. Jerusalem – Rom – diese beiden sind Namen von sehr feierlicher Bedeutung in Hinsicht auf den Gegenstand, auf den ich hier nur kurz anspiele. „Erinnert ihr euch nicht, daß ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war? Und jetzt wisset ihr, was zurückhält, daß er zu seiner Zeit geoffenbart werde“ (V. 5–6). Das ist keine absolute Hemmung [des Bösen; Übs.], sondern nur einschränkende Vorsorge; denn er muss zu seiner Zeit offenbart werden.
Der Hinweis auf frühere Belehrung lässt diese Angelegenheit in einer verhältnismäßigen Unklarheit und hat Anlass zu unzähligen Diskussionen gegeben. Ich halte die Antwort auf dieses Problem weder für schwierig noch für ungewiss. Es ist offensichtlich, dass dasjenige, was zurückhält, eine Kraft sein muss, die dem Menschen oder Satan überlegen ist und eine Natur besitzt, die ganz und gar in einer Gegnerschaft zum Menschen der Sünde steht. So wie letzterer eine Verkörperung oder vielmehr das Haupt des Bösen ist, so muss das, was seine Offenbarung zurückhält, notwendigerweise in der Kraft des Guten bestehen, welches solange die Enthüllung des Gesetzlosen unterdrückt, wie es Gott gefällt. Anscheinend gibt es guten Grund, warum die Angelegenheit in dieser allgemeinen, wenn nicht sogar unbestimmten Form dargelegt wird. Das, was zurückhält, wird in abstrakter Weise vorgestellt als ein Prinzip oder eine Kraft, die wirkt, und nicht einfach als eine Person. Es mag folglich, wie ich vermute, in den verschiedenen Zeitepochen eine unterschiedliche Gestalt annehmen.
So befinden wir uns also innerhalb enger Grenzen, wenn wir das Zurückhaltende oder den Zurückhalter bestimmen wollen. Die Thessalonicher, welche noch jung im Glauben waren, wussten bereits, was zurückhält, „daß er zu seiner Zeit geoffenbart werde. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der, welcher zurückhält, bis er aus dem Wege ist, und dann wird der Gesetzlose geoffenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten durch die Erscheinung seiner Ankunft“ oder Gegenwart. Offenbar erkennen wir hier eine Kraft – eine Kraft, die gleichzeitig eine Person ist –, welche die Entfaltung des Gesetzlosen verhindert. Wo finden wir jemand, der die Pläne Satans wirksam zunichtemacht und sowohl eine Person als auch eine Kraft ist? Wir brauchen nicht lange nachzudenken, sondern können ohne Zögern sagen: Das ist der Geist Gottes.
Unleugbar ist Er sowohl eine Kraft als auch eine Person; und außer in Ihm ist es unmöglich eine Antwort auf das Problem zu finden, dass jemand diese beiden Kennzeichen sowie auch den Charakter und den Bereich der eingesetzten Macht in sich selbst vereinigt. Wir können kaum sagen, dass es sich um den Geist Gottes handelt, so wie Er in der Kirche (Versammlung) wohnt, außer in einer ganz allgemeinen Weise. Wir müssen uns daran erinnern, dass der Heilige Geist nicht nur in der Versammlung wohnt, sondern auch durch die Vorsehung in der Regierung dieser Welt handelt. Ich bin weit davon entfernt zu meinen, dass Er, wenn die Kirche weggenommen ist, noch lange die Mächte der Welt bezähmt. Es gibt jetzt schon Menschen der Welt, die kein Vertrauen auf deren Festigkeit haben, obwohl diese Überzeugung keine heilsame Furcht in ihren Seelen hervorruft. Sie hängen unverändert der Welt an. Ich bin mir sicher, dass kein wahrer Christ nur einen Moment lang sein Vertrauen auf dieselbe setzen sollte. Die Gläubigen sind nicht dazu aufgerufen, jenem System, das den Herrn der Herrlichkeit hinausgeworfen und erschlagen hat, schöne Dinge zu verheißen. Sie wissen, dass das Verderben der Welt herbeieilt. Doch dieses geschieht nicht, bevor die Menschen die Wahrheit formell abgelehnt und den Menschen der Sünde angenommen haben. Aber – egal, was der böse Wille des Menschen und die Schlingen Satans ausrichten möchten – sie werden nicht in der Lage sein, eine göttlich überwachte Regierung unter den Menschen zu der Zeit, die sie wollen, auszulöschen. Jemand ist anwesend, der zurückhält – der es tatsächlich immer kann und nur dann sich zurückzieht, wenn Gott den letzten Ausbruch [des Gotteshasses; Übs.] zulässt.
Dieses Zurückhalten hört, wie ich denke, nicht plötzlich auf, nachdem der Herr gekommen ist und seine Heiligen weggenommen hat, und zwar sowohl die Entschlafenen als auch alle, die leben und Ihn erwarten. Ich sage „alle“; denn wir müssen uns daran erinnern, dass in der Heiligen Schrift gleichbleibend vorausgesetzt wird, dass jeder Erlöste auf Christus wartet. Die Ansicht, dass ein Mensch erlöst ist und sein Kommen nicht erwartet, kommt dem Heiligen Geist sozusagen nicht in den Sinn. Jemand kann natürlich durch schlechte Lehre und unachtsames Verhalten in einen falschen Zustand geraten; doch wenn Christus mein Leben und meine Gerechtigkeit ist, werde ich Ihn sicherlich lieben. Daher kann es nicht anders sein, als dass ich danach verlange, Ihn zu sehen und bei Ihm an dem Ort der Herrlichkeit zu sein; denn ausschließlich dort kann sich ein solches Leben und eine solche Gerechtigkeit sowie die Liebe, welche jene mitteilt, in rechter Weise entfalten und ihre Ergebnisse zeigen. Folglich wird immer angenommen, dass jeder Christ in der Erkenntnis der Liebe Christi auf sein Kommen wartet, um uns zu sich zu nehmen, damit wir bei Ihm im Vaterhaus seien, bevor Er das Gericht über die Welt ausübt. Bis dahin hält der Geist Gottes die Absichten Satans sozusagen in Schach; und sogar nach dem Abscheiden der Kirche (Versammlung) wird Er, wie ich denke, noch eine kurze Zeit „zurückhalten“.
Aus der Offenbarung erfahren wir, dass Gott für eine kurze Zeit gewisse Kräfte des Segens wirken lässt. Er hört nicht plötzlich auf, sich mit Seelen zu beschäftigen. Auch sehen wir nicht sofort den Abfall und den Menschen der Sünde. Diese Frage hat auch Einfluss auf unser Problem; denn zweifellos ist es nicht der Wille des Menschen, der die Seelen mit Segnung überschüttet oder die stolzesten Absichten Satans verhindert. Nachdem die Kirche in den Himmel aufgenommen ist, wirkt der Geist Gottes weiter, und zwar in zweifacher Weise. Er wird Seelen in die Erkenntnis eines Zeugnisses Gottes einführen, welches Er in dieser Zeit aufrichten wird, um den dann existierenden Umständen zu seiner eigenen Herrlichkeit sowie auch aus mitleidvoller Barmherzigkeit für den Menschen zu begegnen. Aber außerdem wird Er die bestehenden Mächte davor zurückhalten, augenblicklich auf die Pläne Satans hereinzufallen. Zu einem bestimmten Zeitpunkt, den die Offenbarung eindeutig kennzeichnet, wird Satan aus dem Himmel hinausgeworfen und seinen lange überlegten Plan ausführen. Jenes Weltreich, das schon so lange Zeit unter den Menschen verschwunden ist, sodass die weisen Menschen der Welt seine Auferstehung für unmöglich halten – das Römische Reich –, wird mit teuflischer Kraft wieder hervortreten. Das ist der Augenblick, an dem der Heilige Geist sein Zurückhalten beendet.
Danach wird das westliche Reich seine ganze Energie darauf verwenden – und Satan wird dabei helfen – eine politisch-religiöse Macht in Jerusalem aufzurichten. Diese wird zum Oberhaupt der Juden und gleichzeitig zum religiösen Anführer des Westens. Das ist der Endzustand des götzendienerischen Judentums, welches Christus verworfen hat, und der abgefallenen Christenheit. Der Mensch der Sünde wird in Gottes Tempel in Jerusalem sitzen und sich als Gott anbeten lassen. Das wird dem Römischen Weltreich weiterhin ermöglichen, sein politisches Spiel der Opposition gegen die Mächte des Ostens zu spielen. Der Westen, sage ich, wird den Antichristen unterstützen und von ihm unterstützt werden und muss somit an dem schrecklichen Verderben teilnehmen, das der Herr mit sich bringen wird, wenn Er selbst kommt. Auch Engel werden ihr Teil daran haben; und der Odem des Herrn wird wie ein Schwefelstrom ausfließen, denn sie werden auf frischer Tat in ihrem Widerstand gegen das Lamm ertappt werden, indem sie wenig davon wissen, dass Er der Herr der Herren und der König der Könige ist. Sowohl der weltliche als auch der religiöse Führer, das Tier und der falsche Prophet, werden ohne irgendeine Art von Gerichtsverhandlung einem ewigen Verderben ausgeliefert. Nichts Geringeres erwartet diese letzten und allem Anschein nach größten Führer der falschen Herrlichkeit dieser Welt. Aber erinnern wir uns daran: Auch die Blüte des Westens (jene Länder, die sich der Religion, der Kultur und des Fortschritts rühmen) werden untergehen in dieser Vernichtung der wiederbelebten kaiserlichen Macht und ihres jüdischen Verbündeten.
Ich weissage keinesfalls Schmeichelhaftes für unser Land und Volk. Ich glaube, dass alle diese Reiche des Westens, die jetzt so sehr auf ihre Hilfsmittel und ihre Kraft vertrauen, zuletzt hilflos in die Hände Satans fallen werden. Sowohl der Mensch der Sünde zu Jerusalem als auch das weltliche Haupt des Imperiums zu Rom mit seinen verbündeten, aber untergeordneten Königen sind die beiden Tiere von Offenbarung 13. Wir haben jetzt nicht die Zeit, auf weitere Einzelheiten einzugehen; doch ich darf hier wohl meine Überzeugung darlegen, dass der Mensch der Sünde, den 2. Thessalonicher 2 im Tempel Gottes inthronisiert zeigt, von den verführten Juden in Jerusalem als Messias angenommen wird. Hingegen ist das erste Tier das kaiserliche Haupt in Rom; denn dann wird die bürgerliche Gewalt völlig von der religiösen getrennt sein – und wir wissen, wie eifrig die Menschen heutzutage danach streben. Dennoch wird die Erfüllung ihres Wunsches ganz andere Folgen haben, als die meisten erwarten.
Ich gebe zu, betroffen zu sein, dass man über dieses Thema nicht sprechen kann – selbst in kurzen Zeitintervallen –, ohne neue Anzeichen entdeckt zu haben, welche uns dem Grundsatz nach dem Rand des Abgrunds immer näher zeigen. Daher warne ich in jeder Hinsicht alle jene, welche helle Hoffnungsschimmer für die Erde und verheißungsvolle Veredlungen des Menschen erwarten. Es ist ernst, dass der Gesetzlose, der hier beschrieben wird und für den ein solches Schicksal vorgesehen ist, in enger Beziehung zum Geheimnis der Gesetzlosigkeit steht, das damals schon, wie der Apostel uns wissen lässt, wirkte und voranschritt. Bis heute hat es eine gewaltige Ausdehnung erreicht. Natürlich gilt, dass der Gesetzlose nicht offenbart wird, bevor das Hindernis des Geistes Gottes über der Welt weggenommen ist. Das ist für mich die zwanglose Schlussfolgerung aus den Angaben des Apostels, wenn ich sie mit dem Licht vergleiche, welches von anderen Schriftstellen auf dieses Thema geworfen wird und nach allgemeiner Übereinstimmung dieselbe Zeit und denselben Gegenstand beleuchtet. Es handelt sich um den Geist Gottes, der dann aufhört sowohl in der Welt als auch in der Kirche „zurückzuhalten“, obwohl Er, nachdem die Versammlung in den Himmel entrückt worden ist, noch für eine kurze Zeitspanne in der Welt auf Seelen einwirkt und Satan hemmt.
Das betrachte ich als einen zusammenfassenden und richtigen Blick auf das, was uns geoffenbart worden ist. Er stützt sich allgemein gesehen auf die beiden Ausdrücke „der, welcher zurückhält“ und „was zurückhält.“ Die besondere Art der zurückhaltenden Kraft mag entsprechend der Umstände verschieden sein. Die Christen des Altertums hielten das Römische Reich für diesen „Zurückhalter“. Dabei war ihre Ansicht gar nicht so weit von der Wahrheit entfernt; denn das Kaiserreich gehörte sicherlich zu den von Gott eingesetzten Gewalten, was zweifellos auch heute noch für Kaiser, Könige, Präsidenten usw. gilt. Die Stunde eilt indessen heran, in der die bestehenden Gewalten ihre Autorität nicht mehr von Gott erhalten werden – wenn vor allem der Westen sich offen vom wahren Gott lossagen und das Tier aus dem Abgrund heraufsteigen wird. Unser Kapitel fügt ein lebensechtes Bild von dem Ausmaß hinzu, in dem der Mensch der Sünde in seiner teuflischen Nachahmung dessen wirken darf, was Gott durch Christus, als Er hienieden war, gewirkt hat. Das ist die Stunde der Vergeltung für die stolzen Abtrünnigen, welche die Wahrheit abgelehnt haben, die Lüge des Feindes annehmen und in derselben umkommen werden. Wie gesegnet ist das Los der Erlösten, welches der Apostel dem entgegenstellt (V. 13–17).
Fußnoten