Der Prophet Sacharja
Kapitel 1
Rote, hellrote und weiße Pferde
„Im achten Monat, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an Sacharja, den Sohn Berekjas, des Sohnes Iddos, den Propheten,…“ (1,1).
Der Schreiber Sacharja
Charakteristisch für Sacharja ist, dass er nicht nur Prophet, sondern auch Priester war. Seine Priesterschaft gab seinem Prophetentum eine besondere Weihe und die Bedeutung der drei genannten Namen unterstreichen dies in besonderer Deutlichkeit:
- Sacharja = der HERR gedenkt,
- Berekja = der HERR segnet,
- Iddo = die bestimmte Zeit.
Sacharja war noch ein junger Mann, denn der Engel wird zu ihm, dem Jüngling gesandt (2,8). Gott hat sowohl damals als auch in der Gnadenzeit junge Diener berufen. Der Apostel Paulus schreibt seinem „Kind“ Timotheus: „Niemand verachte deine Jugend“ (
Berekja war der Vater Sacharjas. Die Deutung seines Namens ist: „Der HERR segnet“. Ein glückliches Geschlecht, auf dem der Segen des HERRN ruht! In
Iddo war der Stammvater und sein Name bedeutet: „Zur bestimmten Zeit“.
Sacharja, Berekja, Iddo = Der HERR gedenkt, der HERR segnet, zur bestimmten Zeit. Haben wir darin nicht den Schlüssel zu den Gnadenwegen Gottes mit Israel? Er wird sich des abtrünnigen Volkes erinnern, Er wird es segnen, und zwar zu der von Ihm bestimmten Zeit.
Das zeigt uns deutlich, dass die Weissagungen des Propheten Sacharja ihre Erfüllung noch nicht gefunden haben, aber zu der von Gott vorbestimmten Zeit ihre restlose Erfüllung finden werden. Schon die Einleitung des Buches zeigt uns, dass wir es mit einem der größten inspirierten Seher zu tun haben. Sein Buch gleicht der Offenbarung des Neuen Testaments und ist darum mit Recht oft die Apokalypse des Alten Testaments genannt worden.
Die Zeit seines Wirkens
Der göttliche Auftrag zum Schreiben dieses Buches wurde dem Propheten „im zweiten Jahr des Darius“ gegeben. Welche Beschämung für Israel, dass ihr Prophet sich einer heidnischen Zeitrechnung bedienen muss! Der Thron Gottes und das Königtum war von Jerusalem weggenommen, es war nicht die Zeit des HERRN, sondern die Zeit des Königs Darius. Geschichtlich: Darius Hystaspis, König von Persien. Welche Züchtigungen und Demütigungen musste doch Israel wegen seiner Untreue und Halsstarrigkeit, wegen seines Ungehorsams und seiner Rebellion auf sich nehmen! Das war für den Gott Israels schmerzlich, der sich sein Volk zu seiner Freude und Wonne erwählt hatte, aber nichts als Enttäuschung von ihm erleben musste.
Sacharja war ein etwas jüngerer Zeitgenosse Haggais. Gott sandte sie als Prediger zu seinem Volk, um das Gewissen der Menschen aufzurütteln.
„Der HERR ist heftig erzürnt gewesen über eure Väter“ (1,2).
„Der HERR ist heftig erzürnt gewesen.“ Warum? Weil Israel nicht auf sein Wort achtete! Die Weissagungen, wie ernst sie auch waren, sagten ihm nichts. Es war nicht bereit ihr Ohr und Herz der göttlichen Warnung zu öffnen, und forderten so den heiligen Zorn Gottes heraus.
„Und sprich zu ihnen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt zu mir um, spricht der HERR der Heerscharen, und ich werde zu euch umkehren, spricht der HERR der Heerscharen“ (1,3).
Dreimal finden wir in diesem Vers den Ausdruck „HERR der Heerscharen“. Das zeigt uns seine ganze Allmacht, Herrlichkeit und Majestät. Er ruft sein Volk zur Umkehr: „Kehrt zu mir um!“ Ja, von dem wahren und lebendigen Gott hatte sich Israel abgewandt und sich geweigert, Ihm zu dienen und zu gehorchen. Auch heute ergeht ein Ruf Gottes an alle Menschen, denn Gott gebietet allen Menschen umzukehren und sich dem Schöpfer und Herrn aller Dinge zu unterwerfen.
„Seid nicht wie eure Väter, denen die früheren Propheten zuriefen und sprachen: So spricht der HERR der Heerscharen: Kehrt doch um von euren bösen Wegen und von euren bösen Handlungen! Aber sie hörten nicht und achteten nicht auf mich, spricht der HERR“ (1,4).
Obwohl Gott mit rührender Liebe das abgeirrte Volk einlädt, um zu Ihm umzukehren und die bösen Wege und die bösen Handlungen abzulegen, muss Er mit tiefem Schmerz feststellen: „Sie hörten nicht und sie merkten nicht auf mich!“ „Hören“ und „Merken“ ist das Kennzeichen eines erneuerten Herzens, dem Gott sich zuwenden und sich seiner annehmen kann. Aber ein Überhören hat Gericht zur Folge.
„Eure Väter, wo sind sie? Und die Propheten, leben sie ewig?“ (1,5).
Es ist eine ernste Auseinandersetzung, die der Prophet im Auftrag Gottes mit dem widerspenstigen Volk führt. „Ja, wo sind eure Väter?“ Sind sie nicht ein Musterbeispiel, an dem man deutlich erkennen kann, wohin es führt, wenn man Gottes Gebote außer Acht lässt? Ja, wo waren die Väter? Im fremden Land umgekommen, begraben in fremder Erde. Was für eine tiefe Schmach für einen Israeliten! Selbst die Propheten wurden nicht verschont. Sie hatten falsch geweissagt und das Volk irregeführt, sie redeten nach dem, was ihnen in den Ohren kitzelte. Daher wurde auch sie von dem Gericht getroffen und kamen um und konnten nicht „ewig leben“. Obwohl manche „Herr, Herr!“ sagen, werden sie das Reich Gottes doch nicht erben, denn ein frommes Mäntelchen schützt nicht vor dem Gericht Gottes. Gottes Augen kann man nicht täuschen, denn sie sind heilig und sehen klar. Kein Prophet hat die Ewigkeit gepachtet.
„Doch meine Worte und meine Beschlüsse, die ich meinen Knechten, den Propheten, gebot, haben sie eure Väter nicht getroffen? Und sie kehrten um und sprachen: So wie der HERR der Heerscharen vorhatte, uns nach unseren Wegen und nach unseren Handlungen zu tun, so hat er mit uns getan“ (1,6).
Mit diesem Vers schließt die feierliche Einleitung zu den Gesichten und Aussprüchen des Propheten. Er weist hin auf den Ausgang, den ihre Väter genommen haben, weil sie das Gebot Gottes nicht beachteten. Sie hatten keinen Bestand, weil sie sich nicht auf das Wort Gottes stützten. Wer dieser unerschütterlichen Grundlage entbehrt, kommt früher oder später zu Fall. Gottes Wort und Ratschluss bleibt allein bestehen und wird sich restlos erfüllen.
Die acht Gesichte
„Am vierundzwanzigsten Tag, im elften Monat, das ist der Monat Schebat, im zweiten Jahr des Darius, erging das Wort des HERRN an Sacharja, den Sohn Berekjas, des Sohnes Iddos, den Propheten, indem er sprach: Ich schaute in der Nacht, und siehe, ein Mann, der auf einem roten Pferd ritt; und er hielt zwischen den Myrten, die im Talgrund waren, und hinter ihm waren rote, hellrote und weiße Pferde“ (1,7–8).
Diese acht Gesichte sind auch unter dem Namen „Nachtgesichte“ bekannt, weil Sacharja sie alle in der Nacht schaute. Das ist nicht ohne Bedeutung. Wenn wir die göttliche Prophetie verstehen wollen, müssen wir uns vorerst bewusst sein, dass die Menschheit infolge ihrer Untreue und ihrer Gottesferne in tiefe Nacht und Dunkelheit getaucht ist. Nur das göttliche Licht kann die Menschen erleuchten. Nur dem Glauben leuchtet die Lampe des prophetischen Wortes, die an dem dunklen Ort scheint (
Drei Monate früher hatte Gott bereits eine Botschaft an Sacharja gerichtet. Nun erhält er die zweite. Er sieht einen Mann, reitend auf einem roten Ross. Das Pferd ist in der Heiligen Schrift immer das Bild einer voranschreitenden Siegesmacht. Der Reiter ist nach Vers 11 unseres Kapitels der „Engel des HERRN“. So wird Christus vor seiner Menschwerdung im Alten Testament immer wieder genannt (z.B.
Dieses rote Ross „hält zwischen den Myrten, welche im Talgrund waren“. Myrten sind das Symbol der Freude nach erfolgter Wiederherstellung. Die Myrten kommen noch drei Mal in Gottes Wort vor, jedes Mal in dem gleichen Sinn:
- In
Nehemia 8,15 finden wir das Volk, wie es das Laubhüttenfest mit großer Freude feiert und ihre Hütten mit Myrtenzweigen schmückt. - In
Jesaja 41,19 tröstet Gott sein Volk und gibt ihm ein Land, wo die Myrte wachsen wird. Jesaja 55,13 zeigt, wenn alle Gerichte zu Ende sind, Brennnesseln verschwinden und Myrten an ihrer Stelle aufschießen.
Wenn wir den HERRN hier inmitten von Myrten sehen, so deutet das an, dass Er an die Wiederherstellung Israels denkt. Aber Myrten sind noch im Talgrund, d.h. noch verborgen. Wir können dabei auch an die Erniedrigung des Herrn denken. Seine Erhöhung, d. h. seine Anerkennung als der Herr der ganzen Erde, ist noch verborgen und liegt noch in der Zukunft.
Wenn wir das auf heute anwenden, dann nimmt auch die Kirche, die Versammlung Gottes, eine ähnliche Stellung ein. Bildlich gesprochen befindet sie sich auch im Talgrund, verborgen, geschmäht, verlacht, verhöhnt, aber das ist nur ein vorübergehender Zustand. Der Herr wird kommen und seine Brautgemeinde erhöhen in das Vaterhaus. Dort wird sie mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und mit Christus wiederkommen und von aller Welt gesehen werden. „Es ist noch nicht offenbar geworden, was wir sein werden; wir wissen, dass, wenn es offenbar werden wird, wir ihm gleich sein werden, denn wir werden ihn sehen, wie er ist“ (
Rote, hellrote und weiße Pferde standen hinter dem „Engel des HERRN“. Es sind wohl Bilder verschiedener Völkerschaften, die Gott in seinen Wegen der Vorsehung zum Segen seines Volkes benutzt. Bewährte Schriftausleger sehen in diesen drei Pferden die drei Weltreiche, die dem römischen Weltreich folgen:
- Das erste Weltreich, das Babylonische, gehörte zurzeit Sacharja schon der Vergangenheit an.
- Vor sich sieht der Prophet in göttlicher Schau das medo-persische Reich, das den Juden die Freiheit wieder geschenkt hat.
- Darauf folgen das griechische Weltreich und das
- römische Weltreich.
Sacharja weissagte, dass die Juden nun für immer von dem fremden Joch befreit sein würden. Das wäre auch der Fall gewesen, wenn sie sich nicht erneut in Rebellion gegen Gott gestürzt und sogar Gottes Gesalbten an das Kreuz genagelt hätten.
„Und ich sprach: Mein Herr, wer sind diese? Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Ich will dir zeigen, wer diese sind“ (1,9).
Das Aussehen der drei Reitergruppen muss bei dem Propheten Furcht und Entsetzen ausgelöst haben, denn er fragt bestürzt: „Wer sind diese?“ Der „Engel des HERRN“, Christus selbst, gibt ihm die Antwort. Ja, der HERR will uns alle Fragen beantworten, die wir glaubend an Ihn richten. Mag sein, dass Er diese vorläufig in ein Geheimnis hüllt, da die Zeit der Kundmachung noch nicht gekommen ist, oder deren Offenbarung uns nicht von Nutzen wäre. Sacharja hört nun, dass unter Gottes Zulassung diese Reitergruppen die ganze Erde überfluten.
„Und der Mann, der zwischen den Myrten hielt, antwortete und sprach: Diese sind es, die der HERR ausgesandt hat, um die Erde zu durchziehen. Und sie antworteten dem Engel des HERRN, der zwischen den Myrten hielt, und sprachen: Wir haben die Erde durchzogen, und siehe, die ganze Erde sitzt still und ist ruhig“ (1,10–11).
Man hätte denken sollen, dass diese verheerenden Kriegszüge, die sich über Nationen und Juden wälzten, die Menschheit zur Umkehr und zur Buße gebracht hätten. Wohl vertraut inmitten allen Verderbens ein gläubiger Überrest – hauptsächlich aus den Juden – dem, der zwischen den Myrten hielt. Sie sehen darin den, der dem Volk Israel klare und unumstößliche Zusicherung seines Segens inmitten einer vom Fluch befreiten Schöpfung geben würde. Dieses stand allerdings in der Zeit des Propheten noch aus, aber der Glaube schaute sie und richtete sich daran auf, wissend, dass der Herr zu seiner Zeit sein gegebenes Wort einlösen und bis auf das letzte Tüpfelchen erfüllen wird. Auch für uns gilt es auszuharren, denn noch über ein Kleines und der Herr wird kommen und nicht verziehen! Das ist unsere wunderbare Hoffnung!
Die Erde hat von der Botschaft Gottes keine Notiz genommen, sie verachtete das Heil und ließ sich von der Heimsuchung des Allmächtigen nicht beeindrucken. „Die ganze Erde sitzt still und ist ruhig.“ Die laodizäische Gleichgültigkeit, Sorglosigkeit und Schläfrigkeit erfüllte schon zu des Propheten Zeiten die Erde. Es ist heute nicht anders; niemand interessiert sich für das Evangelium, wenige hungern nach Heil, keine Seele macht sich auf, um die Schriften zu erforschen und nach den Wegen des Herrn zu fragen. Man genießt in vollen Zügen die Annehmlichkeiten der Welt, „man sitzt still und ist ruhig“. Satan sorgt mit Vehemenz, dass die Schlafenden nicht erwachen.
„Da hob der Engel des HERRN an und sprach: HERR der Heerscharen, wie lange willst du dich nicht über Jerusalem und die Städte Judas erbarmen, auf die du zornig warst diese siebzig Jahre? Und der HERR antwortete dem Engel, der mit mir redete, gute Worte, tröstliche Worte“ (1,12.13).
Wir haben festgestellt, dass trotz all der ernsten Wege Gottes mit den Menschen diese nicht umkehrten. Ihre Gewissenlosigkeit, sowohl der Unterdrückung der Juden durch die Nationen als auch Israels Schuld am Tod des Messias, musste das Gericht Gottes herbeiführen. Aber wie oft finden wir das im Wort Gottes, dass wo die Sünde überströmend geworden ist, die Gnade aber noch überreichlicher sich offenbarte (vgl.
Das schuldige Jerusalem (Sacharja hat immer die Stadt und Juda im Blick) wird der Mittelpunkt alles Segens werden. Darum entspringt aus tiefstem Herzensgrund des Propheten der Ruf zu Gott: „Wie lange noch? Willst du dich nicht deiner Verheißung erinnern, die Zusagen, die du gemacht, erfüllen? Sollen die Nationen noch weiter Ursache zum Spott haben? Sollen sie weiter mit Fingern auf deine Stadt zeigen?“ Konnte Gott auf solch dringliches Bitten und solch gottgemäße Herzensstellung schweigen? Niemals! Er antwortet mit seiner Güte und mit seinem Trost. Der neutestamentlichen Seher Johannes, also Jahrhunderte später, wude mit den Worten getröstet: „Weine nicht!“ (
„Und der Engel, der mit mir redete, sprach zu mir: Rufe aus und sprich: So spricht der HERR der Heerscharen: Ich habe mit großem Eifer für Jerusalem und für Zion geeifert, und mit großem Zorn zürne ich über die sicheren Nationen; denn ich habe ein wenig gezürnt, sie aber haben zum Unglück geholfen“ (1,14–15).
Das Wort: „Ich habe ein wenig gezürnt“ redet prophetisch vom Kreuz. Das Gericht, das wir verdient hätten, vollzog Gott an seinem Sohn und vom Kreuz erquickt uns nun der Segensstrom der Gnade.
„Darum, so spricht der HERR: Ich habe mich Jerusalem mit Erbarmen wieder zugewandt; mein Haus, spricht der HERR der Heerscharen, soll darin gebaut und die Mess-Schnur über Jerusalem gezogen werden. Rufe ferner aus und sprich: So spricht der HERR der Heerscharen: Meine Städte sollen noch überfließen von Gutem; und der HERR wird Zion noch trösten und Jerusalem noch erwählen“ (1,16–17).
„Die Nationen haben zum Unglück geholfen“, indem sie in blindem Hass und gegen besseres Wissen den Gesalbten Gottes ans Kreuz nagelten; dennoch bleibt Gott seinen Verheißungen treu. Er kann sich selbst nicht verleugnen (
Auch wir befinden uns inmitten eines großen Verfalls. Die Christenheit befindet sich in einem gleichen Niedergang und Chaos, wie es einst das Judentum war. Aber dürfen wir nicht auch diese ermunternden Worte auf uns anwenden? Sicherlich! Gott sei gepriesen! Er antwortet auch unseren Herzen mit Worten des Trostes und der Hoffnung.