Zucht im Haus Gottes
Mit Weisheit handeln

Teil 2: Belehrungen aus 1. Korinther 5

Zucht im Haus Gottes

Das fünfte Kapitel des 1. Korintherbriefes behandelt das überaus ernste Thema des Ausschlusses einer Person aus der Gemeinschaft der Gläubigen und vom Tisch des Herrn. Es ist das, was der Herr Jesus in Matthäus 18,18 mit dem Wort „binden“ angedeutet hatte. Der Abschnitt legt einen großen Ernst auf jeden, der ihn aufrichtig liest. Gleichzeitig ist die Belehrung dieses Kapitels wichtig und notwendig für uns. Wenn wir bekennen, nach den Belehrungen des Neuen Testamentes auf dem Boden des einen Leibes zum Namen des Herrn Jesus zusammenzukommen, sind wir an die Anweisungen dieses Abschnitts gebunden. Es ist Gottes Wort und Gottes Wille. Die Unterweisungen dieses Kapitels haben damit bis heute eine allgemeine Gültigkeit.

Gleichzeitig sind wir uns darüber bewusst, wie unvollkommen wir sowohl in der Auslegung dieses Kapitels, als auch in der praktischen Verwirklichung sind. Nur mit der Hilfe des Herrn können wir seine Gedanken erfassen und in aller Schwachheit versuchen, das zu praktizieren, was der Herr uns hier vorstellt.

Nachstehend möchte ich versuchen, die Botschaft dieses Kapitels in 10 Punkten ein wenig verständlicher zu machen und sie gleichzeitig auf unsere Herzen und Gewissen zu legen. Dabei geht es mir nicht nur um das Verständnis und die Auslegung der einzelnen Verse, sondern ebenso um die Anwendung der Gedanken Gottes in unsere Zeit hinein.

Allgemeines

Der 1. Korintherbrief

Der 1. Korintherbrief beschäftigt sich wie kein anderer Brief des Neuen Testamentes mit der inneren Ordnung der Versammlung Gottes an einem Ort. Es geht um das gemeinsame Verhalten der Gläubigen unter der Leitung des Heiligen Geistes. Paulus ist der Autor des Briefes. Er schreibt an die „Versammlung Gottes, die in Korinth ist ... samt allen, die an jedem Ort den Namen des Herrn Jesus Christus anrufen“ (1. Kor 1,1.2). Die Gläubigen in Korinth waren reich gesegnet. Es fehlte ihnen an keiner Gnadengabe. Trotzdem gab es in der örtlichen Versammlung manches Fehlverhalten, auf das der Apostel Paulus sie aufmerksam macht. Deshalb schreibt er ihnen, geleitet durch den Heiligen Geist, diesen Brief.

Die Botschaft dieses Briefes ist bis heute aktuell und wichtig. In der Einleitung betont Paulus – wie in keinem anderen Brief – die Tatsache, dass sich dieser Brief an Gläubige an jedem Ort richtet, die den Namen des Herrn Jesus anrufen. Jede örtliche Versammlung, die bekennt, sich nach den Grundsätzen der Bibel zum Namen des Herrn Jesus hin zu versammeln, ist gehalten, der Ordnung zu folgen, die uns der Herr in diesem Brief vorstellt. Das gilt auch für die Belehrungen über das Handeln der Versammlung, so wie es uns in Kapitel 5 vorgestellt wird. Es sind Belehrungen, die nicht nur den Korinthern galten, sondern die – unabhängig vom Wandel der Zeit – allgemeine Gültigkeit und Verbindlichkeit haben.

Der 1. Korintherbrief kann in zwei große Teile gegliedert werden.

  • Die ersten 9 Kapitel zeigen uns die Versammlung Gottes vorwiegend in dem Bild des Hauses Gottes.
  • Ab Kapitel 10 werden wir darüber belehrt, welche Bedeutung es hat, dass die Versammlung der Leib Christi ist.

Beide Bilder – Haus und Leib – gebraucht das Neue Testament an verschiedenen Stellen, um uns die Gedanken der Versammlung Gottes näher zu bringen. Es sind sich ergänzende Bilder ein und derselben Sache. Sie widersprechen sich nicht, sondern ergänzen einander. Gott benutzt beide Bilder, um uns die Fülle seiner Gedanken in Verbindung mit der Versammlung Gottes vorzustellen. Beim Haus Gottes denken wir unmittelbar an das Wohnen Gottes und an die damit untrennbar verbundene Ordnung. Beim Leib Christi steht mehr der Grundsatz der Einheit vor uns.

Bei allem Ernst, der damit in Verbindung steht, ist der Gedanke an das Haus Gottes gleichzeitig ein Mut machender Gedanke. Ohne Frage haben wir viel Ursache, demütig zu sein – dennoch sollen wir wissen, dass Gott trotz unserer Fehlerhaftigkeit seit dem Kommen des Heiligen Geistes auf dieser Erde ein Haus hat, in dem er wohnt. Das ist bis heute der Fall. In seiner Gnade wendet Gott sich zu uns und wohnt bei uns. Wir – die aus allen Gläubigen bestehende Versammlung Gottes – sind sein Haus. Diese Wahrheit bleibt bestehen.

„Deinem Haus geziemt Heiligkeit“

Die ersten vier Kapitel unseres Briefes beschäftigen sich vornehmlich mit dem Problem der Parteiungen und Spaltungen, die der Apostel Paulus deutlich verurteilt. In Kapitel 5 beginnt ein neues Thema, das bis Kapitel 7 geht. Im Mittelpunkt der Belehrungen dieses Abschnitts steht die Tatsache, dass Gottes Haus durch Heiligkeit gekennzeichnet wird.

  • In Kapitel 5 wird die gemeinsame Heiligkeit der Gläubigen betont. Diese gemeinsame Heiligkeit wird u.a. dadurch aufrechterhalten, dass die örtliche Versammlung das Böse aus ihrer Mitte wegtut, wenn es sich offenbart.
  • In Kapitel 6 ist der Schwerpunkt die persönliche Heiligkeit des Gläubigen. Sie äußert sich u.a. dadurch, dass wir im beständigen Selbstgericht leben und vor der Sünde fliehen.
  • Kapitel 7 behandelt die Frage der Heiligkeit in Verbindung mit der Ehe. Gott stellt uns seine Grundsätze über die Ehe vor, die unveränderlich sind und deshalb immer noch Gültigkeit haben.

Bereits in Kapitel 3 hatte Paulus darauf hingewiesen, dass ein wesentliches Kennzeichen des Hauses Gottes Heiligkeit ist: „Wisst ihr nicht, dass ihr Gottes Tempel seid und der Geist Gottes in euch wohnt? Wenn jemand den Tempel Gottes verdirbt, den wird Gott verderben; denn der Tempel Gottes ist heilig, und solche seid ihr“ (1. Kor 3,16.17). Im Alten Testament war das übrigens nicht anders. Dort war es ein materielles Haus, jetzt ist es ein geistliches Haus. Aber die Grundsätze des Hauses Gottes ändern sich nicht. Sie sind immer noch gültig.

In Psalm 93, 5 lesen wir: „Deinem Haus geziemt Heiligkeit, HERR, auf immerdar“. In Hesekiel 43 wird der neue Tempel im 1000-jährigen Reich gezeigt. Von diesem Tempel heißt es: „Dies ist das Gesetz des Hauses: Auf dem Gipfel des Berges soll sein ganzes Gebiet ringsherum hochheilig sein; siehe, das ist das Gesetz des Hauses“ (Hes 43,12).

Für uns heute gilt das Wort von Paulus an Timotheus. Wir sollen wissen, wie man sich im Haus Gottes, d.h. in der Versammlung Gottes, zu verhalten hat, die Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit ist (vgl. 1. Tim 3,15). Es gibt also Verhaltensregeln im Haus Gottes und diese sind überschrieben mit dem einen Wort:

Heiligkeit!

Das wollen wir ganz besonders beim Überdenken eines so ernsten Kapitels wie 1. Korinther 5 beachten.

Es ist wahr, dass Gott Liebe ist. Diese „Eigenschaft“ Gottes wird besonders dann gesehen, wenn wir uns mit der Versammlung als der Braut Christi beschäftigen (vgl. z.B. Eph 5,25). Es ist aber ebenso wahr, dass Gott Licht ist. Damit haben wir es hier zu tun. Alles im Haus Gottes muss ihm und seiner Heiligkeit entsprechen. Natürlich soll und muss die Liebe uns immer motivieren – egal was wir tun. Wenn das Motiv unseres Handelns nicht Liebe ist, stimmt etwas mit unserer Gesinnung nicht. Wir sahen das weiter oben bei den „milderen“ Formen der Zucht sehr deutlich. Und selbst bei einem Ausschluss handeln wir mit Empfindungen der Liebe – obwohl sich die Ausdrucksform der Liebe in einem solchen Fall ändert. Aber der vorherrschende Gedanke im Haus Gottes ist doch nicht die Liebe, sondern die Heiligkeit Gottes. Das wollen wir gut bedenken. Im Übrigen macht das Neue Testament sehr deutlich, dass sich Liebe und Heiligkeit immer ergänzen und nie im Gegensatz zueinander stehen.

Vers 1: Hurerei unter euch

Der eigentliche Anlass für die Unterweisungen von Kapitel 5 über die Zucht in der örtlichen Versammlung wird uns zu Beginn des Kapitels mitgeteilt:

„Überhaupt hört man, dass Hurerei unter euch sei, und zwar eine solche Hurerei, die nicht einmal unter den Nationen vorkommt: dass einer seines Vaters Frau hat“ (1. Kor 5,1).

Es gab also sichtbar Böses bei den Korinthern. Es war unter ihnen, d.h. in ihrer Mitte und wurde geduldet.

Der Ausdruck „überhaupt“ deutet an, dass es wirklich so war. Es war nicht nur ein Gerücht, das Paulus gehört hatte. Es war eine Tatsache, an der es keinen Zweifel gab. Selbst wenn man es kaum wahr haben und glauben konnte, es war so. Die Korinther duldeten eine Sünde in ihrer Mitte, die nicht nur offenkundig war, sondern die selbst in dieser Form unter den Nationen nicht gefunden wurde. Das muss den Apostel in seiner Sorge um alle Versammlungen tief getroffen haben.

Hurerei

Die Sünde wird hier klar beim Namen genannt. Es war Hurerei. Das griechische Wort, das im Neuen Testament für Hurerei gebraucht wird, geht über das hinaus, was wir heute im Allgemeinen darunter verstehen. Hurerei ist in der Bibel weit mehr als bezahlte Prostitution. Unter Hurerei im Sinn des Wortes Gottes müssen wir jeden geschlechtlichen Verkehr außerhalb (vor und/oder neben) der Ehe verstehen 1. Gott hat das geschlechtliche Verlangen des Mannes nach der Frau und umgekehrt in den Menschen gelegt. Der Sexualtrieb ist nicht böse. Im Gegenteil! Aber Gott macht ganz klar, dass das Ausleben der Sexualität in die Ehe gehört. Das wird schon gleich zu Anfang des Alten Testaments deutlich. Es ist ein Teil der Schöpfungsordnung Gottes: „Darum wird ein Mann seinen Vater und seine Mutter verlassen und seiner Frau anhangen, und sie werden ein Fleisch sein“ (1. Mo 2,24) 2. Letzteres schließt die geschlechtliche Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe ein.

Der weitere Verlauf des Briefes macht sehr deutlich, dass sich die Gedanken Gottes keineswegs geändert haben. Wir lesen: „Aber um der Hurerei willen habe ein jeder seine eigene Frau, und eine jede habe ihren eigenen Mann“ (1. Kor 7,2). Um einem falschen „Gebrauch“ des Sexualtriebes zu entgehen, sollen Mann und Frau heiraten.

Jeder Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe ist und bleibt Hurerei und damit Sünde. Das schließt in den Augen Gottes vor- und außereheliche Beziehungen ebenso aus wie gleichgeschlechtliche Beziehungen zwischen Mann und Mann, bzw. Frau und Frau.

Die Grundsätze Gottes zu diesem Thema sind sehr deutlich und einfach. Das Problem liegt darin, dass viele Gesellschaften des 21. Jahrhunderts die göttliche Ordnung vollständig auf den Kopf gestellt haben. Dadurch stehen wir in Gefahr, die gängige Meinung der Menschen um uns herum zu tolerieren, sie zu akzeptieren oder vielleicht sogar für normal zu empfinden. Das Abweichen von der göttlichen Ordnung scheint in der Gesellschaft zur Norm zu werden. Schließlich kommt es so weit, dass wir das, was die Bibel dazu sagt, sonderbar finden und nicht umgekehrt. Wir erkennen darin die List des Teufels. Wir brauchen den durch das Wort Gottes „geeichten“ Blickwinkel, um zu sehen, dass es die Menschen unserer Tage sind, die Gottes Gedanken über das Zusammenleben von Mann und Frau völlig auf den Kopf gestellt haben. Gott denkt damals wie heute nicht anders. Diesen Gedanken Gottes haben wir nicht nur persönlich, sondern ebenso als örtliche Versammlung Rechnung zu tragen.

Blutschande

Der konkrete Fall in Korinth lag allerdings noch etwas anders. Hier handelte es sich vermutlich um eine besondere Form der Hurerei, nämlich um Blutschande. Der Betroffene hatte die Frau seines Vaters – wahrscheinlich seine Stiefmutter – genommen (der gebrauchte Ausdruck könnte darauf hinweisen, dass er sie eventuell sogar geheiratet hat). Eine Stief- oder Schwiegermutter ist zwar keine unmittelbare Blutsverwandte, das Alte Testament macht aber sehr deutlich, wie Gott darüber denkt. Es handelt sich in Gottes Augen ebenfalls um Blutschande. Dazu drei Stellen aus dem Alten Testament:

  • „Und wenn ein Mann bei der Frau seines Vaters liegt – er hat die Blöße seines Vaters aufgedeckt; beide sollen gewiss getötet werden, ihr Blut ist auf ihnen“ (3. Mo 20,11).
  •  „Ein Mann soll nicht die Frau seines Vaters nehmen und soll die Decke seines Vaters nicht aufdecken“ (5. Mo 23,1).
  • „Verflucht sei, wer bei der Frau seines Vaters liegt, denn er hat die Decke seines Vaters aufgedeckt! Und das ganze Volk sage: Amen!“ (5. Mo 27,20).

Hinzu kommt das Beispiel Rubens (1. Mo 35,22), der hinging und bei der Nebenfrau seines Vaters Jakob lag. Wir sehen, wie entsetzt Jakob über die Tat seines ältesten Sohnes war – und das vor der Zeit des Gesetzes. Er hat – ohne ein ausdrückliches Verbot Gottes zu haben – ein klares Empfinden für die Sünde seines Sohnes und die Schande, die er damit über sich gebracht hatte.

Die in den zitierten Versen gebrauchten Ausdrücke machen deutlich, dass es genau um das geht, was der Mann in Korinth vermutlich getan hatte.

Eine solche Handlung war im Übrigen nicht nur im Alten Testament verboten, sondern sogar unter den Nationen verpönt und per Gesetz untersagt. Durch das böse Tun dieses Mannes wurde also das christliche Zeugnis in einer heidnischen Stadt in den Schmutz gezogen. Die ungläubigen Mitbürger der Korinther zeigten zu Recht mit Fingern auf das, was sich unter den Gläubigen abspielte. Die Sünde war offenkundig, nur in der Versammlung störte es offensichtlich niemand. Das konnte und durfte der Apostel Paulus so nicht stehen lassen.

Noch immer aktuell

Vielleicht wendet an dieser Stelle jemand ein, dass ein solcher konkreter Fall in dieser Form heute kaum oder gar nicht vorkommt. Das mag stimmen, aber darum geht es gar nicht primär. Der Heilige Geist nimmt diesen einen ganz konkreten Fall, um uns daran bestimmte Grundsätze deutlich zu machen, die allgemeine Gültigkeit haben. Die „Liste“ von Sünden in Vers 11 macht deutlich, dass andere Sünden ebenfalls unter die Belehrungen dieses Kapitels fallen und nicht nur der eine konkrete Fall der Hurerei bzw. der Blutschande. Es geht um offenkundig Böses innerhalb einer örtlichen Versammlung, das nach den Anweisungen der Bibel behandelt werden soll.

Im Übrigen handelt Gott des Öfteren so, dass einer einen konkreten Fall aufgreift, um daraus allgemeine – über den konkreten Anlass hinausgehende – Belehrungen abzuleiten. Gerade der 1. Korintherbrief liefert dazu mehrere Beispiele (vgl. z.B. die Belehrungen über das Mahl und den Tisch des Herrn oder über die Ausübung der Gaben in der Versammlung).

Vers 2a: „Ihr habt nicht vielmehr Leid getragen“

Die jetzt folgende Aussage ist von großer Bedeutung. Sie legt eine Grundlage für das richtige Verständnis dessen, was im weiteren Verlauf des Kapitels gesagt wird:

„Und ihr seid aufgebläht und habt nicht vielmehr Leid getragen, ...“ (1. Kor 5,2a).

Hier werden zwei Dinge deutlich: Erstens hätten die Korinther Leid tragen sollen. Zweitens hätte dieses Leidtragen bewirkt, dass der Sünder (der Böse) aus ihrer Mitte weggetan worden wäre. Beides war nicht erfolgt. Darin kommen ihre ganze Unwissenheit und ihr Desinteresse in dieser Sache zum Ausdruck.

Leid tragen

Was bedeutet es in diesem Zusammenhang für eine örtliche Versammlung, „Leid zu tragen“? Oder fragen wir zuerst, was es nicht bedeutet:

  • Leid tragen bedeutet erstens nicht, dass wir uns über die Sünde, die geschehen ist, äußerlich empören. Häufig ist gerade das die erste Reaktion einer örtlichen Versammlung, vor allen Dingen dann, wenn es um plötzlich auftretendes sittliches Fehlverhalten geht. Wir sind empört, dass so etwas „in unserer Mitte“ geschehen konnte und bringen diese Empörung leider oft mit deutlichen Worten zum Ausdruck.
  • Leid tragen bedeutet zweitens nicht, dass wir den Ausschluss als ein Mittel ansehen, um jemand, der in Sünde lebt, „loszuwerden“. Ein solcher Gedanke ist verkehrt. Wir sollten ihn vor dem Herrn verurteilen. Wir wiederholen noch einmal, dass die Versammlung kein Gerichtshof ist, in dem eine Sachlage herzlos beurteilt und entschieden wird. Jeder Gedanke von Überheblichkeit ist völlig fehl am Platz.

Der richtige Blickwinkel

Das Leid Tragen einer örtlichen Versammlung ist wichtig und unerlässlich, wenn es um Zucht und Ausschluss geht. Dennoch scheint es so, als ob wir gerade in dieser Frage manchmal einen leicht verschobenen Blickwinkel hätten. Worüber trauert eigentlich eine Versammlung, wenn jemand aus ihrer Mitte hinaus getan werden muss? Ohne Frage ist es eine traurige Sache, dass die betreffende Person nun nicht mehr am Tisch des Herrn teilnehmen kann. Aber ist der Hauptgrund der Trauer nicht vielmehr, dass wir gemeinsam die Heiligkeit des Herrn Jesus, der in unserer Mitte ist, verletzt haben? Wir denken – wie so oft – häufig zuerst an uns selbst und an unsere Mitgeschwister und vergessen dabei die Ehre unseres Herrn. Die Korinther jedenfalls hatten scheinbar kaum ein Empfinden dafür, was dem Herrn durch ihr Verhalten – das des Sünders und ihr eigenes – angetan worden war. Die Ehre des Herrn war im höchsten Maß angegriffen worden. Genau darüber hätten sie Leid tragen sollen.

Bedeutsam ist weiter, dass die Begründung im Text nicht lautet: „... damit der, der die Tat begangen hat, wiederhergestellt werde“. Wir lesen vielmehr: „... dass der, der die Tat begangen hat, aus eurer Mitte weggetan werde“. Wir werden noch sehen, dass die Wiederherstellung ihren wichtigen Platz hat, aber zunächst geht es einmal darum, dass wir ein Empfinden für die Heiligkeit des Herrn haben und das Böse aus unserer Mitte wegtun.

Kollektive Trauer

Die wichtige Belehrung von Vers 2 ist die, dass ein Ausschluss aus der Gemeinschaft am Tisch des Herrn und die Trauer der örtlichen Versammlung eng miteinander verbunden sind. Das ganze Kapitel behandelt die Frage des Ausschlusses (also des „Hinaus-Tuns“). Gleich zu Beginn macht Paulus klar, dass eine solche Handlung nicht nur für die betreffende Person, die ausgeschlossen wird, sondern für die örtliche Versammlung, die den Ausschluss vollzieht, eine höchst demütigende Handlung ist. Nur eine Versammlung, die wirklich traurig ist (Leid trägt) ist in der Lage, nach den Gedanken des Herrn einen Ausschluss zu vollziehen. Es geht bei einem Ausschluss nicht um eine notwendige „Formalität“. Es geht vielmehr darum, wirklich vor dem Herrn zu trauern, dass solche Dinge in der Mitte der Gläubigen passieren konnten und der Herr dadurch verunehrt wurde.

Es ist tragisch zu sehen, dass es Fälle gibt, in denen – von der Sache her durchaus zu Recht – ein Ausschluss vollzogen wird, ohne jedoch darüber gemeinsam vor dem Herrn auf den Knien zu liegen. Nicht umsonst verbindet Matthäus 18 gerade das Binden und das Lösen mit dem Gebet: „Wahrlich, ich sage euch: Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein, und was irgend ihr auf der Erde lösen werdet, wird im Himmel gelöst sein. Wahrlich, wiederum sage ich euch: Wenn zwei von euch auf der Erde übereinkommen werden über irgendeine Sache, welche sie auch erbitten mögen, so wird sie ihnen werden von meinem Vater, der in den Himmeln ist“ (Mt 18,18.19). Eine örtliche Versammlung braucht Weisheit zum richtigen Handeln. Diese Weisheit können wir nur im Gebet bekommen.

Paulus spricht nicht einmal zuerst von dem, „der die Tat begangen hat“, sondern er spricht zuerst von den Korinthern. Daraus leitet sich folgender wichtiger Grundsatz ab:

Wenn sich die Notwendigkeit zum Ausschluss ergibt, geht es nicht nur um den, der hinaus getan werden muss, sondern um den Zustand der ganzen Versammlung!

Paulus macht den Korinthern den Vorwurf, dass sie nicht Leid getragen hatten. Im Gegenteil, sie waren aufgeblasen. Schon in Kapitel 4 hatte er ihnen das sagen müssen (1. Kor 4,18). Jetzt wiederholt er es. Aufgeblasen zu sein, bedeutet überheblich und stolz zu sein. Aufgeblasen zu sein, bedeutet sich selbst zu überschätzen. Wenn man den ganzen Brief liest, gewinnt man den Eindruck, dass diese innere Einstellung in vielen Bereichen im Leben der Korinther zu finden war. In diesem ganz konkreten Fall hatte das zur Folge, dass das Böse ignoriert wurde – und das, obwohl es offenkundig in der Versammlung vorhanden war. Eine solche Herzenseinstellung und Gleichgültigkeit kann Gott nicht hinnehmen. Nicht umsonst schreibt Paulus später in diesem Brief: „Die Liebe bläht sich nicht auf“ (1. Kor 13,4). Würden die Korinther das beachtet haben, hätten sie stattdessen Leid getragen.

Die Schuld eines Einzelnen in einer örtlichen Versammlung ist im gewissen Sinn immer die Schuld aller. Deshalb können wir nicht so tun, als ob uns die Schuld des Einzelnen nichts angehe. Den Ephesern schreibt Paulus: „Habt nicht Gemeinschaft mit den unfruchtbaren Werken der Finsternis, vielmehr aber straft sie auch“ (Eph 5,11). Die Versammlung Gottes ist eine Einheit – ein Leib. Wenn ein Glied sündigt, bleiben alle anderen davon nicht unbeeinflusst.

Wenn Böses in einer örtlichen Versammlung offenbar wird, können und dürfen wir nicht schweigen. Wir müssen handeln, und dieses Handeln beginnt immer mit gemeinsamer Trauer.

Der Sünder in Korinth war einer „aus ihrer Mitte“. Als Glieder des Leibes Christi sind wir so eng miteinander verbunden, dass wir nicht achtlos daran vorüber gehen können, wenn eine Person in Sünde fällt und lebt. Der Grundsatz Gottes ist sehr deutlich zu erkennen: Zucht bedeutet nicht einfach, den Bösen hinaus zu tun. Zucht schließt notwendigerweise die Trauer der ganzen Versammlung mit ein.

Der Unterschied zwischen der Versammlung Gottes und einem irdischen Gerichtshof ist groß. Ein irdischer Richter beurteilt ihm vorliegende Fakten anhand von Gesetzen, an die er gebunden ist. Danach spricht er sein Urteil. Emotionen und persönliche Empfindungen dürfen einen Richter nicht beeinflussen. Was würde man von einem Richter denken, der weint und trauert? Zumindest wird er es nicht nach außen zeigen. In der Versammlung Gottes ist das anders. Die Versammlung fällt ihr Urteil natürlich nicht zuerst nach persönlichem Empfinden, sondern nach dem in der Bibel niedergelegten Willen Gottes. Dabei ist sie aber unmittelbar betroffen. Sie beugt sich über die Tat; sie trauert und weint; sie liegt gemeinsam auf den Knien, um dem Herrn die Schuld zu bekennen und dann zu handeln.

Die Heiligkeit Gottes bezieht sich sowohl auf diejenigen, die hinaus tun (die örtliche Versammlung), als auch auf denjenigen, der hinaus getan werden muss. Es geht zuerst um den Zustand der örtlichen Versammlung. Nur dann, wenn sie gedemütigt ist und trauert, kann sie ein Gott entsprechendes Urteil fällen. Gott prüft ihre Gesinnung. Erst dann kann der Böse hinaus getan werden. Beides gehört zusammen.

Abschließend zu diesem Gedanken möchte ich auf zwei sehr treffende Beispiele aus dem Alten Testament hinweisen.

  • In Josua 7 gibt Gott uns den Bericht einer schmerzlichen Niederlage des Volkes Israel. Dem großartigen Sieg über Jericho folgte das Fiasko gegen Ai. Warum? Weil Sünde in der Mitte des Volkes war. Achan hatte gegen das Gebot Gottes von dem Verbannten genommen (vgl. Jos 7,1). Welchen Vorwurf macht Gott dem Führer des Volkes? Er sagt nicht: „Achan hat gesündigt“, sondern er formuliert es so: „Steh auf! warum liegst du denn auf deinem Angesicht? Israel hat gesündigt und auch haben sie ... von dem Verbannten genommen ...“ (Jos 7,10.11). Die Schuld des Einzelnen wird zur Schuld des ganzen Volkes. Gleichzeitig sehen wir, dass es Handlungsbedarf gibt. Josua sollte nicht auf seinem Angesicht liegen bleiben, sondern aufstehen und handeln. Dieses Handeln bedeutete damals konkret, dass der Schuldige aus der Mitte des Volkes weggetan werden musste.
  • Esra 9 und 10 gibt uns den Bericht eines Mannes, der seinen Weg treu mit seinem Gott gehen wollte. Obwohl er persönlich frei war von der Schuld vieler im Volk, die sich mit den Nationen umher vermischt hatten, macht er die Schuld des Volkes dennoch zu seiner eigenen Schuld. Er sagt u.a.: „Mein Gott ich schäme mich und scheue mich, mein Angesicht zu dir, mein Gott, zu erheben! Denn unsere Ungerechtigkeiten sind uns über das Haupt gewachsen und unsere Schuld ist groß geworden bis an den Himmel“ (Esra 9,6). Dann sehen wir deutlich, dass es nicht bei der Trauer bleibt. Esra wird aufgefordert zu handeln: „... es soll nach dem Gesetz gehandelt werden. Stehe auf, denn dir obliegt die Sache; und wir werden mit dir sein. Sei stark und handle!“ (Esra 10,3–4). Wo von Gott bewirkte Trauer ist, kann nach den Gedanken Gottes gehandelt werden.

Auf Gottes Antwort warten

Man könnte an dieser Stelle einwenden, dass die Korinther ja noch gar nicht wissen konnten, wie sie sich in dieser Sache verhalten sollten. Es mag sein, dass sie bis zu diesem Zeitpunkt keine detaillierten Belehrungen darüber hatten. Das ändert aber nichts an der Tatsache, dass sie – geleitet durch den Heiligen Geist – Gott entsprechende Empfindungen hätten haben können. Die Apostelgeschichte liefert uns manches Beispiel davon, dass die ersten Christen unter der Leitung des Heiligen Geistes so handelten, wie es dann später in den Briefen schriftlich niedergelegt wurde. Es wäre durchaus zu erwarten gewesen, dass die Korinther sich nicht gleichgültig verhielten, sondern trauerten. Sie hätten sich beugen und dem Herrn die Schuld bekennen sollen. Gott hätte ihnen dann schon klar gemacht, was zu geschehen hatte, damit der Betreffende aus ihrer Mitte weggetan würde.

In 4. Mose 15,32–36 befanden sich die Kinder Israel in einer ähnlichen Situation wie die Korinther. Sie hatten einen Mann gefunden, der am Sabbat Holz aufgelesen hatte. Sie wussten nicht, was sie mit diesem Mann tun sollten. Sie hatten offensichtlich das Empfinden, dass er etwas Böses getan hatte, wussten aber nicht genau, wie sie sich nun verhalten sollen. Was tun sie? Wir lesen: „Und sie setzten ihn in Gewahrsam, denn es war nicht genau bestimmt, was mit ihm getan werden sollte. Da sprach der Herr zu Mose: Der Mann soll gewiss getötet werden; die ganze Gemeinde soll ihn außerhalb des Lagers steinigen“ (4. Mo 15,34–35). Sie warteten auf das, was Gott ihnen sagen würde und Gott ließ sie nicht ohne Antwort. Diesen Grundsatz sollten wir bis heute beachten, wenn ein Sachverhalt nicht ganz klar ist.

Vers 2b: „Aus der Mitte weg tun“

„... damit der, der diese Tat begangen hat, aus eurer Mitte weggetan würde“ (1. Kor 5,2b).

Der Böse sollte aus der Mitte der Korinther weggetan werden. Zum einen wäre das der Beweis Gott entsprechender Empfindungen und wirklicher Trauer der Korinther gewesen. Zum anderen war diese Handlung das einzige Mittel, das angewandt werden musste, um den Bösen von seinem Tun zu überzeugen und ihn zur Buße zu bringen.

Der vor uns liegende Abschnitt benutzt drei verschiedene Ausdrücke, die alle in dieselbe Richtung deuten:

  • Vers 2: aus der Mitte wegtun;
  • Vers 7: den Sauerteig ausfegen;
  • Vers 13: den Bösen hinaus tun.

In jedem Fall geht es um das letzte (hier unumgängliche) Mittel der Zucht, um den Ausschluss. Was bedeutet es nun, einen Bösen aus der Mitte weg zu tun? Oder fragen wir zunächst, was es nicht bedeutet. Es bedeutet nämlich nicht, ein Glied vom Leib Christi „abzuschneiden“ oder einen Stein aus dem Haus Gottes „auszubrechen“. Das ist ein Ding der Unmöglichkeit. Wer einmal ein Gotteskind ist, bleibt es immer. Wer den Geist Gottes in sich hat, ist ein Glied am Leib Christi und das ändert sich nicht. Wer Leben aus Gott hat, ist ein lebendiger Stein im Haus Gottes und dabei bleibt es. Der Herr hat der Versammlung keine Autorität und keine Macht gegeben, über die ewige Bestimmung eines Menschen zu entscheiden. Die Frage der ewigen Errettung für den Himmel wird von einer Zuchthandlung nicht berührt. Es ist wichtig, das zu beachten.

Der wichtige Grundsatz lautet:

Zucht im Sinn von 1. Korinther 5 hat es ausschließlich mit dieser Erde zu tun und nicht mit dem Himmel.

Zucht hat es immer mit dieser Erde zu tun. Das hat der Herr Jesus selbst gesagt: „Was irgend ihr auf der Erde binden werdet, wird im Himmel gebunden sein“ (Mt 18,18). Wir binden auf der Erde und wir binden für die Erde. Dieses Binden findet allerdings – wenn es im Namen des Herrn und somit mit seiner Zustimmung geschieht – Anerkennung im Himmel. Ein Böser wird hier auf der Erde aus der Mitte der Gläubigen weggetan. Er befindet sich nicht mehr in dem Bereich des Segens Gottes. Er ist getrennt von der praktischen Gemeinschaft und von den Vorrechten der Gläubigen. Wir haben keinen Umgang mehr mit ihm, weder im sozialen zwischenmenschlichen Bereich, noch am Tisch des Herrn. Durch die Sünde ist er von allem getrennt, was Gott seinen Kindern auf dieser Erde schenken möchte.

Ein alttestamentliches Bild macht uns diesen Vorgang sehr deutlich. 3. Mose 13 und 14 belehren uns über das Gesetz des Aussätzigen. Aussatz ist eine Krankheit (ein Bild von der Sünde), die nach außen hin sichtbar wird und den Menschen im Alten Testament sowohl von Gott als auch von der Gemeinschaft mit dem Volk Gottes trennte. Ein Aussätziger war unrein und musste von den Übrigen im Volk Israel isoliert werden. Gott hatte gesagt: „Alle Tage, da das Übel an ihm ist, soll er unrein sein; er ist unrein: Allein soll er wohnen, außerhalb des Lagers soll seine Wohnung sein“ (3. Mo 13,46). Ein Beispiel davon finden wir in der Geschichte des Königs Ussija. Als bei ihm ein Aussatzübel an der Stirn ausbrach, lesen wir die bezeichnenden Worte: „Und der König Ussija war aussätzig bis zum Tag seines Todes, und er wohnte in einem Krankenhaus (o. in einem abgesonderten Haus) als Aussätziger; denn er war von dem Haus des Herrn ausgeschlossen“ (2. Chr 26,21).

Vers 3.4: Die Zuständigkeit der örtlichen Versammlung

„Denn ich, zwar dem Leib nach abwesend, aber im Geist anwesend, habe schon als anwesend geurteilt, den, der dieses so verübt hat, im Namen unseres Herrn Jesus Christus (wenn ihr und mein Geist mit der Kraft unseres Herrn Jesus versammelt seid)...“ (1. Kor 5,3.4).

Die Verse 3–5 zeigen deutlich, dass die Angelegenheit für Paulus völlig klar war. Seine Beurteilung der Sachlage stand bereits fest. Dennoch wollte er in dieser Sache nicht ohne die Korinther handeln. Daraus wird deutlich, welche Bedeutung die örtliche Versammlung in Fragen der Zucht hat. Es ist die örtliche Versammlung, die bindet und löst. Obwohl Paulus über apostolische Autorität verfügte, die es ihm sogar erlaubte, einen Menschen dem Satan zu überliefern, wollte er trotzdem nicht ohne die Korinther handeln.

Eine besondere Situation

Beim Überdenken der jetzt vor uns liegenden Verse 3–5 müssen wir die Einmaligkeit und Besonderheit der Situation im Auge behalten. Der Apostel Paulus lebte auf dieser Erde. Er war – wie die anderen Apostel – mit einer ganz besonderen Autorität ausgestattet. Eine Autorität, die es in dieser Form heute nicht mehr gibt. Die Bibel kennt keine „apostolische Nachfolge“. Paulus konnte, obwohl er körperlich nicht in Korinth war („dem Leib nach abwesend“) dennoch davon sprechen, dass er im Geist gegenwärtig war. Er konnte aus der Ferne eine klare Beurteilung abgeben. Er konnte sogar sagen, dass die Korinther und sein Geist mit der Kraft des Herrn Jesus versammelt sein würden. Schließlich hatte er die Autorität, die betreffende Person „dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches...“. Niemand kann sich heute in dieser Weise mit Paulus vergleichen. Niemand darf heute so reden. Niemand hat heute eine solche Autorität. Insofern ist die Situation in der Tat einmalig und nicht direkt in unsere Zeit hinein übertragbar. Dennoch können wir die damalige Situation auf uns anwenden. Dabei werden Grundsätze deutlich, die auf der Basis von Gottes Wort für uns allgemeine Gültigkeit haben.

Paulus beginnt damit aufzuzeigen, dass er in der Angelegenheit für sich ein sehr klares Bild hatte. Vers 2 betont das Wort „ihr“. Vers 3 betont das Wort „ich“. Damit wird deutlich, wie unterschiedlich die Korinther auf der einen und Paulus auf der anderen Seite die Sache beurteilen. Paulus war sowohl von der Tat der Hurerei als auch von dem Verhalten der Korinther tief betroffen. Aber nicht nur das. Paulus hatte für sich völlige Klarheit, wie weiter vorzugehen war. Soweit es an ihm lag, hätte er die Person dem Satan überliefern können. Dennoch macht Paulus von der ihm gegebenen Autorität keinen Gebrauch, sondern er bezieht die Korinther mit ein. Er hätte in der Sache ohne weiteres als „Richter“ fungieren und ein „Urteil“ sprechen können. Aber er tut es nicht. Er wollte die Herzen und Gewissen der Korinther erreichen, damit sie in dieser Sache geübt würden. Paulus erhebt sozusagen die „Anklage“, aber er fordert die Korinther auf, das „Urteil“ zu sprechen und auszuführen. Wir betonen noch einmal, dass kein Diener des Herrn heute eine solche Autorität besitzt oder sie in Anspruch nehmen könnte. Gleichwohl lernen wir einen weiteren wichtigen Grundsatz. Er lautet:

Das Gewissen der Geschwister einer örtlichen Versammlung muss geübt sein, wenn es um die Fragen von „Binden“ (Ausschluss) oder „Lösen“ (Wiederzulassung) geht. Dabei handelt die Versammlung nicht nach eigenen Gedanken, sondern ihre „Beschlüsse“ basieren auf dem Fundament des Wortes Gottes.

Die örtliche Versammlung

Die hier angesprochene Form der Zucht – der Ausschluss – ist also Sache der Versammlung. Sie ist die einzige „Instanz“, wenn es darum geht, einen Bösen hinaus zu tun. Es ist wichtig, diesen Gedanken klar zu erfassen. Keine Einzelperson ist befugt, einen Ausschluss zu vollziehen. Kein Bruder – und sei er noch so begabt oder anerkannt – darf sich anmaßen, über diese letzte Form der Zucht zu entscheiden. Auch keine „Brüderstunde“ und kein sonstiges „Gremium“ kann das tun. Es ist ausschließlich Sache der örtlichen Versammlung. Geistliche Brüder und Schwestern – je nach Sachlage auch aus Nachbarversammlungen – können selbstverständlich einen Rat geben. Aber sie können nichts entscheiden. Brüder, die in einer örtlichen Versammlung die Verantwortung tragen, werden in der Regel die ersten sein, die sich mit einer Sache beschäftigen und sie danach der Versammlung vortragen. Aber einzelne Brüder entscheiden nicht. Der örtlichen Versammlung allein liegt die Verantwortung auf und sie trifft – wenn sie im Namen des Herrn Jesus zusammenkommt – die Entscheidung.

Der zweite Teil von Vers 4 zeigt einen weiteren wichtigen Gedanken. Nicht nur ist es Sache der örtlichen Versammlung, den Bösen hinaus zu tun, sondern sie handelt dann, wenn sie im Namen des Herrn Jesus versammelt ist. Die Geschwister einer örtlichen Versammlung reden nicht einfach irgendwo und irgendwie über einen Zuchtfall (oder eine Zulassung), sondern sie versammeln sich im Namen des Herrn Jesus, um diese Frage der Zucht zu entscheiden. Die weiter oben behandelte Stelle in Matthäus 18,20 – die davon spricht, dass der Herr in der Mitte derer ist, die sich zu seinem Namen hin versammeln – findet ihren Anlass gerade darin, dass der Herr über Binden und Lösen spricht. Zucht im Sinn von 1. Korinther 5 ist eine Sache der zusammenkommenden örtlichen Versammlung.

Wir fassen diesen wichtigen Punkt zusammen:

Allein die örtliche Versammlung ist befugt, über die Frage eines Ausschlusses zu entscheiden. Sie tut es, wenn sie im Namen des Herrn Jesus versammelt ist!

Drei wichtige Kennzeichen

Nach welchen Kriterien kann nun die zusammengekommene Versammlung eine Entscheidung treffen? Wenn wir die Verse 3–5 im Zusammenhang überdenken, erkennen wir 3 wichtige Kennzeichen. Diese Kennzeichen sind gleichzeitig Bedingungen, die erfüllt sein müssen:

  1. Das Wort der Apostel: Paulus spricht davon, dass er im Geist 3 bei den Korinthern anwesend sein würde. Das gibt es in dieser Form natürlich heute nicht mehr, denn Paulus und die anderen Apostel leben nicht mehr. Dennoch gibt es in einem anderen Sinn heute noch die Anwesenheit der Apostel. Sie sind zwar weder dem Körper, noch dem Geist nach, bei uns. Der Herr hat uns aber ihre inspirierten Schriften gegeben und in diesem Sinn sind sie immer noch bei uns.
    Wir machen also die Anwendung, dass wir beim Beurteilen einer Zuchtfrage in der Versammlung die Belehrungen der Apostel – im erweiterten Sinn das ganze Wort Gottes – zur Grundlage nehmen. Basiert eine Zuchthandlung nicht auf den Grundsätzen der biblischen und christlichen Belehrung, sind Zweifel angebracht, ob eine richtige Entscheidung getroffen wird. Gottes Wort muss Maßstab für unser Handeln in dieser Sache sein!
    Es geht bei der ernsten Frage eines Ausschlusses nicht um unsere eigene Meinung, um persönliche Empfindungen oder gar um das Ansehen einer Person, sondern allein um den Herrn und um sein Wort.
    Wer hilft uns, die Gedanken Gottes in der jeweiligen konkreten Situation zu erkennen? Es ist der Heilige Geist. So wie der Geist Gottes uns persönlich und gemeinsam in allen Zusammenkünften als Versammlung leiten will, brauchen wir seine Weisung ganz besonders dann, wenn es um Fragen der Zucht geht.
  2. Der Name des Herrn Jesus: Paulus fügt hinzu: „... im Namen unseres Herrn Jesus Christus“. Paulus fällte sein Urteil nicht nach eigenen Gedanken und Ideen, sondern er urteilte im Namen des Herrn Jesus Christus. Zu diesem gleichen Urteil hätte die Versammlung in Korinth eigentlich ebenso gekommen sein müssen. Wir haben uns schon an Matthäus 18,20 erinnert. Dort verbindet der Herr seinen Namen ausdrücklich mit seiner persönlichen Gegenwart: „Denn wo zwei oder drei versammelt sind in meinem Namen (zu meinem Namen hin), da bin ich in ihrer Mitte“. Das gilt selbstverständlich für alle Zusammenkünfte als Versammlung, sei es zum Brotbrechen, zum Gebet oder zur Wortverkündigung, es gilt selbstverständlich auch hier. Das „Versammelt sein“ zu seinem Namen hin ist die Bedingung für seine Gegenwart, die nötig ist, um „in seinem Namen“, d.h. „für ihn“ handeln zu können. Die Gegenwart des Herrn gibt der Versammlung die notwendige Autorität zum Handeln.
  3. Die Kraft des Herrn: Die Korinther sollten nicht allein im Namen des Herrn Jesus versammelt sein, sondern ebenfalls in seiner Kraft. Die örtliche Versammlung besitzt nicht nur Autorität zum Handeln, sondern Gott möchte ihr die dazu notwendige Kraft geben. Die Tatsache, dass eine Versammlung zum Namen des Herrn zusammenkommt, ist notwendige Voraussetzung für beides. Deshalb wird dieses dritte Kennzeichen – die Kraft des Herrn – hinzugefügt.

Bisweilen hat man das Empfinden, dass eine örtliche Versammlung handlungsunfähig ist, weil ihr die Kraft zu fehlen scheint. Die Geschwister sind nicht einmütig in der Beurteilung einer Sachlage. Eine solche Situation weist in der Regel auf einen schwachen geistlichen Zustand hin. In solchen – ohne Frage nicht normalen – Fällen sollte man nicht übereilt handeln. Eile in Zuchtfragen zu haben ist in den seltensten Fällen gut gewesen.

Der Herr übt uns in diesen Dingen. Die Kraft des Herrn zu haben, ist keine Selbstverständlichkeit. Fehlt sie, können wir ihn gemeinsam darum bitten. Eine geistliche Gesinnung zeigt sich darin, dass alle Geschwister einer örtlichen Versammlung in Demut vor dem Herrn sind, mit der aufrichtigen Bitte, dass der Herr eine einmütige Beurteilung schenkt, um dann in seiner Kraft handeln zu können. Wir handeln und entscheiden nicht nach den Methoden der Welt – etwa nach demokratischen Mehrheitsprinzipien – sondern wir gehen gemeinsam ins Gebet, um Kraft zum Handeln zu erbitten.

Vers 5: „Dem Satan überliefern“

„...einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus“ (1. Kor 5,5).

Dieser Vers enthält eine Schwierigkeit, die nicht ganz einfach zu lösen ist. Paulus schreibt: „Denn ich ... habe schon geurteilt ... einen solchen dem Satan zu überliefern zum Verderben des Fleisches, damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus“. Zwei Fragen bewegen uns:

  1. Was bedeutet es „einen Menschen dem Satan zu überliefern“?
  2. Gibt es so etwas heute noch?

Eine schwerwiegende Handlung

Im Neuen Testament gibt es eine zweite Stelle, die einen vergleichbaren Sachverhalt zeigt. In 1. Timotheus 1,20 schreibt Paulus: „... unter denen Hymenäus ist und Alexander, die ich dem Satan überliefert habe, damit sie durch Zucht unterwiesen würden, nicht zu lästern“. Hier geht es ebenso ganz offensichtlich um eine Zuchthandlung – allerdings mit einem anderen Charakter, als die in 1. Korinther 5. Es wird jedoch deutlich, dass in beiden Fällen der Apostel Paulus der Handelnde ist. Das eindeutige Ziel war allerdings hier die Wiederherstellung derer, die bezüglich des Glaubens Schiffbruch erlitten hatten (vgl. 1. Tim 1,19).

Das Alte Testament zeigt uns in der Geschichte Hiobs sehr deutlich, was es bedeutet, wenn sich ein Mensch in der Hand Satans befindet. Gott hatte dem Satan zunächst erlaubt, alles anzutasten, was Hiob besaß (vgl. Hiob 1,12). Dann sagt er sogar: „Siehe, er ist in deiner Hand; nur verschone sein Leben“ (Hiob 2,6). Natürlich können und dürfen wir Hiob niemals auf eine Stufe mit einem „Bösen“ nach 1. Korinther 5 stellen. Das wäre absurd. Aber die Begebenheit zeigt deutlich, wie Satan mit einem Menschen umgeht, der in seiner Hand ist. Zuerst hat er alles angegriffen, was Hiob gehörte. Dann hat er ihn selbst angegriffen, indem er ihm unendliche körperliche und seelische Not bereitet hat. Paulus deutet durch die Formulierung „...zum Verderben des Fleisches“ an, dass das „dem Satan Überliefern“ sogar den körperlichen Tod nach sich ziehen konnte. Dennoch fügt er sogleich an: „...damit der Geist errettet werde am Tag des Herrn Jesus“. Der Tag des Herrn Jesus deutet ohne Zweifel auf die himmlische Seite des zukünftigen Reiches und auf den damit verbundenen Richterstuhl des Christus hin. Sofern derjenige, der dem Satan überliefert wurde, ein Bruder war, würde das am Richterstuhl des Christus offenbar werden. Ein solcher gleicht dem Menschen, von dem Paulus in 1. Korinther 3,15 – wenngleich in einem anderen Zusammenhang – sagt, dass er Schaden leiden wird „er selbst aber wird gerettet werden, doch so wie durchs Feuer“. Wir erkennen, wie ernst dieser Ausdruck ist.

Apostolische Autorität

In der angeführten Stelle in 1. Timotheus 1,20 sehen wir, dass Paulus mit einer ganz besonderen Autorität und Macht ausgestattet war und diese tatsächlich benutzt hat. Diese gleiche Autorität und Macht hätte Paulus ebenso in Korinth gebrauchen können. Aber offensichtlich tat er es nicht. Es gibt keinen echten Hinweis darauf, dass der betreffende Böse in Korinth tatsächlich dem Satan überliefert worden ist, zum Verderben des Fleisches. Wenn wir davon ausgehen, dass es sich um dieselbe Person handelt, von der Paulus in 2. Korinther 2 spricht, können wir keinen anderen Rückschluss ziehen. Die Korinther haben das getan, was Paulus ihnen hier sagt, nämlich den Bösen von sich selbst hinaus getan, aber dass er dem Satan überliefert wurde, können wir nicht zwingend schlussfolgern.

Es gibt im Neuen Testament keine Aufforderung an Einzelpersonen oder an örtliche Versammlungen, eine Person – unter welchen Umständen auch immer – dem Satan zu überliefern. Diese Handlung scheint an apostolische Autorität gebunden zu sein. Wir können unserem Text nicht entnehmen, dass Paulus die Korinther aufgefordert hätte, den Betreffenden im Sinn „einer Handlung der Versammlung“ dem Satan zu überliefern. Es handelt sich im Gegenteil um eine mögliche Handlung des Apostels (hier in Verbindung mit der Versammlung). Schon gar nicht ist der hier von Paulus benutze Wortlaut als eine Art „Formel“ zu verstehen, als ob z.B. ein Bruder der örtlichen Versammlung in der Zusammenkunft sagen würde: „Wir sind im Namen und in der Kraft des Herrn Jesus zusammengekommen und überliefern den Betreffenden dem Satan zum Verderben des Fleisches, damit sein Geist errettet werde am Tag des Herrn“. Eine solche „formelhafte“ Sprache kennt das Neue Testament überhaupt nicht. Gott gibt uns in seinem Wort Grundsätze, aber keine „vorformulierten“ Aussprüche, die wir bei bestimmten Gegebenheiten „nachsprechen“ sollten. Das gilt ebenso für andere Anlässe wie Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten usw.

Die Anwendung auf uns

Erneut können wir von der Aussage des Paulus gewisse Grundsätze ableiten, die allgemeine Gültigkeit haben und somit auf uns heute anwendbar sind.

  1. Bevor das Christentum zur Staatsreligion ernannt wurde, war der Kontrast zwischen „drinnen“ und „draußen“ sehr viel deutlicher markiert als heute. „Drinnen“ waren die Christen; „draußen“ waren die Heiden mit ihrem okkulten Dämonen- und Götzenkult. Das Heidentum war in der Tat der Bereich, in dem Satan ganz offensichtlich die Herrschaft hatte. Satan ist immer „der Fürst der Welt“, aber in der ersten Zeit des Christentums wurde das anders als heute sichtbar. Heute sind die Grenzen aufgrund des Verfalls des christlichen Zeugnisses nicht mehr so klar erkennbar und werden vielfach nicht mehr beachtet. Der Ausgeschlossene in Korinth fand sich äußerlich unmittelbar im Heidentum wieder, nachdem die Versammlung ihn hinaus getan hatte. Heute ist das Christentum ein „großes Haus“ geworden und ein unter Zucht Gestellter bleibt in diesem Haus, selbst wenn er aus der Gemeinschaft der Kinder Gottes ausgeschlossen werden muss. Die sofort sichtbaren Folgen eines Ausschlusses waren damals also deutlicher sichtbar als heute.
    Dennoch ist es so, dass ein Ausgeschlossener – wenngleich wir ihn nicht dem Satan überliefern – außerhalb des Bereiches des Segens und der Vorrechte ist, in dem Gott ihn gern sehen möchte. Vers 12 macht klar, dass wir mit denen, die draußen sind, nichts zu tun haben. Gott wird sie richten, um mit ihnen zu seinem Ziel zu kommen. Ein Ausleger schreibt: „Wenn eine Versammlung den Bösen aus ihrer Mitte entfernt, überliefert sie ihn nicht dem Satan. Aber wenn der Schuldige einmal draußen steht, befindet er sich – und das ist sehr traurig – in dem Bereich, wo Satan seine Rechte ausübt“.
  2. Paulus spricht davon, dass der Geist am Tag des Herrn Jesus errettet werden soll. Das zeigt in der Anwendung zweierlei:
    • Erstens erkennen wir, dass ein Ausgeschlossener, wenn er Leben aus Gott hat 4, nicht ewig verloren gehen wird. Zucht ist – wie wir schon sahen – immer etwas, das mit dieser Erde – und damit mit der Zeit – zu tun hat. Ein Ausschluss geht niemals über das Leben auf dieser Erde hinaus. Die örtliche Versammlung bindet für diese Erde und dieses Binden wird im Himmel anerkannt. Über die Erde (den Tod) hinaus hat die Versammlung jedoch – Gott sei Dank – keinerlei Handlungsbefugnis. Das steht allein Gott zu. Für uns gilt: „Der Herr kennt die sein sind“ (2. Tim 2,19). Paulus spricht in Vers 11 ausdrücklich von einem Menschen, „der Bruder genannt wird“. Es gibt Fälle, wo wir durchaus nicht sicher sein können, ob jemand, der Bruder genannt wird, tatsächlich einer ist. Das zu beurteilen, steht uns nicht zu. Es ist Sache Gottes. Wir können nur anhand der Früchte beurteilen.
    • Zweitens wird deutlich, dass Zucht immer den Gedanken von Wiederherstellung beinhaltet. Das Ziel der Zucht im Blick auf den Ausgeschlossenen ist ja in erster Linie, dass er seine Schuld und Sünde einsieht. Dieses Ziel sollten wir nie aus dem Auge verlieren. Natürlich geht es in diesem Vers in der direkten Bedeutung um die letzte Gelegenheit, am Richterstuhl des Christus. Letztlich wird der Herr zu seinem Ziel kommen, selbst dann, wenn ein Leben in einem solchen Fall für diese Erde verloren ist. Aber wir können für uns den Gedanken ableiten, dass es so weit gar nicht kommen sollte. Sollen wir darauf warten, bis wir alle vor dem Richterstuhl des Christus offenbar werden? Jemand, der hinaus getan werden muss, wird immer im Blick auf seine Wiederherstellung hinaus getan. Das wollen wir nicht vergessen.

Eine Versammlung, die sich vor einem Ausschluss intensiv mit der betreffenden Person beschäftigt hat, um sie zur Einsicht, zur Buße und zum Bekenntnis zu führen, wird nach der erfolgten Zuchthandlung ganz sicher nicht „zur Tagesordnung übergehen“. Es zeugt von keinem guten geistlichen Zustand und von wenig Einsicht, wenn eine Versammlung „froh“ ist, nun mit dem Betreffenden nichts mehr zu tun zu haben. Gewiss, der Ausgeschlossene ist Gott überlassen und nicht mehr Gegenstand seelsorgerlicher Bemühungen. Aber das ändert nichts daran, dass wir weiter intensiv dafür beten, dass er sich beugt und wieder in die Gemeinschaft der Gläubigen aufgenommen werden kann. Geistlich gesinnte Geschwister werden auf ein Zeichen der Wiederherstellung warten und sich freuen, wenn solche Zeichen sichtbar werden.

Verse 6–8: Der Sauerteig und seine Wirkung

„Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid. Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit“ (1. Kor 5,6–8).

Bisher hatte Paulus vorwiegend den konkreten Fall der Sünde in Korinth vor Augen. Jetzt erweitert sich das Blickfeld. Paulus kommt in den nächsten Versen auf wichtige Prinzipien zu sprechen, die nicht nur in dem konkreten Fall damals Gültigkeit hatten, sondern von allgemeiner Bedeutung sind.

„Euer Rühmen ist nicht gut“

Paulus macht nun – geleitet durch den Heiligen Geist – an einem verständlichen Bild klar, was die Grundsätze Gottes sind. Zunächst wiederholt er, dass es nicht nur ein Problem dessen gab, der in der Sünde der Hurerei lebte, sondern dass es zur gleichen Zeit ein Problem der Korinther gab. Wir sahen schon, dass sie aufgeblasen waren und über das Böse in ihrer Mitte kein Leid getragen hatten (Vers 2). Jetzt fügt Paulus hinzu: „Euer Rühmen ist nicht gut“. Waren die Korinther etwa noch stolz darauf, dass sie eine so offenkundige Sünde in ihrer Mitte duldeten? Man gewinnt fast den Eindruck, dass es so war. Sie waren aufgeblasen und selbstgefällig – aber nicht nur das, sie gefielen sich sogar darin.

Die Korinther hatten sich nicht nur von der Person zu trennen, die in Hurerei lebte. Sie mussten zur gleichen Zeit über ihren eigenen Zustand trauern. Reinigung war in jeder Hinsicht zwingend erforderlich. Es konnte niemals die Zustimmung des Herrn finden, dass sie aufgeblasen waren und sich dessen sogar rühmten.

Um diesen Gedanken zu vertiefen, benutzt Paulus das Bild vom Sauerteig und seiner Wirkung. Er leitet das Bild mit den Worten ein: „Wisst ihr nicht ...“. Diesen Ausdruck verwendet er insgesamt 10 Mal in seinem Brief. Die Korinther rühmten sich vieler Dinge. Dennoch waren sie unwissend über manches, was sie eigentlich hätten wissen müssen. Paulus kann ihnen deshalb den Vorwurf nicht ersparen. Wir wollen uns nicht über die Korinther stellen. Ist es nicht bei uns ebenfalls oft so, dass wir unwissend über Wahrheiten und Belehrungen sind, die Gott uns deutlich in seinem Wort zeigt? Manchmal wird die Ignoranz noch größer, wenn es darum geht, die biblischen Grundsätze in die Praxis umzusetzen – sei es im persönlichen Leben oder im Leben als örtliche Versammlung.

Sauerteig im Neuen Testament – ein Bild vom Bösen

Im Anschluss an die Worte: „Wisst ihr nicht ...“ folgen immer sehr wichtige Belehrungen. Hier geht es um das Bild des Sauerteigs und seine Folgen. Damit soll klar gemacht werden, dass Sünde, wenn sie in einer Versammlung offenbar wird, alle beeinflusst. Die wichtige Aussage lautet: „ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“.

Sauerteig kommt im Neuen Testament an verschiedenen Stellen vor und ist immer ein Bild von geduldetem Bösen, von der Sünde und ihrer Wirkung auf andere.

Das wird in dem Gleichnis in Matthäus 13,33 besonders deutlich. Der Herr spricht in diesem Gleichnis von einer Frau, die einen Sauerteig nahm und ihn unter drei Maß Mehl verbarg, bis alles durchsäuert war (vgl. Lk 13,21). An dieser Stelle geht es nicht um das Evangelium, das sich über die ganze Erde verbreitet. Es geht nicht um etwas Gutes, sondern um etwas Schlechtes. Es geht darum, dass ein böses Lehrsystem die ganze Christenheit durchdringen und verunreinigen würde. Falsche Grundsätze durchdringen die ganze Masse und kennzeichnen sie schließlich.

Sauerteig wirkt zunächst völlig unsichtbar. Die Sünde wirkt oft im Verborgenen, hat aber Auswirkungen auf andere. Wenn die Sünde eines Einzelnen nicht bekannt und durch Selbstgericht weggetan wird, bleibt sie nicht auf den Einzelnen beschränkt, sondern sie greift um sich.

Ein Vergleich der verschiedenen Stellen im Neuen Testament, in denen Sauerteig erwähnt wird, zeigt, dass wir verschiedene Ausprägungen des Bösen im Bild des Sauerteigs finden können:

  • Die Sünde der Heuchelei: In Lukas 12,1 warnt der Herr Jesus seine Jünger vor dem Sauerteig der Pharisäer und er fügt hinzu: „... der Heuchelei ist“. Es war das Vortäuschen falscher Tatsachen, d.h. nach außen wird eine fromme Fassade gezeigt, während nach innen alles morsch ist (vgl. Mt 16,6–12).
  • Die Sünde falscher Lehren: Der Herr warnt seine Jünger nicht nur vor dem Sauerteig der Pharisäer, sondern gleichzeitig vor dem Sauerteig der Sadduzäer (vgl. Mt 16,6–12). Im Gegensatz zu den Pharisäern leugneten die Sadduzäer wichtige Aussagen des Alten Testaments. In unsere Zeit übertragen finden wir z.B. eine Parallele in der modernen Bibelkritik.
  • Die Sünde falscher Moral: Der Herr selbst warnt noch vor einer weiteren Art des Sauerteigs, nämlich vor dem Sauerteig des Herodes (vgl. Mk 8,15). Das ist die Vermischung geistlicher Dinge mit den Dingen dieser Welt. Bei den Herodianern finden wir das ausgeprägt. Dort geht es in erster Linie um die Vermischung des Religiösen mit der Politik.
  • Die Sünde der Gesetzlichkeit: Davon spricht der Apostel im Galaterbrief. Er wiederholt dort den Grundsatz, den wir in 1. Korinther 5 finden: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“ (Gal 5,9).
  • Die Sünde der Hurerei: Das ist der Ausgangspunkt von 1. Korinther 5. Durch die Sünde der Hurerei (Unmoral) wurde die ganze Versammlung „infiziert“.
  • Die Sünde der Bosheit und Schlechtigkeit: In Vers 8 unseres Kapitels spricht Paulus vom alten Sauerteig und vom Sauerteig der Schlechtigkeit und Bosheit. Alles, was aus der alten und sündigen Natur – die noch in uns ist – hervorkommt, ist von Bosheit und Schlechtigkeit gekennzeichnet.

„Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“

Der wichtige biblische Grundsatz, den wir nun in Verbindung mit dem Sauerteig lernen ist folgender:

Die Sünde eines Menschen betrifft nicht nur den, der sie begeht, sondern sie hat - wenn sie nicht weggetan und gerichtet wird – immer einen Einfluss auf alle anderen, die mit ihm verbunden sind.

Wir kennen das Sprichwort, dass ein fauler Apfel alle guten Äpfel verdirbt, mit denen er in Berührung kommt. Deshalb muss ein fauler Apfel entfernt werden, damit die anderen nicht angesteckt werden. Hier wird gesagt: „Ein wenig Sauerteig“. Diesem wenigen Sauerteig steht der „ganze Teig“ gegenüber. Es ist ein bewusster Kontrast. Wir können also nicht sagen: Was macht schon ein wenig Böses innerhalb einer großen Masse aus? Das Gegenteil ist wahr. Der Grundsatz lautet: „Ein wenig Sauerteig durchsäuert den ganzen Teig“. Das gilt nicht nur für Hurerei und andere moralische Vergehungen, sondern ist ein allgemeines Prinzip.

Dabei ist nicht ein mystisches „Übergehen“ der Sünde von dem einen auf die anderen gemeint. Die Korinther z.B. wurden nicht durch die Sünde des einzelnen in ihrer Mitte zu Hurern, aber sie wurden doch durch die Hurerei des einzelnen verunreinigt und infiziert. Die Gefahr besteht, dass wir uns an offenkundige Sünden in unserer Mitte gewöhnen und gleichgültig darüber hinweggehen. Man weiß von der Sünde, aber man toleriert sie. Der Herr kann sich mit einer solchen Verhaltensweise nicht eins machen. Sie verunreinigt eine Versammlung, betrübt den Herrn und schädigt das Zeugnis nach außen.

„Fegt den alten Sauerteig aus“

Es gibt eine klare und unmissverständliche Konsequenz aus der Tatsache, dass ein wenig Sauerteig den ganzen Teig durchsäuert. Sie lautet: „Fegt den alten Sauerteig aus“. Diese Aufforderung wird hier nicht im Blick auf die Wiederherstellung des Bösen gegeben, sondern zur Reinigung der Versammlung. Tun wir es nicht, machen wir uns schuldig.

Der Hinweis auf das Ausfegen nimmt – besonders in Verbindung mit dem Folgenden – offensichtlich Bezug auf einen alttestamentlichen Vorgang aus dem 2. Buch Mose. Als das Volk Israel aus Ägypten auszog und sie das Passah feierten, gab Gott ihnen eine wichtige Anweisung:

  • „Sieben Tage sollt ihr Ungesäuertes essen; ja, am ersten Tag sollt ihr den Sauerteig aus euren Häusern wegtun; denn jeder, der Gesäuertes isst, vom ersten Tage bis zum siebten Tag, diese Seele soll ausgerottet werden aus Israel“ (2. Mo 12,15).
  • „Sieben Tage soll kein Sauerteig in euren Häusern gefunden werden; denn jeder, der Gesäuertes isst, diese Seele soll aus der Gemeinde Israel ausgerottet werden, er sei Fremder oder Einheimischer des Landes“ (2. Mo 12,19).
  • „Die sieben Tage soll Ungesäuertes gegessen werden; und nicht soll Gesäuertes bei dir gesehen werden, noch soll Sauerteig bei dir gesehen werden in deinem ganzen Gebiet“ (2. Mo 13,7).

Im 5. Buch Mose wird diese Anweisung noch einmal wiederholt. Die Erinnerung an das Geschehen in Ägypten sollte bei dem Volk Israel nie verblassen:

  • „Und sieben Tage soll kein Sauerteig bei dir gesehen werden in deinem ganzen Gebiet; und von dem Fleisch, das du am Abend schlachtest, am ersten Tag, soll nichts über Nacht bis zum Morgen übrig bleiben“ (5. Mo 16,4).

Um das richtig zu verstehen, muss man die Sitten und Gebräuche damaliger Tage ein wenig kennen. Sauerteig spielte im Haushalt der Kinder Israel eine wichtige Rolle beim Backen. Der Vorgang war folgender: Man behielt immer ein wenig vom jeweils alten Teig zurück, um ihn dann als Sauerteig dem neuen Teig beizugeben. Das geschah immer wieder. Aber einmal im Jahr – anlässlich der Passah Feier – musste jeglicher Sauerteig aus den Häusern entfernt werden. Im ganzen Haus des Israeliten musste gesucht werden, ob sich noch (alter) Sauerteig fand. Das Passahfest markierte einen neuen Anfang und deshalb musste der (alte) Sauerteig entfernt werden.

Wenn wir das auf uns übertragen, erkennen wir, dass ein Mensch grundsätzlich bei seiner Bekehrung einen solchen radikalen Neuanfang macht. „Daher, wenn jemand in Christus ist, da ist eine neue Schöpfung; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden“ (2. Kor 5,17). Der alte Sauerteig charakterisiert das Leben des Gläubigen vor seiner Bekehrung. Das ändert sich mit der Bekehrung. Dennoch ist die alte Natur – das Fleisch – noch in uns. Wenn wir nicht täglich praktisch verwirklichen, dass wir mit Christus gestorben sind, regt sich die alte Natur. Was sie hervorbringt, ist immer böse. Es ist alter Sauerteig. Diesen alten Sauerteig – das also, was dem alten Leben in dieser Welt angehört – müssen wir „ausfegen“. Das Bild verstehen wir gut. Wie Unrat mit einem Besen weggefegt wird, sollen wir durch täglich geübtes Selbstgericht alles wegtun, was dem alten Leben angehört. Das gilt zuerst für unser persönliches Leben, es gilt für unser Leben als Familie, es gilt ebenso – und das steht hier im Vordergrund – im Leben der örtlichen Versammlung. Immer wieder wollen sich Dinge herein schleichen und wir müssen wachsam sein, damit sie ihre Wirkung nicht entfalten können und wir verunreinigt werden. Nur auf diese Weise können wir in unserem praktischen Leben „ein neuer Teig“ sein – persönlich und gemeinsam.

Stellung und Praxis

Paulus fügt die auf den ersten Blick vielleicht etwas merkwürdig erscheinenden Worte hinzu: „... wie ihr ungesäuert seid“. Damit wird zum einen unsere Stellung in Christus angedeutet. Zum anderen beugt Paulus dem falschen Gedanken vor, als ob wir durch unser eigenes Bemühen einen Zustand der Vollkommenheit erreichen könnten.

Das Ausfegen betrifft die Praxis unseres Christenlebens. Die Tatsache, dass wir rein sind betrifft unsere Stellung.

Durch den Glauben an das Erlösungswerk des Herrn Jesus sind wir „vollkommen in Christus“. Gott sieht uns als gereinigte Menschen vor ihm. Wir sind „ein neuer Teig“ – um in unserem Bild zu bleiben. Der alte Mensch existiert nicht mehr. Er ist im Tod des Herrn Jesus am Kreuz zu Ende gekommen. Das wird uns im Römerbrief so erklärt: „... da wir dieses wissen, dass unser alter Mensch mitgekreuzigt worden ist, damit der Leib der Sünde abgetan sei, dass wir der Sünde nicht mehr dienen“ (Röm 6,6). Wir haben den alten Menschen „ausgezogen“ (Kol 3,9) und „abgelegt“ (Eph 4,22). Unser alter Mensch ist mitgekreuzigt, er ist ausgezogen und abgelegt. Wir haben unserer Stellung nach nichts mehr damit zu tun. Dieser Vorgang des Ausziehens ist kein fortwährender Prozess, der dann abgeschlossen ist, wenn wir bei dem Herrn sind. Nein, es ist eine einmalige Handlung. Im Tod des Herrn ist das geschehen. Es kommt uns zu gut, wenn wir den Herrn Jesus als unseren Heiland annehmen. Das ist der Neuanfang von dem 2. Korinther 5,17 spricht.

Aber dabei bleiben wir nicht stehen. Paulus zeigt uns nicht nur unsere Stellung – so groß diese natürlich ist. Nein, gerade der Apostel Paulus weist in seinen Schriften immer wieder darauf hin, dass wir in der Praxis unseres Lebens genau das verwirklichen, was wir der Stellung nach sind. Wir sind ungesäuert – das ist unsere Stellung. Wir sollen den alten Sauerteig ausfegen – das ist unsere Praxis.

„Christus, unser Passah“

Bevor nun weitere Belehrungen über den Sauerteig folgen, fügt Paulus die Bemerkung ein: „Denn auch unser Passah, Christus ist geschlachtet worden“. Diese Aussage begründet durch das einleitende Wort „denn“ einerseits die Belehrungen, die vorausgegangen sind. Andererseits folgert daraus die Aufforderung von Vers 8, die mit dem Wort „darum“ beginnt. Es ist also eine zentrale Aussage und wir verstehen gut, warum das so ist.

Das Fest der ungesäuerten Brote im Alten Testament schloss sich unmittelbar an das Passah-Fest an. Das Passah ist eines der großartigen Bilder des Alten Testaments, in dem uns die Person des Herrn Jesus vorgestellt wird. Das Passah, das in Ägypten gefeiert wurde, hat in seiner geistlichen Erklärung für uns mindestens eine zweifache Bedeutung. Erstens zeigt es uns, wie ein von Natur sündiger und schuldiger Mensch unter dem Blut des Lammes Gottes Schutz und Sicherheit findet, um so dem gerechten Gericht Gottes zu entgehen. Zweitens ist es ein direktes Vorbild auf das Geschehen von Golgatha. Darauf spielt der Apostel hier an. Er erklärt die Bedeutung dieses Vorbilds aus dem Alten Testament mit den schlichten – und doch so inhaltsreichen – Worten: „Unser Passah, Christus, ist geschlachtet“. Im Mittelpunkt dieser Verse steht also niemand anders als der Herr Jesus. Weil er am Kreuz auf Golgatha als das Lamm Gottes sein Leben ließ, können ehemals unreine Menschen jetzt „ein neuer Teig“ sein. Wir haben nicht nur den alten Menschen abgelegt und ausgezogen, sondern gleichzeitig „den neuen Menschen angezogen“ (vgl. Eph 4,24).

Christus ist die Erfüllung des Passah-Festes, so wie es uns das Alte Testament vorstellt. Er hat sein Leben gegeben. Sein Blut ist geflossen. Er ist der Sündenträger geworden. Unsere Sünden sind ein für allemal weggetan. Das Gericht, das wir verdient hatten, hat ihn getroffen. Wir stehen jetzt als gereinigte Menschen vor Gott. Das ist die Grundlage unserer Stellung vor Gott.

Das Passah sollte mit bitteren Kräutern gegessen werden. Darin liegt für uns der Gedanke, dass wir nie vergessen dürfen, was es den Heiland gekostet hat, dieses Lamm Gottes zu werden. Petrus schreibt: „... der selbst unsere Sünden an seinem Leib auf dem Holz getragen hat“ (1. Pet 2,24). Das lässt uns an die Last denken, die auf dem Herrn lag, als er der Sündenträger wurde. Dieser Gedanke muss uns immer wieder tief beeindrucken.

Gerade dann, wenn eine örtliche Versammlung im Namen und in der Kraft des Herrn Jesus zusammen ist, um Zucht auszuüben, kann die Erinnerung an das Leiden und Sterben des Herrn Jesus am Kreuz nie fehlen. Es macht uns demütig und zeigt deutlich, wie schrecklich Sünde ist, wenn sie im Leben eines Gläubigen vorkommt.

Segnung und Verantwortung liegen hier – wie an anderen Stellen – nah beieinander. Auf der einen Seite stimmt es uns zu Lob und Dank, wenn wir an Christus als das Passahlamm denken. Andererseits kann es nicht anders sein, als dass wir Sünden, wenn sie in unserem Leben vorkommen, im Bekenntnis vor unserem Herrn nennen. Das gilt für unser persönliches Leben, es gilt ebenso im Versammlungsleben. Wir müssen Böses bekennen und wegtun. Nur dann kann unser Leben eine Festfeier sein.

Festfeier halten

„Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit“. Das Bild des Sauerteigs wird jetzt wieder aufgegriffen. Dem Passahfest folgte das Fest der ungesäuerten Brote, das sieben Tage lang gefeiert wurde. Darauf kommt der Apostel Paulus jetzt zu sprechen.

Bei dem Ausdruck „Festfeier halten“ denken wir nicht an das Brotbrechen, sondern die hier erwähnte Festfeier zeigt uns die Anwendung des Kreuzes des Herrn Jesus auf unser ganzes Leben nach der Bekehrung. An keiner Stelle im Neuen Testament lesen wir von einer „Feier“ in Verbindung mit dem Brotbrechen. Das Passah im Alten Testament – im gewissen Sinn ein Bild dessen, was wir beim Brotbrechen tun – wurde „gefeiert“ (vgl. 5. Mo 16,1; dort wird das Volk sogar aufgefordert, das Passah zu feiern). Diese Aufforderung finden wir nicht beim Brotbrechen. Wir brechen das Brot (Apg 20,7; 1. Kor 10,16); wir nehmen teil an dem einem Brot (1. Kor 10,17); wir verkündigen den Tod des Herrn (1. Kor 11,26). Keine dieser Stellen spricht von einer „Feier“.

Nein, die hier erwähnte „Festfeier“ nimmt eindeutig Bezug auf das Fest der ungesäuerten Brote und spricht damit von dem ganzen Leben des Christen auf der Erde.

Wer einmal eine Begegnung mit dem gestorbenen und auferstandenen Christus gehabt hat und weiß, dass seine Sünden im Blut des Heilands gewaschen sind, der wird den einen Wunsch haben, ein Leben im Licht dieses Kreuzes zu führen.

Hier geht es nicht darum, dass der Weg der Nachfolge ein Weg ist, der durch Leiden zur Herrlichkeit führt, sondern hier steht der Gedanke vor uns, dass das Leben des Gläubigen ein „Fest“ ist, ein Leben zur Ehre und Freude unseres Herrn und gleichzeitig ein Leben zur eigenen Freude. Die sieben Tage deuten symbolisch auf unser ganzes Leben hin.

Dennoch ist es ein Fest, das verdorben werden kann. Im Leben des Gläubigen können sich Sünden einschleichen. Deshalb sagt Paulus: „... nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit“. Wenn Dinge auftauchen, die aus der alten Natur hervorkommen, dann ist die Freude im Herrn unterbrochen. Der Weg zurück zur Freude wurde uns weiter oben beschrieben. Es ist das „Ausfegen“ des Bösen. Wenn es um uns persönlich geht, müssen wir tägliches Selbstgericht üben. Wenn es um die Heiligkeit des Hauses Gottes geht, kann es sein, dass wir den Bösen von uns selbst hinaus tun müssen.

Der alte Sauerteig lässt uns an alte und schlechte Gewohnheiten denken, die – auch im Leben des Gläubigen – aus der alten Natur (dem Fleisch) hervorkommt. Diese alte Natur (die Sünde, das Fleisch) ist noch in uns, so dass Dinge, die uns vor unserer Bekehrung gekennzeichnet haben, sichtbar werden können. „Sauerteig der Bosheit“ deutet mehr die Bösartigkeit der Sünde an sich an. „Sauerteig der Schlechtigkeit“ spricht von dem aktiven Bösen, durch das Schaden angerichtet wird. Das menschliche Herz bleibt unverändert. Der wiedergeborene Mensch ist kein Sklave der Sünde, d.h. er muss nicht mehr sündigen. Aber die Erfahrung lehrt uns, dass wir sehr wohl noch sündigen können.

Wirkliche Freude hingegen ist mit Lauterkeit und Wahrheit verbunden. Dazu sind wir als Gläubige fähig. Das eine – Bosheit und Schlechtigkeit – sollen wir lassen. Das andere – Lauterkeit und Wahrheit – soll jetzt unser ganzes Leben kennzeichnen. Dabei lässt uns „Lauterkeit“ mehr an die Unverfälschtheit unserer Beweggründe denken, während „Wahrheit“ eher mit der Reinheit unserer Handlungen und Taten verbunden ist. Wenn unsere Herzen „lauter“ sind, dann erlauben wir nicht, dass Sünde unsere Motive beeinflusst und verdirbt. Wenn wir in „Wahrheit“ wandeln, dann leben wir in praktischer Gerechtigkeit und unsere Taten sind in Übereinstimmung mit dem Willen Gottes. Einzeln und gemeinsam müssen wir bereit sein, alles Böse zu meiden und weg zu tun. Dann streben wir nach „Gerechtigkeit, Glauben, Liebe, Frieden mit denen, die den Herrn anrufen aus reinem Herzen“ (2. Tim 2,22). Ein reines Herz haben wir dann, wenn aller Sauerteig weggetan ist.

Wenn wir nur bestrebt sind, alles Böse aus unserem Leben zu entfernen, ohne gleichzeitig durch Lauterkeit und Wahrheit gekennzeichnet zu sein, gleichen wir den Pharisäern, die nur eine äußere Frömmigkeit zur Schau stellten. Wir können uns in keinem Fall damit zufrieden geben, uns vom Bösen fern zu halten, sondern sollen gleichzeitig danach streben, ein Leben der praktischen Frömmigkeit (Gottseligkeit) zu führen. Das können wir nur dann, wenn wir uns täglich von unserem Herrn nähren und von ihm lernen. Er ist die richtige Nahrung für uns. In seinem Leben finden wir „Lauterkeit und Wahrheit“ vollkommen dargestellt.

Verse 9–12: Das Verhalten Ausgeschlossenen gegenüber

„Ich habe euch in dem Brief geschrieben, nicht mit Hurern Umgang zu haben; nicht durchaus mit den Hurern dieser Welt oder den Habsüchtigen und Räubern oder Götzendienern, sonst müsstet ihr ja aus der Welt hinausgehen. Nun aber habe ich euch geschrieben, keinen Umgang zu haben, wenn jemand, der Bruder genannt wird, ein Hurer ist, oder ein Habsüchtiger oder ein Götzendiener oder ein Schmäher oder ein Trunkenbold oder ein Räuber, mit einem solchen nicht einmal zu essen. Denn was habe ich die zu richten, die draußen sind? Ihr, richtet ihr nicht, die drinnen sind?“ (1. Kor 5,9–12).

Nach den mehr allgemein gehaltenen Unterweisungen der Verse 6–8 kommt Paulus jetzt wieder auf den konkreten Fall in Korinth zu sprechen. Gleichwohl ist das Gesichtsfeld weiter als in den ersten fünf Versen. Es geht um die Frage, wie wir uns Menschen – die sich in der Mitte der Gläubigen aufgehalten haben – gegenüber zu verhalten haben, die von bestimmten Sünden charakterisiert und deshalb als „Böse“ zu bezeichnen sind. Dabei wird ein Unterschied zwischen solchen deutlich, die „Bruder genannt“ werden und solchen, die zu dieser Welt gehören.

Ein weiterer Brief von Paulus?

Zunächst taucht in Vers 9 eine kleine Schwierigkeit auf. Welchen Brief meint Paulus, wenn er sagt: „Ich habe euch in dem Brief geschrieben...“? Hatte er bereits einen Brief an die Korinther geschrieben, auf den er hier Bezug nimmt? Manche gehen davon aus, dass in einem solchen Brief bereits ein Fall von Hurerei beschrieben worden ist. Es ist nicht ganz auszuschließen, dass das der Fall gewesen sein könnte. Paulus hat durchaus Briefe geschrieben, die nicht in den Kanon der Bibel aufgenommen worden sind 5.

Dennoch ist es wenig wahrscheinlich, dass Paulus an dieser Stelle Bezug auf einen solchen Brief nimmt. Die grammatische Konstruktion, die in der griechischen Sprache an dieser Stelle sichtbar wird (und dem deutschen Leser verborgen bleibt) lässt durchaus die Schlussfolgerung zu, dass Paulus genau den Brief meint, den er gerade im Begriff war zu schreiben, also den uns überlieferten 1. Korintherbrief 6. Mit dieser Formulierung will Paulus einfach unterstreichen, wie wichtig ihm das ist, was er jetzt sagen wird.

Keinen Umgang haben

Die zentrale Aufforderung lautet, dass wir keinen Umgang mit solchen haben sollen, die in der Mitte der Gläubigen leben, aber durch bestimmte Sünden gekennzeichnet (charakterisiert) werden, die bei einem Gläubigen nicht gefunden werden sollen. Auf den ersten Blick scheint das ein Widerspruch zu dem Gebot der Liebe zu sein, von dem vor allem der Apostel Johannes schreibt. Aber wir erinnern uns daran, dass das wesentliche Kennzeichen des Hauses Gottes Heiligkeit ist. Liebe unter Gotteskindern wird nie auf Kosten der Heiligkeit Gottes ausgeübt. Dennoch hört die Liebe selbst in einem solchen Fall nicht auf. Aber es gibt Situationen, in denen sich die Ausdrucksform der Liebe ändern kann und muss. Als Joseph seine Brüder nach langer Zeit in Ägypten wieder sah, lesen wir zweimal, dass er hart mit ihnen redete (vgl. 1. Mo 42,7; 42,30). In Römer 16 werden wir aufgefordert, uns von solchen abzuwenden, „die Zwiespalt und Ärgernis anrichten, entgegen der Lehre, die ihr gelernt habt“ (vgl. Röm 16,17). Es gibt Umstände, in denen sich die Liebe anders zeigen muss – immer mit dem Ziel, den Betreffenden davon zu überzeugen, dass sein Handeln nicht in Übereinstimmung mit dem Herrn ist und er Buße tut.

In 2. Thessalonicher 3 spricht der Apostel von einer anderen – milderen – Zuchtform, der Bezeichnung. Wer unordentlich wandelt, der sollte bezeichnet – d.h. öffentlich „markiert“ – werden. Dort wird ebenfalls gesagt: „habt keinen Umgang mit ihm, damit er beschämt werde“ (2. Thes 3,14). Das Ziel ist klar: der Bruder oder die Schwester soll in jedem Fall gewonnen werden.

Die Aufforderung, „keinen Umgang zu haben“ - die nur an diesen beiden Stellen im Neuen Testament vorkommt – schließt den Abbruch aller normal üblichen sozialen Kontakte ein.

Der griechische Ausdruck ist schwächer als das an vielen Stellen für „Gemeinschaft“ übersetzte Wort. Dass „geistliche Gemeinschaft“ unmöglich ist, sollte völlig klar sein. Aber hier wird deutlich, dass nicht einmal weniger – also normaler sozialer Kontakt – möglich ist. Die betreffende Person muss deutlich merken, dass nicht einmal die sonst üblichen gesellschaftlichen Kontakte unter Menschen möglich sind 7.

In Vers 11 wird dann hinzugefügt: „ ... mit einem solchen selbst nicht zu essen“. Diese Aufforderung nimmt natürlich nicht zuerst Bezug auf die Teilnahme am Tisch des Herrn, sondern auf eine gewöhnliche Mahlzeit, schließt das Mahl des Herrn aber ohne jeden Zweifel ein. Wenn wir mit einer solchen Person nicht einmal eine gewöhnliche Mahlzeit einnehmen können, wie viel weniger können wir so jemand dann am Brotbrechen teilnehmen lassen. Eine gemeinsame Mahlzeit drückt immer Gemeinschaft aus. Die höchste sichtbare Darstellung der Gemeinschaft der Gläubigen nach außen hin ist das Brotbrechen. Am Tisch des Herrn drücken wir mit allen Gläubigen, die daran teilnehmen, die Einheit all derer aus, die zu dem einen Leib gehören (vgl. 1. Kor 10,16.17). Die Teilnahme am Brotbrechen beinhaltet nicht nur persönliche Vorrechte und Verantwortlichkeiten, sondern ebenso gemeinschaftliche Vorrechte und Verantwortlichkeiten. Deshalb ist es unmöglich, dass jemand, der nach 1. Korinther 5 ein „Böser“ ist, weiter am Brotbrechen teilnimmt. Ihn „hinaus zu tun“ hat ohne jeden Zweifel zur Folge, dass er nicht mehr am Mahl des Herrn teilhaben kann.

Wer diese Aufforderung ignoriert, beweist Gleichgültigkeit den Anweisungen des Herrn gegenüber. Wer nach wie vor mit einem, der hinaus getan werden musste, freundschaftlichen Umfang pflegt und so tut, als ob nichts geschehen sei, widersetzt sich direkt dem Handeln des Herrn durch die örtliche Versammlung. Das ist ein sehr ernster Gedanke. Bedenken wir, dass jede Zuchthandlung unter anderem das Ziel der Wiederherstellung des unter Zucht Gestellten hat. Unterlaufen wir die Konsequenzen einer solchen Handlung, stehen wir möglicherweise einer Wiederherstellung im Weg. Der Ausgeschlossene fühlt sich unter Umständen durch unser falsches Verhalten „bestätigt“ und der Weg zurück wird schwieriger oder gar unmöglich.

Aus der Welt hinausgehen?

In Vers 10 kommt Paulus auf einen deutlichen Unterschied zu sprechen, den wir nicht übersehen dürfen. Es geht auf der einen Seite um Menschen aus der Mitte der Gläubigen, um jemand, der „Bruder“ (oder „Schwester“) genannt wird. Ob der Betreffende wirklich Leben aus Gott hat, ist hier nicht die eigentliche Frage – das weiß der Herr. Entscheidend ist, dass man ihn als Kind Gottes angesehen hat und dass er den Gläubigen zugerechnet wurde. Das war natürlich in den ersten Jahrzehnten des Christentums viel deutlicher sichtbar als heute. Man war entweder drinnen oder man war draußen. Eine „Grauzone“ gab es kaum. Auf der einen Seite standen die Christen, auf der anderen Seite die Menschen dieser Welt, die damals Heiden waren und sich deutlich von den Gläubigen unterschieden.

Der Text macht uns klar, dass sich die Aufforderung, keinen Umgang zu haben, natürlich nicht auf Menschen dieser Welt beziehen kann. „Welt“ meint hier die Schöpfung, in die Satan die Sünde gebracht hat. Die Umgebung der Korinther war damals voll von Hurern, von Habsüchtigen, von Götzendienern, von Schmähern, Trunkenbolden und Räubern. Das ist heute nicht anders. 2. Timotheus 3,1–5 zeigt, dass die gleichen Sünden, die es unter den Heiden und Nationen damals gab, heute unter dem Deckmantel des christlichen Bekenntnisses vorhanden sind. Wer mit offenen Augen durch unsere Zeit geht, erkennt sehr schnell, dass wir von Menschen umgeben sind, die gerade durch diese Merkmale gekennzeichnet werden.

Wir können diesen Dingen um uns her nicht entgehen. Allein im sittlich-moralischen Bereich (Ehe, Familie, Sexualität, Berufsethik, allgemeine Wertmaßstäbe usw.) finden wir in der Welt häufig völlig andere Prinzipien und Handlungsweisen, als die in der Bibel vorgestellten. Viele unserer Nachbarn, Kollegen, Geschäftspartner, Lehrer usw. werden mit Unverständnis reagieren, wenn wir sie mit den moralischen Grundsätzen der Bibel konfrontieren und ihnen klar machen, dass diese für unser Leben Maßstab sind.

Solange wir noch in dieser Welt leben, können wir nicht vermeiden, mit Menschen zu tun zu haben, die von den hier genannten Sünden gekennzeichnet werden. Wir treffen sie täglich, wir arbeiten und leben mit ihnen und müssen in vielen Fällen einen gewissen sozialen Umgang mit ihnen haben. Oft wissen wir gar nicht, von welchen Dingen die Menschen, mit denen wir zu tun haben, charakterisiert werden. Darüber hinaus hat Gott uns ihnen zu einem Zeugnis gesetzt. Der Herr Jesus hat von den Seinen gesagt: „Diese sind in der Welt“ (Joh 17,11) aber: „Sie sind nicht von der Welt“ (Joh 17,14). Gott möchte nicht, dass wir Gemeinschaft mit der Welt haben, andererseits werden wir an keiner Stelle der Bibel aufgefordert, uns vollständig von der Welt zu isolieren. Der Herr Jesus war in Vollkommenheit „der Abgesonderte unter seinen Brüdern“. Er hatte mit dem bösen Treiben der Menschen um Ihn her nicht das Geringste zu tun. Dennoch hat Er mit den Zöllnern und Sündern gegessen, um ihnen die Botschaft Gottes zu sagen. Das ist beispielhaft für uns.

Es ist nicht unser Auftrag, diese Welt zu verbessern. Es ist aber allerdings ebenso wenig unser Auftrag „aus der Welt hinaus zu gehen“. Manche Christen haben das erste versucht – und sind gescheitert. Andere Christen haben das zweite versucht. Sie sind ebenfalls gescheitert. Sie sind in die Isolation und Einöde gegangen, aber der Gedanke Gottes ist das ganz sicher nicht.

Unser Auftrag ist es, uns von der Welt und ihrem Treiben getrennt zu halten, aber gleichzeitig ein Zeugnis für die verlorenen Menschen zu sein.

Den Zusammenhang zwischen unserem Zeugnis für die Menschen einerseits und einem Leben der praktischen Absonderung von der Welt andererseits macht der Herr Jesus selbst sehr deutlich. Er betete zum Vater: „Ich bitte nicht, dass du sie aus der Welt wegnehmest, sondern dass du sie bewahrest vor dem Bösen. Sie sind nicht von der Welt, wie ich nicht von der Welt bin. Heilige sie durch die Wahrheit: Dein Wort ist Wahrheit. Wie du mich in die Welt gesandt hast, so habe auch ich sie in die Welt gesandt; und ich heilige mich selbst für sie, damit auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit. Aber nicht für diese allein bitte ich, sondern auch für die, die durch ihr Wort an mich glauben…“ (Joh 17,15–20).

Während es also einerseits nicht zu vermeiden ist, mit Menschen dieser Welt Umgang zu haben, die in Sünde leben, so ist es andererseits etwas völlig anderes, wenn wir mit solchen Umgang haben, die sich Kinder Gottes nennen und in den gleichen Dingen leben. Diesen Unterschied müssen wir beachten. In der Regierung Gottes ist die Bosheit eines ungläubigen Menschen nicht gleich zu setzen mit der Bosheit, die jemand tut, der sich „Bruder“ oder „Schwester“ nennt. Wenn Bosheit und Sünde mit einem christlichen Bekenntnis verbunden ist, ist sie strenger zu beurteilen, als wenn das nicht der Fall ist. Das ist der Punkt, um den es hier geht.

Ein traurige „Liste“

Um klar zu machen, dass es nicht nur um die Sünde der Hurerei geht, folgt jetzt eine traurige Aufzählung von Sünden, die leider nicht nur in dieser Welt zu finden sind, sondern ebenso unter solchen, die mit den Gläubigen leben. Es ist wichtig, diesen Punkt richtig zu sehen. Der Ausgangspunkt des Kapitels ist die in Korinth vorgekommene Sünde der Hurerei. Jetzt wird deutlich gemacht, dass es um die Frage geht, in welchem Zustand sich eine Person befindet. Exemplarisch werden folgende Sünden genannt:

  • ein Hurer: Hurerei ist – wie wir schon sahen – jeder Geschlechtsverkehr außerhalb der Ehe. Ein Hurer im Sinn des Neuen Testaments ist jemand, der von biblisch nicht erlaubter Sexualität geprägt ist und seine körperliche Lust außerhalb der von Gott gegebenen Grenzen befriedigt. Darin eingeschlossen ist jeder vor- und außereheliche Geschlechtsverkehr, Prostitution, verbotene Verwandtschaftsehe, praktizierte Homosexualität, abartige geschlechtliche Handlungen, Pornographiesucht usw.
  • ein Habsüchtiger: Ein Habsüchtiger wird dadurch gekennzeichnet, dass sein ganzes Sinnen und Trachten darauf konzentriert ist, irdische Güter zu sammeln. Das ist sicher in erster Linie Geld und Reichtum, es können auch andere Güter wie z.B. Ehre, Ansehen und Einfluss sein. Habsucht ist übrigens moderner Götzenkult (vgl. Kol 3,5).
  • ein Räuber: Ein Räuber ist jemand, der nicht nur einfach das nimmt, was ihm nicht gehört, sondern es in Verbindung mit Gewalt und Gewaltandrohung tut. Das muss nicht unbedingt körperliche Gewalt sein. Gerade im modernen Wirtschafts- und Berufsleben gibt es andere Formen der Gewaltandrohung und -ausübung, um in den Besitz von Geld oder anderen Werten zu kommen.
  • ein Götzendiener: Zu der Zeit als der Apostel Paulus den 1. Korinther Brief schrieb, war das tatsächlich primär buchstäblich zu verstehen. Die Korinther waren vor ihrer Bekehrung regelmäßig in den Götzentempel gegangen und hatten dort an dem Götzenkult teilgenommen. Johannes schreibt: „Kinder, hütet euch vor den Götzen“ (1. Joh 5,21). Das gilt bis heute. Götzen sind für uns alle Dinge, die uns wichtiger sind als der Herr. Unsere Hobbys können z.B. zu solchen Götzen werden.
  • ein Schmäher: Ein Schmäher oder Lästerer ist hier nicht in erster Linie jemand, der unmittelbar Gott lästert, sondern es handelt sich um eine Person, die immer wieder in bewusster und schlimmer Weise Dinge über Brüder und Schwestern erzählt, die nicht wahr sind. Es ist die Sünde der Verleumdung.
  • ein Trunkenbold: Der Trunkenbold ist jemand, der vom Alkohol abhängig und trunksüchtig ist. Trunksucht ist nicht nur eine Schwäche oder Krankheit, sondern Sünde. Die Bibel verbietet nicht generell den Konsum von Alkohol, warnt aber an mehreren Stellen deutlich vor übermäßigem Alkoholgenuss.

Diese „Liste“ ist keineswegs vollständig. Es sind durchaus andere Sünden denkbar, die ebenfalls zur Folge haben, dass wir mit Personen, die dadurch gekennzeichnet werden, keinen Umgang mehr haben können. 2. Johannes 10 spricht von einem Irrlehrer, den wir weder ins Haus aufnehmen noch grüßen sollen. Obwohl es im 2. Johannesbrief nicht um eine örtliche Versammlung geht, ist völlig klar, dass wir mit einem solchen genauso wenig Gemeinschaft am Tisch des Herrn haben können. Galater 5,9 spricht – wie wir weiter oben sahen – ebenfalls vom Sauerteig. Der Zusammenhang macht klar, dass es dort um böse und falsche Lehre geht und da ist ebenfalls ein Teilnehmen am Brotbrechen unmöglich.

Es ist wichtig zu sehen, dass es bei der Aufzählung dieser bösen Dinge nicht darum geht, dass sie in unser aller Herzen aufkommen können. Wer ehrlich gegen sich selbst ist, weiß, dass solche Dinge im Herzen sein können und dass sie sogar in unserem Handeln und Reden sichtbar werden können. Wenn z.B. Gedanken der Habsucht oder des Götzendiensts vorhanden sind, so sind wir nicht automatisch ein Habsüchtiger oder Götzendiener. Es geht hier nicht darum, dass ein Gläubiger im Sinn von Galater 6,1 „von einem Fehltritt übereilt wird“ und in eine Sünde fällt, sondern dass er darin lebt.

Menschen, von denen hier die Rede ist, sind in der Regel solche, die von ihren Sünden nicht zu trennen sind. Sie wollen nicht damit brechen, sondern verharren im Bösen. Sie werden von ihrem sündigen Leben gekennzeichnet und sind nicht bereit, Buße zu tun und zu bekennen.

Wenn jemand z.B. in seinem Geschäftsleben vollkommen von Habsucht geprägt wird und andere mit Gewalt unterdrückt, kann er nicht am Brotbrechen teilnehmen, sondern muss hinaus getan werden.

Wenn wir die Praxis unseres Versammlungslebens beobachten, erkennen wir die Gefahr einer gewissen Einseitigkeit. Wenn es um Hurerei geht, liegen die Fakten in der Regel klar und wir kommen zu einem richtigen Urteil. Speziell bei Fällen von Hurerei wird häufig (allerdings nicht immer) deutlich, dass es sich nicht um ein „versehentliches“ Vergehen handelt, sondern dass der Tat ein unguter Zustand voraus gegangen ist. Ein Ausschluss ist somit meistens unumgänglich. Aber wie sieht es mit den anderen Dingen aus? Bei Gott wiegen sie nicht weniger schwer. Natürlich ist die Sünde der Hurerei leichter zu beurteilen, als die Frage, ob jemand ein Lästerer oder ein Räuber oder ein Götzendiener ist. Auch die Frage, wann jemand als ein „Trunkenbold“ zu bezeichnen ist, ist nicht immer ganz einfach zu beurteilen. Wir haben dabei viel Weisheit und Abhängigkeit vom Herrn nötig. Aber es ist falsch, wenn wir nur bei der Sünde der Hurerei nach 1. Korinther 5 handeln und bei anderen Sünden nicht. Das wäre einseitig und ganz sicher nicht nach den Gedanken des Herrn.

Dem Bekenntnis entsprechend handeln

Der entscheidende Punkt war damals, ob jemand ein christliches Bekenntnis hatte oder nicht. Wurde er den „Brüdern“ zugezählt oder nicht – das war die Frage. Wenn jemand Bruder (oder Schwester) genannt wurde, sollte entsprechend mit ihm gehandelt werden. Die Frage für uns heute lautet, ob es sich um Personen handelt, die bekennen, wiedergeboren zu sein. Wenn sich jemand, der „Bruder“ genannt wird, in der Mitte der Gläubigen bewegt, so ist 1. Korinther 5 der Maßstab unseres Handelns.

Ob das Bekenntnis echt ist oder nicht, steht hier nicht zur Diskussion 8. Manchmal ist das für uns gar nicht fest zu stellen. Gerade dann, wenn ein Mensch von einer Sünde gekennzeichnet ist und sich völlig verweigert, mit dem Bösen zu brechen, kommt diese Frage natürlich auf. Aber für die Konsequenz, die Paulus am Ende des Kapitels zieht – nämlich den Bösen aus der Mitte hinaus zu tun – spielt das keine unmittelbare Rolle. Wird er Bruder genannt und ist gleichzeitig ein Böser, müssen wir seinem Bekenntnis entsprechend handeln.

In dem konkreten Fall der Korinther erfahren wir erst im zweiten Brief, dass es tatsächlich ein Gläubiger war (vgl. 2. Kor 2,5–10). Hier in unserem Kapitel lässt Paulus diese Frage offen. Wenn es sich um einen Gläubigen handelt, dann sollen wir auf Wiederherstellung hoffen und dafür beten.

Drinnen und draußen

Es wird jetzt noch einmal zwischen den Menschen der Welt und denen, die ein Bekenntnis haben unterschieden. Mit den Menschen dieser Welt haben wir nichts zu tun, d.h. wir beurteilen und verurteilen sie nicht, sondern halten uns von ihrem bösen Tun getrennt. Mit denen aber, die drinnen sind – die also ein Bekenntnis 9 haben – haben wir sehr wohl zu tun. Paulus schreibt: „Denn was habe ich die zu richten, die draußen sind? Ihr, richtet ihr nicht die, die drinnen sind?“ (Vers 12.13).

Das neue Testament spricht an verschiedenen Stellen von denen, die draußen sind. In Markus 4,11 macht der Herr Jesus selbst einen Unterschied zwischen seinen Jüngern und den Menschen, die „draußen“ waren. In Lukas 13 geht es um das ewige Schicksal solcher Menschen die draußen sind (vgl. Lk 13,25.28; und Off 22,15). Wir, die wir „drinnen“ sind, haben jetzt in der Zeit der Gnade eine besondere Verantwortung. Paulus schreibt den Kolossern: „Wandelt in Weisheit gegenüber denen, die draußen sind, die gelegene Zeit auskaufend“ (Kol 4,5). Den Thessalonichern wurde gesagt: „damit ihr ehrbar wandelt vor denen, die draußen sind, und niemand nötig habt“ (1. Thes 4,12).

Draußen sind die ungläubigen Menschen, die nicht zur Versammlung 10 gehören. Sie unterstehen dem Urteil Gottes. Er wird das Gericht über sie bringen – ein überaus ernster Gedanke. Wir sprechen kein Urteil über die Welt aus – jedenfalls jetzt noch nicht. Wenn wir einmal mit dem Herrn über die Erde herrschen werden, wird das anders sein (vgl. 1. Kor 6,2). Aber jetzt haben wir ausschließlich mit denen zu tun, die drinnen sind, da wo es ein Bekenntnis gibt.

„Richten“ meint natürlich nicht, dass wir über die Beweggründe eines Menschen urteilen. Das steht allein Gott zu. Der Herr Jesus hat selbst gesagt: „... und richtet nicht, und ihr werdet nicht gerichtet werden; verurteilt nicht, und ihr werdet nicht verurteilt werden“ (Lk 6,37). Paulus hatte noch im vorigen Kapitel den Korinthern geschrieben: „So urteilt (richtet) nicht irgendetwas vor der Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Überlegungen der Herzen offenbaren wird; und dann wird einem jeden sein Lob werden von Gott“ (1. Kor 4,5). Es geht nicht darum, die Motive eines Menschen zu beurteilen, sondern das, was nach außen hin sichtbar wird. Es geht des Weiteren nicht darum, jede einzelne Sünde eines Bruders oder einer Schwester zu beurteilen, sondern es geht um einen Bösen. Wenn ein böser Zustand sichtbar wird, so lautet die Aufforderung ganz klar: „Ihr, richtet ihr nicht, die drinnen sind“? Man hat fast den Eindruck, als ob Paulus mit dieser Frage eine Selbstverständlichkeit ausdrücken will.

Vers 13: „Tut den Bösen von euch selbst hinaus“

Die aber draußen sind, richtet Gott; tut den Bösen von euch selbst hinaus“ (1. Kor 5,13).

Mit dieser ernsten Aufforderung endet das Kapitel. Die letzte Aussage und Aufforderung ist einerseits eine komprimierte Zusammenfassung und andererseits eine unausweichliche Schlussfolgerung.

Dieser Vers macht noch einmal ganz klar, dass es um einen Bösen geht, der sich innerhalb der Gläubigen aufhält. Jemand, der nicht regelmäßig die Zusammenkünfte der Gläubigen besucht und mit ihnen am Brotbrechen teilnimmt, kann nicht hinaus getan werden.

Was ist nun ein Böser? Wir haben schon angedeutet, dass es sich um eine Person handelt, die von dem Bösen, das sie tut, geprägt wird. Es geht also nicht nur einfach um Bosheit, sondern darum, dass die Bosheit nicht (mehr) von der Person zu trennen ist. Ohne Frage wird sich eine örtliche Versammlung in vielen Fällen zunächst um eine solche Person bemühen, damit sie ihre Sünde einsieht, damit bricht, sich demütigt und Buße tut. Wenn das nicht gelingt und dadurch klar wird, dass die Gesinnung wirklich verderbt ist und es sich um einen bösen Zustand handelt, dann muss die Versammlung handeln. Sie hat die Pflicht, ein Urteil zu fällen und den Bösen aus ihrer Mitte hinaus zu tun.

Es gibt allerdings Fälle, wo offensichtlich Böses sehr plötzlich und deutlich zu Tage tritt. Die Heiligkeit des Hauses Gottes wird in flagranter Weise verletzt und der Herr wird verunehrt. In solchen Fällen kann selbst eine einmalige Tat (Handlung) einen bösen Zustand offenbar machen. Wenn das der Fall ist, sind Bemühungen der Liebe von Seiten der örtlichen Versammlung – mit dem Ziel einen Ausschluss nicht erforderlich zu machen – nicht mehr erforderlich, sondern sie wird aufgefordert, zu handeln. So war es in dem konkreten Fall in Korinth. Wir finden in 1. Korinther 5 keinen einzigen Hinweis darauf, dass Bemühungen unternommen werden sollten, den Hurer zur Einsicht zu bringen. Der Böse musste hinaus getan werden, weil er sich eindeutig als solcher erwiesen hatte.

Schon im Alten Testament sehen wir sehr klar, wie Gott darüber wacht, dass alles Böse aus der Mitte des irdischen Volkes entfernt wurde. Allein im 5. Buch Mose finden wir diese Aufforderung Gottes an das Volk Israel sieben Mal:

  • „Und jener Prophet oder jener, der die Träume hat, soll getötet werden; denn er hat Abfall geredet gegen den Herrn, euren Gott, der euch aus dem Land Ägypten herausgeführt und dich erlöst hat aus dem Haus der Knechtschaft – um dich abzubringen von dem Weg, auf dem zu wandeln der Herr, dein Gott, dir geboten hat. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen“ (5. Mo 13,6).
  • „Die Hand der Zeugen soll zuerst an ihm sein, ihn zu töten, und danach die Hand des ganzen Volkes. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen“  (5. Mo 17,7).
  • „…so sollt ihr ihm tun, wie er seinem Bruder zu tun beabsichtigte; und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen“ (5. Mo 19,19).
  • „Und alle Leute seiner Stadt sollen ihn steinigen, dass er sterbe; und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen. Und ganz Israel soll es hören und sich fürchten“ (5. Mo 21,21).
  • „…so sollen sie die junge Frau hinausführen an den Eingang des Hauses ihres Vaters, und die Männer ihrer Stadt sollen sie steinigen, dass sie sterbe, weil sie eine Schandtat in Israel verübt hat, zu huren im Haus ihres Vaters. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen“ (5. Mo 22,21).
  • „…so sollt ihr sie beide zum Tore jener Stadt hinausführen und sie steinigen, dass sie sterben: das Mädchen deshalb, weil sie nicht in der Stadt geschrien hat, und den Mann deshalb, weil er die Frau seines Nächsten entehrt hat. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen“ (5. Mo 22,24).
  • „Wenn ein Mann gefunden wird, der einen von seinen Brüdern, von den Kindern Israel, stiehlt, und ihn als Sklaven behandelt oder ihn verkauft, so soll dieser Dieb sterben. Und du sollst das Böse aus deiner Mitte wegschaffen“ (5. Mo 24,7).

Die Heiligkeit Gottes erforderte dieses „Wegschaffen“ des Bösen aus der Mitte seines Volkes. Im Alten Testament war das mit dem Tod der betreffenden Person verbunden. Die Heiligkeit Gottes hat sich nicht geändert. Dennoch handeln wir der Offenbarung Gottes entsprechend in der Haushaltung der Gnade anders als das Volk Israel. Wir töten niemanden, sondern wir tun den Bösen von uns selbst hinaus. Wir tun ihn „aus unserer Mitte“ weg.

Dennoch zeigt uns die Art und Weise, wie Gott im Alten Testament handelte deutlich, welch einen ernsten Charakter sowohl die Sünde eines Gläubigen, als auch die Zuchthandlung einer Versammlung hat. Gleichzeitig erkennen wir, wie vorsichtig wir dabei sein müssen. Jede Zuchthandlung legt einen großen Ernst auf uns. Es muss klar erwiesen sein, dass eine Person böse ist. Wenn es nur Vermutungen und Verdächtigungen gibt, sollten wir immer warten, bis der Herr die Dinge deutlich offenbar macht. Das biblische Prinzip der zwei oder drei Zeugen sollten wir dabei unbedingt beachten.

Der Ausschluss darf niemals ein Mittel sein, um einen unbequemen Bruder oder eine unliebsame Schwester „los zu werden“. Ein solcher Gedanke wäre furchtbar und muss deshalb entschieden zurückgewiesen werden.

Jeder Ausschluss ist eine überaus bedeutungsvolle Handlung, die wir niemals auf die leichte Schulter nehmen können. Die örtliche Versammlung muss vor dem Herrn jeweils Klarheit bekommen, wie sie in einer bestimmten Situation handeln soll.

Fragen wir uns abschließend noch einmal, warum Gott uns eine so klare und schwerwiegende Anweisung gibt, den Bösen hinaus zu tun:

  • Erstens denken wir an den Herrn und an seine Heiligkeit. Er ist der Herr seines Hauses, der Sünde nicht sehen kann. Nicht gerichtetes Böses in der Gegenwart des Herrn und an seinem Tisch zuzulassen, entehrt unseren Herrn. Deshalb muss es hinaus getan werden.
  • Zweitens handeln wir im Blick auf die örtliche Versammlung, die sich durch den Ausschluss des Bösen reinigt. Im zweiten Brief an die Korinther kommt Paulus noch einmal auf den konkreten Fall in Korinth zu sprechen. Er schreibt dort: „Denn siehe, eben dieses, dass ihr Gott gemäß betrübt worden seid, wie viel Fleiß hat es bei euch bewirkt! Sogar Verantwortung, sogar Unwillen, sogar Furcht, sogar Sehnsucht, sogar Eifer, sogar Vergeltung. Ihr habt in allem bewiesen, dass ihr an der Sache rein seid“ (2. Kor 7,11).
  • Drittens denken wir an die Person, die hinaus getan werden muss. Sie soll durch diese Handlung zur Einsicht ihres bösen Zustandes und Handelns und zu einem Bekenntnis kommen. Das Ziel im Blick auf den Ausgeschlossenen ist die Wiederherstellung.
  • Viertens hat ein Ausschluss Auswirkungen im Blick auf die, „die draußen sind“. Diesen Gedanken hatten wir bisher noch nicht vor uns, er ist aber wichtig. Die Welt beobachtet uns. Wenn sie sieht, dass wir „in unserer Mitte“ Sünden dulden, die in der Welt zwar normal sind, bei Kindern Gottes aber nicht, so wird das Zeugnis gelästert. Wenn wir in unserer Mitte Dinge öffentlich sichtbar tolerieren, durch die unsere Mitmenschen dazu veranlasst werden, mit Fingern auf uns zu zeigen, dann wird der Herr in starkem Maß verunehrt. Ein glaubhaftes Zeugnis ist in einem solchen Fall nicht (mehr) möglich. Eine örtliche Versammlung muss dann klar zeigen, dass sie mit dieser Sünde nichts zu tun haben kann und will. Als der König David in Sünde gefallen war, sagte der Prophet Nathan ihm: „Nur weil du den Feinden des Herrn durch diese Sache Anlass zur Lästerung gegeben hast, so soll auch der Sohn, der dir geboren ist, gewiss sterben“ (2. Sam 12,14).

Schlussbemerkung

Unser Kapitel wirft Licht auf ein sehr ernstes und wichtiges Thema, das wir nicht umgehen können. Der große Hauptgedanke, den wir in Verbindung damit im Auge behalten müssen ist, dass dem Haus des HERRN Heiligkeit geziemt (Ps 93,5).

Wenn sich Böses in der Mitte der Gläubigen zeigt, dann können und dürfen wir nicht gleichgültig sein. Wir müssen einerseits darüber Leid tragen und uns demütigen. Andererseits müssen wir entsprechend den Anweisungen der Bibel handeln.

  • Nur so entsprechen wir in der Praxis der Heiligkeit des Herrn.
  • Nur so kann sich eine örtliche Versammlung reinigen.
  • Nur so kann die betreffende Person zur Wiederherstellung gebracht werden.
  • Nur so können wir wirklich ein Licht und Zeugnis für die Welt sein.

Unser Kapitel mahnt uns gleichzeitig zu größter Vorsicht. Wenn wir wirklich nach den Grundsätzen der Bibel handeln wollen, müssen wir zunächst auf den Knien vor dem Herrn erkennen, wer wir selbst sind. Jedes Vorurteil sollte weg getan werden. Die Heiligkeit Gottes muss aufrecht erhalten bleiben, indem wir Zucht ausüben, wo der Herr es will. Aber die Gefahr besteht, dass wir da Zucht ausüben und nach 1. Korinther 5 handeln, wo es nicht erforderlich ist. Davor möge der Herr uns bewahren. Was wir in jedem Einzelfall nötig haben, ist Abhängigkeit von Ihm.

Ein Handeln nach 1. Korinther 5 kann nie ein „schablonenmäßiges“ Handeln sein. Jeder konkrete Fall ist unterschiedlich und muss in ernstem Gebet vor dem Herrn besehen werden. Wenn wir abhängig von Ihm nach dem richtigen Weg suchen, wird er sich zu uns bekennen und uns helfen. Dafür wollen wir Ihm danken.

Fußnoten

  • 1 Chr. Briem erklärt das Wort wie folgt: „porneia = Hurerei treiben, sich zur Unzucht preisgeben“. Das entsprechende Tätigkeitswort wird so erklärt: „Unzucht treiben, buhlen; ungesetzmäßigen sexuellen Lüsten Raum geben (in Bezug auf jedes Geschlecht)“ vgl. Chr. Briem: Wörterbuch zum Neuen Testament.
  • 2 Dieser wichtige Hinweis aus der Schöpfungsordnung Gottes wird im Neuen Testament mehrere Male wiederholt. Zweimal spricht der Herr Jesus davon (vgl. Mt 19,5; Mk 10,7). Er zeigt, dass diese Einheit nicht getrennt werden kann. Paulus erwähnt diesen Vers in 1. Korinther 6,16 und verbindet damit das Verbot der Hurerei. Schließlich wird dieser Vers in Epheser 5 zitiert und macht deutlich, welch einen hohen Stellenwert die Vereinigung von Mann und Frau in der Ehe hat. „Dieses Geheimnis ist groß, ich aber sage es in Bezug auf Christus und die Versammlung“ (Eph 5,32).
  • 3 Gemeint ist hier nicht der Heilige Geist, sondern der Geist des Apostels. „Geist“ steht hier im klaren Gegensatz zum Leib, d.h. zum Körper von Paulus. Er war eben nicht leibhaftig bei ihnen, wohl aber „im Geist“.
  • 4 Die Frage, ob jemand, der aus der Gemeinschaft am Tisch des Herrn ausgeschlossen werden muss, tatsächlich Leben aus Gott hat oder nicht, müssen wir Gott überlassen. In manchen Fällen ist sein Verhalten dazu angetan, dies aus unserer Perspektive zumindest in Frage zu stellen. Für uns wird die Frage erst dann beantwortet, wenn die betreffende Person wieder zugelassen werden kann (wie es bei dem Mann in Korinth der Fall war – siehe 2. Kor 2) oder spätestens am Richterstuhl des Christus.
  • 5 Als Beispiel nennen wir den Brief an die Laodicäer, der in Kolosser 4,16 erwähnt wird, oder der Brief des Johannes, den er an die Versammlung schrieb, in der sich Gajus und Diotrephes befanden (vgl. 3. Joh 1,9). Jedenfalls können wir davon ausgehen, dass es nicht die Absicht Gottes war, uns diese Briefe im Kanon der Heiligen Schrift zu bewahren.
  • 6 Eine ähnliche grammatische Konstruktion finden wir z.B. in Galater 6,11 und in 1. Johannes 2,21.26.
  • 7 Dabei wollen wir beachten, dass es in den Versen 9-11 nicht ausschließlich um Personen geht, die von der Gemeinschaft am Tisch des Herrn ausgeschlossen werden mussten. Die Aufforderung, den Bösen hinaus zu tun, erfolgt erst in Vers 13. Die hier gegebenen Hinweise finden also ebenso Anwendung auf Personen aus „der Mitte der Gläubigen“, die als wiedergeboren gelten und bisher nicht am Brotbrechen teilnehmen, aber in den hier genannten Sünden leben. Das ist ein Punkt, der in der Praxis des Versammlungslebens oft nicht bedacht und beachtet wird.
  • 8 An und für sich ist das natürlich die wichtigste Frage überhaupt, denn sie entscheidet über das ewige Schicksal eines Menschen, aber an dieser Stelle geht es – wie übrigens ebenso an manchen anderen Stellen im Neuen Testament – um die Frage des Bekenntnisses.
  • 9 In den ersten Jahrzehnten des Christentums war ein solches Bekenntnis natürlich ein „christliches Bekenntnis“. Wer sich zum Christentum bekannte, wurde zu den Gläubigen gezählt. Heute ist das anders. Es gibt viele Menschen, die sehr wohl ein christliches Bekenntnis haben (z.B. durch die Taufe), aber durchaus nicht zu den Gläubigen gezählt werden können. Wenn wir hier also von „Bekenntnis“ sprechen, müssen wir in der Anwendung auf uns von dem Bekenntnis sprechen, wiedergeboren zu sein.
  • 10 Versammlung meint hier die „Herausgerufenen“, also die Summe all derer, die in der Zeit der Gnade den Herrn Jesus im Glauben angenommen haben.
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