Der verheißene König und sein Reich
Kommentar zum Matthäus-Evangelium
Kapitel 12
Der Sohn des Menschen ist der Herr des Sabbats (12,1–8)
„Zu jener Zeit ging Jesus am Sabbat durch die Kornfelder; es hungerte aber seine Jünger, und sie fingen an, Ähren abzupflücken und zu essen. Als aber die Pharisäer es sahen, sprachen sie zu ihm: Siehe, deine Jünger tun, was am Sabbat zu tun nicht erlaubt ist. Er aber sprach zu ihnen: Habt ihr nicht gelesen, was David tat, als ihn und die, die bei ihm waren, hungerte? Wie er in das Haus Gottes ging und die Schaubrote aß, die er nicht essen durfte noch die, die bei ihm waren, sondern allein die Priester? Oder habt ihr nicht in dem Gesetz gelesen, dass am Sabbat die Priester im Tempel den Sabbat entheiligen und doch schuldlos sind?
Ich sage euch aber: Größeres als der Tempel ist hier. Wenn ihr aber erkannt hättet, was das ist: 'Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer', so hättet ihr die Schuldlosen nicht verurteilt. Denn der Sohn des Menschen ist Herr des Sabbats“ (12,1–8).
In Kapitel 11 wurde uns schon mitgeteilt, dass der Herr seine Verwerfung feststellte und wie sein Herz darüber großen Schmerz empfunden hat. In diesem Kapitel nun tritt die Verwerfung noch deutlicher hervor, und es werden uns die Folgen vorgestellt, die die Verwerfung des Herrn für das jüdische Volk nach sich ziehen: die Verwerfung des Volkes selbst und das Gericht Gottes über dieses Volk.
An einem Sabbat ging der Herr mit den Jüngern durch die Kornfelder. Seine Jünger, die hungrig waren, fingen an, Körner zu essen. Nach dem mosaischen Gesetz war dies erlaubt. Wenn man an dem Feld seines Nächsten vorbeikam, durfte man mit der Hand Ähren abpflücken, aber nicht mit der Sichel ernten (5. Mo 23,26). Aber es war Sabbat, und die Pharisäer machten den Herrn darauf aufmerksam, dass seine Jünger etwas tun würden, was an diesem Tag nicht erlaubt sei.
Der Herr Jesus aber erinnerte sie daran, dass David, als er vor Saul floh, die Schaubrote gegessen hatte, wozu sonst nur die Priester berechtigt waren (1. Sam 21). Wie David damals, so war der Herr jetzt der verworfene König. Was nützte die Beobachtung der Verordnungen, wenn man den König nicht anerkennen wollte?
Aber der Herr erwähnte noch eine andere Tatsache: Wenn die Priester am Sabbat im Tempel den Dienst verrichteten, dann entheiligten sie ihn und wurden nicht für schuldig gehalten, weil sie sich im Haus Gottes befanden (vgl. 4. Mo 28,9.10). Der Herr fügte hinzu: „Ich sage euch aber: Größeres als der Tempel ist hier.“ Gott selbst war da in der Mitte seines Volkes, nicht im Tempel, aber in der Person seines Sohnes, den niemand erkannte, als nur der Vater. „Wenn ihr aber erkannt hättet“, sagte Er, „was das ist: ‚Ich will Barmherzigkeit und nicht Schlachtopfer’, so hättet ihr die Schuldlosen nicht verurteilt.“ Hätten die Pharisäer verstanden, dass Gott aus reinem Erbarmen sein Volk besuchte, so hätten sie in demselben Geist gehandelt und nicht die Jünger verurteilt, die unter den gegebenen Verhältnissen gar nicht schuldig waren.
Der Herr fügt hinzu: „Denn der Sohn des Menschen ist Herr des Sabbats.“ Da Er als Messias verworfen worden war, wurde das ganze System des Gesetzes beiseite gesetzt und der Herr nahm die Stellung als Sohn des Menschen ein, dessen Rechte in allem den Vorrang haben. Er konnte also auch über den Sabbat verfügen und war ihm nicht unterworfen. Aber die Pharisäer wollten das Gesetz des Sabbats bestehen lassen, wie sie überhaupt an allen äußeren Vorrechten des jüdischen Volkes festhielten. Dabei aber verwarfen sie den Messias, und damit sogar Gott selbst, der ihnen das Gesetz gegeben hatte.
Der Sabbat erinnert an den Bund zwischen Gott und seinem Volk (2. Mo 31,16.17; Hes 20,12). Gott hatte durch die Einsetzung des Sabbats die Absicht kundgetan, das Volk Israel an seiner Ruhe teilnehmen zu lassen. Aber auf dem Boden des Gesetzes ist es unmöglich, Ruhe zu finden. Das Gesetz beweist ja gerade die Unfähigkeit des Menschen, Gutes zu tun und stellt deshalb sein unheilbares Verderben fest. Nicht nur hatte Israel von Anfang an das Gesetz gebrochen, es verwarf nun auch den Heiland und König. Es hat daher sein Anrecht an den Segnungen, die ihm auf dem Boden des Gesetzes verheißen waren, verloren. Es war also nutzlos, an den gesetzlichen Vorschriften festzuhalten. Das Gesetz hat nichts anderes hervorgebracht als das vernichtende Urteil über den Menschen: Du bist verloren. Aber Gott wollte gegen Israel, wie ja auch gegen alle Menschen, in Gnade handeln. Daher kann Er nicht ruhen, solange der Mensch unter den verderblichen Folgen der Sünde bleibt.
Der Herr ließ das Volk nicht in dem Glauben, dass es fortfahren könne, den Sabbat zu beobachten, wenn es dabei Ihn selbst, seinen Heiland, verwarf. Er war da, um in Gnade zu wirken. „Mein Vater wirkt bis jetzt, und ich wirke“ (Joh 5,17), sagte Er bei einer ähnlichen Gelegenheit. Wie wir im vorhergehenden Kapitel gesehen haben, lädt er dazu ein, zu ihm zu kommen, um eine Ruhe zu finden, die das Gesetz niemals geben kann.
Die Heilung der verdorrten Hand (12,9–13)
„Und als er von dort weiterging, kam er in ihre Synagoge. Und siehe, da war ein Mensch, der eine verdorrte Hand hatte. Und sie fragten ihn und sprachen: Ist es erlaubt, am Sabbat zu heilen? - um ihn anklagen zu können. Er aber sprach zu ihnen: Welcher Mensch wird unter euch sein, der ein Schaf hat und, wenn dieses am Sabbat in eine Grube fällt, es nicht ergreifen und aufrichten wird? Wie viel vorzüglicher ist nun ein Mensch als ein Schaf! Also ist es erlaubt, am Sabbat Gutes zu tun. Dann spricht er zu dem Menschen: Strecke deine Hand aus! Und er streckte sie aus, und sie wurde wiederhergestellt, gesund wie die andere“ (12,9–13).
Die nächste Begebenheit zeigt wieder, dass das Gesetz, an dem die Juden unbedingt festhalten wollten, dem Menschen in seinem verlorenen Zustand nicht helfen kann.
In der Synagoge war ein Mensch mit einer verdorrten Hand. Die Juden fragten den Herrn und zwar um ihn anklagen zu können, ob es erlaubt sei, jemanden am Sabbat zu heilen. Wenn die Juden den Sabbat brachen, um ein Schaf zu retten, wie viel mehr wird Gott in Gnade wirken, und zwar alle Tage ohne Unterschied, um Menschen, die unter die schrecklichen Folgen der Sünde gefallen sind, zu retten!
Der vollkommene Diener (12,14–21)
„Die Pharisäer aber gingen hinaus und hielten Rat gegen ihn, wie sie ihn umbrächten. Als aber Jesus es erkannte, zog er sich von dort zurück; und große Volksmengen folgten ihm, und er heilte sie alle. Und er gebot ihnen ernstlich, ihn nicht offenbar zu machen, damit erfüllt würde, was durch den Propheten Jesaja geredet ist, der spricht: 'Siehe, mein Knecht, den ich erwählt habe, mein Geliebter, an dem meine Seele Wohlgefallen gefunden hat; ich werde meinen Geist auf ihn legen, und er wird den Nationen Gericht ankündigen. Er wird nicht streiten noch schreien, noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören; ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Gericht zum Sieg führt; und auf seinen Namen werden die Nationen hoffen'“ (12,14–21).
Die Heilung dieses Menschen und vor allem die Worte der Wahrheit, die die Pharisäer hören mussten, erregten sie so sehr, dass sie sich berieten, wie sie Jesus umbringen könnten. Der unversöhnliche Hass der Juden hielt den Herrn nicht zurück, die zahlreichen Bedürfnisse der Volksmengen, die Ihm trotz der Feindschaft ihrer Führer folgten, zu befriedigen. Die Liebe des Herrn wirkte in Barmherzigkeit, indem Er alle heilte, die vom Teufel überwältigt waren (Apg 10,38). Er erfüllte den Willen seines Vaters, wollte aber weder die Neugier der Menschen, noch ihr Lob auf sich lenken. Deshalb bedrohte Er sie, dass sie Ihn nicht offenbar machten. Damit erfüllte sich, was Jesaja geredet hatte: „Siehe, mein Knecht, den ich erwählt habe, mein Geliebter, an dem meine Seele Wohlgefallen gefunden hat; ich werde meinen Geist auf ihn legen, und er wird den Nationen Gericht ankündigen. Er wird nicht streiten noch schreien, noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören; ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Gericht zum Sieg führt; und auf seinen Namen werden die Nationen hoffen.“
Wie völlig anders beurteilt und bewertet doch Gott seinen Sohn, als Menschen es tun! In Sprüche 8 wird von ihm gesagt, dass er „vor den Uranfängen der Erde war“, dass er Werkmeister (oder Schoßkind, Liebling) bei dem HERRN und Tag für Tag seine Wonne war, sich allezeit vor Ihm ergötzend (Spr 8,23–30). Wenn Gott für sein großes Werk auf der Erde einen Diener brauchte, so konnte Er nur seinen geliebten Sohn dazu erwählen. Wir verstehen deshalb, wie sehr das Herz Gottes befriedigt war, den Sohn auf der Erde zu sehen, von dem Er bei anderen Gelegenheiten bezeugte: „Dieser ist mein geliebter Sohn, an dem ich Wohlgefallen gefunden habe“ (Mt 3,17; 17,5). Aber nichts beleuchtet deutlicher die große Kluft, die in sittlicher Hinsicht zwischen Gott und dem Menschen besteht, als der Unterschied in der Wertschätzung der Person des Herrn! Dies werden wir bei der Betrachtung der weiteren Abschnitte dieses Kapitels noch deutlicher sehen.
Was kann Gott von einem Geschöpf erwarten, das den Gegenstand seiner ewigen Wonne so sehr hasst? Wie könnte ein solcher Mensch Ihm wohlgefällig sein? Deshalb sagt Paulus in Römer 8,8: „Die aber, die im Fleische sind, vermögen Gott nicht zu gefallen.“ Aber von dem Herrn Jesus kann Gott sagen: „Ich werde meinen Geist auf ihn legen, und er wird den Nationen Gericht ankündigen.“ Niemand konnte aufgrund seiner eigenen Vollkommenheit den Geist Gottes empfangen, als nur der Herr Jesus allein. Er war schon am Anfang seines öffentlichen Dienstes in dieser Welt mit dem Heiligem Geist versiegelt worden. Der Gläubige aber kann den Heiligen Geist erst empfangen, wenn er durch den Glauben an das Blut Christi von seinen Sünden gereinigt ist. Das haben wir schon bei der Betrachtung des 3. Kapitels festgestellt.
„Er wird nicht streiten noch schreien, noch wird jemand seine Stimme auf den Straßen hören.“ Diese Worte kennzeichnen den Charakter der Gnade dieses sanftmütigen und von Herzen demütigen Menschen. Er zog nie die Aufmerksamkeit der Menschen auf sich selbst, sondern ging stets in vollkommener Selbstverleugnung, demütig, aber in der Kraft des Geistes voran, um sein Werk der Liebe zu erfüllen. Welcher Gegensatz zu den Menschen, die mit ihrer eigenen Person immer viel Aufsehen erregen wollen! Man hat oft gesagt: Das Gute macht kein Geräusch, und das Geräuschvolle tut nichts Gutes. Der Herr war gekommen, den Willen seines Vaters zu tun und handelte immer nur für Ihn. Er suchte nur die Anerkennung seines himmlischen Vaters, aber nie den Beifall der Menschen, nicht einmal den Beifall seiner Jünger.
Lasst uns diesen vollkommenen Diener zum Vorbild nehmen und durchdrungen sein von den Grundsätzen, die Ihn beim Handeln geleitet haben, damit unser Leben und unser Dienst so beschaffen ist, dass es Gott allein gefällt. Denn wenn unser Tun Ihm angenehm ist, werden wir nur das Gute tun und auch anderen nützlich sein. Der Tag wird kommen, an dem die Arbeit eines jeden offenbar wird, gemäß der Wertschätzung des Meisters. „Dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“ (1. Kor 4,5).
Eine andere Seite der Gnade und der Güte des Herrn Jesus wird mit den Worten angedeutet: „Ein geknicktes Rohr wird er nicht zerbrechen, und einen glimmenden Docht wird er nicht auslöschen, bis er das Gericht zum Sieg führt; und auf seinen Namen werden die Nationen hoffen.“ Das geknickte Rohr stellt den Zustand der Schwachheit des jüdischen Volkes dar, das unter die Herrschaft der Römer gekommen war, wenn auch seit der Rückkehr aus der Gefangenschaft vom Götzendienst befreit, um inmitten der Nationen das Licht Gottes zu sein. Der Herr beachtete in diesem schwachen Volk auch das Wenige, das sich vorfand, obwohl es gerecht erschien, mit einem solchen Volk Schluss zu machen. Wenn seine Herrschaft mit Gericht eingeführt sein wird, werden auch die Nationen auf seinen Namen hoffen. Mit der gleichen Gnade und Güte begegnet dieser sanftmütige Heiland auch jedem von uns.
Die Lästerung des Geistes (12,22–32)
„Dann wurde ein Besessener zu ihm gebracht, blind und stumm; und er heilte ihn, so dass der Stumme redete und sah. Und alle die Volksmengen erstaunten und sprachen: Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids? Die Pharisäer aber sagten, als sie es hörten: Dieser treibt die Dämonen nicht anders aus als durch den Beelzebul, den Fürsten der Dämonen. Da er aber ihre Gedanken kannte, sprach er zu ihnen: Jedes Reich, das mit sich selbst entzweit ist, wird verwüstet; und jede Stadt oder jedes Haus, das mit sich selbst entzweit ist, wird nicht bestehen. Und wenn der Satan den Satan austreibt, so ist er mit sich selbst entzweit; wie wird denn sein Reich bestehen? Und wenn ich durch Beelzebul die Dämonen austreibe, durch wen treiben eure Söhne sie aus? Darum werden sie eure Richter sein. Wenn ich aber durch den Geist Gottes die Dämonen austreibe, so ist also das Reich Gottes zu euch gekommen. Oder wie kann jemand in das Haus des Starken eindringen und seinen Hausrat rauben, wenn er nicht zuvor den Starken bindet? Und dann wird er sein Haus berauben. Wer nicht mit mir ist, ist gegen mich, und wer nicht mit mir sammelt, zerstreut. Deshalb sage ich euch: Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden; aber die Lästerung des Geistes wird [den Menschen] nicht vergeben werden. Und wer irgend ein Wort redet gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wer aber irgend gegen den Heiligen Geist redet, dem wird nicht vergeben werden – weder in diesem Zeitalter noch in dem zukünftigen“ (12,22–32).
Dann wurde ein Besessener, stumm und blind, zum Herrn gebracht und Er heilte ihn. Als die Volksmengen ein solch erstaunliches Wunder sahen, riefen sie voll Verwunderung aus: „Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids?“ Als die Pharisäer, die die Auswirkungen der Macht Gottes fürchteten, dies hörten, schrieben sie das Wunder dem Obersten der Dämonen zu. Sie konnten es nicht leugnen, wollten aber nicht zugeben, dass der Herr es in der Kraft Gottes vollbracht hatte. Ihr Hass gegen den Herrn machte sie in einem solchen Maß blind, dass sie sich der Torheit ihrer Beschuldigung nicht bewusst waren.
Der Herr sagte ihnen daher: „Jedes Reich, das mit sich selbst entzweit ist, wird verwüstet ... Und wenn der Satan den Satan austreibt, so ist er mit sich selbst entzweit; wie wird denn sein Reich bestehen?“ Es war die Macht des Heiligen Geistes, womit der Herr die Dämonen austrieb. Um diese Macht gegen Satan anzuwenden, hatte Er zuvor den „Starken“ binden müssen; das war bei der Versuchung in der Wüste geschehen. Auf Grund dieses Sieges konnte Er jetzt dem Starken seinen Hausrat rauben, d. h. diejenigen befreien, die Satan unter seine Gewalt gebracht hatte. Die Entfaltung dieser Macht über die Dämonen bewies, dass das Reich gekommen war. Später, bei der Erscheinung des Sohnes des Menschen, wird das Reich durch dieselbe Macht aufgerichtet werden (vgl. 2. Thes 2,8).
Die Beschuldigung, er habe die Dämonen durch Beelzebul ausgetrieben, stellt eine Sünde von außerordentlicher Schwere dar; denn damit behaupteten sie, dass die Macht, in der der Herr wirkte, ihren Ursprung in Satan hat. Deshalb antwortete der Herr: „Jede Sünde und Lästerung wird den Menschen vergeben werden ... und wer irgend ein Wort redet gegen den Sohn des Menschen, dem wird vergeben werden; wer aber irgend gegen den Heiligen Geist redet, dem wird nicht vergeben werden – weder in diesem Zeitalter noch in dem zukünftigen.“ Sogar von seinen Henkern sagte der Herr am Kreuz: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun“ (Lk 23,34). Welch unergründliche Gnade offenbaren diese Worte des Herrn! Aber die Lästerung, die darin bestand, dass die Pharisäer die Macht des Heiligen Geistes als eine Macht des Teufels bezeichneten, das wird den Schuldigen nicht vergeben werden, weder in diesem Zeitalter, dem Zeitalter des Gesetzes, in dem sich die Juden damals befanden, noch in dem zukünftigen Zeitalter, in dem der Herr sein Reich in derselben Macht aufrichten wird. Wie könnten auch Menschen, die die Macht, in der das Reich Gottes aufgerichtet wird, dem Satan zuschreiben, Leben haben zum Eingang in dieses Reich?
Die gegenwärtige Zeit, die zwischen den beiden genannten Zeitaltern liegt, ist die Zeit der Gnade. In unseren Tagen verwirrt der Feind manche und bringt sie dahin, anzunehmen, sie hätten die Sünde oder die Lästerung gegen den Heiligen Geist begangen und würden deshalb nicht errettet. Um diese Sünde der Lästerung begehen zu können, muss man in der Zeit leben, wo sich diese Macht in sichtbaren Zeichen kundgibt. Für die heutige Zeit gilt, dass jeder, der an Ihn glaubt, ewiges Leben hat (Joh 3,36).
Der gute und der böse Schatz (12,33–37)
„Entweder macht den Baum gut und so seine Frucht gut, oder macht den Baum faul und so seine Frucht faul; denn an der Frucht wird der Baum erkannt. Ihr Otternbrut! Wie könnt ihr Gutes reden, da ihr böse seid? Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund. Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatz Böses hervor. Ich sage euch aber: Von jedem unnützen Wort, das die Menschen reden werden, werden sie Rechenschaft geben am Tag des Gerichts; denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verurteilt werden“ (12,33–37).
Der Herr zeigte den Pharisäern, dass ihre Worte Zeugnis gaben von dem, was sie waren, nämlich böse Menschen, aus deren Herzen nur Böses hervorgehen kann. „Denn aus der Fülle des Herzens redet der Mund“ und „an ihren Früchten werdet ihr sie erkennen“ (Mt 7,16). Da der Zustand des Herzens durch die Worte des Mundes offenbar wird, so wird der Ungläubige am Tag des Gerichts von allen seinen unnützen Worten Gott Rechenschaft ablegen müssen. „Denn aus deinen Worten wirst du gerechtfertigt werden, und aus deinen Worten wirst du verurteilt werden.“ Desgleichen heißt es auch in Römer 10,10: „Denn mit dem Herzen wird geglaubt zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber wird bekannt zum Heil.“ Die Tatsache, dass jemand errettet ist, bestätigt sich durch seine Worte.
Der Herr sagt: „Der gute Mensch bringt aus dem guten Schatz Gutes hervor, und der böse Mensch bringt aus dem bösen Schatz Böses hervor.“ Wie kann aber etwas Gutes aus dem Menschen kommen? Denn in Lukas 18,19 wird uns gesagt: „Niemand ist gut, als nur einer, Gott.“ Damit aus dem Menschen etwas Gutes hervorkommen kann, muss Gott in sein Herz zuvor Gutes hineingepflanzt haben. Das geschieht durch die Wiedergeburt, diese Erneuerung, von der Jakobus spricht: „Nach seinem eigenen Willen hat er uns durch das Wort der Wahrheit gezeugt“ (Jak 1,18). Aber von neuem geboren zu sein, ist noch nicht alles; es ist nötig, daraufhin das Wort zu hören, es zu lesen und sich davon zu nähren; das ist die Ermahnung, die uns Jakobus im nächsten Vers erteilt: „Daher, meine geliebten Brüder, sei jeder Mensch schnell zum Hören, langsam zum Reden, langsam zum Zorn.“
Möge das Wort Gottes unsere Gedanken bilden, damit wir aus diesem guten Schatz Gutes hervorbringen können. Seien wir eingedenk, dass aus unserem eigenen Herzen nichts Gutes hervorkommen kann, es sei denn, es wurde von Gott durch sein Wort hineingelegt!
Deshalb finden wir in den Worten der Weisheit (Spr 1–9) immer wieder die Aufforderungen: „Höre, mein Sohn“, „hört auf mich“, „vergiss nicht meine Belehrung“, „bewahre meine Worte“. Als Salomo, der Schreiber dieses Buches der Sprüche, noch jung war und Gott zu ihm sprach: „Bitte, was ich dir geben soll“ (1. Kön 3,5), erbat er für sich keinen Reichtum, sondern antwortete: „So gib denn deinem Knecht ein verständiges Herz“, ein Herz, das hört (1. Kön 3,9). Möge dies auch unsere Bitte sein, damit Gott auch uns wie Salomo antworten kann: „Ich habe nach deinem Wort getan“ (1. Kön 3,12). „Glückselig der Mensch, der auf mich hört, indem er an meinen Türen wacht Tag für Tag, die Pfosten meiner Tore hütet! Denn wer mich findet, hat das Leben gefunden und Wohlgefallen erlangt von dem HERRN. Wer aber an mir sündigt, tut seiner Seele Gewalt an; alle, die mich hassen, lieben den Tod“ (Spr 8,34–36).
Das Zeichen Jonas' (12,38–42)
„Dann antworteten ihm einige der Schriftgelehrten und Pharisäer und sprachen: Lehrer, wir möchten ein Zeichen von dir sehen. Er aber antwortete und sprach zu ihnen: Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen, und kein Zeichen wird ihm gegeben werden als nur das Zeichen Jonas, des Propheten. Denn so wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde sein. Männer von Ninive werden aufstehen im Gericht mit diesem Geschlecht und werden es verdammen, denn sie taten Buße auf die Predigt Jonas hin; und siehe, mehr als Jona ist hier. Die Königin des Südens wird auftreten im Gericht mit diesem Geschlecht und wird es verdammen, denn sie kam von den Enden der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören; und siehe, mehr als Salomo ist hier“ 12,38–42).
Dieses Kapitel lässt in besonders deutlicher Weise die Bosheit und die Blindheit der religiösen Menschen erkennen, die mit dem Herrn zusammentrafen. Die Schriftgelehrten und Pharisäer hatten gewiss die wunderbaren Heilungen, die der Herr bis jetzt getan hatte, gesehen und auch den Ausruf der erstaunten Volksmengen vernommen: „Dieser ist doch nicht etwa der Sohn Davids?“ (Vers 23). Trotzdem richteten sie jetzt die Aufforderung an Jesus: „Lehrer, wir möchten ein Zeichen von dir sehen.“ Da der Herr ihre Absicht erkannte, antwortete Er: „Ein böses und ehebrecherisches Geschlecht begehrt ein Zeichen, und kein Zeichen wird ihm gegeben werden, als nur das Zeichen Jonas, des Propheten. Denn so wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde sein.“ Damit deutete der Herr sowohl seinen Tod als auch seine Auferstehung an. Obwohl sie durch alle seine Werke hätten erkennen können, dass Er der verheißene Messias war, wollten sie Ihn nicht annehmen.
Jedes andere Zeichen wäre wirkungslos geblieben. Deshalb stellte Er ihnen nur noch ein Zeichen vor: das Zeichen Jonas', nämlich seinen Tod, das Ergebnis ihres Hasses gegen Ihn. Aber auch seine Auferstehung ist in diesem Zeichen eingeschlossen, denn der Herr war wie Jona drei Tage und drei Nächte in der Erde. Man hat dieser Stelle oft entgegengehalten, dass der Herr nicht volle drei Tage und drei Nächte im Grab gewesen war, da er am Freitagabend in die Gruft gelegt wurde und am Sonntagmorgen auferstand. Diese scheinbare Ungenauigkeit erklärt sich damit, dass die Juden stets einen Tag voll rechneten, auch wenn er nur angebrochen war. Deshalb wird sowohl der Freitag als auch der Sonntag als ganze Tage gerechnet.
Dieses Zeichen bedeutete zugleich ihre eigene Verurteilung. Es zeigte sich dadurch, dass sie weit unter den heidnischen Bewohnern von Ninive standen, denn diese waren auf die Predigt von Jona hin umgekehrt. Und dabei hatten sie, die Juden, einen noch viel Größeren als Jona in ihrer Mitte. Am Tag des Gerichts wird daher die Verachtung Jesu, des göttlichen Predigers, ihre Verurteilung sehr verschärfen.
Auch die Königin von Scheba (1. Kön 10) wird sich an jenem Tag zum Zeugnis gegen sie erheben, denn sie war von den Enden der Erde gekommen, um die Weisheit Salomos zu hören. Aber die Juden hatten nicht nur Salomo, sondern die göttliche Weisheit selbst in ihrer Mitte. Aber sie hatten diese Weisheit nicht angenommen!
Das Los des ungläubigen Israel (12,43–45)
„Wenn aber der unreine Geist von dem Menschen ausgefahren ist, durchzieht er dürre Gegenden, sucht Ruhe und findet sie nicht. Dann spricht er: Ich will in mein Haus zurückkehren, von wo ich ausgegangen bin; und wenn er kommt, findet er es leer vor, gekehrt und geschmückt. Dann geht er hin und nimmt sieben andere Geister mit sich, böser als er selbst, und sie gehen hinein und wohnen dort; und das Letzte jenes Menschen wird schlimmer als das Erste. Ebenso wird es auch diesem bösen Geschlecht ergehen“ (12,43–45).
In diesen Versen zeigt der Herr in einem Bild den schrecklichen Zustand dieses Geschlechtes, wie er als Folge ihres Unglaubens in den letzten Tagen sein wird. Um den Zustand Israels in den letzten Tagen zu schildern, führt der Herr als Beispiel einen Menschen an, von dem ein Dämon ausgefahren ist. Gott allein weiß, was in jener unsichtbaren Welt, in welcher die bösen Geister sich bewegen, vor sich geht. Dieser Dämon, der ausgefahren war, stellt den Götzendienst dar, dem sich Israel einst hingegeben hatte. Denn der Götzendienst ist nichts anderes als Anbetung der Dämonen (vgl. 1. Kor 10,19.20). Wegen dieser Abgötterei war das Volk damals nach Babylon weggeführt worden. Aus der Gefangenschaft zurückgekehrt, fiel es nicht mehr in den früheren Götzendienst zurück, sondern sie bauten den Tempel wieder auf und stellten den levitischen Gottesdienst wieder her. Äußerlich schien alles in Ordnung zu sein. Dieser Zustand der Dinge bestand noch, als der Herr auf die Erde kam, um in „seinem Haus“ empfangen zu werden. „Er kam in das Seine, und die Seinen nahmen ihn nicht an“ (Joh 1,11).
Der Dämon des Götzendienstes war ausgetrieben worden, damit das Volk seinen König aufnehme. Aber da sie Ihn nun verwarfen, blieb das Haus leer. Es war nicht nur leer, vom Götzendienst gereinigt und geschmückt mit den äußeren Formen des wahren Gottesdienstes, sondern auch leer von dem, der bereit war, seinem geliebten Volk die verheißenen Segnungen zu bringen. Sie hatten Ihn mit den Worten verworfen: „Wir wollen nicht, dass dieser über uns herrsche“ (Lk 19,14). So wird der Dämon, der sich in Israel einst zuhause gefühlt hatte, in das Haus zurückkehren. Er wird es aber leer vorfinden und sehen, dass sie bereit sind, ihn aufzunehmen. Dann wird er sieben andere Geister mit sich nehmen, böser als er selbst, wird eindringen und darin wohnen.
Wenn das jüdische Volk als Ganzes in das Land Israel zurückgekehrt sein wird, wird es sich in demselben Zustand des Unglaubens gegenüber dem Herrn befinden, wie zu der Zeit, als der Herr auf der Erde war. Der Tempel wird wieder aufgebaut und der levitische Gottesdienst wieder hergestellt sein. Alles wird eine Zeitlang in den Formen der jüdischen Kultur vor sich gehen. Aber wer wird bald darauf im Tempel wohnen? Der Herr? Nein! So, wie Er damals verworfen wurde, so ist Er bei dem Volk in der ganzen Zeit bis jetzt verworfen. Er ist verborgen in den Himmeln.
Die Antwort auf diese Frage finden wir in 2. Thessalonicher 2,3: Es wird der Antichrist sein, der Mensch der Sünde, von dem der Herr zu den Juden sagte: „Ich bin in dem Namen meines Vaters gekommen und ihr nehmt mich nicht auf; wenn ein anderer in seinem eigenen Namen kommt, den werdet ihr aufnehmen“ (Joh 5,43). Der Götzendienst am Ende der Tage wird also siebenmal schlimmer sein als der frühere, der zur Verbannung Israels nach Babylon geführt hatte. Dieser viel bösere Götzendienst wird dann über das Volk das vollständige Gericht bringen, das durch den schrecklichen Assyrer ausgeführt wird (vgl. Jes 7,17–20; 10,5–11; Hos 11,5–7 und viele andere Stellen).
Der gläubige Überrest der Juden aber wird dann Christus zu seiner Befreiung aufnehmen und wird das neue Israel darstellen, das sich im 1000-jährigen Reich der Herrschaft des wahren Sohnes Davids erfreuen wird.
Die Mutter und die Brüder des Herrn (12,46–50)
„Während er noch zu den Volksmengen redete, siehe, da standen seine Mutter und seine Brüder draußen und suchten ihn zu sprechen. Es sprach aber jemand zu ihm: Siehe, deine Mutter und deine Brüder stehen draußen und suchen dich zu sprechen. Er aber antwortete und sprach zu dem, der es ihm sagte: Wer ist meine Mutter, und wer sind meine Brüder? Und er streckte seine Hand aus über seine Jünger und sprach: Siehe da, meine Mutter und meine Brüder; denn wer irgend den Willen meines Vaters tut, der in den Himmeln ist, der ist mein Bruder und meine Schwester und meine Mutter“ (12,46–50).
Der Zustand Israels, von dem als Volk seine Mutter und seine Brüder hier ein Bild sind, machte die Verbindung des Herrn mit diesem Volk unmöglich. Der Herr spricht hier also über den vollständigen Abbruch seiner Beziehungen zu diesem Volk. Aber Er erkennt die neuen Beziehungen zu denen, die sein Wort aufnehmen und den Willen seines Vaters tun, an. Wir wissen wohl, dass seine Mutter dazu zählte und dass später auch seine Brüder in die gleichen Beziehungen zu Ihm eintraten, obwohl sie eine Zeitlang nicht an Ihn geglaubt hatten.
Fortan konnte Israel nach dem Fleisch nicht mehr das Volk Gottes sein. Es hatte sich durch seinen Unglauben von den Segnungen, die ihm mit so viel Gnade und Liebe entgegengebracht worden waren, selber ausgeschlossen. Aber Gott hat seine eigenen Hilfsquellen und wirkt durch sein Wort unentwegt weiter, um sich ein himmlisches Volk zu bilden, wie wir im folgenden Kapitel sehen werden.