Der verheißene König und sein Reich
Kommentar zum Matthäus-Evangelium
Kapitel 10
Der Herr der Ernte (10,1–4)
„Und als er seine zwölf Jünger herzugerufen hatte, gab er ihnen Gewalt über unreine Geister, sie auszutreiben, und jede Krankheit und jedes Gebrechen zu heilen. Die Namen der zwölf Apostel aber sind diese: der erste, Simon, der Petrus genannt wird, und Andreas, sein Bruder; und Jakobus, der Sohn des Zebedäus, und Johannes, sein Bruder; Philippus und Bartholomäus; Thomas und Matthäus, der Zöllner; Jakobus, der Sohn des Alphäus, und [Lebbäus, mit dem Beinamen] Thaddäus; Simon, der Kananäer, und Judas, der Iskariot, der ihn auch überlieferte“ (10,1–4).
Wie wir am Ende des vorhergehenden Kapitels gelesen haben, hatte der Herr Jesus seine Jünger aufgefordert, den Herrn der Ernte um die Aussendung von Arbeitern zu bitten. Nun hören wir, wie Er selbst sie aussandte. Trotz seiner Niedrigkeit ist Er der Herr der Ernte, wie ja überhaupt Herr über alles. Das trat darin zum Vorschein, dass Er seinem Volk das Herannahen des Reiches der Himmel ankündigte. In der heutigen Zeit schenkt Er kraft der göttlichen Autorität den Menschen das ewige Leben, wie wir in Johannes 17,1.2 lesen: „Vater, die Stunde ist gekommen; verherrliche deinen Sohn, damit dein Sohn dich verherrliche – so wie du ihm Gewalt gegeben hast über alles Fleisch, damit er allen, die du ihm gegeben hast, ewiges Leben gebe.“
In späterer Zeit wird der Herr dieselbe Autorität gebrauchen, um das Gericht auszuführen über alle, die in der Zeit seiner Langmut und Geduld Ihn nicht annehmen wollten.
Die Aussendung der zwölf Jünger (10,5–15)
„Diese zwölf sandte Jesus aus und befahl ihnen und sprach: Geht nicht auf einen Weg der Nationen, und geht nicht in eine Stadt der Samariter; geht aber vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel. Geht aber hin, predigt und sprecht: Das Reich der Himmel ist nahe gekommen. Heilt Kranke, weckt Tote auf, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus; umsonst habt ihr empfangen, umsonst gebt. Verschafft euch nicht Gold noch Silber, noch Kupfer in eure Gürtel, keine Tasche für den Weg noch zwei Unterkleider, noch Sandalen, noch einen Stab; denn der Arbeiter ist seiner Nahrung wert. In welche Stadt aber oder in welches Dorf irgend ihr eintretet - forscht nach, wer darin würdig ist; und dort bleibt, bis ihr weggeht. Wenn ihr aber in das Haus eintretet, so grüßt es. Und wenn nun das Haus würdig ist, so komme euer Friede darauf; wenn es aber nicht würdig ist, so wende sich euer Friede zu euch zurück. Und wer irgend euch nicht aufnimmt noch eure Worte hört - geht hinaus aus jenem Haus oder jener Stadt und schüttelt den Staub von euren Füßen. Wahrlich, ich sage euch, es wird dem Land von Sodom und Gomorra erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als jener Stadt“ (10,5–15).
Jesus rief seine zwölf Jünger, die auch Apostel, d. h. Gesandte genannt werden, herzu, und sandte sie zu je zwei und zwei aus, um den Juden zu verkünden, dass das Reich der Himmel nahe gekommen sei. Wie wir schon am Anfang gesagt haben, ist das Evangelium nach Matthäus dadurch gekennzeichnet, dass es der Herr als den Messias Israels darstellt. Das geht auch hier aus der Anweisung des Herrn an seine Jünger klar hervor: „Geht nicht auf einen Weg der Nationen und geht nicht in eine Stadt der Samariter; geht aber vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel.“ Schon Johannes der Täufer hatte sich mit der Botschaft an Israel gewandt, dass das Reich der Himmel nahe gekommen sei und jetzt ließ es der Messias selbst dem Volk verkünden. Im Gegensatz zu dieser Botschaft begann die Verkündigung des Evangeliums der Gnade, das sich an alle Menschen richtet, also nicht nur an Israel, erst nach der Verwerfung Christi. Den Unterschied zwischen dem Evangelium des Reiches und dem Evangelium der Gnade, das in der gegenwärtigen Zeit gepredigt wird, haben wir schon hervorgehoben.
Der Herr verleiht den zwölf Jüngern die Macht, Wunder zu tun. Dadurch stellten sie dem Volk die göttliche Macht vor, mit der das Reich aufgerichtet wird und die nötig ist, um den Menschen von den Folgen der Sünde und der Gewalt Satans zu befreien. Indem sie das Reich der Himmel predigten, sollten sie Kranke und Schwache heilen, Tote auferwecken, Aussätzige reinigen, Dämonen austreiben. Diese Macht wird von neuem in Tätigkeit treten, wenn das zukünftige Reich Christi aufgerichtet werden wird. Deshalb werden die Wunder, mit denen die Jünger hier die Verkündigung des Evangeliums begleiteten, in Hebräer 6,5 „Wunder des zukünftigen Zeitalters“ genannt.
Die Jünger hatten umsonst empfangen und sie sollten auch umsonst geben. Sie sollten keine Vorräte mit auf den Weg nehmen, denn der König selbst sandte sie gemäß seiner Machtvollkommenheit unter das Volk Israel, das sie anerkennen sollte. Als später die Verwerfung des Königs Tatsache geworden war und die Stunde seiner Kreuzigung herannahte, sprach Er ganz anders zu seinen Jüngern, denn sie waren inzwischen Gesandte eines verworfenen Christus geworden (Lk 22,35.36). Noch war es aber nicht so weit. Sie stellten jetzt als Verkündiger der frohen Botschaft vom Herannahen des Reiches der Himmel das Volk auf die Probe. Wer sie aufnahm, sollte sich an dem Frieden, den sie brachten, erfreuen. Wenn sich dagegen das Haus, in das die Jünger eintraten, dadurch als unwürdig erwies, dass man sie nicht aufnahm, so sollten sie hinausgehen und den Staub von ihren Füßen abschütteln, ihnen zum Zeugnis.
Der Herr fügte hinzu: „Wahrlich, ich sage euch, es wird dem Land von Sodom und Gomorra erträglicher ergehen am Tag des Gerichts als jener Stadt.“ Wenn auch die Bewohner jener Städte große Sünder gewesen waren, so werden sie sich doch nicht dafür verantworten müssen, ein solches Vorrecht, wie es den Städten Israels zuteil wurde, verachtet zu haben. Denn anstatt den seit langer Zeit durch die Propheten angekündigten Messias aufzunehmen, töteten die Juden Ihn. Nach dieser völligen Verwerfung ging die lange Zeit der Geduld Gottes gegenüber seinem Volk zu Ende: Israel ist beiseite gesetzt und unter die Nationen zerstreut worden, bis zu dem Augenblick, da es zurückgebracht und gesegnet werden wird, gemäß den unwandelbaren Verheißungen Gottes, kraft des Blutes des neuen Bundes, das Er auf Golgatha gegeben hat (Heb 8, 8–13; 13,20).
Der Dienst der Jünger (10,16–28)
„Siehe, ich sende euch wie Schafe inmitten von Wölfen; so seid nun klug wie die Schlangen und ohne Falsch wie die Tauben. Hütet euch aber vor den Menschen; denn sie werden euch an Synedrien überliefern und euch in ihren Synagogen geißeln; aber auch vor Statthalter und Könige werdet ihr geführt werden um meinetwillen, ihnen und den Nationen zum Zeugnis. Wenn sie euch aber überliefern, so seid nicht besorgt, wie oder was ihr reden sollt; denn es wird euch in jener Stunde gegeben werden, was ihr reden sollt. Denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Geist eures Vaters, der in euch redet. Der Bruder aber wird den Bruder zum Tod überliefern und der Vater das Kind; und Kinder werden sich erheben gegen die Eltern und sie zu Tode bringen. Und ihr werdet von allen gehasst werden um meines Namens willen. Wer aber ausharrt bis ans Ende, der wird errettet werden. Wenn sie euch aber verfolgen in dieser Stadt, so flieht in die andere; denn wahrlich, ich sage euch, ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen ist. Ein Jünger steht nicht über dem Lehrer und ein Knecht nicht über seinem Herrn.
Es ist dem Jünger genug, dass er sei wie sein Lehrer und der Knecht wie sein Herr. Wenn sie den Hausherrn Beelzebul genannt haben, wie viel mehr seine Hausgenossen! Fürchtet euch nun nicht vor ihnen. Denn es ist nichts verdeckt, was nicht aufgedeckt, und verborgen, was nicht erkannt werden wird. Was ich euch sage in der Finsternis, redet in dem Licht, und was ihr hört ins Ohr, verkündet auf den Dächern. Und fürchtet euch nicht vor denen, die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen; fürchtet aber vielmehr den, der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag in der Hölle“ (10,16–28).
Die Anweisungen des Herrn an die Jünger, die sich hauptsächlich auf ihren Dienst während der Zeit vor seinem Tod beziehen, finden wir in den Versen 5–15. Die folgenden Verse haben eine allgemeinere Tragweite und umfassen die ganze Zeit zwischen dem ersten Kommen des Herrn auf die Erde und seinem glorreichen Erscheinen als Sohn des Menschen (Vers 23). Aber auch das, was in diesen Versen ausgesagt wird, steht in Verbindung mit Israel. Nach dem Tod des Herrn übten die Jünger zunächst ihren Dienst unter dem Volk Israel aus, und erst später brachten sie das Evangelium den Nationen. Sie sollten dabei klug sein wie die Schlangen und einfältig wie die Tauben, denn sie waren wie Schafe inmitten von Wölfen.
„Klug wie die Schlangen“ bedeutet, dass man in einer feindlichen Umgebung mit Widerstand rechnen muss und nicht etwas unternehmen soll, was der Sache, der man dient, nicht nützlich ist. Anderseits soll man „einfältig“ sein „wie die Tauben“, d.h. handeln, sobald man erkannt hat, dass man handeln soll ohne weitere Überlegungen und Zweifel. „Ich habe geglaubt, darum habe ich geredet“ (2. Kor 4,13). Wenn es nötig ist zu reden, soll man es tun, ohne sich wegen der Folgen zu beunruhigen.
Der Herr sagte den Jüngern voraus, dass sie als Gesandte des verworfenen Königs an Synedrien überliefert, in den Synagogen gegeißelt und vor Statthalter und Könige um des Herrn willen geführt würden, zum Zeugnis für die Juden und die Nationen. Solange der Herr noch bei ihnen war, hatten keine dieser Drangsale sie erreicht. Aber in der Apostelgeschichte wird uns berichtet, dass ihnen bald nach seiner Himmelfahrt (Apg 1,11) alle diese Drangsale widerfuhren.
Das alles wird sich nach der Aufnahme der Versammlung in den Himmel und vor der Erscheinung des Sohnes des Menschen wiederholen an allen denen, die dann die Aufrichtung des Reiches durch Christus verkündigen werden. Aber diese Zeit wird kurz sein. Der Herr sagt darüber: „Ihr werdet mit den Städten Israels nicht zu Ende sein, bis der Sohn des Menschen gekommen ist“ (Vers 23). Diese Ankunft wird sogar so plötzlich sein, wie ein Blitz (Kap 24, 27).
Der Herr gab seinen Jüngern alle Anweisungen und Ermunterungen, die sie während der Zeit ihres Dienstes unter den Juden brauchten. Diese Zeit begann also mit ihrer Aussendung und endet mit der Erscheinung des Herrn zur Aufrichtung seines Reiches in Herrlichkeit.
Diese Ermunterungen und Belehrungen gelten auch heute für die Diener und Zeugen des Herrn, denn der Widerstand, womit die Gläubigen aller Zeiten zu tun haben, hat stets denselben Charakter. Da das natürliche Herz Gott gegenüber feindlich gesinnt ist, hasst es das Licht und die Wahrheit, besonders wenn es ein Zeugnis über Christus ist, den diese Welt verworfen hat. Die Jünger sollten sich nicht sorgen, wenn sie sich vor der Obrigkeit zu verantworten hatten. Denn als der Herr von ihnen schied und sie auf der Erde zurück ließ, sandte Er ihnen ja den Heiligen Geist, der der „Geist der Kraft, der Liebe und der Besonnenheit“ ist (2. Tim 1,7). „Denn“, sagte der Herr zu den Jüngern, „nicht ihr seid die Redenden, sondern der Geist eures Vaters, der in euch redet“ (Vers 20). Und an anderer Stelle: „Denn ich werde euch Mund und Weisheit geben, welcher alle eure Widersacher nicht werden widerstehen oder widersprechen können“ (Lk 21,15; vgl. Mk 13,11).
Der Hass gegen den Herrn kann alle natürlichen Gefühle ersticken. Er kann sich dermaßen steigern, dass ein Bruder seinen eigenen Bruder zum Tod überliefert, ein Vater sein Kind und die Kinder ihre Eltern (Vers 21). Die Geschichte der Kirche kennt nur zu viele Beispiele für diese traurige Wahrheit. Und es ist demütigend, feststellen zu müssen, dass solches meistens nur dann vorkommt, wenn es um die Sache des Herrn geht. Die Menschen fanden zwar im Lauf der Jahrhunderte immer wieder Anlass zu Streitigkeiten und Kriegen, bei denen es nicht um „die Sache der Wahrheit“ ging, aber keiner dieser Gegenstände des Streites hat sie in einen solchen Hass getrieben, dass sie dabei die innigsten Beziehungen aufgegeben hätten, wie dies bei den Verfolgungen gegen treue Gläubige der Fall war. Diese Verfolgungen wurden zuerst durch die Juden und später durch die römischen Kaiser und dann auch durch das christliche Rom in Szene gesetzt.
Das sind traurige Beweise der Feindschaft des Menschen gegen Gott, besonders wenn ihm die Gnade angeboten wurde! Wie leuchtet anderseits auf diesem Hintergrund die unendliche Größe der Liebe Gottes hervor, der seinen eingeborenen Sohn gegeben hat, um solche Sünden zu vergeben und derartige Sünder durch den Glauben in die innigste Beziehung von geliebten Kindern zu sich bringen zu können.
Die Jünger sollten sich bei allem, was man ihnen antun würde, daran erinnern, dass dies alles auch dem Herrn widerfuhr. „Ein Jünger steht nicht über dem Lehrer und ein Knecht nicht über seinem Herrn“ (Vers 24). Es ist ermunternd, daran zu denken, dass der Herr vor uns durch Prüfungen und Leiden gegangen ist. Man hat sogar gewagt, Ihn Beelzebul zu nennen. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Knechte auch so behandelt werden, wie man ihren Herrn behandelt hat. Aber die Jünger sollen die Menschen nicht fürchten, wie böse sie auch sein würden. Denn Gott wird eines Tages alles ans Licht bringen. Sie sollten kühn sein, selbst auf die Gefahr hin, dass sie um ihres Zeugnisses willen getötet werden. Sie sollten sich nicht vor denen fürchten, „die den Leib töten, die Seele aber nicht zu töten vermögen.“ Gott allein soll man fürchten, „der sowohl Seele als Leib zu verderben vermag.“
Ein sorgender Vater (10,29–33)
„Werden nicht zwei Sperlinge für einen Cent verkauft? Und doch fällt nicht einer von ihnen auf die Erde ohne euren Vater; an euch aber sind selbst die Haare des Hauptes alle gezählt. Fürchtet euch nun nicht; ihr seid vorzüglicher als viele Sperlinge. Jeder nun, der sich vor den Menschen zu mir bekennen wird, zu dem werde auch ich mich bekennen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist; wer aber irgend mich vor den Menschen verleugnen wird, den werde auch ich verleugnen vor meinem Vater, der in den Himmeln ist“ (10,29–33).
Der Herr zeigt in rührender Weise, dass sich Gott um alle, sogar um die geringsten Dinge, die die Seinen betreffen, kümmert. Nichts geschieht ohne seinen Willen. Die Sperlinge haben für die Menschen nur geringen Wert. Zwei von ihnen wurden für eine Kupfermünze verkauft. Dennoch fällt keiner ohne die Zulassung unseres Vaters im Himmel zur Erde. Um die Größe der Anteilnahme Gottes am Wohlergehen der Seinen hervorzuheben und um zu zeigen, wie weit Er auf alles, was uns betrifft, eingeht, sagt der Herr: „An euch aber sind selbst die Haare des Hauptes alle gezählt. Fürchtet euch nun nicht; ihr seid vorzüglicher als viele Sperlinge.“ Diese Worte haben die Jünger des Herrn zu allen Zeiten ermuntert und sind auch heute für uns eine Quelle des Friedens und der Ruhe.
Obwohl wir nicht so heftige Verfolgungen durchmachen wie in früheren Zeiten, haben wir doch nötig, uns ständig daran zu erinnern, dass unser Gott und Vater sich um alles, was uns betrifft, mit einer Liebe kümmert, die größer ist als Mutterliebe. Wir dürfen daher alle unsere Sorge auf Ihn werfen und Ihm unentwegt dienen. Welche Mutter würde die Haare ihrer Kinder zählen? Schon David hatte die zarte Sorgfalt und unendliche Güte Gottes kennen gelernt, als er sagte: „Denn hätten mein Vater und meine Mutter mich verlassen, so nähme doch der HERR mich auf“ (Ps 27,10).
Lasst uns auf die Liebe Gottes vertrauen und uns nicht vor den Folgen eines treuen Bekenntnisses des Namens des Herrn fürchten! Denn es wird der Tag kommen, an dem diese Treue im Himmel ihre Belohnung finden wird. Dort, in der Gegenwart des Vaters, wird der Herr jeden, der treu gewesen ist, mit Namen nennen. Dagegen wird Er alle verleugnen, die sich auf dieser Erde seiner geschämt haben. Von diesen Feigen, Ungläubigen und Untreuen wird in Offenbarung 21,8 gesagt, dass sie ihr Teil mit allen großen Sündern in dem See haben werden, der mit Feuer und Schwefel brennt.
Der Friede der Erde ist zukünftig (10,34–36)
„Denkt nicht, dass ich gekommen sei, Frieden auf die Erde zu bringen; ich bin nicht gekommen, Frieden zu bringen, sondern das Schwert. Denn ich bin gekommen, den Menschen zu entzweien mit seinem Vater und die Tochter mit ihrer Mutter und die Schwiegertochter mit ihrer Schwiegermutter; und des Menschen Feinde werden seine Hausgenossen sein“ (10,34–36).
Obwohl die Jünger das Reich der Himmel ankündigten und der König in der Person Jesu anwesend war, sollten sie nicht meinen, der Herr sei gekommen, um den Frieden auf die Erde zu bringen. Das wird Er an einem späteren Tag tun, nachdem Er vorher alle Bösen im Gericht beseitigt hat. Jetzt war Er in Gnade da und zwar nicht, um das Gericht auszuführen. Aber wegen der Bosheit der Menschen war die Wirkung seiner Anwesenheit nicht der Friede, sondern vielmehr das Schwert, wie wir schon in Vers 21 gesehen haben. In der heutigen Zeit duldet Gott, dass der Böse sich gegen den erhebt, der den Herrn angenommen hat. Und der Gläubige soll es ertragen, ohne die Leiden zu fürchten, die auf seine Treue folgen werden.
Sein Kreuz aufnehmen (10,37–39)
„Wer Vater oder Mutter mehr lieb hat als mich, ist meiner nicht würdig; und wer Sohn oder Tochter mehr lieb hat als mich, ist meiner nicht würdig; und wer nicht sein Kreuz aufnimmt und mir nachfolgt, ist meiner nicht würdig. Wer sein Leben findet, wird es verlieren, und wer sein Leben verliert um meinetwillen, wird es finden“ (10,37–39).
Der Herr zeigt in den Versen 37–39, dass man die Wahrheit nicht verleugnen darf, um den Kampf zu vermeiden, der auch in der eigenen Familie ausbrechen kann. Wenn jemand, um der Schmach zu entgehen, seinen Angehörigen mehr gefallen will als dem Herrn, so ist er seiner nicht würdig. Man muss Ihm folgen und sein Kreuz aufnehmen, d. h. das Gestorbensein mit Ihm verwirklichen bei allem, was das Fleisch lieben würde, sofern es in unserem Herzen einen Platz hat, der allein dem Herrn zukommt, und uns davon abhalten würde, Ihm zu gehorchen.
Aber man soll nicht nur auf die innigsten Beziehungen der eigenen Familie verzichten können, sondern auch auf sein eigenes Leben. Denn wer sein eigenes Leben mehr liebt als den Herrn, der wird es verlieren. Wenn wir es aber um der Liebe Jesu willen verlieren, indem wir nicht unsere eigenen Ziele verfolgen, werden wir es finden – und zwar für die Ewigkeit.
Die Aufnahme von Dienern (10,40–42)
„Wer euch aufnimmt, nimmt mich auf, und wer mich aufnimmt, nimmt den auf, der mich gesandt hat. Wer einen Propheten aufnimmt in eines Propheten Namen, wird eines Propheten Lohn empfangen; und wer einen Gerechten aufnimmt in eines Gerechten Namen, wird eines Gerechten Lohn empfangen. Und wer irgend einem dieser Kleinen nur einen Becher kaltes [Wasser] zu trinken gibt in eines Jüngers Namen, wahrlich, ich sage euch: Er wird seinen Lohn nicht verlieren“ (10,40–42).
Das Heil jedes Menschen hängt davon ab, ob er das durch Gottes Diener verkündigte Wort aufnimmt oder nicht. Wer den, der ihm dieses Wort bringt, aufnimmt, nimmt den Herrn selbst auf. Und wer den Herrn aufnimmt, nimmt Gott auf, der den Herrn Jesus gesandt hat.
Dasselbe wird von dem gesagt, der einen Propheten aufnimmt. Weil der Prophet von Gott gesandt ist, hat der, welcher ihn aufnimmt, in Gottes Augen den Wert eines Propheten und wird den Lohn eines Propheten bekommen.
Das gleiche gilt von einem Gerechten. Wer einen Kleinen, d. h. einen Gläubigen, nur mit einem Becher kalten Wassers tränken wird, weil dieser ein Jünger Christi ist, wird seinen Lohn nicht verlieren. Der Wert unserer Handlungen hängt von den Beweggründen ab. Die Person des Herrn Jesus hat für Gott einen solch hohen Wert, dass alles, was in einer Welt, die Christus verworfen hat, für Ihn getan wird, eine unermessliche Bedeutung für Gott hat und eine entsprechende Belohnung finden wird.
Das Heil hängt, wie gesagt, allein davon ab, ob und wie man den Herrn und sein Wort aufnimmt. Niemand kann das Heil durch eigene Werke gewinnen. Wenn der Sohn des Menschen kommen und sich auf den Thron seiner Herrlichkeit setzen wird und die Nationen vor Ihm versammelt werden, dürfen die zu seiner Rechten in das Reich eingehen. Das wird die Belohnung dafür sein, dass sie die Boten des Herrn, die Er die Kleinen nennt, aufgenommen und ihnen Gutes getan haben. Denn indem sie diese aufnahmen, haben sie Ihn selbst aufgenommen (vgl. Mt 25,31–46). Von diesen Boten ist im ganzen zehnten Kapitel die Rede. Die Ablehnung des Herrn seitens der Welt ist so allgemein, dass der Herr in Markus 9,40 sagt: „Wer nicht gegen uns ist, ist für uns.“
Vergessen wir es nie: Wenn zum Besitz des Heils auch nur die Annahme des Herrn im Glauben erforderlich ist, so musste unser teurer Heiland doch zuvor am Kreuz das ganze Gericht, das wir verdient hatten, für uns erleiden. Wie sehr sollte dieser Gedanke alle, die Ihn angenommen haben, anspornen, Ihm zu folgen um treue Zeugen für Ihn zu sein!