Betrachtung über Lukas (Synopsis)
Kapitel 17
Die Gnade ist die Quelle des christlichen Wandels und liefert die Anleitungen dafür. Nicht ungestraft verachtet man daher die Schwachen, und ohne zu ermüden verzeiht man seinem Bruder. Die Macht Gottes steht sozusagen zur Verfügung dessen, der nur Glauben hat wie ein Senfkorn. Nichtsdestoweniger hat man, wenn man alles getan hat, nur seine Schuldigkeit getan (V. 5-10). - Dann zeigt der Herr (V. 11-36) die Befreiung vom Judentum, das Er immer noch anerkannte, und danach das Gericht desselben. Auf Seiner Reise durch Samaria und Galiläa kommen zehn Aussätzige zu Ihm und bitten Ihn von ferne, dass Er sie heile. Er sendet sie zu den Priestern. Das hieß in der Tat soviel wie zu sagen: Ihr seid rein. Es würde nutzlos gewesen sein, sie für unrein erklären zu lassen; sie wussten ja, dass sie das waren. Sie nehmen das Wort Christi an, entfernen sich in dem Vertrauen, dass sie sich den Priestern als Gereinigte zeigen würden, und werden alsbald auf ihrem Wege geheilt. Zufrieden damit, aus Seiner Macht Nutzen gezogen zu haben, setzen neun von ihnen ihren Weg zu den Priestern fort und bleiben Juden, indem sie den alten Schafstall nicht verlassen. Jesus erkannte freilich denselben noch an; sie aber erkannten Jesum nur insoweit an, als sie durch Seine Gegenwart Vorteil hatten, und blieben da, wo sie waren. Sie fanden weder etwas in Seiner Person noch in der Macht Gottes in Ihm, was sie angezogen hätte; sie blieben Juden. Der zehnte Aussätzige aber, ein armer Fremdling, ein Samariter, erkennt die gute Hand Gottes an. Er fällt zu den Füßen Jesu nieder und gibt Ihm die Ehre. Der Herr entlässt ihn in der Freiheit des Glaubens: „Stehe auf und gehe hin; dein Glaube hat dich gerettet!“ Er hat nicht mehr nötig, zu den Priestern zu gehen. Er hat Gott und die Segensquelle in Christo gefunden; und befreit von dem Joche, das bald auf gerichtlichem Wege für alle zerbrochen werden sollte, entfernt er sich; denn das Reich Gottes war unter ihnen. Für diejenigen, die es zu unterscheiden vermochten, war der König in ihrer Mitte. Das Reich kam allerdings nicht in einer Weise, dass es die Aufmerksamkeit der Welt auf sich gelenkt hätte; allein es war da, so dass, wie der Herr sagt, die Jünger bald einen der Tage zu sehen begehren würden, deren sie sich während der Zeit Seiner Gegenwart auf der Erde erfreut hatten; aber sie werden ihn nicht sehen (V. 22).
Endlich kündigt der Herr Seinen Jüngern die Anmaßungen der falschen Christi an, durch die, da der wahre Christus verworfen worden war, das Volk den Ränken des Feindes zur Beute fallen würde; die Jünger aber sollten sich hüten, ihnen zu folgen. In Verbindung mit Jerusalem waren sie zwar diesen Versuchungen ausgesetzt, aber sie besaßen die Anweisungen des Herrn, um durch dieselben zu gehen.
Der Sohn des Menschen wird an Seinem Tage wie der Blitz sein; vorher aber muss Er von Seiten der ungläubigen Juden vieles leiden. Der Tag des Sohnes des Menschen wird sein wie die Tage Noahs und Lots. die Menschen werden gemächlich leben und ihren fleischlichen Beschäftigungen nachgehen, gleich der Welt, die durch die Flut, und gleich Sodom, das durch das Feuer vom Himmel überrascht wurde. Also wird die Offenbarung des Sohnes des Menschen, Seine öffentliche Offenbarung, sein - glänzend und plötzlich.
Alles dieses bezog sich auf Jerusalem. In dieser Weise gewarnt, sollten die Jünger es sich angelegen sein lassen, dem Gericht des Sohnes des Menschen zu entfliehen, das zur Zeit Seiner Ankunft über diese Stadt, die Ihn verworfen hatte, hereinbrechen werde; denn der von ihr verkannte Sohn des Menschen würde wiederkommen in Seiner Herrlichkeit. In jener Zeit aber durfte, kein Zurückschauen stattfinden, denn das würde heißen, sein Herz an der Stätte des Gerichts zu haben. Besser alles, ja, selbst das Leben verlieren, als mit dem verbunden sein, was gerichtet werden sollte. Wenn man auch aus Untreue entrinnen und sein Leben erretten würde - das Gericht war das Gericht Gottes. Er wird die Menschen in ihren Betten zu erreichen und zwischen zweien, die in einem Bett liegen, oder zwischen zwei Weibern, die ihr Korn in derselben Mühle mahlen, den Unterschied zu machen wissen. Dieser Charakter des Gerichts zeigt, dass es sich hier nicht um die Zerstörung Jerusalems durch Titus handelt. Es ist das Gericht Gottes, das zu unterscheiden, zu nehmen und zu verschonen weiß. Auch ist es nicht das Gericht der Toten, sondern ein Gericht auf der Erde: die Menschen befinden sich im Bett, beim Mahlen, auf den Dächern und in den Feldern. Gewarnt durch den Herrn, sollten die, welche Ohren hatten zu hören, alles verlassen und ihre Aufmerksamkeit nur auf Den richten, der da kommen würde, um das Gericht auszuführen. Wenn sie fragten, wo dies sein sollte, so erhielten sie zur Antwort, dass das Gericht da stattfinden würde, „wo das Aas wäre“; es würde sich herabstürzen gleich einem Adler, den man nicht sieht, dem aber seine Beute nicht entgeht.