Kommt, folgt mir nach
„Liebst du mich?“ (Joh 21)
Wie gut ist es, bei dem Herrn zu sein! Wie werden die Herzen da so warm - wie bei den Jüngern von Emmaus - und die Netze sind voll!
Wollen wir uns nicht im Glauben auch an seinem Feuer niederlassen? Nehmen wir auch aus seinen Händen die nötige Speise und hören seinen Worten, Ermahnungen und Wünschen zu? Auch heute? Dann haben wir seinen Ruf vernommen „Folge mir nach!“ und wollen nicht mehr auf den See hinaus fahren um „zu fischen“!
„Als sie nun gefrühstückt hatten, spricht Jesus zu Simon Petrus: Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Er spricht zu ihm: Weide meine Lämmer“ (Joh 21,15)!
„Als sie nun gefrühstückt hatten“ wendet sich der Herr direkt an Simon Petrus. Nicht eher. Mit solcher Weisheit, Liebe und Sorgfalt wäscht der Herr die Füße. Vor dem Fest des Passah hatte der Herr seinen Jüngern die Füße gewaschen, dabei hatte ja Petrus eine besondere Rolle eingenommen (Joh 13,1.11). Nach dem Passah sehen wir wiederum den Herrn, dass Er um Petrus bemüht ist, um ihm die Füße zu waschen.
Erst dann, wenn wir auf Straßen aus reinem Gold wandeln (Off 21,21), werden wir unsere Füße nie mehr beschmutzen. Selbst wenn wir meinen sollten: „Ich bin mir selbst nichts bewusst“, so sind wir „dadurch nicht gerechtfertigt“ (1. Kor 4,4). Wir wandeln durch eine schmutzige Welt und auf staubiger Landstraße. Vergessen wir deshalb nie das „Prüfen“ (1. Kor 11,28) und strecken wir deshalb willig unsere Füße der Reinigung entgegen, wenn es nötig ist. Sollten wir aber selbst vom Herrn zu einem solchen hohen Dienst berufen sein, so nehmen wir den Meister zum Vorbild. Am richtigen Ort, zur rechten Zeit: Nach dem Frühstück am Kohlenfeuer.
„Simon, Sohn Jonas!“ so redet der Herr seinen Jünger an. Einst sagte Er: „Du wirst Kephas heißen“, was übersetzt wird: „Stein“ (Joh 1,42). Wo war der „Felsenmann“ geblieben? „Simon, Sohn Jonas!“ Was aus dem Fleisch geboren ist, ist Fleisch und das Fleisch nützt nichts (Joh 3,6). Selbst bei allem Kämpfen, Können, Lieben ist nichts brauchbar für den Herrn, wenn es nicht vom Geist gewirkt ist. Auch die Liebe ist nicht zu gebrauchen, solange sie natürlich und ungeheiligt ist. War es nicht Liebe, die Petrus zum Herrn sagen ließ, als dieser von der Notwendigkeit seiner Leiden sprach: „Gott behüte dich, Herr! Dies wird dir nicht widerfahren!“ (Mt 16,21.22)? Oder, wenn er für seinen Herrn streitet (Joh 18,10), als dieser sich wie ein Lamm zur Schlachtung führen lässt (Jes 53,7). Es war echte, ungeheuchelte Liebe, die er für seinen Herrn im Herzen trug, Liebe, aus der man einen brauchbaren Hirten machen konnte, wenn sie im Geist war und sich leiten ließ. Und einen brauchbaren Hirten wollte der Herr aus ihm machen. „Simon, Sohn Jonas, liebst du mich mehr als diese?“
Da wird die Liebe getrennt von der Eigenliebe. „Wenn auch alle Anstoß nehmen werden, ich aber nicht“ (Mk 14,29)! Das war, bei aller Liebe zum Herrn, Vertrauen auf das eigene Fleisch. Das war das „Ich“, das besser ist als andere, das gleiche „Ich“, das den Herrn verleugnete und das fischen ging. Petrus kannte sich selbst noch nicht. „Wenn auch alle Anstoß nehmen werden, ich aber nicht“, hatte Petrus gesagt. „Liebst du mich mehr als diese?“ fragte der Herr. Die Liebe forscht nach Liebe. Aber Petrus kann antworten: „Du weißt, dass ich dich lieb habe.“
Petrus hatte also gelernt. Er sagte nicht: „Du weißt, dass ich dich mehr liebe als diese.“ Selbsterkenntnis führt zur Demütigung, und dem Demütigen gibt Gott Gnade: „Weide meine Lämmer!“.
„Wieder spricht er zum zweiten Mal zu ihm: Simon, Sohn Jonas, liebst du mich? Er spricht zu ihm: Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe. Er spricht zu ihm: Hüte meine Schafe! Er spricht zum dritten Mal zu ihm: Simon, Sohn Jonas, hast du mich lieb? Petrus wurde traurig, dass er zum dritten Mal zu ihm sagte: Hast du mich lieb?, und spricht zu ihm: Herr, du weißt alles; du erkennst, dass ich dich lieb habe. Jesus spricht zu ihm: Weide meine Schafe!“ (Joh 21,16.17).
Soll Petrus Hirte sein? Ein Mann, der den Herrn Jesus im Stich gelassen hat, Ihm von weitem nachfolgte, sich am Kohlenfeuer der Welt wärmte, vor einer Magd seinen Herrn verleugnete, seine Brüder wieder zum Fischen führte, soll so einer ein Hirte sein?
Der Mann, der dort am Kohlenfeuer Auge in Auge mit seinem Herrn auf dessen dreimalige Frage kindlich, einfältig erwidern kann: „Ja, Herr, du weißt, dass ich dich lieb habe!“, ja, der kann Hirte sein. Er kann Lämmer und Schafe in Liebe, Kraft und Weisheit von oben weiden und hüten. Der Herr, der sich um ihn bemüht, wird ihm alles geben. Zunächst stellt er ihn wieder her und zeigt ihm selbst, wie der Hirte einem Schaf nachgeht, einen Verirrten wiederherstellt.
Als Petrus seinen Herrn verleugnete und der Hahn krähte, da wandte sich der Herr um und blickte Petrus an (Lk 22,61). Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn und ging hinaus und weinte bitterlich. Meinst du, er hätte diesen tief traurigen Blick des Herrn vergessen? Je tiefer er liebte, desto tiefer war der Blick gedrungen. Später, am ersten Wochentag, sind die Frauen gekommen und hatten den Jüngern „und Petrus“, ja, auf höheren Befehl ausdrücklich dem Petrus besonders, seine Auferstehung kundgetan (Mk 16,7). So beschäftigt ein verirrtes Lamm seinen Hirten, so kümmert sich der gute Hirte um sein verirrtes Lamm. Und nun hat Er sich wieder am See offenbart (Joh 21,7). Die Stunde war für den Herrn gekommen, um mit Petrus zu sprechen. Wie mag es diesem zumute gewesen sein, als er das Netz voll großer Fische zog! Seine Liebe zum Herrn war so groß, dass er sich in den See geworfen hatte, um rasch zum Herrn zu kommen. Ja, der Herr wusste, dass Petrus ihn lieb hatte. Er nimmt den Platz am Kohlenfeuer seines Herrn ein.
Am Kohlenfeuer! - Sollte da nicht ein anderes Kohlenfeuer in seiner Erinnerung sein? Dreimal hatte er an jenem Feuer den Herrn verleugnet (Lk 22,57), der ihm jetzt gegenüber sitzt und dreimal fragt: „Simon, Sohn Jonas, hast du mich lieb?“ Kannte ihn denn der Herr gar nicht mehr? Doch! Aber Petrus hatte ja dort im Hof des Hohenpriesters gesagt: „Ich kenne ihn nicht!“ Da wurde Petrus traurig, dass Jesus zum dritten Mal zu ihm sagte: „Hast du mich lieb?“ und er sprach zu Ihm: „Herr, du weißt alles, du erkennst, dass ich dich lieb habe!“
Und der Herr, der ihm einst gebot, Menschen zu fangen, beauftragt ihn jetzt, Schafe zu hüten. So wird ein Evangelist, ein Hirte berufen in die Schule des Herrn, wie auch Paulus sagte: „Apostel, nicht von Menschen noch durch einen Menschen, sondern durch Jesus Christus und Gott, den Vater“ (Gal 1,1).
Es ist ein schöner, ernster und verantwortungsvoller Dienst, denn es sind die Lämmer, die Schafe des Herrn Jesus, die der Hirte weiden und hüten soll.
Ein Hirte der Schafe des Herrn Jesus kann nicht mehr sich selbst gürten und wandeln, wohin er will: an das Kohlenfeuer des Hohenpriesters, an den See Tiberias. Da ist keine Weide für nachfolgende Lämmer, da hat er keine Kraft für treuen Hirtendienst. Nein, der Knecht ist nicht größer als sein Herr (Joh 13,16; 15,20), der Hirte nicht größer als der Erzhirte, der Weg geht zum Kreuz. Petrus folgt dem Lamm nach und die Schafe dem Hirten. Sie alle müssen durch viele Trübsale in das Reich Gottes eingehen (Apg 14,22). Der Weg zum herrlichsten Ziel ist ein Leidens-, Sterbens- und Kreuzesweg.
„Wahrlich, wahrlich, ich sage dir: Als du jünger warst, gürtetest du dich selbst und gingst, wohin du wolltest; wenn du aber alt geworden bist, wirst du deine Hände ausstrecken, und ein anderer wird dich gürten und hinbringen, wohin du nicht willst. Dies aber sagte er, andeutend, mit welchem Tod er Gott verherrlichen sollte. Und als er dies gesagt hatte, spricht er zu ihm: Folge mir nach!“ (Joh 19,18.19).
Petrus soll „Gott im Tod verherrlichen“. Und er wird es tun, wenn er es auch jetzt noch nicht will, vor kurzem noch seinen Herrn verleugnete aus Angst um sein Leben. „Ein Anderer“ wird ihn gürten. Er käme ja auch anders nicht hin, weder zum Kreuz, noch zur Herrlichkeit.
Welcher „Andere“ wird ihn gürten? „Es ist der Herr!“, der immer auf die Verherrlichung Gottes bedacht ist, der sagen konnte: „Ich habe dich verherrlicht auf der Erde.“ Er wird Petrus gürten und bringen - zur Verherrlichung Gottes, wenn die Stunde gekommen, die Zeit erfüllt ist. Wie manches Kind in Christus gürtet sich noch selbst und wandelt, wohin es selbst will! Es soll älter, soll Jüngling werden, Vater sein, und dann? - Ja, dann wird es seine Schwachheit fühlen, seine Hände ausstrecken, sich gürten, führen und hinbringen lassen zur Verherrlichung Gottes. Daran wird der große Hirte seiner Schafe arbeiten. Stütze auf Stütze wird brechen, endlich die letzte - da strecken sich die Hände aus nach ihm, und es geht vorwärts, wohin man die ganze Zeit nicht so recht wollte. Und Er, der die Stützen zerbrach, Er nimmt die ausgestreckten Hände fest in die seinen. Der Weg ist rau und steil und schwer geworden. Aber diese Hände halten fest, und das Herz wird glücklich und stark auf dem Weg dem Lamm nach, der über Golgatha zum Paradies führt. Alles ist dahinten geblieben, und nur „der Andere“ ist sichtbar, greifbar nahe, und man hört seine mahnende Stimme: „Folge mir nach! Folge du mir nach!“
Immer kleiner,
Immer reiner,
Immer treuer Christus nach,
Niemals rückwärts,
Immer vorwärts,
Bis zum vollen Erntetag!