Vorträge über den Propheten Maleachi
Kapitel 1 – Geliebt, aber keine Antwort der Liebe
Vers 1: Die Last – für ganz Israel
„Ausspruch des Wortes des Herrn an Israel durch Maleachi“ (Vers 1).
Man kann durch einige anderen Stellen in unserer Übersetzung nachweisen, dass das Wort Ausspruch auch anders übersetzt werden kann. Dann liest man: „Last des Wortes des Herrn“. In Jeremia 23,33.34 heißt es: „Und wenn dieses Volk, oder ein Prophet oder ein Priester dich fragt und spricht: Was ist die Last des Herrn? so sprich zu ihnen: Was die Last sei? Ich werde euch abwerfen, spricht der Herr. Und der Prophet und der Priester und das Volk, welche sagen werden: „Last des Herrn“, diesen Mann und sein Haus werde ich heimsuchen“.
Last und Ausspruch
Nach der Fußnote zu Jeremia 23,33 hat der hebräische Ausdruck für Last eine doppelte Bedeutung: Last und Ausspruch. Das sieht man auch, wenn man die englische oder französische Darby-Übersetzung liest. Dort steht das gleiche. Es geht also um etwas, das eine Last ist. Für wen? Für Gott und den Propheten. Wenn Gott so eine ernste Sprache führt, tut er das nicht gern. Das belastet ihn, menschlich gesprochen. Gott ist ein richtender Gott, aber er hat keine Freude am Strafen. Und wenn er hier so ernst spricht, ist „Last“ in diesem Ausdruck eine Anspielung darauf, dass Gott das nicht gerne tut, aber es doch tun muss; und – wenn wir an Maleachi hier denken – dass auch der Prophet so reden musste.
Ich stelle mir ein ähnliches Empfinden vor wie in dem Brief des Judas. Judas war ein Mann, der auch über gute und schöne, erbauliche Dinge reden wollte, aber davon reden musste, für den einmal den Heiligen überlieferten Glauben zu kämpfen. Er musste, wenn man so will, über Trauriges sprechen. Das ist für das Instrument, das Sprachrohr, oder für denjenigen, der sich auf die Seite Gottes stellt, nie ein Vergnügen. Es ist vielmehr eine Belastung.
Das ist eine außerordentlich ernste Sache. Es hat mich immer beeindruckt, wenn wir von dieser Begebenheit im Zusammenhang mit Gideon lesen. Diese dreihundert Männer, die auf seiner Seite standen, waren ja nach dem Kriterium bestimmt worden, das bei einem Hund vorkommt (vgl. Ri 7,5). Warum ein Hund? Hat Gott in seiner reichen Schöpfung kein anderes Bild, um diese Tatsache zu verdeutlichen? Der englische Bibelausleger William Kelly schreibt dazu einmal: „Der Glaube, der mit Gott rechnet, muss sich gefallen lassen, wie ein Hund behandelt zu werden!“
Ich könnte mir denken, dass es ähnlich für Maleachi war, genau wie für Jeremia oder auch die anderen Boten, die Trauriges sagen mussten. Man sagt normalerweise lieber Schönes, aber man muss auch zuweilen etwas Ernstes sagen. Maleachi ist gehorsam. Er begehrt nicht auf, wie das etwa Jona tat. Er nimmt den Auftrag an, redet, und tritt ab. Das ist das Wichtige für einen Diener. Er tut nämlich das, was ihm gesagt wird, tritt dann ab und überlässt die Folgen seinem Gott.
Eine Botschaft an ganz Israel
Ein weiterer Punkt fällt mir auf, wenn ich hier in Vers 1 lese: „Ausspruch (Last) an Israel, durch Maleachi“. Warum ist das so interessant? Das ist deswegen wichtig, weil Israel als Volk gar nicht mehr bestand! Es bestand am Ort der Anbetung in Jerusalem nur eine relativ kleine Gruppe von zurückgekehrten Juden. Nicht einmal die zwei Stämme waren vollständig zurückgekehrt, geschweige denn die übrigen zehn Stämme, und doch wendet Gott sich hier an Israel. Darin kann man einen Grundsatz erkennen, der immer gilt. Gott hat auch da, wo der Mensch Zersplitterung angerichtet hat, das Ganze im Auge, als wenn keine Trümmer da wären! Gott sah auch hier ganz Israel.
Ebenso ist es im Jakobusbrief, wo Jakobus an die 12 Stämme Israels schreiben muss. Und das findet man durchgängig auch in den Büchern nach der Verbannung. Immer steht das ganze Volk gewissermaßen vor Gott im Blickfeld. Auch bei Esra und Nehemia ist es so. Deswegen ist das ein Buch nicht nur an die Zurückgekehrten, sondern auch für ganz Israel. So dürfen wir auch heute die Belehrungen der Schrift, die alle Christen angehen, in diesem Glauben zu verwirklichen trachten, als wenn es keine Zersplitterung gäbe. Das war das Anliegen unser geschätzten Brüder aus dem 19. Jahrhundert gewesen. Sie wollten keine „Brüderbewegung“ aufmachen, sondern einfach zu den Anfängen der neutestamentlichen Belehrungen zurückgehen, als wenn es keine Trennung gegeben hätte. Einfach zusammenkommen auf der Grundlage des Wortes Gottes. Wenn man das begriffen hat, kann man nicht einfach weggehen. Diese Geschwister damals haben verstanden: Die ganze Kirche ist gemeint. Und das haben sie in großer Glaubenstreue festgehalten.
Hier in unserem Abschnitt könnte man sagen, dass es damals zwei große Gruppen gab. Da waren einmal die Vielen, die in Babel und in den Ländern zurückgeblieben waren und sich an dem Aufruf von Kores nicht störten. Sie blieben „daheim“, es ging ihnen inzwischen gut. Sie waren am falschen Ort in der falschen Stellung und in einem falschen Zustand.
Dann ruft Gott die andere Gruppe, die unter Serubbabel dem Aufruf gefolgt war. Er ruft sie heraus, um den Altar dort aufzurichten. Hier handelte es sich um Leute, die nicht mehr in der falschen Stellung und nicht mehr in der Gefangenschaft waren. Sie waren am richtigen Ort. Sie waren nicht mehr in Babel. Doch war ihr innerer Zustand genauso schlecht wie es vorher der Fall war. Und deshalb musste Maleachi mit ihnen sprechen. Die Belehrung ist diese: Man kann äußerlich richtig zu stehen scheinen und doch innerlich eine ganz traurige Stellung einnehmen. Das ist sehr ernst. Gott sieht die Herzen an. Es kann sein, wie man das einmal beim Propheten Jeremia sieht, dass man sich darauf beruft, dass man mit dem Tempel des Herrn in Verbindung steht (vgl. die eindrucksvolle Stelle Jer 7,4.5)! Aber Gott „stört“ sich überhaupt nicht daran. Er sieht das Herz an und muss das Volk in die Gefangenschaft schicken.
Eine kleine Anzahl von Leuten ist hier gemeint, die nicht mehr treu waren, und doch spricht Gott sie an, als wären sie das ganze Israel. Und wie spricht er sie an!
Vers 2: Die verschmähte Liebe des Herrn
„Ich habe euch geliebt, spricht der Herr“ (Vers 2).
Der Herr spricht hier den zentralen Gedanken in diesem Prophetenbuch aus: „Ich habe euch geliebt“. Das ist etwas Großartiges, dass Gott dies im Alten Testament sagt. Und das ist ein Gedanke, den wir der Sache und dem Wortlaut nach noch öfter in der Schrift und auch im Alten Testament finden. In 5. Mose 7 liest man von „des Herrn Liebe zu euch“ (Vers 8). In Jeremia 31 von der ewigen Liebe, die Gott hat, und dass Er sich nicht geändert hat. Er hat sein Volk, Jakob, geliebt. „Ich habe euch geliebt spricht der Herr“. Das ist etwas, was unsere Herzen besonders anspricht.
Wir sehen das besonders vor dem Hintergrund des Neuen Testaments. Die Liebe Gottes ist der Mittelpunkt des Neuen Testamentes. Und wenn jemand verstehen kann, was die Liebe Gottes ist, dann sind wir Christen das.
Aber auch schon im Alten Testament werden Personen von dem Gedanken an die Liebe Gottes erfüllt: „Der Herr hat uns lieb“. Das beflügelte sie, Hand anzulegen und zu arbeiten, wo alles traurig war. Und das darf auch uns anspornen, Hand anzulegen und aktiv zu werden, auch da, wo zumindest äußerlich wenig Erfreuliches zu sehen ist.
Eine Antwort auf die Liebe des Herrn
Und wir dürfen hinzufügen, dass Gott auch jetzt noch sagt: „Ich liebe euch.“ Wenn ich wieder an die Geschwister aus dem 19. Jahrhundert denke, was hat sie bewegt? Im tiefsten Grund der einfache Gedanke: Unser Herr hat uns geliebt. Er hat die Versammlung (Gemeinde, Kirche, gr. ekklesia) geliebt. Da lohnt es sich, einmal zu fragen, was Gott denn über die Versammlung sagt? Genau das haben die Geschwister damals getan.
Was haben die Brüder damals getan? Sie haben Schriften geschrieben, getrieben von dieser Liebe, von dem Erlebnis der Errettung, getrieben von dem Bewusstsein, dass der Herr sie liebt. Mit diesem Bewusstsein haben sie das Wort Gottes neu untersucht und haben festgestellt, was die Bibel alles über diese wunderbare Versammlung Gottes sagt. Dazu nahmen sie Nachteile in Kauf, ihre Karriere stand oft auf dem Spiel. Aber das Bewusstsein der Liebe ihres Herrn war ihnen wichtiger. Und deshalb waren sie dem Wort Gottes gehorsam.
Wenn wir daran denken was sie über die Berufung der Versammlung, über das Wirken des Heiligen Geistes, den Tisch des Herrn, das Vorhandensein des einen Leibes, das Bewahren der Einheit des Geistes in dem Band des Friedens verstanden haben. Und was sie erfasst haben von dem Dienst, den die Gläubigen ausüben dürfen. Auf der örtlichen Ebene in Form des Ältesten- und Diakonendienstes, und auf der überörtlichen Ebene durch die Gaben, die Christus gibt! Das hat ihre Herzen bewegt. Sie sprachen davon, weil ihre Herzen davon erfüllt waren, und zwar von der Liebe des Herrn zu seiner Versammlung.
Ich frage mich, wie das bei mir ist, und ich darf die Frage auch weitergeben. Wenn ich verstehe, wie Er die Versammlung geliebt hat, dann habe ich das Verlangen, auch mehr davon zu verstehen, was von ihr in dem Neuen Testament gesagt wird. Dann falle ich auch nicht um, wenn ein Sturm kommt.
Daher sollten wir uns alle fragen, was diese Versammlung eigentlich ist. Viele von uns sind verheiratet. Manche sind vielleicht verlobt. Wenn ich weiß, dass da jemand ist, der mich liebt, dann frage ich mich doch auch, was ihm gefällt. Kann ich etwas aus dem Leben dessen, der mich liebt, lernen, was ich vielleicht noch nicht kenne? Dieses Gefühl der Liebe sollten wir auf die Versammlung übertragen. Daher fragen wir uns: Was sagt der Herr über diesen Gegenstand der Liebe? Ich möchte sie auch so lieben, wie Er sie liebt! Und dann habe ich den Wunsch, etwas mehr von dieser Versammlung zu lernen! Und vielleicht lese ich dann mit Interesse und innerem Gewinn eine belehrende Schrift oder ein Buch über die Versammlung des lebendigen Gottes (Empfehlung: Rudolf Brockhaus – die Versammlung des lebendigen Gottes).
Die böse Gegenrede des ungläubigen Volkes
„Ich habe euch geliebt“, spricht der Herr. Aber ihr sprecht: „Worin hast du uns geliebt?“ (Vers 2).
Sofort finden wir hier diese böse Gegensprache, dieses Gegenargument. Äußerlich gesehen hatten sie sogar recht. Gott hatte wiederholt Verheißungen gegeben, dass Israel das erste Volk in der Welt sein sollte. Nichts davon war jedoch passiert. Im Gegenteil! Die Juden waren von den Persern versklavt. Und doch war diese Sichtweise sehr oberflächlich. Wenn man sich den Blick öffnen lässt, darf man erkennen, dass die Liebe Gottes da ist. Und dass sie sich auch bei Israel gezeigt hat.
Wie viele Menschen machen sich lustig über den Gott der Liebe, der alles Böse zuzulassen scheint. Das Problem kennen wir in unseren Tagen auch. Wir wissen, dass das Kreuz von Golgatha der Beweis ist, dass Gott Liebe ist. Haben wir das erkannt, so kann uns keiner mehr davon abbringen.
„Worin hast du uns geliebt?“ Das ist jedenfalls die rebellische Sprache dieser Menschen, die zu Gottes Volk gehörten. Es geht nicht um heidnische Babylonier oder sonstige Heiden, sondern um Leute die um und in Jerusalem lebten, die sich äußerlich zu Gott bekannten und solch eine böse Sprache führten! Gott selbst gibt ihnen eine Antwort:
Vers 3: Jakob geliebt – Esau gehasst
„War nicht Esau der Bruder Jakobs?, spricht der Herr. Und ich habe Jakob geliebt, Esau aber habe ich gehasst, und ich habe seine Berge zur Wüste gemacht und sein Erbteil für die Schakale der Steppe“ (Verse 2.3).
Wir verstehen, dass Gott an dem Beispiel der beiden Brüder Esau und Jakob deutlich macht, welch eine Sonderstellung Jakob und seine Nachkommen einnahmen. Wir lesen ja schon sehr früh, dass Gott dies sagt. In 1. Mose 25 geht es um das Erstgeburtsrecht von Esau. Aber schon vorher heißt es: „Der Ältere wird dem Jüngeren dienen“ (1. Mo 25,23). Danach lesen wir, dass sich Jakob in einer höchst traurigen Weise benimmt. Er erwirbt dieses Erstgeburtsrecht, obwohl er das nicht tun durfte. Und in Kapitel 27 erfahren wir, dass sich Jakob den Segen durch Lüge erschleicht. Das gibt uns wohl zunächst mehr Sympathie für Esau. Aber wir müssen lernen, mit den Augen Gottes zu beurteilen.
Gottes Wort macht uns in 1. Mose 25 zunächst einmal deutlich, dass Gott souverän ist in seiner Auswahl. Er ist erhaben über unser kleines Augenmaß. Ob wir das persönlich so sehen oder nicht, ist nicht wichtig! Wenn Er eine Beurteilung abgibt und in seiner souveränen Weise handelt, haben wir das zu akzeptieren.
Die Schrift nennt Esau in Hebräer 12 einen Ungöttlichen und Hurer. Und wenn wir durch die weitere Geschichte gehen, werden wir sehen, dass Esaus Nachkommen zu den ärgsten Feinden Israels gehörten. Es gibt wohl kaum in der Bibel ein böseres Volk als die Edomiter, die Nachkommen Esaus. Deshalb lesen wir von dieser Aussage Gottes in Maleachi 1,2. Das hätte eigentlich einen Juden sofort überzeugen müssen. Wenn wir das heute lesen, dann haben wir Schwierigkeiten damit, wie Gott jemanden hassen kann. Wir müssen uns jedoch sagen lassen, dass Gott uns sein Werturteil erst am Ende der Geschichte, am Ende des Alten Testamentes mitteilt.
Im Vergleich mit anderen Stellen scheint es, dass sich die Sprache der Schrift durchaus von unserem Denken unterscheiden kann. Manchmal spricht die Schrift von hassen, wenn sie meint, „jemanden weniger zu lieben als einen anderen“, also nicht so absolut, wie wir den Begriff vielleicht deuten mögen. Aber wir können dennoch nicht übersehen, dass Esau ein ungöttlicher und böser Mann war.
Verse 4.5: Der Herr reißt nieder, was der Mensch ohne Gott baut.
Wenn Edom spricht: Wir sind zerschmettert, werden aber die Trümmer wieder aufbauen, so spricht der Herr der Heerscharen: Sie werden bauen, ich aber werde niederreißen; und man wird sie nennen „Gebiet der Gottlosigkeit“ und „das Volk, dem der Herr in Ewigkeit zürnt“. Und eure Augen werden es sehen, und ihr werdet sprechen: Groß ist der Herr über das Gebiet Israels hinaus!“ (Vers 4.5).
Mich beeindruckt hier, dass Gott Ausnahmen macht. Ist uns aufgefallen, dass Er in der Ankündigung über Edom interessante Ausnahmen macht? Wenn man einmal Jeremia 49 liest, findet man dort einen Ausspruch des Gerichts über Edom, sehr ernste Worte über Edom. Dann aber, mitten in Vers 11, spricht Gott von den Waisen und den Witwen in Edom, die auf Ihn vertrauen sollten. Für sie hat der Herr ein Herz! Er weiß, dass sie die Schwachen sind, die Ihn auch in Edom brauchten.
Gott ist ein gerechter Richter, Er urteilt nicht pauschal. Er weiß, dass es auch solche gibt, denen sein Herz gilt. Und das gilt auch für andere Völker, die durch ähnliche Grausamkeit gekennzeichnet sind. Gott ist da, der ein Herz hat für die Schwachen.
Wir lesen also, dass Gott Jakob geliebt und Esau gehasst hat. Das ist der Beweis dafür, dass Jakob wirklich einen Platz hatte in Gottes Herzen. Er sagte den Juden: „Wenn die Edomiter auch bauen werden, ich reiße alles nieder. Ihr seid das Volk, um das es geht.“ Auch wenn es uns Menschen nicht gefällt, müssen wir das hinnehmen. Gott hat – in Ehrfurcht gesagt – keine sentimentale Liebe, wie wir sie kennen. Lasst uns daran denken, dass Liebe auch mit Strenge verbunden ist. Liebe ohne Wahrheit gibt es bei Gott nicht, auch nicht Wahrheit ohne Liebe. Nein, Liebe und Wahrheit sind wie ein Begriffspaar, sie gehören zusammen.
Verse 6.7: Das Volk verachtet den Namen des Herrn.
„Ein Sohn soll den Vater ehren und ein Knecht seinen Herrn. Wenn ich denn Vater bin, wo ist meine Ehre? Und wenn ich Herr bin, wo ist meine Furcht? spricht der Herr der Heerscharen zu euch, ihr Priester, die ihr meinen Namen verachtet und doch sprecht: ‚Womit haben wir deinen Namen verachtet? Womit haben wir dich verunreinigt? ‘“ (Verse 6.7)
In Vers 6 geht es um das Priestertum. Diese ernsten Worte Gottes erstrecken sich bis in das zweite Kapitel hinein. Wir haben hier den Tadel Gottes gegenüber den Priestern. Er stellt zwei Beziehungen an die Spitze, die wir alle kennen. Da gibt es eine Beziehung Vater und Sohn, oder die eines Untergebenen zu seinem Herrn, gekennzeichnet durch Ehre und durch Furcht.
Genau das ist für Gott der Grund, dass Er einen ganz scharfen Tadel an die Priester richtet, weil man bei ihnen beides nicht findet. Priester sind eigentlich nahe bei Gott. Sie haben Gemeinschaft mit Gott und sollen Ihm dienen.
Wir lesen hier sogar, dass Gott sagen muss, dass sie seinen Namen verachtet haben. „Name“ ist ein Wort, das man im Propheten Maleachi zehn Mal liest. Es zeigt, dass Gott wert auf seinen Namen legt, wohingegen die Priester Ihn und seinen Namen verachtet haben. Und dann kommt in Vers 6 und 7 die Gegenfrage. Die Frage: „Womit haben wir deinen Namen verachtet“, bzw. „womit haben wir dich verunreinigt?“ Sie hätten auch sagen können: „Wir haben deinen Namen doch gar nicht verachtet oder verunreinigt“. Sie tun es aber auf eine noch provozierendere Art und Weise, geradezu boshaft. Sie sagen gleichsam, Gott solle einmal seinen Vorwurf präzisieren, genauer angeben, was Er gegen sie habe. Sie verlangen Rechenschaft von Gott für seinen Vorwurf! Es ist kaum zu glauben, aber so boshaft kann das Volk Gottes reden. Gottes Antwort darauf ist:
Vers 7: Das Herz des Volkes ist voller Verachtung für den Herrn.
„Die ihr unreines Brot auf meinem Altar darbringt und doch sprecht: ‚Womit haben wir dich verunreinigt? ‘ Damit, dass ihr sagt: ‚Der Tisch des Herrn ist verächtlich‘“ (Vers 7).
Wir sehen, dass Gott in seiner Liebe nicht müde wird, ihnen Vorhaltungen zu machen. Er versucht, ihr Herz zu gewinnen. So wollen wir uns warnen lassen. Zu welch rebellischen Fragen sind wir fähig! Das ist auch für uns heute aufgeschrieben. Wir haben keine anderen Herzen, auch wenn wir dem Herrn Jesus angehören. Man ist manchmal erschrocken, wenn man einen Blick in sein Herz tut. Möge er uns vor solchen arroganten Fragen bewahren!
Wir haben den Tisch des Herrn hier Vers 7 und in Vers 12. Das ist der Altartisch des Herrn im Alten Testament, von dem gegessen wurde. Die Schrift spricht in 3. Mose von der Speise Gottes. Wir dürfen daher diesen Tisch nicht mit dem Tisch des Herrn im Neuen Testament verwechseln. Die einzige Parallele ist der Aspekt der Heiligkeit. Aber in der Sache ist er völlig verschieden. Der Herr Jesus hat nie von diesem Tisch des Herrn gegessen, wie es der Herr vom Altartisch im Alten Testament tat. Der Tisch des Herrn, den wir heute haben, ist aber kein Altar!
Vers 8: Die Priester verachteten den Namen Gottes
„Und wenn ihr Blindes darbringt, um es zu opfern, so ist es nichts Böses; und wenn ihr Lahmes und Krankes darbringt, so ist es nichts Böses. Bring es doch deinem Statthalter dar: Wird er dich wohlgefällig annehmen oder Rücksicht auf dich nehmen? spricht der Herr der Heerscharen“ (Vers 8).
Das Priestertum war, auch wenn es für uns überraschend klingen mag, eine verruchte Gesellschaft. Sie verachteten den Namen Gottes. Dieser war für sie wie ein Mantel, auf den man stolz war. Aber auch wie ein Panzer, durch den das Wort nicht mehr hindurch drang. Fromme Sprüche und Opfer waren vorhanden, aber nichts war dahinter. Das gefiel Gott nicht, und wir haben ja auch schon gesehen, welch bösen Worte aus dem Mund dieser Priesterschaft kamen.
Wenn wir hier von dem Tisch des Herrn in Vers 7 lesen, so ist das der Altar des Herrn, wie man der Fußnote entnehmen kann. Es handelte sich also um Leute, die schlechte, billige und minderwertige Opfertiere zum Altar brachten, aus wahrscheinlich sehr materiellen und egoistischen Gründen. Opfertiere, die man noch nicht einmal dem Landpfleger brachte. Aber für Gott war alles gut genug! So sind unsere Herzen: Für Gott ist alles gut genug, selbst das Schlechte. Die Priesterschaft damals war gekennzeichnet durch moralische Blindheit.
Vers 9: Gott kündigt Gericht an.
„Und nun, fleht doch Gott an, dass er uns gnädig sei! Von eurer Hand ist das geschehen – wird er um euretwillen Rücksicht nehmen? spricht der Herr der Heerscharen“ (Vers 9).
Ich habe diesen Vers lange nicht richtig verstanden. Ich glaube nicht, dass es sich um einen Appell zur Buße handelt. Ich glaube vielmehr, dass der Gedanke ist: Ihr könnt es ja versuchen, dem Landpfleger diese Tiere zu bringen, der wird es nicht annehmen: Meint ihr dann, Gott nehme es an? Meint ihr wirklich, dass Gott um euretwillen Rücksicht nehmen wird, Gott der Heilige? Natürlich, allgemein wünscht Gott immer, dass wir umdenken, ausgedrückt in den Worten: „Fleht doch Gott an, dass er gnädig sei!“.
Das ist aber eine ganz andere Sichtweise und nicht der Sinn dieser Stelle. Es geht hier nicht um Buße, sondern der Heilige Geist sagt hier: „Bietet das, was Ihr bringen wollt, einmal Gott an!“ Meint ihr wirklich, Er würde Rücksicht auf Euch nehmen? Das wird nicht einmal der Landpfleger tun! Deswegen auch der Nachsatz, dass der Tempel verschlossen werden möge. Das wäre die logische Konsequenz.
Vers 10: Gott sucht wenigstens Aufrichtigkeit
„Wäre doch nur einer unter euch, der die Türen verschlösse, damit ihr nicht vergeblich auf meinem Altar Feuer anzündetet! Ich habe keinen Gefallen an euch, spricht der Herr der Heerscharen, und eine Opfergabe nehme ich nicht wohlgefällig aus eurer Hand an“ (Vers 10).
Man spürt förmlich die Entrüstung Gottes. Aber diese Opfer will Er nicht verzehren! Das Verschließen der Türen ist tatsächlich historisch passiert. Man kann das in der Geschichte Ahas, des Vaters von Hiskia, lesen. Dieser schloss die Türen des Tempels, aber als Aufsässiger gegen Gott, denn er war ein großer Götzendiener. Sein Sohn Hiskia öffnete sie dann wieder.
Hier allerdings scheint Gott zu sagen: „Wenn ihr zumindest noch ehrlich und aufrichtig wäret, würdet ihr die Türen schließen, anstatt mich zu betrügen.“ In Vers 14 findet man, wie sie Gott betrogen haben auf diese Weise. Wir sehen, wozu wir fähig sind, auch wenn wir keine materiellen Opfergaben bringen. Prüfen wir uns selbst vor dem Herrn! Müssen wir uns vielleicht nicht auch manchmal sagen: Machen wir Ihm etwas vor? Wie oft war ich unaufrichtig mit meinen Gedanken, Worten und im Herzen?
Unaufrichtigkeit war die Devise des Priestertums. Die Priester haben nicht etwa wörtlich gesagt, wie wir es am Ende von Vers 7 lesen: „Der Tisch des Herrn ist verächtlich“, oder in Vers 12: „Der Tisch des Herrn ist verunreinigt, und sein Einkommen, seine Speise ist verächtlich“. Aber sie verhielten sich so, als wenn sie solch eine Aussage machen wollten. Für sie war eben der Altar Gottes eine Lächerlichkeit geworden. Wir finden das auch in Vers 13: „Ihr blast ihn an“ (Fußnote: „verachtet“). Das ist das Verhalten einer Priesterschaft, die auf eine große Tradition zurücksehen konnte. So schlimm können auch unsere Herzen sein!
Vers 10 in der Mitte beeindruckt auch sehr: „Ich habe keinen Gefallen an euch“. Wenig vorher hieß es: „Ich habe euch geliebt“. Welch ein Gegensatz! Beides stimmt. Gott nimmt seine erste Aussage nicht im Geringsten zurück, doch besteht Er auch mit Nachdruck auf der zweiten. So sehen wir, wie das oft sein kann. Gott teilt uns mit, wie Er uns sieht. Vielleicht können wir diese Worte mit denen im Sendschreiben an Ephesus vergleichen: „Ich habe gegen dich …“. Vorher liest man, dass Er uns geliebt hat (vgl. Off 1,5). In Kapitel 2,4 steht dann: „Ich habe gegen dich …“. Das, so könnte man sagen, sind gegensätzliche Aussagen. Und trotzdem stimmen sie überein. Er liebt sein Volk, und trotzdem sagt Er diese ernsten Worte. Dann aber kommt ein sehr schöner Satz.
Vers 11: Der Name des Herrn wird groß sein!
„Denn vom Aufgang der Sonne bis zu ihrem Niedergang wird mein Name groß sein unter den Nationen; und an jedem Ort wird geräuchert, dargebracht werden meinem Namen, und zwar reine Opfergaben. Denn mein Name wird groß sein unter den Nationen, spricht der Herr der Heerscharen“ (Vers 11).
Ich weiß nicht, ob es eine ähnliche Aussage noch einmal gibt. Dieser Satz bedeutet doch, dass in der Zeit des 1.000-jährigen Reiches nicht nur Jerusalem der Ort ist, wo man Opfergaben bringt, sondern an jedem Ort. Gott macht das durch den Gegensatz klar: Die Priester brachten Unreines in Jerusalem dar. Aber es kommt die Zeit, wo an jedem Ort etwas Reines dargebracht wird. Natürlich wird in Jerusalem das Zentrum des Opferdienstes sein. Das bestätigen uns andere Stellen. Aber trotzdem ist es interessant, dass Gottes Name an jedem Ort, von Osten bis Westen groß sein wird. In den folgenden Versen kommt der Herr noch einmal zurück auf das, was hier die Priesterschaft tat:
Verse 12.13: Nur äußerliche Religiosität
„Ihr aber entweiht, indem ihr sprecht: ‚Der Tisch des Herrn ist verunreinigt, und sein Einkommen, seine Speise, ist verächtlich. ‘ Und ihr sprecht: ‚Siehe, welch eine Mühsal! ‘ Und ihr blast ihn an, spricht der Herr der Heerscharen, und bringt Geraubtes herbei und das Lahme und das Kranke; und so bringt ihr die Opfergabe. Soll ich das wohlgefällig von eurer Hand annehmen? spricht der Herr“ (Verse 12.13)
Das war für die Priester eine Anstrengung! Sie waren müde geworden, Gott etwas zu bringen. Äußerlich allerdings lief alles prächtig ab. Religiosität auf der ganzen Linie, könnte man sagen. Es wurden regelmäßig Opfer dargebracht – aber ohne eine Beziehung zu Gott. Man sieht, wie schlimm es ist, wenn man behauptet Priester zu sein, den Gottesdienst und die priesterlichen Tätigkeiten jedoch nur äußerlich ausübt.
Und am Schluss dieses Kapitels 1 liest man,
Vers 14: Das Vergessen des Namens des Herrn
„Und verflucht sei, wer betrügt, während ein Männliches in seiner Herde ist; und wer gelobt und dem Herrn ein Verdorbenes opfert! Denn ich bin ein großer König, spricht der Herr der Heerscharen, und mein Name ist furchtbar unter den Nationen“ (Vers 14).
Das ist eine Aussage, die nicht etwa neu war, wenn wir daran denken, dass es immer Leute aus den Nationen gegeben hat, die das ganz genau gesehen haben: Rahab, Ruth, Nebukadnezar oder Kores beispielsweise. Nationen waren sich dessen bewusst, das Volk Gottes aber hat alles Empfinden dafür verloren. Das spricht auch zu uns!
Wenn wir diesen Bibeltext für unsere Herzen irgendwie mit Gewinn lesen wollen, müssen wir ihn auch in einem etwas über den eigentlichen Sinn hinaus auf uns anwenden. Wir haben hier einen wichtigen Gedanken, und das ist der Name Gottes. Für uns ist der Name Gottes der Inbegriff alles Kostbaren. Wir sind durch den Namen des Herrn Jesus gerettet. Wir versammeln uns zu seinem Namen hin und möchten durch Ihn alles tun. Wir haben eine große Anzahl von Stellen im Neuen Testament, die unser christliches Dasein mit seinem Namen verbinden. Und jeder, der ein wahrer Christ ist, möchte, dass dieser Name in seinem Leben verherrlicht wird.
Es ist auch interessant, wenn man einmal das Alte Testament untersucht, was die Schriften dort über die Namen Gottes sagen. Gott legt sich viele Namen bei, die bestimmte Aussagen haben, z.B. der „Herr unsere Gerechtigkeit“ (vgl. Jer 23,6; 33,16) oder „der Herr, mein Banner“ (2. Mo 17,15) oder andere.
Nebenbei bemerkt fällt einem im Buch des Propheten Maleachi auf, wie oft von dem Namen „der Herr“ oder „der Herr der Heerscharen“ gesprochen wird. Man stößt etwa 24 Mal auf diese Bezeichnungen. Der Name Gottes ist etwas ganz besonderes, und auch wir sollten daran nicht vorbeigehen, sondern uns wirklich in unserem Herzen anstrengen, das Einzigartige dieses Namens mehr zu erfahren. Dazu brauchen wir natürlich ein Glaubensleben. Wenn wir hier lesen: „Ich habe kein Gefallen an euch“ (Vers 10), müssen wir uns auch in diesem Zusammenhang fragen: „Sagt Er das etwa zu mir? Ist etwa alles in meinem Leben nur formal? Liebe ich wirklich seinen Namen?“
Anbetung – kein Automatismus
Immer wieder haben wir am Sonntag Gelegenheit, zusammenzukommen, um das Brot zu brechen, und zwar mit dem Wunsch, anzubeten. Meinen wir etwa, das geht alles automatisch? Oder wenn wir unseren Mund öffnen und ein Lied singen, wäre das dann ohne weiteres Anbetung? Der Herr wünscht, dass wir eine entsprechende Herzenshaltung haben, und dann führt Er uns auch zur Anbetung. Wenn wir alles nur äußerlich tun, sind wir innerlich nicht mehr sehr entfernt von dieser Gesellschaft von Priestern in Maleachi 1 und 2.
Mögen wir wirklich mit Bewusstsein an diesen Ort gehen, um unsere Herzen zu öffnen und zu sagen, wie kostbar uns der Herr Jesus und sein Kreuz sind. Automatismus zu praktizieren ist wirklich ein verheerender Gedanke.
Ich möchte das noch grundsätzlicher fassen: Wenn wir unser Leben prüfen, wie ist das mit unserem persönlichen Gebetsleben und dem Studium der Bibel? Auch mit manchem anderen, was nur der Herr sieht. Ob er uns nicht auch manchmal sagen müsste: „Ich habe kein Gefallen an dir“? Trotzdem hat Er uns lieb und hat sich für uns hingegeben.
Der Teufel mag in unser Herz den Gedanken legen, dass wir die Zusammenkünfte als Mühsal ansehen. Ein Ehepaar zog an einen neuen Ort, ging aber bald wieder fort, weil nur wenige Geschwister an diesem Ort lebten. Für sie war es „Mühsal“, dort zu bleiben. Gewiss, das Volk in der Zeit Maleachis war größtenteils unbekehrt. Es befand sich nur in einer äußeren Beziehung zum Herrn, wir dagegen haben eine innere, und deswegen wäre es sehr viel ernster, wenn wir eine Haltung wie das Volk damals einnehmen würden!