Der verheißene König und sein Reich
Kommentar zum Matthäus-Evangelium
Kapitel 14
Der Tod Johannes des Täufers (14,1-11)
„Zu jener Zeit hörte Herodes, der Vierfürst, die Kunde von Jesus und sprach zu seinen Dienern: Dieser ist Johannes der Täufer; er ist von den Toten auferstanden, und darum wirken solche Kräfte in ihm. Denn Herodes hatte Johannes gegriffen, ihn gebunden und ins Gefängnis gesetzt wegen Herodias, der Frau seines Bruders Philippus. Denn Johannes hatte ihm gesagt: Es ist dir nicht erlaubt, sie zu haben. Und er wollte ihn töten, fürchtete aber die Volksmenge, weil sie ihn für einen Propheten hielten. Als aber der Geburtstag des Herodes begangen wurde, tanzte die Tochter der Herodias vor ihnen, und sie gefiel Herodes, weshalb er mit einem Eid zusagte, ihr zu geben, was irgend sie erbitten würde. Sie aber, von ihrer Mutter angewiesen, sagt: Gib mir hier auf einer Schale das Haupt Johannes' des Täufers. Und der König wurde traurig, aber um der Eide und um derer willen, die mit zu Tisch lagen, befahl er, es zu geben. Und er sandte hin und ließ Johannes im Gefängnis enthaupten. Und sein Haupt wurde auf einer Schale gebracht und dem Mädchen gegeben; und sie brachte es ihrer Mutter“ (14,1-11).
In Kapitel 11,2-6 wird berichtet, dass Johannes der Täufer im Gefängnis war. In Kapitel 14 erfahren wir jetzt den eigentlichen Grund seiner Gefangennahme. Herodes, der Vierfürst von Galiläa, hatte Johannes gegriffen, ihn gebunden und ins Gefängnis gesetzt. Der Grund hierfür waren die Worte des Johannes, dass es unrecht sei, wenn er seine Schwägerin Herodias zur Frau habe. Aus diesem Grund hasste Herodias diesen Johannes und hätte es gern gesehen, wenn Herodes ihn umgebracht hätte. Aber der König fürchtete das Volk, denn alle hielten ihn für einen Propheten. Und er selbst sah in ihm einen gerechten und heiligen Mann (Mk 6,20).
Doch der Hass der Herodias war größer als die Bedenken des Königs. Als Herodes seinen Geburtstag feierte und inmitten der Festteilnehmer zu Tisch lag, trat die Tochter der Herodias ein und tanzte vor allen. Sie gefiel dem König so sehr, dass er mit einem Eid versprach, ihr alles zu geben, um was irgend sie bitten würde. Da ging das junge Mädchen zu ihrer Mutter und fragte, welchen Wunsch sie dem König vorbringen solle. In dem brennenden Verlangen, diesen Menschen, der es gewagt hatte, ihre böse Tat zu verurteilen, endgültig loszuwerden, gebot sie ihrer Tochter, das Haupt des Johannes zu fordern. Diese kehrte in den Festsaal zurück und antwortete dem König: „Gib mir hier auf einer Schale das Haupt Johannes' des Täufers.“
Als Herodes dies hörte, wurde er traurig. Aber um in Gegenwart der vielen Gäste seinen Eid nicht zu brechen, handelte er gegen die warnende Stimme seines Gewissens und befahl, dieser grausamen Bitte nachzukommen. Einem lasterhaften Leben wurde ein schreckliches Verbrechen zugefügt. Dann wurde ein Diener gesandt, um Johannes im Gefängnis zu enthaupten, und man überreichte dem Mädchen auf einer Schale das Haupt dieses Vorläufers des Messias. Das ist eine traurige Illustration der Worte des Herrn in Johannes 3,19.20: „Die Menschen haben die Finsternis mehr geliebt als das Licht, denn ihre Werke waren böse. Denn jeder, der Böses tut, hasst das Licht und kommt nicht zu dem Licht, damit seine Werke nicht bloßgestellt werden.“
Durch die Worte des Johannes hatte das göttliche Licht in das Gewissen des Herodes und der Herodias hineingeleuchtet. Aber durch ihre soziale Stellung stellten sie sich über jede Kritik und meinten, sich die schändliche Leidenschaft erlauben zu können. Sie ließen außer Acht, dass Gott, der Johannes den Täufer gesandt hatte, über ihnen stand. Das heilige und gerechte Leben dieses Propheten hatte ihn befähigt, seinen Auftrag zu erfüllen und das Böse zu verurteilen, wo irgend er es fand.
Johannes hat zur Buße aufgefordert (Lk 3,7-14), um den Weg des Herrn zu bereiten. Wer sein Zeugnis annahm, hatte Teil an der Gnade, die der Herr allen Sündern anbietet. Dieses göttliche Licht hatte den Hass der Herodias offenbart. Aber sie wollte dieses Licht auslöschen und wählte die Finsternis, um die Neigungen ihrer bösen Natur besser befriedigen zu können. Herodes anderseits, dessen Gewissen in einem schwachen Maß berührt worden war, hatte in sich selbst keine Kraft; er liebte die Sünde, „denn von wem jemand überwältigt ist, diesem ist er auch als Sklave unterworfen“ (2. Pet 2,19). Obwohl Herr seines Hauses und Herrscher inmitten seiner Höflinge, ließ er sich durch ein leichtsinniges Wort binden, da er ein Sklave der Sünde war. Er fügte zu seiner Lasterhaftigkeit die Gewalttat hinzu, diese beiden Höhepunkte des Bösen unter den Menschen (vgl. 1. Mo 6,11).
Es genügt nicht, das Wort Gottes zu hören und von seiner Wahrheit und Gerechtigkeit Kenntnis zu nehmen. Man muss es auch in sich aufnehmen, seine göttliche Autorität anerkennen, es auf das Gewissen wirken lassen und vom Bösen, von dem es uns überführt, abstehen. Wenn wir uns auf die Seite Gottes stellen, um dem Bösen, das in unseren Herzen wohnt, zu widerstehen, dann gibt Gott die nötige Kraft, um davon befreit zu werden. Das Wort Gottes zu hören, ohne es im praktischen Leben zu verwirklichen, ist sehr gefährlich. Auf diese Weise wird das Herz verhärtet und kommt unter die Gewalt des Teufels.
Herodias, die noch grausamer war als Herodes, hatte im Gegensatz zu ihm Johannes nicht anhören wollen. Dennoch ist, was die ewigen Folgen betrifft, der Zustand der einen wie des andern genau derselbe. Ach, wie viele Menschen hören das Wort Gottes gerne, erkennen an, dass es „heilig und gerecht und gut“ ist, und werden dennoch mit den Spöttern und Ungläubigen in der äußersten Finsternis sein, dort, wo das Weinen und das Zähneknirschen sein wird! Denn sie haben nicht geglaubt. „Das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war“ (Heb 4,2).
Als Herodes das Gerücht von dem Herrn Jesus hörte, wurde sein Gewissen, das mit dem Mord eines Gerechten belastet war, sogleich in Unruhe versetzt. Er sprach zu seinen Knechten: „Dieser ist Johannes der Täufer; er ist von den Toten auferstanden und darum wirken solche Kräfte in ihm.“ Hatte Herodes bis dahin an die Auferstehung geglaubt? Man kann es nicht annehmen, denn die Herodianer waren, wie aus Matthäus 16,6 und Markus 8,15 hervorzugehen scheint, Anhänger der Lehre der Sadduzäer, die die Auferstehung leugneten. Aber das Gewissen erlaubt dem Menschen nur dann der Wahrheit zu widersprechen, solange er glaubt, dass Gott nicht existiere oder fern ist. Sobald er jedoch einem außergewöhnlichen Ereignis gegenübersteht, verliert er seine Sicherheit und wird verwirrt, sein Gewissen klagt ihn an und versetzt ihn in Unruhe.
Was wird es sein, wenn der Mensch, der in seinem Leben durch edle Vernunftschlüsse dem göttlichen Licht hier ausgewichen ist, aber dann einmal vor dem blendenden Licht des großen weißen Thrones stehen wird, um dort vor Gott zu erkennen, dass er nackt ist, beladen mit seinen Sünden, und nun keine Gnade und keine Vergebung mehr empfangen kann!
Das Begräbnis Johannes des Täufers (14,12.13a)
„Und seine Jünger kamen herzu, hoben den Leichnam auf und begruben ihn. Und sie kamen und berichteten es Jesus. Als aber Jesus es hörte, zog er sich in einem Schiff von dort zurück an einen öden Ort für sich allein“ (14,12-13a).
Dann trugen die Jünger des Johannes den Leichnam ihres Lehrers aus dem Gefängnis heraus, begruben ihn und erzählten dem Herrn Jesus, was geschehen war. Welch schmerzliche Gefühle muss der Tod des Johannes in dem Herzen des Herrn hervorgerufen haben! Die Schatten des Kreuzes zeichneten sich immer deutlicher auf seinem Schmerzensweg ab. Denn wenn der Mensch den Vorläufer des Messias schon in einem solchen Maß hasste, wie viel erbitterter noch wird sich dieser Hass gegen den Herrn selbst wenden und nicht ruhen, bis sie Ihn, der das Licht der Welt ist, ans Kreuz gebracht haben!
Die Speisung der Fünftausend (14,13b-21)
„Und als die Volksmengen es hörten, folgten sie ihm zu Fuß aus den Städten. Und als er ausstieg, sah er eine große Volksmenge, und er wurde innerlich bewegt über sie und heilte ihre Schwachen. Als es aber Abend geworden war, traten die Jünger zu ihm und sprachen: Der Ort ist öde, und die Zeit ist schon vergangen; entlass die Volksmengen, dass sie hingehen in die Dörfer und sich etwas zum Essen kaufen. Jesus aber sprach zu ihnen: Sie haben nicht nötig wegzugehen; gebt ihr ihnen zu essen. Sie aber sagen zu ihm: Wir haben nichts hier als nur fünf Brote und zwei Fische. Er aber sprach: Bringt sie mir her. Und er befahl den Volksmengen, sich auf dem Gras zu lagern, nahm die fünf Brote und die zwei Fische, blickte auf zum Himmel und segnete sie; und er brach die Brote und gab sie den Jüngern, die Jünger aber gaben sie den Volksmengen. Und sie aßen alle und wurden gesättigt. Und sie hoben auf, was an Brocken übrig blieb, zwölf Handkörbe voll. Die aber aßen, waren etwa fünftausend Männer, ohne Frauen und Kinder“ (14,13b-21).
Der Herr zog sich also an einen öden Ort zurück. Das zeigt deutlich, was die Welt für das Herz des Herrn bedeutete: Der Herr fand in ihr nur Sünde und tödlichen Hass für seine Liebe. Wer könnte den ständigen Schmerz seines Herzens beschreiben, der die Gedanken des Menschen genau kannte und alles seiner göttlichen und menschlichen Vollkommenheit entsprechend fühlte! Und doch hat es Ihm wohlgefallen, die Herrlichkeit zu verlassen, um von der Hand des Menschen den Tod zu erleiden, damit wir aus der Macht Satans befreit würden.
Als die Volksmenge erfuhr, dass Er in einem Schiff abgefahren sei, folgten sie Ihm zu Fuß nach. Als Er sie sah, wurde Er von Mitgefühl innerlich bewegt und heilte ihre Schwachen. Die unermüdliche Liebe des Herrn kann keine Ruhe finden, solange der Mensch in der Welt unter den Folgen der Sünde leidet. Er war der einzige, der den Bedürfnissen der Volksmenge entsprechen konnte. Damals wie heute findet sich die Hilfe in Ihm allein.
Die Jünger empfahlen dem Herrn, die Volksmengen zu entlassen, damit sie selbst für ihre Bedürfnisse sorgten. Sie fanden dafür gute Gründe: die späte Tagesstunde, die Einsamkeit des Ortes. Die Nacht und die Wüste charakterisieren sowohl den Zustand Israels als auch den der Welt, die Christus verworfen hat. Das Licht war verworfen worden. Der Abend des Tages, an dem dieses Licht geleuchtet hatte, war gekommen, ohne dass der Mensch es in sich aufgenommen hatte. Die passende Stunde war vorübergegangen.
Die Welt kann nur eine Einöde ohne Hilfe bieten, wenn es sich darum handelt, den Menschen aus seinem Elend zu befreien, ihm neues Leben zu geben und dieses Leben zu nähren. Aber der Herr, obwohl verworfen, war immer noch da und immer derselbe. Er wollte nicht nur den Hunger der Volksmenge stillen, sondern auch die Jünger lehren, von seiner Macht Gebrauch zu machen. Denn es war schon Abend, und der Herr stand im Begriff, sie in der Wüste dieser Welt allein zu lassen, wo sie in der Erfüllung ihres Dienstes noch viele Bedürfnisse zu stillen haben würden.
Der Herr sprach zu ihnen: „Sie haben nicht nötig, wegzugehen; gebt ihr ihnen zu essen. Sie aber sagen zu ihm: Wir haben nichts hier als nur fünf Brote und zwei Fische. Er aber sprach: Bringt sie mir her.“ Die Jünger hatten nur Nahrung für sich selbst. Aber der Herr will, dass sie gerade das verwenden, was sie besitzen. Sie sollen es, nachdem sie es Ihm gebracht haben, der Volksmenge selbst austeilen. Das Wichtige in der Ausübung ihres Dienstes war dies, dass sie das ihnen Anvertraute dem Herrn brachten. Er nahm aus ihren Händen die fünf Brote und die zwei Fische und, aufblickend zum Himmel, segnete Er sie. Nur der Segen des Herrn macht die uns anvertrauten Gaben wirksam, so dass sie anderen zum Nutzen sein können.
Dann brach Er die Brote und befahl den Jüngern, sie den fünftausend Männern, wozu noch Frauen und Kinder gehörten, auszuteilen. Dabei blieben sogar zwölf Handkörbe voll Brocken übrig. Wir erkennen daraus, dass nach Gottes Gedanken bei allem Überfluss auch Ordnung und Sparsamkeit angewandt werden muss. Gaben in Überfluss zu besitzen ist nicht ein Grund, etwas davon durch Verschwendung verloren gehen zu lassen. Was wir selbst nicht nötig haben, sollten wir anderen zugute kommen lassen. Der Geizige spart, um seine eigene Selbstsucht zu befriedigen. Die Liebe dagegen, die in allem das Gegenteil der Selbstsucht ist, verwaltet die anvertrauten Güter mit Sorgfalt, um anderen davon mitzuteilen.
Durch diese Vermehrung der Brote offenbarte sich der Herr dem Volk als der, von dem David in Psalm 132,15 gesagt hatte: „Seine Speise will ich reichlich segnen, seine Armen mit Brot sättigen.“ Dieses Wort wird in dem Reich der Herrlichkeit des Messias in noch höherem Maß in Erfüllung gehen. Das Reich konnte jetzt noch nicht aufgerichtet werden, weil Christus verworfen war. Aber der Herr wollte seine Jünger darüber belehren, dass ihnen während der Abwesenheit ihres Meisters alle Hilfsquellen, die sie für ihren Dienst nötig haben würden, in Ihm selbst offen standen. Sie stehen auch jedem Glaubenden, zu allen Zeiten und für alle Bedürfnisse zur Verfügung.
Wenn der Herr uns einen Dienst anvertraut, so fühlen wir sofort unser Unvermögen, ihn zu erfüllen; aber dann sagt Er zu den Jüngern und auch zu uns: „Bringt sie mir her!“ Das Wenige, was wir besitzen, wird Er segnen, so dass es aus unseren Händen vervielfältigt hervorgehen wird, selbst über alle Bedürfnisse hinaus. Solche Erfahrungen zu machen ist eine wunderbare Gnade!
Wenn z. B. ein junger Christ sich gedrängt fühlt, zu einem Mitmenschen von dem Herrn zu reden, so sagt er sich vielleicht: „Ich bin noch unwissend in den Dingen Gottes, ich bin nicht gewohnt, davon zu reden.“ Aber er kennt immerhin etwas von der wunderbaren Gnade Jesu. Und so kann er das Wenige, was er hat, dem Herrn im Gebet bringen. Er wird das von Ihm empfangen, was er weitergeben kann. Er wird die gleiche Erfahrung machen, wie die Jünger bei der Vermehrung der Brote. Diesen Grundsatz können wir immer anwenden, bei allen Gelegenheiten, die vor uns gestellt werden. Jeder sollte geben, was er hat. Es ist nicht richtig, zu warten, bis man mehr hat. Wir können in allem auf den Herrn rechnen. Er wird unsere geringen Gaben segnen, wie ja auch zu den besten Gaben sein Segen nötig ist. Paulus sagt in 2. Korinther 8,12: „So ist jemand angenehm nach dem, was er hat, und nicht nach dem, was er nicht hat.“ Und in Sprüche 11,24.25 lesen wir: „Da ist einer, der ausstreut, und er bekommt noch mehr; und einer, der mehr spart, als recht ist, und es ist nur zum Mangel. Die segnende Seele wird reichlich gesättigt, und der Tränkende wird auch selbst getränkt.“
Der Herr allein auf dem Berg (14,22.23)
„Und sogleich nötigte er die Jünger, in das Schiff zu steigen und ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren, bis er die Volksmengen entlassen habe. Und als er die Volksmengen entlassen hatte, stieg er auf den Berg für sich allein, um zu beten. Als es aber Abend geworden war, war er dort allein“ (14,22.23).
Wie überall in der Heiligen Schrift enthält der inspirierte Bericht des Schreibers eine bildliche Belehrung, die weit über den geschichtlichen Bericht, so interessant er sein mag, hinausgeht. Wir haben schon gesehen, dass es jetzt, bildlich betrachtet, der Abend des Tages war, an dem sich der Herr inmitten seines irdischen Volkes befunden hatte. Wie Er hier die Volksmenge entließ, so verließ Er auch als Folge seiner Verwerfung sein irdisches Volk Israel, das doch durch die Zeichen, die Er getan hatte, Ihn als den verheißenen Messias hätte erkennen müssen.
Dann forderte Er seine Jünger auf, Ihm an das jenseitige Ufer vorauszufahren. Damit wollte der Herr den Seinigen andeuten, dass sie sich nun ohne Ihn auf den Weg machen sollten, um diese Welt bis an das glückliche Ufer zu durchschreiten, wo sie Ihn wieder antreffen und sich der herrlichen Segnungen erfreuen werden, die Er für sie bereitet hat.
Er aber stieg auf den Berg, um zu beten. So ist der Herr in den Himmel hinaufgestiegen, um sich für die Seinigen zu verwenden, die die stürmische Nacht dieser Welt durchschreiten, in der Erwartung seiner Rückkehr. Er kennt die Gefahren des Weges, den Er ja selbst gegangen ist und kommt denen, die Ihm auf diesem Weg folgen, im richtigen Augenblick zur Hilfe, „indem er allezeit lebt, um sich für sie zu verwenden“ (Heb 7,25). Das ist der Dienst des Herrn, unseres Hohenpriesters, wie Er im Hebräerbrief dargestellt wird.
Die Jünger in Seenot (14,24-33)
„Das Schiff aber war schon mitten auf dem See und litt Not von den Wellen, denn der Wind war ihnen entgegen. Aber in der vierten Nachtwache kam er zu ihnen, gehend auf dem See. Als aber die Jünger ihn auf dem See gehen sahen, wurden sie bestürzt und sprachen: Es ist ein Gespenst! Und sie schrien vor Furcht. Sogleich aber redete Jesus zu ihnen und sprach: Seid guten Mutes, ich bin es; fürchtet euch nicht! Petrus aber antwortete ihm und sprach: Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff und ging auf den Wassern und kam zu Jesus. Als er aber den starken Wind sah, fürchtete er sich; und als er anfing zu sinken, schrie er und sprach: Herr, rette mich! Sogleich aber streckte Jesus die Hand aus, ergriff ihn und spricht zu ihm: Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt? Und als sie in das Schiff gestiegen waren, legte sich der Wind. Die aber in dem Schiff waren, warfen sich vor ihm nieder und sprachen: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“ (14,24-33).
In den Versen 24-33 haben wir ein weiteres Bild der Umstände, in denen sich die Jünger während der Abwesenheit ihres Herrn befinden. Der Wind war ihnen entgegen und erzeugte Wellen, die sie zu überwältigen drohten. So ruft der Feind in der Welt heftige Feindschaft und Verfolgung gegen die Gläubigen hervor. Diese Feindschaft bekamen nach dem Weggang ihres Meisters auch die Jünger zu spüren. Ebenso wird der gläubige Überrest Israels sie erleiden müssen, wenn er durch die schreckliche Drangsal am Ende der jetzigen Zeit gehen wird. Diese Feindschaft wird nicht aufhören, bis der Herr Jesus in Herrlichkeit kommt und durch seine Macht den von Satan erregten Sturm zum Schweigen bringt.
Bis dahin können wir die kostbaren Belehrungen dieses Berichtes auch auf uns anwenden. Denn auch wir durchschreiten die sittliche Finsternis oder Nacht dieser Welt, die Satan mit Gewalt beherrscht und uns manche Prüfungen wie Stürme entgegentreten. Der Herr steht über dem allem. Er beschäftigt sich mit den Seinigen in allen ihren Schwierigkeiten. Er lässt im richtigen Augenblick seine Stimme hören und ermuntert sie durch sein Wort: „Ich bin es; fürchtet euch nicht!“ Er kannte die Angst seiner Jünger, als Er in der vierten Nachtwache zu ihnen kam, wandelnd auf dem See. Der Herr kennt auch unsere Trübsale, „denn worin er selbst gelitten hat, als er versucht wurde, vermag er denen zu helfen, die versucht werden“ (Heb 2,18). Aber es kann auch vorkommen, dass wir sein Handeln mit uns missverstehen und dadurch beunruhigt werden, wie die Jünger, die den Herrn für ein Gespenst hielten, als Er ihnen auf den Wassern entgegenkam. Ach, dass wir doch mehr mit Ihm beschäftigt wären, um in allen Umständen Ihn selbst zu erkennen!
Als Petrus die Stimme Jesu erkannte, sprach er zu Ihm: „Herr, wenn du es bist, so befiehl mir, zu dir zu kommen auf den Wassern. Er aber sprach: Komm! Und Petrus stieg aus dem Schiff und ging auf den Wassern und kam zu Jesus.“ Wir sehen hieraus, wie groß die Macht des Wortes des Herrn ist. Petrus ist noch nie auf dem Wasser gelaufen: kein Mensch könnte das tun. Aber Petrus sah, dass der Herr es konnte. Und er kannte Ihn gut genug, um zu wissen, dass, wenn Er ihm befiehlt zu Ihm zu kommen, dass Er ihn stützen würde.
Auch uns will der Herr die Fähigkeit geben, das zu tun, was Er uns sagt. Wir können Ihm vertrauen. Er wird uns das Nötige geben, um Ihm zu gehorchen, auch wenn uns manchmal die Schwierigkeiten unüberwindlich erscheinen. Aber wir müssen volles Vertrauen zu seinem Wort haben und nicht auf die Umstände blicken. Auf dem Weg des Gehorsams werden Schwierigkeiten nicht ausbleiben. Die Jünger hatten dem Herrn gehorcht, als sie nach dem jenseitigen Ufer abfuhren. Dann aber hat Er den Sturm zugelassen, damit sie ihren Herrn besser kennen lernen möchten und ihm noch tiefer vertrauen.
Kaum war Petrus einen kurzen Augenblick auf dem Wasser gelaufen, da richtete er seinen Blick schon auf den heftigen Sturm, anstatt allein auf den zu sehen, der ihm zugerufen hatte: „Komm!“ Und als er die Gewalt des Sturmes sah, fürchtete er sich. Aber welche Gnade von seiten des Herrn! Auf den Hilferuf des Petrus hin streckte Er seine Hand aus, ergriff ihn und sprach: „Kleingläubiger, warum hast du gezweifelt?“
Der Herr hat Macht, uns auf unserem Weg auch ohne Straucheln zu bewahren, sofern wir im Glauben auf Ihn blicken. Und wenn wir sinken, weil unser Blick von Ihm abgewendet ist, so ist seine mächtige Hand auf unseren Hilferuf hin bereit, uns in der Not beizustehen. Es ist kostbar, eine solche Erfahrung zu machen. Aber der Herr wird mehr verherrlicht, wenn wir unerschütterlich auf Ihn vertrauen und nicht straucheln. Dann erfahren wir etwas von der Macht, durch die Er selbst auf dem Weg des Gehorsams gegangen ist.
Als der Herr den Petrus gerettet hatte und beide wieder in das Schiff gestiegen waren, „legte sich der Wind. Die aber in dem Schiff waren, kamen und warfen sich vor ihm nieder und sprachen: Wahrhaftig, du bist Gottes Sohn!“
Petrus ist hier ein Bild der Versammlung, die den Ruf des Herrn gehört hat und Ihm im Glauben entgegengeht. Aber leider ist sie durch ihren Kleinglauben gesunken, da sie ihren Herrn aus den Augen verloren hat. Dennoch wird Er durch die Macht seiner Gnade die Versammlung zu sich aufnehmen.
Danach wird der Herr dem gläubigen Überrest Israels erscheinen, von dem die im Schiff gebliebenen Jünger ein Bild sind. Der Wind, die Gewalt Satans, der in erbarmungsloser Weise gegen sie gewütet hat, wird sich legen, und der jüdische Überrest wird den Herrn Jesus als den wahrhaftigen Sohn Gottes erkennen. Als Er in Gnade bei den damaligen Juden war, hatten sie sich geweigert, Ihn als solchen anzuerkennen und hatten gerade deshalb von Pilatus seinen Tod gefordert, weil Er, wie sie sagten, sich selbst zu Gottes Sohn gemacht habe (Joh 19,7).
Wie überzeugend beweist doch diese einfache Erzählung die göttliche Inspiration der Heiligen Schrift! Der Geist Gottes gibt uns hier mit wenigen Worten einen kurzen Überblick über die Geschichte des jüdischen Volkes wie auch der Kirche, anfangend von der Himmelfahrt des Herrn bis zu seinem Erscheinen in Herrlichkeit! Zugleich haben wir hier eine Beschreibung der Sorgfalt, mit der der Herr die Seinen während dieser Zeit umgibt.
Das jenseitige Ufer (14,34-36)
„Und als sie hinübergefahren waren, kamen sie ans Land, nach Genezareth. Und als die Männer jenes Ortes ihn erkannten, schickten sie in jene ganze Gegend und brachten alle Leidenden zu ihm; und sie baten ihn, dass sie nur die Quaste seines Gewandes anrühren dürften; und so viele ihn anrührten, wurden völlig geheilt“ (13,34-36).
Die Verse 34-36 vervollständigen dieses herrliche Bild. Die Bewohner des jenseitigen Ufers der Gegend von Genezareth, in der der Herr mit seinen Jüngern jetzt angekommen ist, erkannten Ihn. So wird Christus auch von dem gläubigen Überrest der Juden erkannt werden, wenn Er zu ihrer Befreiung erscheinen wird. Diejenigen, die Ihn dann aufnehmen, werden seine Macht sehen und sich der Gnade erfreuen, die sie rettet und ihnen Anteil gibt an dem Frieden und der Ruhe des zukünftigen Reiches, das Er errichten wird.
Das Teil derer, die an den Herrn geglaubt haben und Ihm während der Zeit seiner Verwerfung gefolgt sind, wird unendlich herrlicher sein, als das Teil derer, die erst dann glauben werden, wenn sie Ihn sehen. Deshalb sagt der Herr zu Thomas: „Glückselig sind, die nicht gesehen und doch geglaubt haben!“ (Joh 20,29). Möchten wir Ihm alle von Herzen zurufen: „Komm, Herr Jesus!“.