Der neue und lebendige Weg in das Heiligtum
Kommentar zum Hebräer-Brief
Kapitel 5
Der inspirierte Schreiber setzt hier das große Thema des Priestertums Christi fort, das er in Kapitel 4 begonnen hat. Er vergleicht sein Priestertum mit dem des Aaron und macht dabei auf den Gegensatz der Personen Christus und Aarons aufmerksam. Er zeigt die Herrlichkeit des Priestertums Christi und dessen unendliche Erhabenheit und Vollkommenheit gegenüber dem des Aaron, obwohl wir beim weiteren Studium des Kapitels in verschiedenen Punkten eine gewisse Übereinstimmung feststellen werden. Wie in den bisherigen Kapiteln die Propheten, die Engel, der erste Mensch, Mose und Josua einer nach dem anderen vor der überragenden Erhabenheit Christi zurücktreten, so müssen auch ab Kapitel 5 Aaron und das levitische Priestertum mit seinen Opfern vor dem herrlichen Priestertum und dem vollkommenen Opfer Christi verschwinden. Im Gegensatz zu Ihm und seinem Werk waren sie nur Schatten und Bilder.
„Denn jeder aus Menschen genommene Hohepriester wird für Menschen bestellt in den Sachen mit Gott, damit er sowohl Gaben als auch Schlachtopfer für Sünden darbringe“ (5,1).
Aaron wie auch alle, die ihm in diesem Amt folgten, war ein aus den Menschen genommener Hohepriester. Christus war wahrer Mensch und musste Mensch sein, um sein Werk erfüllen und um mit uns Mitleid haben zu können. Dennoch war Christus nicht aus den sündigen Menschen genommen. „Er war heilig, unschuldig, unbefleckt, abgesondert von den Sündern“ (Heb 7,26). Wir sehen hier also sowohl Übereinstimmung als auch Gegensätze.
Jeder Hohepriester wird für die Menschen bestellt „in den Sachen mit Gott“, das heißt, in den Beziehungen der Menschen zu Gott, hauptsächlich im Blick auf die Vergebung der Sünden, die Aufrechterhaltung des Genusses und die Wiederherstellung der Gemeinschaft mit Gott. Dafür sollte er „sowohl Gaben als Schlachtopfer für Sünden darbringen“, wie es in dem 3. Buch Mose beschrieben wird. Es wird hier unterschieden zwischen „Gaben“, den Brand- und Friedensopfern, und den „Opfern für die Sünde“. Aber diese Gaben und Schlachtopfer waren alle, wie wir es im weiteren Verlauf der Betrachtung sehen werden, Bilder von der vollkommenen Darbringung und dem Schlachtopfer Jesu Christi (Eph 5,2).
„… der Nachsicht zu haben vermag mit den Unwissenden und Irrenden, da auch er selbst mit Schwachheit behaftet ist“ (5,2).
Der aus den Menschen genommene Hohepriester kannte die Schwachheiten des Volkes aus Erfahrung und war daher fähig, mit ihnen Nachsicht zu haben. Auch Christus hat als Mensch unsere Schwachheiten gekannt, und Er vermag, wie wir gesehen haben, mit uns Mitleid zu haben. Hierin gibt es also eine Übereinstimmung zwischen Aaron und Christus. Aber Aaron war, wie auch die übrigen Hohenpriester, unwissend und irrend; deshalb konnte er mit den Irrenden Nachsicht üben. Christus, der heilig, unschuldig und unbefleckt ist, war nicht so. Er war der vollkommene Mensch und zugleich der Sohn Gottes. In diesem Punkt steht Er zu Aaron im Gegensatz.
„… und deswegen muss er, wie für das Volk, so auch für sich selbst opfern für die Sünden“ (5,3).
Daher mussten Aaron und seine Nachfolger, und dies macht den Gegensatz sehr deutlich, für sich selbst opfern, für ihre eigenen Sünden. Aus dem zweiten und dritten Buch Mose ersehen wir, dass sie zu ihrer Einweihung, wie auch am Sühnungstag, um in das Heiligtum eintreten zu können, durch Opfer für die Sünden geheiligt werden mussten (2. Mo 29; 3. Mo 16,11). Und in 3. Mose 4 ist vermerkt, dass Aaron opfern musste, wenn er gesündigt hatte. Nichts von alledem könnte man auf Christus anwenden. Er hat sich zwar selbst geopfert, aber es geschah um unsertwillen.
„Und niemand nimmt sich selbst die Ehre, sondern er wird von Gott berufen wie auch Aaron“ (5,4).
Ein anderer Wesenszug des Hohenpriesters war der, dass er sich nicht selbst die Ehre nahm, denn er war „von Gott berufen, wie auch Aaron“. In 2. Mose 28 wird uns berichtet, wie Gott Aaron und seine Söhne berief. Der HERR sagte zu Mose: „Und du sollst deinen Bruder Aaron und seine Söhne mit ihm, aus der Mitte der Kinder Israel, zu dir herzutreten lassen, um mir den Priesterdienst auszuüben: Aaron, Nadab und Abihu, Eleasar und Ithamar, die Söhne Aarons“ (2. Mo 28,1).
Wir sehen auch am Beispiel von Korah und Ussija, dass es ein Verbrechen war, sich diese Ehre selbst anzumaßen, und wie sie dafür gerichtet wurden (4. Mo 16; 2. Chr 26,16–21). Die Tatsache, dass der Hohepriester von Gott bestellt wurde, war für das Volk die Garantie dafür, dass auch dessen Opfer angenommen würden.
„So hat auch der Christus sich nicht selbst verherrlicht, um Hoherpriester zu werden, sondern der, der zu ihm gesagt hat: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt. Wie er auch an einer anderen Stelle sagt: Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks (5,5.6).
Wie Aaron hat auch Christus sich nicht selbst verherrlicht, um Hoherpriester zu werden. Er hat diese Ehre von Gott empfangen. Aber die in den beiden hier angeführten Versen des Alten Testamentes enthaltene göttliche Erklärung macht anderseits auf weitere große Gegensätze zwischen dem Hohepriestertum Aarons und dem Hohepriestertum Christi aufmerksam. In dem Priestertum Christi sind Wesenszüge, die sich nicht auf die levitische Ordnung anwenden lassen. Sie zeigen, dass es unendlich vorzüglicher ist: „Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“, eine Anführung aus Psalm 2, die uns die herrliche Würde dessen vorstellt, der zum Hohenpriester eingesetzt und zu diesem Zweck durch Gott selbst verherrlicht wurde: „Du bist Priester in Ewigkeit nach der Ordnung Melchisedeks.“ Diese Worte sind aus Psalm 110 entnommen und zeigen uns die eigentliche Einsetzung Christi in dieses Amt durch den Mund Gottes selbst. Aber gleichzeitig sehen wir darin den Gegensatz zwischen seinem Priestertum und dem des Aaron. Er wurde im Himmel, als Er verherrlicht war, als Hohepriester eingesetzt, und nicht auf der Erde wie Aaron. Er übt das Amt nicht als Nachfolger Aarons aus, sondern nach einer neuen Ordnung, nach der Ordnung Melchisedeks. Das ist ein königliches Priestertum, das andere Züge aufweist als das levitische, worauf der Schreiber besonders im 7. Kapitel hinweist. Es ist ein immerwährendes Priestertum – in Ewigkeit. Es ist nicht zeitlich begrenzt wie das des Aaron.
„Der in den Tagen seines Fleisches, da er sowohl Bitten als Flehen dem, der ihn aus dem Tod zu erretten vermochte, mit starkem Schreien und Tränen dargebracht hat (und wegen seiner Frömmigkeit erhört worden ist), …“ (5,7).
Diese Verse zeigen uns den Weg, den Christus beschritten hat, um „vollendet“, das heißt geeignet zu werden, um für die Seinen der Urheber ewigen Heils und ihr Hohepriester im Himmel zu sein.
„In den Tagen seines Fleisches“, als Er Mensch auf dieser Erde war, hat Er an Fleisch und Blut teilgenommen, um sowohl leiden als auch um sein Leben für uns dahingeben zu können. Damals hat Er mit starkem Geschrei und Tränen sowohl Bitten als Flehen dem dargebracht, der Ihn aus dem Tod zu erretten vermochte. Er hat unsere Sache in die Hand genommen. Jetzt musste Er dafür die Folgen tragen. Er hat dabei den ganzen Schrecken des Zornes und Gerichtes Gottes gegen die Sünde empfunden, die ganze Bitterkeit des Kelches, der Ihm dargeboten wurde. Als Er diese Stunde des Todes, durch die Er gehen sollte, vor sich sah, sagte er: „Jetzt ist meine Seele bestürzt, und was soll ich sagen? Vater, rette mich aus dieser Stunde“ (Joh 12,27)! Und in Gethsemane, als der feierliche Augenblick gekommen war, hören wir Ihn dreimal in ringendem Gebet, jedoch in vollkommener Abhängigkeit und Unterwerfung zum Vater flehen: „Abba, Vater, alles ist dir möglich; nimm diesen Kelch von mir weg! Doch nicht was ich will, sondern was du willst“ (Mk 14,36)!
Wie lassen diese Worte erkennen, dass für Ihn, den Fürst des Lebens, der Gedanke so schrecklich war, dem Tod, dem Gericht Gottes über die Sünde begegnen zu müssen und dabei als der vollkommene und gerechte Mensch von Gott verlassen zu werden. Lukas beschreibt uns diese Herzensangst mit den Worten: „Als er in ringendem Kampf war, betete er heftiger. Und sein Schweiß wurde wie große Blutstropfen, die auf die Erde herabfielen“ (Lk 22,44).
Er nahm den Kelch im Gehorsam an. Seine Seele wurde gestärkt und Er ging seinen Feinden entgegen (Joh 18,4). Aber in diesen drei Stunden der Finsternis auf dem Kreuz, als Er den Kelch trank, kam noch der Schmerzensschrei aus seinem Mund: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Die erschütternden Szenen von Gethsemane und Golgatha sind die inspirierte Auslegung dieser Worte des Hebräerbriefes.
Er brachte seine Gebete dem dar, der Ihn aus dem Tod zu erretten vermochte: „Vater, alles ist dir möglich“. Er wurde „erhört“. In Psalm 22 wird schon im Voraus ausgedrückt: „Rette mich aus dem Rachen des Löwen“, und bald darauf konnte Er sagen: „Du hast mich erhört von den Hörnern der Büffel.“ Durch die Auferstehung – „aus den Toten auferweckt... durch die Herrlichkeit des Vaters“ – ist Er um seiner Frömmigkeit willen befreit worden. Gott hat auf seinen Schrei geantwortet und Er konnte sagen: „Denn meine Seele wirst du dem Scheol nicht überlassen, wirst nicht zugeben, dass dein Frommer die Verwesung sehe“ (Ps 16,10).
„… obwohl er Sohn war, an dem, was er litt, den Gehorsam lernte; und, vollendet worden, ist er allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden, von Gott begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks“ (5,8–10).
Er war Sohn, und als solchem stand es Ihm zu zu gebieten. Ein Knecht aber ist zum Gehorsam geboren. Für Ihn war daher der Gehorsam etwas Neues. Aber, „obwohl Er Sohn war“, (Anspielung auf Ps 2), war Er gehorsam. Diesen Gehorsam hat Er „an dem, was er litt“, gelernt. Als Er in die Welt kam, sprach Er: „Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun.“ Und Er hatte nie einen anderen Willen als den Willen Gottes. Er lebte immer in vollkommenem Gehorsam. Aber Er tat dies durch die täglichen Leiden und brachte so ein beständiges Opfer seines Willens, was Er im Augenblick der erhabensten Tat seines Gehorsams mit den Worten zum Ausdruck brachte: „Nicht wie ich will, sondern wie du willst.“ Von dem Augenblick an, an dem Er kam, um den Willen Gottes zu erfüllen, hat Er das ganze Leben hindurch bis zu der Stunde, wo Er es am Kreuz gelassen hat, erfahren, was es heißt zu gehorchen.
Als Einer, der auf diese Weise den Gehorsam gelernt hat, ist Er durch die Einnahme des Platzes der Herrlichkeit, den Er jetzt einnimmt, „vollendet“ oder „vollkommen gemacht“ worden und damit völlig geeignet für das, was Er nun zu erfüllen hat. Erstens ist Er „allen, die ihm gehorchen, der Urheber ewigen Heils geworden“, und zweitens wurde Er „von Gott begrüßt als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks“.
Das „ewige Heil“ steht hier im Gegensatz zu den zeitlichen Befreiungen der Juden. Wir sind für immer errettet. Es kann nichts eintreten, was ein anderes Heil nötig machen könnte. Er sitzt immerdar zur Rechten Gottes. Aber dieses ewige Heil gehört nur denen, „die ihm gehorchen“. Es ist beachtenswert, dass hier nicht gesagt wird: „Allen, die an Ihn glauben“. Wie der Heilige Geist davon geredet hat, dass die Leiden und der Gehorsam des Christus Ihn zur Herrlichkeit geführt haben, so weist Er jetzt auch drauf hin, dass die, welche an Ihn glauben, auf demselben Weg des Gehorsams nachzufolgen haben. Doch bleibt wahr, dass man Christus nur gehorchen und sich Ihm unterwerfen kann, wenn man an Ihn glaubt.
Als vollendeter, in der Herrlichkeit angelangter, ewiger Heiland derer, die Ihm nachfolgen, begrüßte Ihn Gott und erklärte Ihn zum Hohenpriester „in Ewigkeit“ (Heb 6,20) nach der Ordnung Melchisedeks. Dort im Himmel erfüllt Er für die Seinen alles, was zu diesem Priestertum gehört.
„Über diesen haben wir viel zu sagen, und es ist mit Worten schwer auszulegen, weil ihr im Hören träge geworden seid. Denn obwohl ihr der Zeit nach Lehrer sein müsstet, habt ihr wieder nötig, dass man euch lehre, welches die Elemente des Anfangs der Aussprüche Gottes sind; und ihr seid solche geworden, die Milch nötig haben und nicht feste Speise. Denn jeder, der noch Milch genießt, ist unerfahren im Wort der Gerechtigkeit, denn er ist ein Unmündiger; die feste Speise aber ist für Erwachsene, die infolge der Gewöhnung geübte Sinne haben zur Unterscheidung des Guten sowohl als auch des Bösen“ (5,11–14).
Der Schreiber des Briefes unterbricht hier den Faden des Gegenstandes des Priestertums Christi und beginnt einen Zwischenabschnitt, der sich bis zum Schluss des sechsten Kapitels erstreckt. Er enthält eine ernste Warnung an die gläubigen Hebräer, wegen ihres mangelnden Fortschrittes im geistlichen Verständnis der Dinge, die sich auf die Stellung des verherrlichten Christus beziehen. Gleichzeitig werden sie dringend ermahnt, die Verheißungen Gottes zu ergreifen, und durch die Zusicherung ermuntert, dass Er sie erfüllen wird.
Die Dinge, die Melchisedek, einem Vorbild des Priestertums Christi, betreffen, waren schwer auszulegen, nicht wegen der Dinge selbst, sondern wegen des geistlichen Zustandes der hebräischen Gläubigen. Sie waren im Hören träge geworden. Das war nicht immer so gewesen. In früheren Tagen hatten sie, nachdem sie erleuchtet worden waren, viel Kampf und Leiden erduldet (Heb 10,32). Aber ihre Neigung zu Formen und Verordnungen hatte sie am Wachstum gehindert. Sie waren versucht, zu den Schatten der viel besseren Güter, die das Christentum ihnen gebracht hatte, zurückzukehren.
Auch die Christen der heutigen Tage haben darüber zu wachen, dass die Formen, zu denen sie neigen, sie in ihrer geistlichen Entwicklung nicht aufhalten. Überhaupt haben wir uns alle davor zu hüten, dass wir im Hören nicht träge werden, gleichgültig und stumpf gegenüber all den herrlichen Wahrheiten, die uns immer und immer wieder anziehen und mit ihrer Frische erfüllen sollten. Auch wir dürfen den Eifer und die Innigkeit, die uns nach der Bekehrung kennzeichneten, nicht verlieren.
Seit den Tagen, in denen das Christentum zu ihnen gekommen war, hätten sie Fortschritte machen und nun „Lehrer“ sein sollen, fähig, andere zu unterweisen. Im Gegensatz dazu bedurften sie nun wiederum, dass man sie lehrte, welches die Elemente der Aussprüche Gottes sind. Betrifft dieser an sie gerichtete Vorwurf nicht auch eine große Zahl Christen unserer Tage? Man ist bekehrt worden und besucht christliche Zusammenkünfte. Oft sind aber nicht einmal die elementarsten Wahrheiten bekannt, „die Elemente des Anfangs der Aussprüche Gottes“, oder man kennt sie nur wenig und ungenau. Wie sehr tut es auch uns Not, diese geistliche Trägheit, die uns hindert, das zu hören, was nicht das Wort eines Menschen, sondern das Wort Gottes ist, von uns abzuschütteln. „Die Aussprüche Gottes“ sind Offenbarungen, die Gott uns gegeben hat und die wir in seinem Wort besitzen. Die ganze Heilige Schrift besteht aus solchen Aussprüchen, und die Elemente des Anfangs sind die ersten und einfachsten Wahrheiten, die darin enthalten sind.
Ihre geistliche Trägheit hatte sie zu solchen gemacht, die der Milch bedürfen und nicht der festen Speise: Sie waren Unmündige.
Im Blick auf die Christen wird an zwei Stellen von Kindheit und von Milch gesprochen, die nicht mit dieser Stelle vermengt werden dürfen.
- In 1. Korinther 3,1.2 stellt der Apostel die Geistlichen und die Fleischlichen gegenüber. Er nennt die Fleischlichen Unmündige in Christus, denen man Milch zu trinken geben muss. Er will damit nicht sagen, dass sie natürliche Menschen sind, also keine Christen, sondern dass sie als Christen auf eine fleischliche Weise lebten, nach der Weise der übrigen Menschen. Dieser Zustand, der von ihrem Hochmut herrührte, hinderte sie, die geistlichen Unterweisungen bezüglich des Geheimnisses der Weisheit Gottes zu erfassen. Sie waren Unmündige, die trotz ihrer hohen Meinung von sich selbst der Milch bedurften, einer ihrem Zustand angepassten Unterweisung.
- In 1. Petrus 2,2 wird das Wort Gottes, wovon der Apostel am Ende des ersten Kapitels geredet hat, als die vernünftige, unverfälschte Milch vorgestellt, als die reine, unvermischte, für das geistliche Verständnis des Christen bestimmte Nahrung, damit er zur Errettung wachse. Er soll nach dieser Nahrung verlangen, gleichwie ein neugeborenes Kind nach der Milch seiner Mutter verlangt, und dies soll in jedem Augenblick seines geistlichen Lebens der Fall sein. Der Apostel wirft denen, an die er sich wendet, nicht ihren Kindheitszustand vor, wie er es gegenüber den Korinthern und den Hebräern tat.
Bei den Hebräern bestand ein Kindheitszustand. Deshalb wurden sie ermahnt. Sie hatten sich den Verordnungen und den Bestimmungen des Gesetzes zugewandt, was zur Folge hatte, dass sie den himmlischen Christus aus den Augen verloren und alles, was sich auf Ihn in dieser Stellung bezog. Sie benötigten vielmehr Milch, eine Unterweisung, die ihrem Zustand angemessen war, nicht nur um sie darin aufrecht zu erhalten, sondern auch, um sie daraus zu befreien. Sie sollten zu Erwachsenen (Heb 6,1) werden, fähig, feste Speise zu sich zu nehmen und die Wahrheiten zu erfassen, die der Heilige Geist sie lehren wollte.
Wer noch der Milch bedarf und daher noch ein Kind ist, ist unerfahren (oder ungeübt) im „Wort der Gerechtigkeit“. Dieses Wort der praktischen Gerechtigkeit bringt die wahren praktischen Beziehungen der Seele mit Gott zum Ausdruck, gemäß seinem Wesen und seinen Wegen. Man wird in dem Maß darin geübt, wie Christus der Seele offenbart und ihr bekannt ist, denn Er ist die Offenbarung des Wesens Gottes und der Mittelpunkt seiner Wege. Es handelt sich für den Christen um den verherrlichten Christus in seiner himmlischen Stellung, und nicht einfach nur um den Messias für die Juden. Die feste Nahrung ist also dieses „Wort der Gerechtigkeit“, das die Stellung des verherrlichten Christus gemäß der Gerechtigkeit Gottes bekannt macht und uns in Verbindung mit Gott bringt. Das ist Nahrung für Erwachsene, für solche, die zum vollen Wuchs gelangt sind. Diese haben aufgrund der Gewohnheit, der Übung, der praktischen Verwirklichung dieses Wortes der Gerechtigkeit, geübte geistliche Sinne, um sowohl das Gute als auch das Böse zu unterscheiden. Sie können in der Stellung, die sie als Teilhaber eines himmlischen Christus besitzen, das Gottgemäße von dem trennen, was dieser Stellung nicht entspricht.