Auslegung über die Briefe an die Thessalonicher
2. Thessalonicher 2
Der Untergang der Christenheit
„Wir bitten euch aber, Brüder, wegen der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unseres Versammeltwerdens zu ihm hin, dass ihr euch nicht schnell in der Gesinnung erschüttern noch erschrecken lasst, weder durch Geist noch durch Wort, noch durch Brief, als durch uns, als ob der Tag des Herrn da wäre“ (2,1.2).
Im dem zweiten Teil des Briefes behandelt der Apostel das konkrete Thema, das für ihn auch der eigentliche Anlass war, ein weiteres Mal an die Gläubigen in Thessalonich zu schreiben. Der Feind hatte die Prüfungen und Verfolgungen zum Anlass genommen, um sie zu verleiten. Sie meinten, der Tag des Herrn sei schon da und sie müssten, bevor sie den endgültigen Segen erreichen würden, noch durch die große Drangsal, die der Tag des Herrn über die ganze Welt bringen wird, gehen.
In manchen ungenauen Bibelübersetzungen wird die Schwierigkeit, die die Gläubigen damals beunruhigte, nicht deutlich. Die falsch übersetzte Aussage am Ende von Vers 2 lautet: „Lasst euch nicht so rasch verwirren oder erschrecken durch die Behauptung, der Tag, an dem der Herr kommt, stehe unmittelbar bevor“ (siehe z.B. „Gute Nachricht Bibel“). Zweifellos ist die richtige Wiedergabe „… als ob der Tag des Herrn da wäre“ (2,2). Die Aussage, dass der Tag des Herrn bevorstehen würde, wäre kein Anlass für die Heiligen gewesen, sich zu beunruhigen. Wenn aber der Tag des Herrn schon angebrochen und begonnen hätte, dann wären sie doch zurückgelassen worden, anstatt nach den Belehrungen des ersten Briefes zu dem Herrn in die Luft entrückt worden zu sein und müssten die große Drangsalszeit durchstehen. Kein Wunder, dass sie beunruhigt waren!
Offensichtlich ist diese falsche Lehre durch falsche Lehrer zu ihnen gekommen, die nicht nur selbst Verführte waren, sondern von solchen, die mit Vorsatz als Verführer handelten. Sie hatten sich nämlich erkühnt, einen gefälschten Brief zu schreiben, als wenn er von dem Apostel geschrieben worden wäre, um dieser falschen Lehre den Anschein der apostolischen Autorität zu verleihen.
Der Apostel appelliert an die Heiligen, sich durch solche falsche Lehren nicht „in der Gesinnung erschüttern noch erschrecken“ zu lassen, egal, ob sie durch einen bösen Geist, durch mündliche Unterweisung oder durch einen gefälschten Brief, der angeblich von ihm stamme, verbreitet würden. Er gründet seine Aufforderung auf die großartige Tatsache, die er den Gläubigen gegenüber schon im ersten Brief erwähnt hatte: die „Ankunft unseres Herrn Jesus Christus und unser Versammeltwerden zu ihm hin“. Dieses große Ereignis wird dem Tag des Herrn vorausgehen.
„Lasst euch von niemand auf irgendeine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens, der widersteht und sich erhöht über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist, so dass er sich in den Tempel Gottes setzt und sich selbst darstellt, dass er Gott sei“ (2,3.4).
Es ist von größter Wichtigkeit, zu verstehen, dass die Schrift klar unterscheidet zwischen dem Kommen des Herrn in der Luft für seine Heiligen und seiner späteren Erscheinung mit seinen Heiligen. Dieses Kapitel handelt von dem Zeitraum zwischen diesen beiden großen Ereignissen, mit denen so viele Prophezeiungen sich befassen, sei es im Alten Testament, sei es durch die prophetischen Reden des Herrn selbst oder in anderen Prophezeiungen im Neuen Testament.
Diese Zeitspanne wird von unserem Herrn in Matthäus 24,3 die „Vollendung des Zeitalters“ genannt. Es muss beachtet werden, dass die „Vollendung des Zeitalters“ nicht das Ende der Zeit des Christentums bedeutet, die mit der Entrückung enden wird. Die „Vollendung des Zeitalters“, von der der Herr spricht, ist das Ende des jüdischen Zeitalters und nicht das Ende der christlichen Phase. Diese Zeitspanne beinhaltet die letzte noch nicht erfüllte Woche von Daniels siebzig Jahrwochen. Es ist, so wie es jemand formuliert hat, „das abgeschnittene Stück des jüdischen Zeitalters“. Genau zu diesem Zeitalter gehört der Tag des Herrn. Viele Missverständnisse hätten vermieden werden können, wenn man die wahre Bedeutung des Ausdrucks „das Ende“ oder „die Vollendung des Zeitalters“ richtig verstanden hätte. Die falsche Deutung, dass sich diese Zeit auf das Ende der Gnadenzeit beziehe, hat viele dazu verleitet, „nach Zeitangaben und Berechnungen zu forschen, was immer wieder zu großer Enttäuschung von Tausenden zu verschiedenen Zeiten geführt hat“ (F.W. Grant).
Der Zeitraum zwischen der Entrückung und der Erscheinung ist eine der wichtigsten Phasen in der Weltgeschichte. Das herausragende Kennzeichen dieser Zeit ist die Entwicklung der Bosheit des Menschen, während es die Macht Gottes, die dem Bösen entgegenwirkt, nicht mehr geben wird. Aus diesem Grund wird diese Zeit notwendigerweise sehr kurz sein, denn wenn Gott alle Hemmnisse für das Böse hinweggenommen hat, dann wird sich die menschliche Bosheit mit erschreckender Geschwindigkeit ausbreiten. Dieses Überhandnehmen der menschlichen Gesetzlosigkeit ist die Vorbereitung für das Erscheinen des Herrn zum Gericht. Die Notwendigkeit des Gerichts wird dadurch offenbar. Es wird aber auch die Gerechtigkeit des Herrn in der Ausübung des Gerichtes sichtbar.
Der Apostel gibt in diesem Abschnitt viel Licht über diese ernste Zeit. Zuerst zeigt er, dass diese Phase nicht vor der Ankunft des Herrn Jesus für die Gläubigen und vor „unserem Versammeltwerden zu ihm hin“ beginnen kann. Die Unterscheidung dieser beiden Ereignisse reicht aus, um der falschen Lehre, die sie beunruhigte, zu begegnen und sie zu widerlegen.
Aber es gibt weitere Ereignisse, die noch vor dem Tag des Herrn stattfinden werden. So fährt der Apostel fort indem er sagt: „Lasst euch von niemand auf irgendeine Weise verführen, denn dieser Tag kommt nicht, es sei denn, dass zuerst der Abfall komme und offenbart werde der Mensch der Sünde, der Sohn des Verderbens.“ Hier werden zwei weitere Ereignissen, die vor dem Tag des Herrn stattfinden, angesprochen. Auf das „Versammeltwerden“ der Heiligen zu Christus in den Himmel folgt der Abfall der Christenheit auf der Erde. Dieser Abfall bereitet den Weg für die Offenbarung des Menschen der Sünde.
In Bezug auf den Abfall werden wir schon in anderen Schriftstellen gewarnt, denn je näher wir diesem schrecklichen Tag kommen, umso mehr werden Schatten des kommenden Abfalls kommen und den Abfall ankündigen. Wir lesen: „Der Geist aber sagt ausdrücklich, dass in späteren Zeiten einige von dem Glauben abfallen werden, indem sie achten auf betrügerische Geister und Lehren von Dämonen …“ (vgl. 1. Tim 4,1–3). Während einzelne Menschen schon jetzt abfallen können, so wird doch „der Abfall“ selbst erst nach der Entrückung der wahren Gläubigen sein. Auf die Entrückung folgt der Abfall der verdorbenen bekennenden Christenheit. So wird auf das Versammeltwerden der Heiligen mit Christus im Himmel der Abfall der bekennenden Christenheit auf der Erde folgen. Leider ist es sehr offensichtlich, wie schnell sich die Christenheit diesem Abfall nähert. Der Modernismus mit seinem Rationalismus, die fälschlich sogenannte Kenntnis mit ihren gottlosen und selbstsicheren Spekulationen, der Aberglaube mit seinen kindischen Ritualen: Alles das bereitet die Menschen vor, das äußere Bekenntnis abzuschütteln, dessen lebendige Wirklichkeit sie nicht erlebt haben.
Der Abfall wird den Weg ebnen für das Offenbarwerden des Menschen der Sünde. Der Vergleich dieser Schriftstelle mit anderen führt zu dem Schluss, dass die Person, von der hier als dem Menschen der Sünde gesprochen wird, der Antichrist ist, von dem der Apostel Johannes schreibt, und auch der, der als das zweite Tier in Offenbarung 13,11–18 beschrieben ist. Dieser gottlose Mensch wird nur im Johannesbrief Antichrist genannt. So wie der Apostel Paulus uns warnt vor dem Abfall Einzelner, der vor dem Abfall der Allgemeinheit sein wird, so kündigt der Apostel Johannes das Auftreten von antichristlichen Lehrern an, die vor dem Erscheinen des Antichristen auftreten werden (1. Joh 2,18).
Der Antichrist darf nicht verwechselt werden mit dem gotteslästernden Anführer des wiederauferstandenen Römischen Reichs, der in Offenbarung 13,1–10 das „erste Tier“ genannt wird. Der Antichrist verkörpert den religiösen Eifer und Widerstand gegen Christus. Das wiederbelebte Haupt des Römischen Reiches wird der Anführer der bösen öffentlichen Regierung sein. Der eine wird die böse religiöse Macht verkörpern, der andere wird die böse weltliche Macht verkörpern. Beide Regierungsmächte werden durch satanische Mächte erfüllt sein und das gleiche schreckliche Ende finden (Off 13,2; 2. Thes 2,9; Off 19,20).
Der Apostel Johannes zeigt, dass der religiöse Widerstand des Antichristen sowohl jüdische als auch christliche Merkmale aufweist. Der Antichrist wird die biblische Offenbarung des Vaters und des Sohnes leugnen und gleichzeitig auch die Tatsache leugnen, dass Jesus der den Juden verheißene Messias ist.
Der Apostel Paulus zeigt in diesem Brief weitere Einzelheiten des Charakters und der Taten dieses schrecklichen Menschen. Hier wird er als „Mensch der Sünde“ bezeichnet, denn in ihm wird deutlich, wohin es führt, wenn ein Mensch nach seinem eigenen Willen lebt, ohne von Gott oder Menschen zurückgehalten zu werden. Wie in dem Fall Judas wird er „Sohn des Verderbens“ genannt, denn so wie Judas ein Verräter in der so bevorrechtigten Jüngerschar war, die den Herrn begleitete, genauso wird dieser Mensch aus den Reihen der bekennenden Christen hervorkommen. Beide Menschen sind für das Verderben oder die völlige Vernichtung bestimmt (Joh 17,12).
Was die Aktivitäten dieses bösen Mannes angeht, so drücken sie eher religiösen Frevel als böse Herrschaft aus, da er Gott verachtet und die Menschen verführt. Er „widersteht und erhöht sich über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist“. In diesem Menschen wird die ganze Feindschaft des menschlichen Herzens gegen Gott sichtbar, was die Folge der Sünde ist. Mehr noch: Der, der Gott versucht zu entthronen, setzt alles daran, sich selbst zu erhöhen. Darum lesen wir, dass der Mensch der Sünde nicht nur Gott widersteht, sondern sich selbst erhebt. So grenzenlos ist der Stolz des Menschen, dass er versucht, den Menschen „über alles, was Gott heißt oder verehrungswürdig ist“ zu erhöhen.
Außerdem fordert dieser fürchterliche Mensch den Gott Israels heraus, „so dass er sich in den Tempel Gottes setzt“ und danach strebt, allen Glauben an den einen unsichtbaren Gott auszurotten, indem er „sich selbst darstellt, dass er Gott sei“. Jemand hat es so ausgedrückt: „Somit konzentriert sich in diesem Menschen der Sünde die ganze Macht der Sünde, die ganze Feindschaft des menschlichen Herzens gegenüber Gott, der ganze Stolz, der sich selbst erhöht, die ganze Mißachtung des menschlichen Herzens in Bezug auf jede Offenbarung Gottes, sowohl in der Natur und im Judentum als auch im Christentum. Dieser Mensch hat Gott von der Erde ausgeschlossen und gibt sich selbst in seiner Arroganz den Platz und die Ehre, die allein Gott gebühren“.
„Erinnert ihr euch nicht, dass ich dies zu euch sagte, als ich noch bei euch war? Und jetzt wisst ihr, was zurückhält, damit er zu seiner Zeit offenbart wird. Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam; nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist, und dann wird der Gesetzlose offenbart werden, den der Herr Jesus verzehren wird durch den Hauch seines Mundes und vernichten wird durch die Erscheinung seiner Ankunft“ (2,5–8).
Im Verlauf seiner Ausführungen über das Kommen des Antichristen hält der Apostel inne, um uns wieder daran zu erinnern, was sich gegenwärtig abspielt, während die wahren Gläubigen noch auf Erden sind.
- Durch Gottes Güte gibt es etwas, was das Offenbarwerden dieses bösen Mannes zurückhält.
- Obwohl Gottes Güte die vollständige Entfaltung des Bösen zurückhält, ist das Böse, das den Abfall und das Erscheinen des Menschen der Sünde herbeiführt, doch schon wirksam.
Diese Gesetzlosigkeit war sogar schon zu den Zeiten von Paulus am Werk, denn er schreibt: „Denn schon ist das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wirksam…“. Sie hat während der ganzen Zeit der Christenheit ohne Unterbrechung im Verborgenen gewirkt und wird daher „das Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ genannt. Aber von dieser mächtigen Kraft, die zurückhält, wird als von einer Person gesprochen, als jemand, der noch auf der Erde anwesend ist, aber bald nicht mehr da sein wird. So lesen wir: „Nur ist jetzt der da, der zurückhält, bis er aus dem Weg ist“. Es gibt nur einen, auf den das zutreffen kann: der Heilige Geist. Es ist nicht nur die Gegenwart der wahren Gläubigen, die die völlige Entfaltung des Bösen hindert, wie sehr der Heilige Geist auch solche in seiner zurückhaltenden Kraft gebraucht, sondern es ist eher die Anwesenheit einer Person der Gottheit, die die Macht Satans zurückhält.
Auch wenn das Geheimnis der Gesetzlosigkeit zur Zeit nicht außer Kraft gesetzt ist, so ist es jetzt in seiner Wirksamkeit eingeschränkt und diese Wahrheit gibt dem Gläubigen Trost und Zuversicht. Sobald der Heilige Geist die Erde verlässt wird auch die zurückhaltende Kraft weggetan sein, und das Geheimnis der Gesetzlosigkeit wird in dem Antichristen offenbar.
Die Vereinigung der Bosheit in diesem Menschen der Sünde wird das gerechte Gericht Gottes hervorrufen. Der Herr Jesus, dem der Antichrist erbitterten Widerstand leisten wird, wird diesen bösen Menschen durch „den Hauch seines Mundes“ verzehren. Das muss das „scharfe Schwert“ sein, das aus seinem Mund hervor kommt, von dem wir in Offenbarung 19,15 lesen. Es symbolisiert zweifellos das Wort Gottes, das im Gericht angewendet wird. Dieses Schwert des Gerichts wird von dem Herrn Jesus bei „der Erscheinung seiner Ankunft“ zum Gericht erhoben. Es ist erforderlich, den Unterschied zwischen dem Kommen des Herrn für die Heiligen und seinem Kommen im Gericht zu beachten. Wenn der Apostel von dem „Versammeltwerden [der Gläubigen] zu ihm hin“ schreibt, ist die Rede vom Kommen des Herrn oder seiner Gegenwart, aber seine Ankunft bleibt unerwähnt (2, 1). Wenn es aber um das Gericht des Gesetzlosen geht, dann wird nicht nur von dem Kommen des Herrn gesprochen, sondern von seiner Erscheinung für die Welt. Er kann und wird für seine Heiligen kommen, ohne von der Welt gesehen zu werden. Wenn Er für das Gericht kommt, wird Er der ganzen Welt erscheinen. Jemand hat gesagt: „Der Unterschied zwischen 2. Thessalonicher 2,1 und 2. Thessalonicher 2,8 (die einfache Gegenwart Christi und die Erscheinung seiner Gegenwart) ist eindeutig, aufschlussreich und nicht zu leugnen. Zuerst versammelt Er die Heiligen zu sich, und dann kommt Er für sich und (wir dürfen sagen) für alle seine versammelten Heiligen, um mit ihnen zu erscheinen, zur Vernichtung seiner Feinde. Zu dem Zeitpunkt wird Ihn jedes Auge sehen, weil das auf der Erde jede Seele betreffen wird (W. Kelly).
„Ihn, dessen Ankunft nach der Wirksamkeit des Satans ist, in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge“ (2,9).
Nachdem der Apostel uns über die Kraft, die das gefürchtete Böse an seiner völligen Entfaltung zurückhält, belehrt hat, schließt er die Beschreibung des Gesetzlosen ab, indem er die verführerische Macht voraussagt, die dieser Mensch ausüben wird und die schrecklichen Auswirkungen für die, die die Wahrheit verworfen haben. Durch die furchtbare Darstellung der verführerischen Energie wird die Macht Satans in vollem Maß offenbar werden. Das Kommen des Menschen der Sünde wird „nach der Wirksamkeit des Satans … in aller Macht und allen Zeichen und Wundern der Lüge“ sein. Dieser Gesetzlose wird erbitterten Widerstand gegen Christus leisten, aber seine Verführung erfolgt so, dass er Christus nachahmt. Von dem Herrn Jesus lesen wir, dass er „von Gott vor euch bestätigt [wurde] durch mächtige Taten und Wunder und Zeichen“ (Apg 2,22). Die gleichen Worte, die die Macht Gottes beschreiben, die in Christus in Gnade wirkte, werden auch für die Beschreibung der Macht Satans verwendet, die in dem Menschen der Sünde zum Schlechten ausgelebt wird. Daher wird der Antichrist durch die Macht Satans danach trachten, das Zeugnis Gottes über Christus durch eigene Zeichen und Wunder, die aber denen durch Christus bewirkten Wundern gleichen, zu schmälern.
Diese mächtigen Taten und Wunder werden keine Betrügereien von irgendeinem von Menschen ernannten Priester und auch keine durch Menschen gewirkte Pseudoheilungen sein. Sie werden schreckliche Wirklichkeit sein, obwohl sie „Wunder der Lüge“ genannt werden, denn sie werden die Menschen verführen. Das Auftreten des Gesetzlosen wird von der übernatürlichen Macht Satans begleitet sein. Die Menschen vergessen, dass es geistliche Wesen gibt: „Engel, ihr Gewaltigen an Kraft“ (Ps 103,20), und dass Satan, obwohl er ein gefallener Engel ist, außerordentliche Kräfte besitzt, welche die des Menschen weit übersteigen. Wenn die zurückhaltende Kraft Gottes beseitigt ist, dann werden sich die übernatürlichen Mächte Satans völlig entfalten. Das Wirken Satans wird begleitet von der Offenbarung der „Kraft“, die die Kraft eines Menschen weit übersteigt, mit „Zeichen“ und „Wundern“, die die Aufmerksamkeit auf sich ziehen werden.
„Und in allem Betrug der Ungerechtigkeit denen, die verloren gehen, darum, dass sie die Liebe zur Wahrheit nicht annahmen, damit sie errettet würden. Und deshalb sendet ihnen Gott eine wirksame Kraft des Irrwahns, dass sie der Lüge glauben, damit alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht geglaubt, sondern Wohlgefallen gefunden haben an der Ungerechtigkeit“ (2,10–12).
Der Apostel schließt diesen so ernsten Abschnitt seines Briefes mit einer Beschreibung der schrecklichen Auswirkungen von Satans Macht, die sich durch den Gesetzlosen offenbart. Alle diese Ungerechtigkeiten werden diejenigen, „die verloren gehen“, betrügen. Das sind die, die die Wahrheit gehört und sie abgelehnt haben. Sie haben „die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen, damit sie errettet würden“. Da sie die Wahrheit abgelehnt haben, werden sie der „wirksamen Kraft des Irrwahns“ hingegeben und werden der Lüge glauben. Darüber hinaus haben sie der Wahrheit nicht geglaubt, weil sie Wohlgefallen an der Gesetzlosigkeit gefunden haben.
Der ganze Abschnitt macht die Reihenfolge dieser ernsten Begebenheiten deutlich klar:
- Jetzt wirkt das Böse im Verborgenen und wird „Geheimnis der Gesetzlosigkeit“ genannt.
- Bei der Ankunft Christi für seine Heiligen werden die wahren Gläubigen mit Ihm entrückt werden und der, der zurückhält, wird nicht mehr da sein.
- Auf die Entrückung der Heiligen zu Christus in den Himmel wird der Abfall der bekennenden Christenheit auf der Erde folgen.
- Der Abfall wird den Weg für das Offenbarwerden des Menschen der Sünde vorbereiten.
- Mit der Erscheinung des Menschen der Sünde wird sich die Macht Satans vollständig offenbaren.
- Die Offenbarung der Macht Satans durch den Menschen der Sünde hat eine starke Verführung derer zufolge, die Gefallen an der Gesetzlosigkeit finden und die Wahrheit verworfen haben.
- Wenn das Böse im Menschen und in Satan durch den offenen Widerstand gegen Gott zu seinem Höhepunkt kommt, wird der Herr mit großem Gericht bei der „Erscheinung seiner Ankunft“ eingreifen.
Im Licht dieses Abschnitts wird deutlich, dass die Christenheit dem Gericht entgegengeht. Obwohl sie einerseits durch die Ausbreitung des Christentums und die Verkündigung des Evangeliums so nahe davor steht, ist sie andererseits doch so weit von dem Segen des 1.000-jährigen Reiches entfernt. Jemand hat gesagt: „Ein deutlicher Beweis für die Macht Satans ist, dass es angesichts dieser Schriftstellen (2. Thes 2,3–12; 2. Tim 3,1–5.13; 4,3.4) immer noch Menschen gibt, die sich in ihrer Einbildung für klug halten und Begründungen bringen wollen, dass sie nach und nach die ganze Welt mit dem Evangelium erreichen werden. Sie geben sich, während das Gericht auf sie zueilt, der Erwartung hin, dass die Erde mit reichem Segen erfüllt werden wird. Damit liefern sie den besten Beweis von der Macht der Verführung, von der der Apostel hier schreibt. Es ist nicht so, dass Gott nicht am Werk wäre, um Menschen aus der Finsternis zum Licht zu bringen. Es war das Gleiche vor der Zerstörung Jerusalems: 3.000 Menschen bekehrten sich an einem Tag. Wäre die Bekehrung von 3.000 Menschen zum jetzigen Zeitpunkt ein Beweis dafür, dass sich das 1.000-jährige Reich nähert? Nein, es wäre vielmehr ein Beweis, dass das Gericht nahe bevor steht. Diese Bekehrungen geschahen, weil das Gericht nahte. Es war das Herausretten seiner Heiligen vor dem Gericht und das Hinzufügen zur Versammlung. Wenn Er heute auf besondere Weise Menschen herausrettet, so geschieht das nicht, weil das Evangelium die Welt erfüllt, sondern weil der bekennenden Christenheit das Gericht nahe bevorsteht“ (J.N. Darby, Collected Writings, Bd. 11, S. 448).
Das Teil und die Zukunft des Gläubigen
Nachdem der Apostel der falschen Lehre, die die Thessalonicher beunruhigt hatte, begegnet ist und den bevorstehenden Untergang der Christenheit vorausgesagt hat, spricht er jetzt von etwas ganz anderem, nämlich von dem gegenwärtigen und zukünftigen Teil der Gläubigen. Im ersten Teil des Briefes hatte er Gott für diese Heiligen gedankt, hatte sie belehrt und für sie gebetet. Jetzt kehrt er wieder zurück zum Dank, zur Ermahnung und zum Gebet.
Das Dankgebet
„Wir aber sind schuldig, Gott allezeit für euch zu danken, vom Herrn geliebte Brüder, dass Gott euch von Anfang erwählt hat zur Errettung in Heiligung des Geistes und im Glauben an die Wahrheit, wozu er euch berufen hat durch unser Evangelium, zur Erlangung der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus“ (2,13.14).
In den ersten Versen des Briefes dankt der Apostel Gott für die Heiligen wegen der Gnade, die in ihnen für Gott vorhanden war. Hier dankt er für das, was Gott alles für sie getan hat und tun wird. Mit großer Freude nennt er die Gläubigen „vom Herrn geliebte Brüder“. Wie groß auch das Versagen und die Schwachheit unter dem Volk Gottes sein mag und was auch die Unterschiede in der geistlichen Entwicklung sein mögen, er betrachtet sie mit großer Freude als solche, die als „Brüder“ miteinander verbunden sind. Der Apostel nennt die Heiligen in diesem kurzen Brief sieben Mal „Brüder“ (2. Thes 1,3; 2,1.13.15; 3,1.6.13). Darüber hinaus sind sie trotz der Verfolgung und Bedrängnisse durch die Welt „vom Herrn geliebt“. Sollten wir nicht vorsichtiger sein im Urteilen und Sprechen übereinander und im Umgang miteinander und bedenken, dass wir „vom Herrn geliebt“ sind? Kann der Herr teilnahmslos zuschauen, wenn seine Geliebten verfolgt und beleidigt werden, durch wen auch immer?
Dann dankt der Apostel Gott für alles, was Gott für sein Volk bedeutet, sei es in Bezug auf die Vergangenheit, die Gegenwart oder die Zukunft:
- Zurückschauend in die Ewigkeit sagt er zuerst, dass Gott uns „von Anfang“ erwählt hat zur Errettung. Wären wir von Gott aus uns selbst überlassen, dann würden auch wir mit der Welt unter das Gericht kommen, von dem er gesprochen hatte. Aber die souveräne Gnade Gottes hat uns für die Errettung erwählt. Diese Errettung wurde nicht aus Werken, die wir vollbracht hätten, bewirkt, sondern sie ist ein Werk des Geistes in uns, indem Er uns von der Welt abgesondert hat und uns dahin geführt hat, der Wahrheit zu glauben. Diese Wahrheit ist, wie wir wissen, das Evangelium über unseren Herrn Jesus Christus. Er starb für uns, damit wir die Errettung besitzen könnten (1. Thes 5,9.10).
Auf diese Weise zieht der Apostel eine Trennungslinie zwischen Gläubigen und Ungläubigen, von deren Verderben er vorher gesprochen hat. Die Ungläubigen, die unter dem Einfluss Satans stehen, haben die Liebe zur Wahrheit nicht angenommen und werden in die Verdammnis kommen. Die Gläubigen, die unter dem Einfluss des Heiligen Geistes stehen, glauben der Wahrheit und werden errettet. - Da die Gläubigen schon in der Ewigkeit zuvor erwählt wurden, werden sie in der Jetztzeit berufen. Dieser Ruf erreicht sie durch das Evangelium, das Paulus „unser Evangelium“ nennt. Oft beschränken wir die Verkündigung des Evangeliums auf die Vergebung der Sünden. Aber Paulus verkündete nicht eine Errettung, die nur unseren Bedürfnissen begegnet, sondern auch die Berufung, die dem Verlangen des Herzens Gottes entspricht. Wenn Gott uns ruft, dann tut Er das, um seine Absichten der Liebe seines Herzens zu zeigen.
Der Ruf Gottes hat einen zweifachen Charakter: Er ruft uns aus dieser Welt heraus und beruft uns in eine andere Welt. Als der Gott der Herrlichkeit Abraham erschien, geschah das mit den folgenden Worten: „Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und komm in das Land, das ich dir zeigen werde“ (Apg 7,3). Auch wir sind aus dieser Welt zu einer himmlischen Heimat berufen worden. Diese Welt hier ist für uns eine Welt der verdorbenen Christenheit, eine Mischung aus Judentum und Christentum. Daher gilt für uns der Ruf: „Lasst uns zu ihm hinausgehen, außerhalb des Lagers“ (Heb 13,13). Nachdem wir hinausgegangen sind, merken wir, dass „wir hier keine bleibende Stadt [haben], sondern die zukünftige suchen“ (Heb 13,14). - Da wir also schon von Ewigkeit her auserwählt und in der Gegenwart berufen worden sind, ist das Ziel dieser Berufung, die „Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus“ in den kommenden Zeitaltern zu besitzen. Wunderbare Gnade! Wenn Gott uns ruft, dann ist es zu keinem geringeren Ziel, als zum Erlangen der Herrlichkeit, wie sie sich in dem Herrn Jesus Christus als Mensch offenbart hat. Wir werden Ihm gleich sein und bei Ihm sein. Würden wir nicht anders übereinander sprechen und miteinander umgehen, wenn wir die Kinder Gottes mehr als solche ansehen würden, die „auserwählt“ und „berufen“ worden und auf dem Weg zur Herrlichkeit sind?
Die Ermahnung
„Also nun, Brüder, steht fest und haltet die Überlieferungen, die ihr gelehrt worden seid, sei es durch Wort oder durch unseren Brief“ (2,15).
Da wir nun, vom Herrn geliebte Brüder, auserwählt und berufen sind, die Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus zu besitzen, ermahnt uns der Apostel „festzustehen“ und „festzuhalten“. Nochmals sei angemerkt, dass diese Ermahnungen uns als Brüdern vorgestellt werden. Nur wenn wir als Brüder vereint miteinander umgehen, sind wir fähig, in gemeinschaftlicher Weise „festzustehen“ und „festzuhalten“. Wenn wir aber „einander beißen und fressen“, so wie es die Versammlungen in Galatien taten, werden wir am Ende „voneinander verzehrt“ werden. Doch der Apostel sagt zu den Galatern: „Wenn wir“ nicht „einander fressen und beißen“ sondern „durch den Geist leben, so lasst uns auch durch den Geist wandeln.“ Dann werden wir nicht „voll eitler Ruhmsucht sein, indem wir einander herausfordern, einander beneiden“, sondern wir werden wie Brüder leben, die einer des anderen Lasten tragen (Gal 5,15.25.26; 6,1.2).
Als Brüder verbunden, werden wir dazu fähig sein, angesichts der Angriffe des Feindes „festzustehen“, sei es in Verfolgungen oder Drangsalen. Dann können wir auch die Belehrungen des Apostels „festhalten“. Zu den Thessalonichern kamen diese Belehrungen entweder mündlich oder schriftlich; für uns sind sie in den Briefen erhalten. Jede Anstrengung des Feindes hat zum Ziel, dass die Heiligen in den Schwierigkeiten „aufgeben“ und die Wahrheiten, die sie gelehrt worden sind, „aufgeben“.
Das Gebet
„Er selbst aber, unser Herr Jesus Christus, und Gott, unser Vater, der uns geliebt und uns ewigen Trost und gute Hoffnung gegeben hat durch die Gnade, tröste eure Herzen und befestige euch in jedem guten Werk und Wort“ (2,16.17).
Der Apostel hat uns die Errettung und die Berufung Gottes vorgestellt. Er hat uns ermahnt, „festzustehen“ und „festzuhalten“. Aber er weiß auch, dass wir unserer Berufung aus eigener Kraft unmöglich gerecht werden und gegenüber der Macht des Feindes unmöglich standhaft bleiben können. Deshalb nimmt er Zuflucht zum Gebet. Er wendet sich an unseren Herrn Jesus Christus, an Ihn selbst, an den Einen, der mit all dem Bösen abrechnen und allen Widerstand durch die Erscheinung seiner Ankunft zunichtemachen wird. Wie gut, dass wir durch das Gebet direkten Zugang zu „ihm selbst“ haben! Dann wendet er sich an „Gott, unseren Vater“, der uns liebt und uns erwählt und berufen und in seiner Gnade uns ewigen Trost und gute Hoffnung gegeben hat.
Es mag auf unserem Weg viele Nöte geben, aber am Ende unserer Reise werden wir „ewigen Trost“ bekommen. Vielleicht müssen wir durch schwierige Zeiten gehen, aber diese sind nur ein Übergang zum Erlangen der „guten Hoffnung“. Falsche Lehrer mögen versuchen, die Heiligen zu bedrücken und abzulenken. Aber der Herr Jesus selbst und Gott, unser Vater, können uns trösten. Der Feind mag versuchen, die Heiligen von ihrem Dienst, von „jedem guten Werk und Wort“, abzuhalten. Dazu benutzt er falsche Lehrer aus den eigenen Reihen oder auch Verfolgung von außen. Aber Gott kann die Heiligen befähigen, trotz aller Angriffe des Feindes „festzustehen“, „festzuhalten“ und in jedem guten Werk und Wort fortzufahren.